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Siebentes Kapitel.

The Bell then beating one! Die Glocke schlug eben ein Uhr. [»Hamlet«, I, 1]

Shakespeare.

Vivaldi verfügte sich indeß, ohne zu wissen, was auf der Villa Altieri vorgegangen war, seinem Vorsatze gemäß, mit seinem Bedienten Paulo nach Paluzzi. Es war tief in der Nacht, ehe er Neapel verließ, und es lag ihm so viel daran, unbemerkt zu bleiben, daß er Paulo die Fackel nicht eher anzuzünden befahl, bis er eine Weile in dem Schwibbogenwege würde verweilt haben: denn er hielt es für klüger, eine Zeitlang insgeheim auf seinen unbekannten Rathgeber zu warten, ehe er zur Untersuchung der Festung schritte.

Sein Begleiter Paulo, war ein ächter Neapolitaner, schlau, forschend, einschmeichelnd, verschlagen; er besaß viel Geist der Intrigue und viel Laune Laut Ausweis des Grimm'schen Wörterbuchs hat »Laune« auch im 18. Jh. nicht die Bedeutung dessen, was hier gemeint ist. Im englischen Original findet sich »humour«, das in der Tat zwar auch ›Laune, Stimmung‹ bedeuten kann; hier jedoch geht es um die Kennzeichnung eines humorvollen Charakters, der Vivaldi im Folgenden abgesprochen wird (»wenn er gleich selbst nicht eigentlich Laune besaß«); ein paar Sätze weiter übersetzt Liebeskind jedoch »humour« korrekt: »Der Humor und die Naivität dieses Menschen …«. - Die oben erwähnte » Neubearbeitung« von Maria Weber sieht sich auch hier nicht genötigt, die Vorlage zu korrigieren. – D.Hg. dazu, die sich nicht sowohl in seinen Worten, als in seinem Gesicht und Betragen, in dem Muthwillen seines dunkeln, durchdringenden Auges und in seiner außerordentlich treffenden Gestikulation zeigte. Er war ein ausgezeichneter Liebling seines Herrn, der, wenn er gleich selbst nicht eigentlich Laune besaß, sie doch an Andern ungemein liebte, und gewiß in einem vorzüglichen Grade Witz Wenn der, dem soeben der Humor abgesprochen wurde, nur über »Witz« verfügt, so ist zu bedenken, dass im 18. Jh. damit das im Frz. als »esprit« Bezeichnete gemeint ist: Geist, Scharfsinn - so auch im Englischen damals »wit«, wie es sich im Original findet. Insofern halte ich die von Friedrich Polakovics in seiner Übersetzung von 1973 an dieser Stelle gewählte Übersetzung »Mutterwitz« für verfehlt. – D.Hg. mit all' seinem lebhaften Gefolge besaß. Der Humor und die Naivität dieses Menschen hatte Vivaldi so sehr gewonnen, daß er ihm eine ungewöhnliche Vertraulichkeit im Gespräche vergönnte, und als er mit ihm zusammen nach Paluzzi gieng, entdeckte er ihm so viel von seinem vorigen Abentheuer, als er für nöthig hielt, um seine Neugier ins Spiel zu bringen und seine Wachsamkeit anzufeuern. Die Erzählung bewürkte Beides.

Paulo, beherzt von Natur, wußte von keinem Aberglauben; und da er schnell merkte, daß sein Herr nicht ganz ungeneigt war, die außerordentlichen Erscheinungen zu Paluzzi einer übernatürlichen Ursache zuzuschreiben, so fieng er an, ihn nach seiner Art aufzuziehn: allein Vivaldi war nicht in der Stimmung, Scherz zu ertragen; seine Seele war heute ernsthaft bis zum Feierlichen, und er gab, wiewohl widerstrebend, dem Schauder nach, der zu Zeiten mit der Gewalt einer magischen Berührung ihn überfiel, alle seine Kräfte zum Ernste band und sie in Erwartung spannte. Während er kaum an eine Vertheidigung gegen menschliche Kräfte dachte, bereitete sein Bedienter sich auf diese allein, und stellte ihm sehr vernünftig vor, wie unvorsichtig es sey, im Dunkeln nach Paluzzi zu gehn.

Vivaldi erwiederte, daß sie den Mönch nicht anders als im Dunkel belauschen konnten, daß die Fackel, die ihnen leuchtete, zu gleicher Zeit ihn warnen würde, und daß er seine guten Gründe hätte, vorher zu lauern, ehe er zur Untersuchung schritte. Sie könnten nach einiger Zeit, setzte er hinzu, die Fackel in einer benachbarten Hütte anzünden. Paulo wandte ein, daß die Person, auf die sie lauerten, unterdessen entwischen könnte, und Vivaldi gab ihm nach. Die Fackel wurde angezündet, aber in einer Felsenspalte am Wege verborgen, und die Aufpasser nahmen ihren Platz im Dunkeln in dem tiefen Bogen, nahe an der Stelle, wo Vivaldi mit Bonarmo gewacht hatte.

