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Dreizehntes Kapitel.

»Ah! where shall I so sweet a dwelling find!
For all around, without, and all within
Nothing save what delightful was and kind
Of goodness favouring and a tender mind,
E'er rose to view.« James Thomson: The Castle of Indolence. Canto II, I, V.2-6.

Thomson.

Das Fest, welches der Marquis einige Zeit nach der Hochzeit, den Neuvermählten zu Ehren, gab, wurde auf einem prächtigen Lustschloß gegeben, welches Vivaldi einige Meilen von Neapel am Rande des Meerbusens, einer Villa, die der Lieblingsaufenthalt der verstorbnen Marquise gewesen war, gegen über, besaß. Die Schönheit seiner Lage und die innere geschmackvolle Einrichtung bestimmten Vivaldi und Ellena, es zu ihrem Hauptsitze zu wählen. Es war in der That eine Scene aus der Feenwelt. Die Gärten zogen sich über ein Thal hin, welches an den Meerbusen stieß, und das Haus stand am Eingange dieses Thals auf einer sanften Anhöhe, welche das Wasser einfaßte, und eine Aussicht auf die ganze Fläche seiner üppigen Ufer gab, von dem hohen Kap Miseno an, bis zu den kühnen Gebürgen im Süden, welche sich queer durch die Ferne hinstreckend, aus der See empor zu steigen schienen, und den Meerbusen von Neapel von dem von Salerno trennten.

Die marmornen Portico's und Arkaden der Villa wurden von schönen Palmen und Cederwäldchen beschattet, und die kühlen, luftigen Säle, welche sich von zwei entgegengesetzten Seiten in einen Säulengang öfneten, ließen nach Westen zu, das reiche Laubwerk aller Seen und Ufer von Neapel sehen; nach Osten gieng die Aussicht auf das Thal, welches zum Gut gehörte, und sich zwischen Hügeln hinzog, die bis an ihre Gipfel mit Wald eingefaßt waren, außer wo Klippen von vielfärbigem Granit, gelb, grün und purpurfarben, ihre schlanken Häupter empor huben, und fröhliche Lichtstrahlen auf die schattigte Landschaft warfen.

Die Anlage der Gärten, wo Rasenplätze, kleine Wäldchen und größeres Gehölz auf der wellenförmigen Oberfläche abwechselten, war mehr in Englischem als Italienischem Geschmack, ausgenommen, wo eine lange Allee, über das hohe Meer hervorragend, solche gigantisch hohe Schatten und eine Größe der Perspektive zeigte, die den Italienischen Geschmack characterisiren.

An diesem Tage der Feier, war jeder Zugang, jedes Wäldchen, jeder Pavillon reich illuminirt. Die Villa selbst, wo jeder luftige Saal und jede Arkade von Licht wiederstrahlte, und die verschwenderisch mit Blumen und den schönsten Gesträuchen geschmückt war, deren Knospen alle Wohlgerüche Arabiens in die Luft zu ergießen schienen, diese Villa glich mehr einem durch Bezauberung hervorgerufenen Gebäude, als einem Machwerk menschlicher Kunst.

Die Kleidung der vornehmen Gäste war eben so prachtvoll als die Scene, wovon Ellena in jedem Betracht die Königin war. Allein dieses Fest wurde nicht für Personen von Stande allein gegeben, denn sowohl Vivaldi als Ellena hatten gewünscht, daß alle Pächter und Bauern auf ihren Gütern daran Theil nehmen, und die überschwengliche Glückseligkeit, welche sie genossen, theilen sollten – so daß die Wiesen, welche geräumig genug waren, alle Stände zu fassen, der allgemeinen Freude geweiht schienen. Paulo machte bei dieser Gelegenheit eine Art von Marschall und tanzte, was er so oft gewünscht hatte, noch einmal auf dem vom Monde beleuchteten Ufer von Neapel.

Als Vivaldi und Ellena vor dem Orte vorbei kamen, den Paulo zur Scene seines Festes gewählt hatte, standen sie still, um seine seltsamen Kapriolen und närrischen Gebehrden zu bemerken, wenn er sich in den Tanz mischte, während er von Zeit zu Zeit, obgleich halb athemlos von der Heftigkeit seiner Bewegungen ausrief: O giorno felice! O giorno felice!

Als er Vivaldi gewahr wurde, und das Lächeln bemerkte, womit er und Ellena ihn betrachteten, verließ er seine Belustigung und trat zu ihnen. »Ach, mein theuerster Herr!« sagte er; »erinnern Sie sich noch der Nacht, als wir an den Ufern des Celano reisten, ehe dieser teuflische Auftritt in der Kapelle San Sebastian sich ereignete? Wissen Sie noch, wie diese Leute, die so fröhlich bei Mondenlichte hintrippelten, mich an Neapel und an die vielen fröhlichen Tänze, die ich am Ufer hier durchhupft hatte, erinnerten?«

»Ich weiß es noch sehr gut,« erwiederte Vivaldi.

