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Viertes Kapitel.

Unfold th' impenetrable mystery,
That sets your soul and you at endless discord. »Enthülle das undurchdringliche Geheimniß,
das deine Seele mit dir in endlosem Zwiespalt hält!«

Mysterious Mother.

Als Vivaldi nach Neapel zurückkehrte, fragte er nach der Marquise, der er einige Fragen wegen Schedonis vorzulegen wünschte, die wenigstens zu einem Theil der Wahrheit führen konnten, wenn er gleich kaum erwartete, daß sie ihm ordentlich antworten würde.

Die Marquise war in ihrem Kabinett und Vivaldi fand den Beichtvater bei ihr. Dieser Mensch, sagte er zu sich selbst, verfolgt mich, wie mein böser Geist; aber ich will das Zimmer nicht eher verlassen, bis ich weiß, ob er meinen Argwohn verdiente.

Schedoni war so tief im Gespräch begriffen, daß er Vivaldi nicht sogleich gewahr ward, der einen Augenblick da stand, um das Gesicht des Mönchs zu betrachten, und in seinen tiefen Zügen Stoff für seine Neugier zu suchen. Seine Augen waren, indem er sprach, zur Erde gesenkt, und auf seinen Zügen saß ein fester Ausdruck von Härte und Verschlagenheit. Die Marquise hörte ihm mit tiefer Aufmerksamkeit zu; ihr Kopf war gegen ihn gebogen, als wollte sie den leisesten Hauch seiner Stimme auffangen und ihr Gesicht mahlte den Verdruß und die Unruhe ihrer Seele. Es war sichtlich eine Conferenz, und nicht eine Beichte.

Vivaldi näherte sich, und der Mönch schlug die Augen auf: sein Gesicht verrieth keine Veränderung, als er Vivaldis Blicke begegnete. Er stand auf, ohne aber fortzugehn, und erwiederte Vivaldis leichten und etwas stolzen Gruß mit einer beinahe verächtlichen Verneigung des Kopfs.

Die Marquise gerieth in einige Verlegenheit, als als sie ihren Sohn sah, und ihre Stimme, die vorher der Verdruß nur leicht zusammengezogen hatte, bekam jetzt finstre Runzeln. Doch war es nur eine unwillkührliche Bewegung; denn sie suchte den Ausdruck derselben durch ein Lächeln zu vertreiben. Vivaldin gefiel das Lächeln noch weniger als die gerunzelte Stirne.

Schedoni setzte sich ruhig nieder und fieng, beinahe mit der Leichtigkeit eines Mannes von Welt, über allgemeine Gegenstände zu reden an. Vivaldi war still und zurückhaltend. Er wußte nicht, wie er ein Gespräch anfangen sollte, das zu der gewünschten Aufklärung führen könnte; und die Marquise half ihm nicht aus der Noth. Wenigstens both er Auge und Ohr auf, um zu Vermuthungen, wenn auch nicht zur Gewißheit zu gelangen; und wenn er auf Schedonis tiefe Töne hörte, wurde er beinahe gewiß, daß es nicht die Töne seines unbekannten Warners waren, ob er gleich in demselben Augenblick überlegte, daß es nicht schwer wäre, eine Stimme zu verstellen oder nachzumachen. Seine Figur schien die Sache mehr zu entscheiden. Schedoni kam ihm größer vor als der Fremde, und ob sie gleich in ihrem Wesen eine gewisse Aehnlichkeit hatten, die Vivaldi vorher nie bemerkt hatte, so bedachte er doch, daß das Mönchskleid desselben Ordens wohl eine täuschende Gleichheit hervorbringen könnte. Von der Aehnlichkeit des Gesichts konnte er nicht urtheilen, weil der Fremde sich so in seine Kaputze vermummt hatte, daß Vivaldi nie einen Zug seines Gesichts erkannte. Schedonis Kappe war jetzt zurückgeschlagen, so daß er nicht einmal das Ansehn ihrer Köpfe unter ähnlichen Umständen vergleichen konnte; allein er erinnerte sich, daß er einmal den Beichtvater mit der Kaputze über dem Gesicht nach seiner Mutter Zimmer gehn sah, wo dieselbe finstre Strenge beide zu characterisiren schien und dasselbe schreckliche Gemälde zeichnete sich beinahe vor seiner Phantasie. Doch konnte dieß wieder nur eine künstliche Würkung seyn, welche die Kaputze auf das Gesicht machte, und jedes Gesicht, das man unvollständig unter solchem dunkeln Schatten sah, hatte vielleicht ein eben so finsteres Ansehn.