Indem sie da standen, sagte ihnen das ferne Läuten eines Klosters, daß es Mitternacht vorbei sey. Dieser Ton erinnerte Vivaldi an Schedonis Worte wegen der Nachbarschaft des Klosters der Schwarzen Büßenden, und er fragte Paulo, ob dies die Glocke jenes Klosters sey? Paulo bejahte es, und setzte hinzu, daß ein merkwürdiger Umstand ihm die Erinnerung an Santa del Pianta oder Unsre Frau der Thränen eingeprägt hätte.

»Der Ort würde Sie interessiren, Signor,« sagte Paulo, »denn man erzählt einige seltsame Geschichten davon; und ich denke immer, dieser unbekannte Mönch muß einer von dieser Gesellschaft seyn. Sein Betragen ist so seltsam.«

»Du glaubst also, daß ich geneigt bin, wunderbaren Geschichten Glauben zu geben,« sagte Vivaldi lächelnd. »Aber was hast du denn so Seltsames von diesem Kloster gehört? Sprich leise, sonst könnten wir entdeckt werden.«

»Aber, Signor, die Geschichte ist nicht allgemein bekannt;« sagte Paulo flüsternd; »ich habe halb und halb versprochen, sie nie zu entdecken.«

»Wenn du ein Versprechen des Schweigens abgelegt hast,« unterbrach ihn Vivaldi, »so verbiethe ich dir, diese wunderbare Geschichte zu entdecken, wiewohl sie etwas zu groß scheint, um in deinem Gehirn zu bleiben.«

»Die Geschichte möchte sich gerne in das Ihrige ergießen, Signor,« sagte Paulo, »und da ich nicht durchaus versprochen habe, sie zu verheelen, so bin ich sehr bereit, sie zu entdecken.«

»So fahre nur fort,« sagte Vivaldi, »aber laß dich noch einmal bitten, leise zu reden.«

»Ich werde Ihnen gehorchen, Signor! Wissen Sie also, daß am Abend des St. Marcus Festes vor sechs Jahren –«

»Stille,« sagte Vivaldi – sie lauschten, aber alles blieb still, und Paulo wagte es nach einiger Zeit, aber ganz leise, fortzufahren.

»Am Abend des St. Marcus Festes, als die letzte Glocke geläutet hatte, kam –« Er hielt aufs neue inne, denn es rauschte etwas dicht neben ihm.

»Du kömmst zu spät,« sagte plötzlich eine Stimme, die Vivaldi sogleich für die gellende Stimme des Mönchs erkannte: »es ist Mitternacht vorbei – vor einer Stunde schied sie davon – Sieh auf deine Schritte!«

Obgleich durch diese wohlbekannte Stimme durchbebt, hieng Vivaldi seinen Gefühlen doch keinen Augenblick nach: er unterdrückte die Frage, »wer schied davon?« und suchte durch einen plötzlichen Sprung den heimlichen Gast zu ergreifen, während Paulo im ersten Feuer eine Pistole losschoß, und dann nach der Fackel lief. Vivaldi glaubte so gewiß, auf dieselbe Stelle gesprungen zu seyn, von welcher der Ton hervorgieng, daß er sogleich die Arme ausstreckte und rings umher suchte, in der sichern Erwartung, jeden Augenblick seinen Feind zu packen. Die Dunkelheit vereitelte wieder sein Bemühn.

»Du bist gekannt,« rief Vivaldi, »du sollst mich in der Santa del Pianto sehn! O Paulo, die Fackel, die Fackel!«

Paulo, schnell wie der Wind, erschien damit. Er stieg die Stufen im Felsen hinauf.

»Signor, ich sah den Saum seines Gewandes!«

»So folge mir denn,« sagte Vivaldi, »die Stufen herauf steigend« –

»Platz, Platz, Herr!« sagte Paulo ungeduldig, »aber ums Himmels willen, nennen Sie das Kloster Santa del Pianto nicht mehr: wir konnten mit dem Leben dafür stehn müssen!«

Er folgte ihm auf die Terrasse, wo Vivaldi, die Fackel hoch haltend, sich nach dem Mönche umsah; allein der Ort war, so weit sein Auge dringen konnte, verlassen und still. Der Schein der Fackel erleuchtete nur die rauhen Mauern der Citadelle, einige Felsenspitzen unten und einige schlanke Fichten, die über ihnen wehten: viele Winkel der Ruinen und viele verwickelte Gebüsche, die sich die Felsen hinab zogen, blieben im Dunkeln.

»Siehst du jemand, Paulo,« sagte Vivaldi, und schwenkte die Fackel in der Luft, um den Schein heller zu machen.