»Ach, Signor mio, Sie sagten damals, Sie hofften, wir würden bald hier seyn, und ich würde dann mit so leichtem Herzen als der Beste unter ihnen forthüpfen. Der erste Theil Ihrer Hoffnung, mein theuerster Herr, wurde vereitelt, denn wir haben würklich durch ein Fegefeuer gehen müssen, ehe wir das Paradies erreichten, – der zweite aber ist endlich in Erfüllung gegangen: denn hier bin ich leibhaftig, tanze bei Mondenlicht in meinem eignen lieben Meerbusen von Neapel bei meinem lieben Herrn und Fräulein, die beide in Sicherheit und beinahe so vergnügt sind als ich selbst, und bei jenem alten Berge dort, dem Vesuv, den ich meiner Treu, niemals wieder Feuer speien zu sehn glaubte, so wie damals, als wir uns in die Inquisition begaben! O wer hätte das alles vorhersehn können! O giorno felice! O giorno felice!«

»Ich freue mich über dein Glück beinahe so sehr, als über mein eignes, mein guter Paulo,« sagte Vivaldi, »ob ich gleich, was die Vergleichung betrift, die du zwischen Beiden anstellst, nicht ganz deiner Meinung bin.«

»Paulo,« sagte Ellena, »ich bin dir weit mehr, als ich dir jemals vergelten kann, verbunden: denn deiner unerschrocknen Liebe verdankt dein Herr seine gegenwärtige Sicherheit. Ich will nicht versuchen, dir für deine Liebe gegen ihn zu danken: meine Sorge für deine Wohlfahrt soll dir beweisen, wie sehr ich sie zu schätzen weiß; allein ich wünsche alle deine Freunde zu überzeugen, wie sehr ich deinen Werth erkenne und fühle.«

Paulo verneigte sich und stammelte, und krümmte sich und erröthete, und war unvermögend zu antworten, bis er endlich plötzlich hoch von der Erde aufsprang und die Bewegung, die ihn beinahe erstickt hatte, in Worte ausbrechen ließ. » O giorno felice! O giorno felice!« strömte mit der Kraft einer elektrischen Berührung von seinen Lippen. Diese Worte theilten seinen Enthusiasmus der ganzen Gesellschaft mit – sie giengen wie ein Blitzstrahl von einem Munde zum andern über, bis Vivaldi und Ellena sich unter einem Choralgeschrei zurückzogen und alle Wälder wiederhallten: » O giorno felice! O giorno felice!«

»Ihr seht,« sagte Paulo, als sie sich getrennt hatten, und er wieder zu sich selbst kam, »Ihr seht, wie sich die Leute durch das Unglück schlagen können, wenn sie nur ein Herz haben, sich dagegen zu waffnen, und nichts begehen, was ihnen nachher auf dem Gewissen liegen könnte: und wie schnell ein Mensch glücklich werden kann, wenn er gerade denkt, daß er und das Glück auf immer geschieden wären. Wer hätte auch denken sollen, als wir von diesen alten Teufeln von Inquisitoren vorgenommen wurden, die alle in einer Reihe an einem mit schwarz beschlagnen Platze unter der Erde saßen, und nichts als Fackeln um sich her brennen hatten, und uns mit grimmigen Gesichtern anklotzten, die eben so schwarz aussahen, als ihre Wände, und wo mir nicht einmal so viel erlaubt wurde, den Mund zu öfnen, ja wahrhaftig, ich durfte nicht einmal gegen meinen Herrn den Mund aufmachen – wer hätte sich vorstellen können, sage ich, daß sie uns jemals wieder loslassen würden! Wer hätte sich vorstellen können, sage ich noch einmal, daß wir jemals wieder erfahren würden, was es heißt, glücklich seyn! Allein hier sind wir alle nach der Reihe wieder versammelt, alle in Freiheit! und dürfen, wenn es uns gefällt, von einem Ende der Erde zu dem andern und wieder zurück laufen, ohne daß wir fürchten dürfen, angehalten zu werden. Wir dürfen in der See schwimmen, oder im Himmel fliegen, oder uns Hals über Kopf in den Mond tummeln! Denn noch einmal, meine Freunde, wir haben keinen Stachel in unserm Gewissen, der uns nieder hielte!«

»Wohl dürft Ihr in der See schwimmen, oder im Himmel fliegen,« merkte eine ernsthafte Person neben ihm an, »was aber das Hals über Kopf in den Mond tummeln betrifft, so weiß ich nicht, was Ihr darunter versteht!«

»Pah!« erwiederte Paulo, »wer kann sich jetzt in diesem Augenblick damit aufhalten, über das nachzugrübeln, was man sagt. Ich wünschte, daß alle, die in dieser Nacht nicht fröhlich genug sind, um zu sprechen, ehe sie denken, in alle Ewigkeit ernsthaft genug bleiben mögen, zu denken, ehe sie sprechen! Aber Ihr alle, keiner von Euch, nein, ich wette, keiner von euch sah jemals das Dach eines Gefängnisses, wo Euer Herr unten im Kerker saß; keiner hat empfunden, was es sagen will, wenn einer sich gezwungen sieht fortzulaufen, und seinen Herrn zurückzulassen, um für sich allein zu sterben. Ihr armen Tröpfe! Allein das hat nichts zu sagen! Ihr könnt demohngeachtet vielleicht ganz vergnügt seyn, wenn Ihr Euch auch nicht vorstellen könnt, wie glücklich ich bin, oder wenn Ihr auch nichts von der Sache versteht. Ach das geht weit über alles hinaus, was eure Köpfe sich vorstellen können. O giorno felice! O giorno felice!« wiederholte Paulo, indem er fortsprang, um sich unter die Tanzenden zu mischen, und O giorno felice! jauchzte aufs neue das Chor seiner fröhlichen Gefährten!

 

Ende.

* * *


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