Vivaldi blieb äußerst verworren und ungewiß in seiner Meinung; doch schien ein Umstand einiges Licht auf sein Urtheil zu werfen. Der Fremde war in der Kleidung eines Mönchs erschienen, und wenn Vivaldi seiner flüchtigen Beobachtung trauen konnte, eines Mönchs von demselben Orden mit Schedoni. Allein wenn es Schedoni, oder sein Helfershelfer wäre, so ließ sich nicht vermuthen, daß er sich in einer Kleidung zeigen würde, die zur Entdeckung seiner Person führen konnte. Daß ihm sehr daran lag, sich zu verbergen, bewies sein Betragen deutlich; es schien also, daß das Mönchshabit nur eine Verkleidung war, um die Vermuthung irre zu leiten. Doch beschloß Vivaldi, Schedonin einige Fragen vorzulegen und zugleich zu beobachten, welche Würkung sie auf sein Gesicht machten. Er nahm Gelegenheit, einiger Zeichnungen von Ruinen zu erwähnen, die im Kabinett der Marquise hiengen, und sagte, daß die Festung Paluzzi wohl verdiente, der Sammlung beigefügt zu werden.

»Sie haben sie vielleicht kürzlich gesehn, ehrwürdiger Herr?« setzte er mit einem durchdringenden Blick hinzu.

»Es ist eine auffallende Reliquie des Alterthums,« erwiederte der Beichtvater.

»Der Schwibbogen,« fuhr Vivaldi fort, sein Auge fest auf Schedoni gerichtet, »der Schwibbogen, der zwischen zwei Felsen hängt, deren einer von den Thürmen der Festung übernickt, und der andre von Fichten und dicken Eichen beschattet wird, machen eine schöne Würkung. Allein zu einem Gemählde davon würden noch menschliche Figuren fehlen. Entweder die groteske Gestalt von Banditen, die in den Ruinen lauschten, als wären sie bereit, auf den Reisenden hervorzustürzen, oder ein Mönch, in sein schwarzes Gewand gehüllt, der sich gleich einem übernatürlichen Bothen des Uebels gerade unter dem Schatten des Bogens hervorschliche, würde das Gemählde vollenden.«

Schedonis Züge blieben, während dieser Rede, unverändert.

»Ihr Gemählde ist sehr vollendet,« sagte er, »und ich muß nur die Leichtigkeit bewundern, womit Sie Mönche und Banditen in eine Klasse stellen.«

»Vergeben Sie mir, ehrwürdiger Herr,« sagte Vivaldi, »ich zog keine Parallele zwischen ihnen.«

»O! es ist von keiner Beleidigung die Rede,« antwortete Schedoni mit einem etwas geistermäßigen Lächeln.

Während dem letzten Theil dieses Gesprächs, wenn es anders Gespräch genannt werden kann, war die Marquise einem Bedienten, der ihr einen Brief brachte, aus dem Zimmer gefolgt, und da der Beichtvater ihre Zurückkunft erwarten zu wollen schien, so beschloß Vivaldi, sein Forschen noch weiter zu treiben.

»Es scheint doch,« sagte er, »daß Paluzzi, wenn nicht von Räubern besetzt, wenigstens häufig von geistlichen Herren besucht wird: denn ich bin noch selten vorbei gekommen, ohne einen Ordensbruder zu sehn, und dieser ist immer so plötzlich erschienen, und so plötzlich verschwunden, daß ich mich beinahe genöthigt sah, ihn in eigentlichstem Verstande für ein geistliches, oder geistiges Wesen zu halten!«

»Das Kloster der Schwarzen Büßenden ist nicht weit entfernt,« merkte der Beichtvater an.