»Mich dünkt, ich seh zwischen jenen Bogen zur Linken, den Bogen, die so dunkel hinter der Citadelle stehn, einen Schatten hingleiten. Nach seinem Stillschweigen könnte es wohl ein Geist seyn; allein er scheint einen guten sterblichen Instinkt zu haben, und mit einem Paar so schneller Fersen versehn zu seyn, als nur irgend ein Lazaroni Lazzaroni war vom 17. bis zum 19. Jh. eine Bezeichnung für einen Teil der Unterschicht Neapels; Lazzaroni hatten weder eigene Wohnungen noch Arbeit. Da Lazzaroni Plural ist, müsste es an dieser Stelle eigentlich »Lazzarone« heißen. – D.Hg. in Neapel sich wünschen kann.«

»Weniger Worte und mehr Vorsicht,« sagte Vivaldi, indem er die Fackel niedriger und nach der Gegend hin hielt, die Paulo angezeigt hatte. »Sey wachsam und tritt leise auf.«

Sie giengen leise auf die Reihe von Schwibbogen zu, die mit dem Gebäude zusammen hiengen, dessen sonderbare Bauart einmal Bonarmos Aufmerksamkeit auf sich zog, und wohin Vivaldi mit so unerwarteter Eile und Bestürzung zurückkehrte.

Als er den Ort bemerkte, welchem sie sich näherten, stand er plötzlich still und Paulo, der seine Unruhe wahrnahm, und vermuthlich auch eben keinen Geschmack an dem Abendtheuer fand, suchte ihn von weiterm Nachsuchen abzuhalten.

»Wir wissen nicht, Signor, wer diesen finstern Ort bewohnt, oder wie groß ihre Anzahl ist: denn unsrer sind nur zwei! Zudem, Signor, war es durch jene Thüre dort« – er zeigte gerade auf die Stelle, wo Vivaldi so voll Schrecken hervorkam – »durch jene Thüre, dünkt mich, seh' ich so eben etwas schlüpfen.«

»Weißt du das gewiß?« sagte Vivaldi mit steigender Bewegung. »Welche Gestalt hatte es?«

»Das konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen.«

Vivaldis Augen waren fest auf das Gebäude gerichtet, und ein heftiger Kampf von Gefühlen schien seine Seele zu erschüttern. Wenige Sekunden entschieden ihn.

»Ich will weiter gehn,« sagte er, »und dieser unerträglichen Ungewißheit ein Ende machen, auf welche Gefahr es auch sey. Paulo, warte einen Augenblick und überlege wohl, ob du dich auf deinen Muth verlassen kannst. Er dürfte vielleicht auf eine harte Probe gestellt werden. Getraust du es dir, so steige ganz stillschweigend mit mir herunter; aber ich warne dich, sey vorsichtig. Getraust du es dir nicht, so will ich alleine gehn.«

»Es ist jetzt zu spät, die Frage an mich zu thun,« erwiederte Paulo mit unterwürfigem Wesen; »hätte ich sie nicht schon lange zuvor ausgemacht, so würde ich Ihnen nicht so weit gefolgt seyn. Sie haben noch nie an meinem Muthe gezweifelt, Signor.«

»So komm denn,« sagte Vivaldi.

Er zog den Degen und gieng durch die schmale Thüre; die Fackel, die er jetzt an Paulo gegeben hatte, zeigte ihnen einen steinernen Gang, der für das Auge unendlich war.

Indem sie weiter giengen, bemerkte Paulo, daß die Mauern an einigen Stellen mit Blut befleckt schienen; allein er enthielt sich weislich, seinen Herrn darauf aufmerksam zu machen, und befolgte streng das Geboth des Stillschweigens, das er ihm auferlegt hatte.

Vivaldi schritt behutsam fort; er stand oft still, um zu horchen, worauf er mit schnellerem Schritte weiter gieng und Paulo nur durch Zeichen zu verstehen gab, ihm zu folgen, und wachsam zu seyn. Der Gang endigte mit einer Windeltreppe, die in unterirrdische Gewölbe zu führen schien. Vivaldi erinnerte sich an das Licht, welches jenesmal dort erschien, und da die Erinnerung des Vergangnen sich an seine Seele drängte, schwankte er aufs neue in seinem Vorsatz.

Er stand wieder still und sah sich nach Paulo um – gieng aber weiter, als Paulo selbst ihn beim Arm ergriff.

»Stehn Sie still, Signor,« sagte er leise – »Sehn Sie nicht eine Figur dort im Dunkeln stehn?«

Vivaldi sah hin und erblickte undeutlich eine Art von menschlicher Figur, die aber still und bewegungslos stand. Sie stand nahe am äußersten Ende des Ganges neben der Windeltreppe. Seine Kleider, wenn es anders Kleider waren, waren dunkel; allein seine ganze Figur sprang so undeutlich ins Auge, daß es unmöglich war zu bestimmen, ob es der Mönch sey. Vivaldi nahm das Licht und hielt es vorwärts, um, wo möglich, den Gegenstand zu erkennen, ehe er sich weiter wagte: allein es war vergebens, er gab Paulo die Fackel hin und drang weiter. Als er aber die Windeltreppe erreichte, war die Gestalt, was es auch seyn mochte, verschwunden. Vivaldi hörte keinen Fußtritt. Paulo zeigte ihm genau die Stelle, wo es gestanden hatte; aber es war keine Spur zu sehn. Vivaldi rief mit lauter Stimme den Mönch; allein er hörte nur den verlängerten Nachhall seiner eignen Stimme von unten herauf tönen und nachdem er eine Weile an der Treppe gestanden hatte, stieg er hinab.

Paulo war ihm noch nicht viele Stufen gefolgt, als er ausrief: »Es ist da, Signor; ich sehe es wieder! jetzt schlüpft es durch die Thüre, die nach den Gewölben führt.«

Vivaldi setzte mit solcher Schnelligkeit nach, daß Paulo ihm kaum schnell genug mit dem Lichte folgen konnte, und als er endlich still stand, um Athem zu schöpfen, sah er sich in demselben geräumigen Zimmer, in welches er jenesmal herunter gestiegen war. In diesem Augenblick sah ihn Paulo das Gesicht verändern.

»Ihnen ist nicht wohl, Signor,« sagte er. »Im Namen unsers Heiligen, lassen Sie uns diesen schrecklichen Ort verlassen. Seine Einwohner können nichts Gutes thun, und nichts Gutes kann aus unserm Hierbleiben entstehn.«

Vivaldi antwortete nicht: er schöpfte kaum Athem, und seine Augen blieben starr auf den Grund geheftet, bis ein Geräusch, gleich dem Krachen einer schweren Angel in einer fernen Gegend des Gewölbes aufstieg. Paulo richtete in demselben Augenblick die Augen nach dem Orte, woher es kam, und sie sahen Beide eine Thüre in der Mauer langsam öffnen und sogleich wieder zumachen, als wenn die Person inwendig entdeckt zu werden gefürchtet hätte. Sie hielten es Beide für dieselbe Gestalt, die sie an der Windeltreppe gesehn hatten, und glaubten, daß es der Mönch selbst sey. Durch diesen Gedanken angefeuert, bekamen Vivaldis Nerven alle ihre Schwungkraft wieder, und er sprang an die Thüre, die unbefestigt war, und seiner ungestümen Hand sogleich nachgab.

»Du sollst mich nicht wieder betrügen,« rief er, indem er herein trat. »Paulo, bewache die Thüre!«

Er sah sich rings in dem zweiten Gewölbe um, wo er sich jetzt befand, aber es war niemand zu erblicken, er untersuchte den Ort und besonders die Mauern, ohne eine Spalte, Thüre oder Fenster zu entdecken, durch welches die Gestalt entwischt seyn könnte; ein stark vergittertes Fenster nahe an der Decke, war alles, was die Luft und vermuthlich auch Licht herein ließ. Vivaldi war voll Erstaunen!

»Hast du etwas vorüber gehn sehn?« sagte er zu Paulo.

»Nichts, Signor,« erwiederte der Bediente.

»Es ist beinahe unglaublich,« rief Vivaldi, »gewiß, dieses Ding kann nichts Menschliches seyn!«

»Warum sollte es uns denn fürchten,« merkte Paulo an, »wie es doch sichtlich thut; warum sollte es geflohn seyn?«

»Es kann bloß geflohn seyn, um uns ins Verderben zu stürzen,« erwiederte Vivaldi. »Aber bring die Fackel hieher. Hier in der Mauer ist etwas, das ich zu untersuchen wünsche.«

Paulo gehorchte. Es waren blos einige rauhe Steine, keine Abtheilung einer Thüre.

»Dieß ist unerklärlich,« rief Vivaldi nach einer langen Pause. »Was konnte irgend ein menschliches Wesen bewegen, mich so zu peinigen!«

»Oder auch ein übermenschliches, mein Herr,« sagte Paulo.

»Man hat mich vor Uebeln gewarnt, die auf mich warten,« fuhr Vivaldi bedenklich fort; »vor Begebenheiten, die bereits eingetroffen sind; das Wesen, welches mich warnt, läuft mir unaufhörlich in den Weg, und entwischt immer mit der List eines Dämons meinen Armen und vereitelt mein Suchen. Es ist unbegreiflich, auf welche Art es immer meinem Auge entgleitet, und bei meiner Annäherung gleichsam in Luft zerschmilzt. Es ist unaufhörlich um mich, und doch nirgends zu finden.«

»Es ist sehr wahr, Signor, daß er nirgends zu finden ist: eben deswegen lassen Sie sich erbitten, die Nachforschung aufzugeben. Dieser Ort ist schon genug, einen an die Schrecken des Fegefeuers glauben zu machen! Lassen Sie uns gehn, Signor!«

»Was sonst als ein Geist,« fuhr Vivaldi fort, ohne auf Paulo zu achten, »was sonst als ein Geist könnte diese Gewölbe so geheimnißvoll verlassen haben?«