»Gleicht die Kleidung dieses Klosters Ihrem Ornat, ehrwürdiger Herr? denn ich bemerkte, daß der Mönch, von dem ich spreche, so wie Sie gekleidet war; ja er war auch ohngefähr von Ihrer Statur und sah Ihnen sehr ähnlich.«

»Das kann wohl seyn, Signor,« antwortete der Beichtvater ruhig: »es giebt viele Brüder, die ohne Zweifel einander gleichen; aber die Brüder der Schwarzen Büßenden sind in Sacktuch gekleidet, und der Todtenkopf auf ihrem Gewand, das besondere Symbol ihres Ordens, würde Ihrer Bemerkung nicht haben entgehen können; was Sie gesehn haben, kann also kein Mitglied dieser Gesellschaft gewesen seyn.«

»Ich bin auch nicht geneigt, es zu glauben,« sagte Vivaldi, »aber sey es wer da wolle, ich hoffe bald besser mit ihm bekannt zu werden, und ihm so starke Wahrheiten zu sagen, daß er sich nicht einmahl stellen kann, als ob sie nicht verstände.«

»Sie thun recht daran, wenn Sie Ursache haben, sich über ihn zu beklagen,« merkte Schedoni an.

»Nur dann, wenn ich Ursache habe, über ihn zu klagen, ehrwürdiger Herr? Darf man starke Wahrheiten nur dann sagen, wenn man unmittelbare Ursache hat, sich zu beklagen? Darf man nur aufrichtig seyn, wenn man beleidigt ist?«

Er glaubte nunmehr Schedoni entdeckt zu haben, der durch diese Bemerkung zu verrathen schien, daß er um die Ursache von Vivaldis Empfindungen wüßte.

»Belieben Sie zu bemerken, ehrwürdiger Vater, daß ich nicht gesagt habe, man hätte mich beleidigt,« setzte er hinzu. »Wenn Sie wissen, daß ich es bin, so müssen Sie es auf andre Art wissen, als durch meine Worte; ich habe nicht einmal Empfindlichkeit geäußert.«

»Außer durch Ihre Stimme und Blick, Signor,« erwiederte Schedoni trocken. »Wenn wir jemand heftig und verwirrt sehn, so sind wir gewöhnlich geneigt zu glauben, dass er aufgebracht ist, und Ursache hat sich zu beklagen, es sey würklich oder eingebildet. Da ich nicht die Ehre habe, mit der Sache bekannt zu seyn, worauf Sie anspielen, so kann ich nicht entscheiden, welches von beiden Ihr Fall ist.«

»Ich bin nie darüber in Zweifel gewesen,« sagte Vivaldi stolz, »und wenn ich es wäre, heiliger Vater, so würde ich Sie nicht um Ihre Entscheidung gebethen haben. Meine Kränkungen sind ach! nur zu würklich, und ich denke jetzt, es ist auch nur zu gewiß, wem ich sie zuzuschreiben habe. Der geheime Rathgeber, der sich nur in den Schoos einer Familie schleicht, um ihre Ruhe zu vergiften; der Angeber, der niedrige Verläumder der Unschuld – steht in einer Person enthüllt vor mir.«

Vivaldi sagte diese Worte mit einem gemäßigten Nachdruck, scharf und voll Würde zugleich, der Schedoni gerade ins Herz zu treffen schien: allein es ließ sich nicht so leicht bestimmen, ob sein Gewissen oder sein Stolz sich empört fühlte. Vivaldi glaubte das erste. Eine finstre Bosheit überzog des Mönchs Züge und Vivaldi glaubte in dem Augenblick einen Menschen zu sehn, den seine Leidenschaften zu der Begehung eines jeden Verbrechens, so scheuslich es auch seyn möchte, treiben könnten. Er schauderte vor ihm zurück, als hätte er plötzlich eine Schlange auf seinem Wege entdeckt, und sah ihm staunend mit so beschäftigter Aufmerksamkeit, daß er selbst es nicht bemerkte, ins Gesicht.