»Ich möchte gerne beweisen,« sagte Paulo, »daß eine Substanz von Fleisch es eben so leicht verlassen kann; ich möchte selbst gerne durch die Thüre entschlüpfen.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als die Thüre sich mit einem donnernden Schlage, der durch alle Gewölbe wiederhallte, schloß. Vivaldi und Paulo. standen einen Augenblick wie Geister, und eilten dann Beide, sie zu öffnen und den Ort zu verlassen. Zu ihrer unbeschreiblichen Bestürzung fanden sie, daß alles Bemühn, die Thüre zu öffnen, vergebens war. Das dicke Holz war mit starken eisernen Stangen eingelegt, und von so unüberwindlicher Stärke, daß sie sichtlich zur Verwahrung eines Gefängnisses bestimmt gewesen war; sie schien der Wächter des Kerkers der alten Festung zu seyn.

»Ach, Signor mio!« sagte Paulo, »wenn dies ein Geist war, so ist es offenbar, daß er wußte, wir wären keine. Ich wollte, wir könnten unsre Naturen nur auf einen Augenblick mit ihm wechseln: denn ich weiß in der That nicht, wie wir als sterbliche Menschen uns je aus dieser Falle drängen werden. Sie müssen gestehn, Signor, daß dies keines von den Uebeln war, wogegen er Sie warnte, sonst müßte er es durch mein Organ gethan haben: denn ich bath Sie –«

»Stille, Signor buffo!« sagte Vivaldi. »Halte ein mit diesem Zeuge und hilf mir Mittel suchen, um zu entwischen.«

Vivaldi untersuchte aufs neue die Wände, aber mit eben so wenig Erfolg als zuvor: allein in einem Winkel des Gewölbes lag ein Gegenstand, der ihm das Schicksal von einer Person, die hier eingesperrt gewesen war, zu sagen, und einen Wink von dem seinigen zu geben schien: es war ein mit Blut bedecktes Kleid. Vivaldi und sein Bedienter entdeckte[n] es in demselben Augenblick und eine schreckliche Ahndung ihres eignen Geschicks heftete sie einige Augenblicke an den Boden. Vivaldi erholte sich zuerst, und statt sich einer muthlosen Verzweiflung hinzugeben, spannte er alle seine Kräfte an, um ein Mittel zum Entwischen zu finden; allein Paulos Hoffnungen schienen ganz unter den schrecklichen Kleidern, auf die er immer hinstaunte, begraben zu seyn.

»Ach, Signor,« sagte er endlich mit stammelnder Stimme, »wer wird es wagen, dies Kleid aufzuheben? Wie, wenn es den verstümmelten Körper bedeckte, von dessen Blute es befleckt ist?«

Vivaldi drehte sich schaudernd aufs neue darnach um.

»Es bewegt sich,« rief Paulo; »ich sehe es sich bewegen!« –

Bei diesen Worten sprang er nach der andern Seite. Vivaldi trat einige Schritte zurück, und kam eben so schnell wieder – entschlossen, auf einmal zu wissen, woran er wäre, hob er das Kleid mit der Spitze seines Degens auf und fand noch andre Ueberreste von Kleidung darunter zusammengehäuft, während die Erde darunter sogar mit Blut befleckt war.

Er glaubte, daß die Furcht Paulos Augen geblendet hätte, und wartete dieses schreckliche Schauspiel noch eine Zeitlang ab, ohne aber die mindeste Bewegung wahrzunehmen. Er war nun überzeugt, daß nichts Lebendiges darunter verborgen sey, und daß es nur Kleidungsstücke waren, die vermuthlich einem Unglücklichen gehört hatten, den man, um ihn zu berauben, hieher gelockt und nachher ermordet hatte. Dieser Gedanke und der Widerwillen, den der Anblick ihm einflößte, hielten ihn von weitern Untersuchungen ab, und er wandte sich nach einer andern Seite des Gewölbes. Eine Ueberzeugung von seinem und seines Bedienten Schicksal erfüllte seine Seele mit Verzweiflung. Es schien, daß er von Räubern in die Falle gelockt war, bis er bei der Erinnerung an die Umstände seines Hereinkommens und an die sonderbaren Ereignisse, die mit dem Bogengange zusammen hiengen, diese Vermuthung als höchst unwahrscheinlich wieder verwarf. Es ließ sich nicht denken, daß Räuber sich sollten die Mühe genommen haben, ihn mit List an einen Ort zu locken, da sie ihn gleich ergreifen konnten. Ja noch mehr, warum sollten sie so lange Zeit damit zubringen, und warum hätten sie jenesmal die Gelegenheit vernachlässigt, und ihn ungehindert aus den Ruinen gehn lassen? Wenn aber auch alles dieses denkbar gewesen wäre, so konnten doch die Warnungen und Weissagungen des Mönchs, die so oft gegeben und so treulich erfüllt waren, mit keinen Absichten von Banditen in Zusammenhang stehn.

Er mußte also glauben, daß er nicht in den Händen von Räubern wäre, oder wenigstens, daß der Mönch in keiner Verbindung mit ihnen stände: doch war es gewiß, daß er die Stimme des Mönchs unter dem Schwibbogen gehört hatte, daß sein Bedienter ein Gewand die Stufen der Festung heraufsteigen sah, und daß sie Beide Ursache hatten zu glauben, daß es seine Schattengestalt war, die sie bis in dasselbe Zimmer, wo sie jetzt eingesperrt waren, verfolgten?

Wenn Vivaldi alle diese Umstände überlegte, so stieg seine Verwirrung immer höher, und er war mehr als einmal geneigt zu glauben, daß die Gestalt, welche das Ansehn eines Mönchs, angenommen hatte, etwas Uebermenschliches sey.

»Wäre dies Wesen nur erschienen,« sagte er zu sich selbst, »so würde ich es vielleicht für den beunruhigten Geist des hier Ermordeten gehalten haben, der mich hieher führte, um die That zu entdecken, damit seine Gebeine in geweihter Erde ruhen könnten; allein dieser Mönch, oder was es ist, war weder still, noch schien er um sich selbst bekümmert zu seyn. Er sprach nur von Dingen, die mit meiner Ruhe im Zusammenhang stehn, und weissagte die Zukunft voraus, so wie er sich auf das Vergangne bezog! Hätte er Winke von sich selbst gegeben, oder gänzlich geschwiegen, so ist sein Ansehn und seine Art, der Verfolgung auszuweichen, so seltsam, daß ich vielleicht einmal den Erzählungen unsrer Großmütter Gehör gegeben und es für den Geist eines Ermordeten gehalten hätte.«

Vivaldi kehrte bei diesen Aeußerungen seines Unglaubens zurück, um die Kleidung noch einmal zu untersuchen. Als er sie aufhob, bemerkte er, was ihm vorher entgangen war, eine schwarze Kleidung unter dem Haufen; da er auch diese mit dem Degen aufhob, entdeckte er einen Theil von einem Mönchshabit! – Er starrte über die Entdeckung, als hätte er die Erscheinung selbst gesehn, die seiner Leichtgläubigkeit so lange gespottet hatte. Hier war Rock und Scapulier zerrissen und mit Blut gefleckt! Nachdem er sie einen Augenblick angestaunt hatte, ließ er sie auf den Haufen fallen, als Paulo, der ihn stillschweigend beobachtet hatte, ausrief:

»Signor, das sollte die Kleidung des Dämons seyn, der uns hieher führte. Ist es ein Leichenhemd für uns, Signor? Oder war es eines für den Körper, den er auf Erden bewohnte?«

»Keines von beiden glaube ich,« erwiederte Vivaldi, der seine Bestürzung zu verbergen suchte und sich von dem Anblick wegwandte – »wir wollen noch einmal versuchen, unsre Freiheit wieder zu gewinnen.«

Allein dieses war ein Vorsatz, der über seine Kräfte ging; nachdem er sein Heil aufs neue an der Thüre versucht hatte, kletterte Paulo zu dem Gitterfenster und rief mit äußerster Stärke um Erlösung. Vivaldi unterstützte ihn, so sehr er konnte; er stand darauf von allen weitern Versuchen ab und warf sich matt und niedergeschlagen auf den Grund des Kerkers.

Paulo beklagte bitterlich seines Herrn Unbesonnenheit, diesen entlegenen Ort zu durchdringen und bejammerte, daß sie wahrscheinlich verhungern würden.

Vivaldi ließ seine Reden unbeantwortet, und blieb, in quälende Betrachtungen versunken, auf der Erde liegen. Er hatte nun Muße, die letzten Worte des Mönchs zu überlegen und zu zergliedern: denn er war in der Stimmung, das Aergste zu fürchten; er glaubte nicht nur, daß sie sich auf Ellena bezögen, sondern daß seine Worte: »vor einer Stunde ist sie davon geschieden,« auf eine figürliche Art ihren Tod andeuten sollten. Diese Vermuthung vertrieb beinahe alle Besorgnisse für ihn selbst. Er fuhr vom Boden auf und lief mit schnellen und ungleichen Schritten in seinem Gefängniß auf und ab; es war nicht mehr eine schwere Niedergeschlagenheit, die ihn zu Boden drückte, sondern eine schneidende Angst, die mit allen Qualen des Zweifels auch die Qualen der heftigsten Ungeduld und der Angst über Ellenas Schicksal mit sich führte. Je länger er bei der Möglichkeit ihres Todes verweilte, desto wahrscheinlicher däuchte sie ihn. Dieser Mönch hatte ihn bereits vor Bianchis Tode gewarnt; und wenn er sich an die verdächtigen Umstände dabei erinnerte, so vermehrte sich seine Angst um Ellena. Je mehr er seinen Gefühlen nachgab, desto heftiger wurden sie, bis endlich seine unbezwingliche Ungeduld und Angst beinahe bis zum Wahnsinn stieg.

Paulo vergaß eine Zeitlang seine eigne Lage über dem größern Leiden seines Herrn, und suchte das Amt eines Trösters zu übernehmen; allein sein Herr blieb fühllos gegen alles, was er sagte, bis er aufs neue des Klosters del Pianto erwähnte. Dieser Gegenstand, der mit dem Mönch zusammen zu hängen schien, der ihm Ellenas Schicksal angedeutet hatte, interessirte den unglücklichen Vivaldi, der sich eine Zeitlang von seinen eignen Betrachtungen losriß, um auf eine Erzählung zu hören, die seinen Vermuthungen zu Hülfe kommen könnte.

Paulo befolgte seinen Befehl aber nicht ohne Widersprechen. Er sah sich rings in dem leeren Gewölbe um, als fürchtete er, daß jemand im Verborgnen schleichen, sie behorchen und ihnen sogar antworten konnte.

»Doch, wir sind hier so ziemlich abgesondert, Signor,« sagte er, sich besinnend; »man kann es wohl wagen von Geheimnissen zu reden, ohne Gefahr, entdeckt zu werden. Indessen kann man nicht vorsichtig genug seyn. Wenn es Ihnen gefällig ist, auf der Erde Platz zu nehmen, so werde ich mich neben Sie stellen und Ihnen alles erzählen, was ich von dem Kloster Unsrer Dame der Thränen weiß. Im Grunde ist es nicht viel.«

Nachdem Vivaldi sich gesetzt und Paulo ein gleiches zu thun befohlen hatte, fieng der letzte mit leiser Stimme an:

»Am Abend vor dem St. Marcusfeste, gerade als die letzte Vesperglocke geläutet hatte – Sie waren niemals in der Santa Maria del Pianto, Signor, sonst würden Sie wissen, was für eine finstre alte Kirche das ist. In einem Beichtstuhl also in einem von den Seitenflügeln der Kirche, gerade nachdem die letzte Vesperglocke geläutet hatte, kam eine so vermummte Person, daß man weder Wuchs noch Gesicht erkennen konnte, und setzte sich auf den Stufen dicht am Beichtstuhle nieder; allein wenn er auch so luftig gekleidet gewesen wäre, wie Sie, Signor, so würde er doch eben so gut versteckt gewesen seyn; denn der dunkle Flügel wird nur von einer einzigen Lampe erleuchtet, die nächst dem gemahlten Fenster hängt, ausgenommen, wenn die Fackeln am St. Antonios Schrein am andern Ende brennen, und auch dann ist der ganze Ort beinahe so dunkel als dieses Gewölbe. Ohne Zweifel ist das so eingerichtet, damit die Leute nicht über die Sünden erröthen dürfen, die sie bekennen; und wahrhaftig, es ist eine Einrichtung, die der Armenbüchse mehr Geld bringen kann; denn die Mönche haben darin ein scharfes Auge –«

»Du hast den Faden deiner Geschichte verloren,« sagte Vivaldi.

»Es ist wahr, Signor; lassen Sie mich nur besinnen, wo ich ihn verlor – ja, an den Stufen des Beichtstuhls – der Fremde kniete darauf nieder, und schüttete solche tiefe Seufzer in das Ohr des Beichtvaters, daß es durch den ganzen Flügel gehört wurde. Sie müssen wissen, Signor, daß die Brüder der Santa del Pianto vom Orden der Schwärzen Büssenden sind; und die Leute, die mehr Sünden als gewöhnlich zu bekennen haben, gehen zu Zeiten hieher, um sich von dem großen Beichtvater Raths zu erholen. Nun traf es sich, daß der Pater Anseldo, der große Beichtvater selbst, im Stuhle war, wie es vor dem St. Marcusfest gewöhnlich ist; er machte dem Bußfertigen sanfte Vorwürfe, daß er so laut klagte, und hieß ihn Trost schöpfen; der andre antwortete nur durch ein tieferes, aber nicht so lautes Schluchzen und schritt dann zur Beichte. Aber was er beichtete, Signor, ist mir nicht bekannt; denn der Beichtvater, wie Sie wissen, darf dergleichen nie kund machen, außer in der That bei sehr außerordentlichen Gelegenheiten. Allein es war etwas so sehr Befremdendes und Schreckliches, daß der große Beichtvater plötzlich den Stuhl verließ, und ehe er die Kreuzgänge verließ, in starke Verzuckungen fiel. Als er sich wieder erholte, fragte er die Leute um sich her, ob der Beichtende, den er bei Namen nannte, fortgegangen wäre; sonst sollte man ihn fest halten. Er beschrieb zu gleicher Zeit, so gut er konnte, seine Figur, die er dunkel sich dem Beichtstuhl hatte nähern sehn, ehe er die Beichte abgelegt hatte; war aber bei dieser Erinnerung aufs neue in Gefahr in Ohnmacht zu fallen. Einer von den Vätern, der bei dem ersten Aufruhr über Anseldos Krankheit auf seinem Wege nach dem Kloster durch den Kreuzgang Im Original: »who had crossed the aisle, on his way to the cloisters«: ›der das Kirchenschiff auf seinem Weg zum Kreuzgang durchquert hatte‹. – D.Hg. gekommen war, erinnerte sich, daß eine Person von dieser Beschreibung ihm eilfertig vorübergegangen sey. Er hatte eine lange Figur, in den Habit eines weißen Mönchs gehüllt, schnell längs dem Gange nach der Thüre hinschlüpfen sehn, die in den äußern Hof des Klosters führte; allein er war selbst zu sehr beschäftigt, um den Fremden genau zu bemerken. Pater Anseldo glaubte, daß dieses die Person seyn müßte, und der Thürsteher wurde herbeigerufen und befragt, ob er nicht eine solche Person hätte herausgehn sehn. Er versicherte, daß seit der letzten Viertelstunde Niemand heraus, aber auch eben so wenig Jemand in Weiß gekleidet hereingekommen wäre.«

»In Weiß« – unterbrach ihn Vivaldi – »wäre er schwarz gekleidet gewesen, so hätte ich geglaubt, es müßte der Mönch, mein Plaggeist, gewesen seyn.«

»Gerade das war es, Signor, was mir zuvor einfiel,« bemerkte Paulo; »und wenn weiter nichts wäre, so kann ein Mann seine Kleidung sehr bald verändern.«

»Fahre fort,« sagte Vivaldi.

»Da sie diese Nachricht vom Thürsteher hörten,« fuhr Paulo fort, »so waren die Väter sämmtlich der Meinung, daß der Fremde innerhalb der Mauern verborgen seyn müßte; und das Kloster mit allen Gebäuden ward durchsucht – aber Niemand war zu finden.«

»Dies muß gewiß der Mönch gewesen seyn, ohngeachtet des verschiednen Habits: es kann zuverläßig nicht zwei Geschöpfe in der Welt geben, die sich auf dieselbe geheimnißvolle Art benehmen würden.«

Ein tiefer Ton, der seiner verwirrten Phantasie von einem Sterbenden zu kommen schien, unterbrach ihn. Paulo hörte es auch; er fuhr zusammen und sie horchten Beide mit ängstlicher und beinahe unerträglicher Erwartung.

»Ach,« sagte Paulo endlich; »es war nur der Wind.«

»Nichts weiter,« sagte Vivaldi, »fahre also fort.«

»Von der Zeit dieser seltsamen Beichte an,« sagte Paulo, »war Pater Anseldo gar nicht mehr derselbe; er –«

»Ohne Zweifel bezog sich das gebeichtete Verbrechen auf ihn selbst,« bemerkte Vivaldi.

»Nein, Signor, das habe ich nie gehört; einige merkwürdige Umstände nachher schienen das Gegentheil zu beweisen. Ohngefähr ein Monat nach dieser Zeit, am Abend eines schwülen Tages, als die Mönche sich von der letzten Vesper zurückzogen –«

»Horch!« rief Vivaldi.

»Ich höre flüstern« sagte Paulo leise.

»Still!« sagte Vivaldi.

Sie horchten aufmerksam und vernahmen ein Flüstern als von Stimmen; konnten aber nicht herausbringen, ob sie aus dem angränzenden Gewölbe kamen, oder unter dem, wo sie sich befanden, aufstiegen. Der Ton kam von Zeit zu Zeit wieder – und die Sprechenden, wer sie auch seyn mochten, hielten merklich die Stimmen an, als fürchteten sie, gehört zu werden. Vivaldi überlegte, ob es besser wäre, sich zu entdecken und um Hülfe zu rufen, oder sich still zu halten.

»Bedenken Sie nur, Signor, daß wir Gefahr laufen, Hungers zu sterben, wenn wir uns nicht diesen Menschen, oder was sie seyn mögen, zu entdecken wagen.«

»Wagen!« rief Vivaldi! »Was hat so ein Elender, als ich, mit der Furcht zu thun! O Ellena! Ellena!«

Er rief sogleich laut die Person, die er zu hören geglaubt hatte, und Paulo unterstützte ihn; allein ihr fortdauerndes Rufen half ihnen nicht; es kam keine Antwort zurück und selbst die undeutlichen Töne, die ihre Aufmerksamkeit erregt hatten, wurden nicht mehr gehört.

Durch ihre Anstrengung erschöpft, legten sie sich auf den Boden des Kerkers nieder und gaben alle weitern Versuche zu entkommen auf, bis das Morgenlicht ihnen behüflich seyn würde.

Vivaldi hatte nicht mehr Lust, nach dem Ende von Paulos Geschichte zu fragen. Selbst beinahe in Verzweiflung, konnte er keinen Antheil an fremder nehmen; denn er hatte bereits so viel entdeckt, daß es ihm über Ellena keinen Aufschluß gewähren würde; und Paulo, der sich ganz heiser geschrien hatte, schwieg ebenfalls gern.



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