Schedoni faßte sich augenblicklich; seine Züge ließen von ihrem ersten Ausdruck nach, und die unglückschwangre Dunkelheit glitt von seinem Gesichte hinweg; aber mit einem noch immer finstern und hochmüthigen Blick sagte er: »Signor, so unbekannt mir auch die Ursache Ihres Mißvergnügens ist, so kann es mir doch nicht entgehn, daß Sie empfindlich gegen mich scheinen. Doch, ich will nicht annehmen, Signor, ich sage: ich will nicht annehmen,« – indem er bedeutend die Stimme erhub – »daß Sie sich erdreistet hätten, mich mit den schimpflichen Titeln zu bezeichnen, die Sie eben ausgesprochen haben, sonst –«

»Ich habe sie auf den Urheber meiner Kränkungen bezogen,« unterbrach Vivaldi – »Sie, ehrwürdiger Herr, können mich am besten benachrichtigen, ob dies auf Sie selbst gedeutet werden kann?«

»Dann habe ich mich also über nichts zu beschweren,« sagte Schedoni fein und mit einer plötzlichen Ruhe, die Vivaldi überraschte. »Wenn Sie diese Beleidigungen gegen den Urheber Ihrer Kränkung richteten, worin diese auch bestehen möge, so habe ich mich über nichts zu beklagen.«

Die heitere Gefälligkeit, womit er dies sagte, machte Vivaldi aufs neue ungewiß; er hielt es beinahe für unmöglich, daß ein Mensch, der sich eines Verbrechens bewußt sey, im Augenblick der Anschuldigung selbst, die Ruhe und Würde annehmen könnte, welche der Beichtvater jetzt zeigte. Er fieng an sich selbst Vorwürfe zu machen, daß er ihn mit leidenschaftlicher Heftigkeit beurtheilt hätte, und er bereute es sogar, sich gegen einen Mann von Schedonis Alter und geheiligtem Stande, ein so unanständiges Betragen erlaubt zu haben. Er war nun geneigt, den Ausdruck des Gesichts, der ihn so sehr beunruhigt hatte, für die Würkung eines beleidigten und stolzen Ehrgefühls zu halten, und hätte beinahe bei der Reue über die Beleidigung, die es gereitzt hatte, die Bosheit vergessen, die sich in Schedonis Stolz mischte.

Nicht weniger hastig in seinem Mitleid, als in seinem Zorn, und eben so leicht durch die Leidenschaft des Augenblicks verblendet, lag es ihm jetzt eben so eifrig am Herzen, sein Vergehn zu entschuldigen, als er vorschnell gewesen war, es zu begehn. Die Freimüthigkeit, womit er sein Unrecht eingestand und beklagte, würde ihm die Vergebung eines großmüthigen Herzens gleich gewonnen haben. Schedoni hörte mit anscheinender Gefälligkeit und heimlicher Verachtung zu. Er betrachtete Vivaldi als einen unbesonnenen Knaben, der sich blos durch seine Leidenschaften regieren ließe; und bei seiner tiefen Empfindlichkeit über die Seite seines Charakters, die ihn beleidigt hatte, fühlte er weder Achtung noch Wohlwollen für die Güte, Aufrichtigkeit, Liebe der Gerechtigkeit und Großmuth, die selbst über seine Schwachheiten einen Glanz warf. Schedoni sah in der That nur das Ueble in der menschlichen Natur.

Wäre Vivaldis Herz weniger edel gewesen, so würde er jetzt der Befriedigung, die der Beichtvater äußerte, gemistraut und die Verachtung und Bosheit erkannt haben, die hinter dem Lächeln lauerte, das sein Gesicht so unvollkommen maskirte. Der Beichtvater fühlte seine Macht und Vivaldi's Charakter lag so offen als eine Charte vor ihm. Er sah, oder bildete sich ein, jede Linie, jeden Zug seines Plans und das Verhältniß jeder Kraft und Schwäche seiner Natur gegen einander, offen vor sich da liegen zu sehen. Selbst die Tugenden dieses jungen Mannes glaubte er gegen ihn selbst kehren zu können und frohlockte, indem noch das Lächeln der Gutmüthigkeit auf seinem Gesichte lag, im Vorgenuß des Augenblicks, der ihn für die erlittene Beleidigung rächen könnte, die er dem Anschein nach schon vergessen hatte, während Vivaldi sie noch offenherzig beklagte.

Schedoni also brütete Unheil gegen Vivaldi, und Vivaldi überlegte, wie er die ihm zugefügte Beleidigung wieder gut machen könnte, als die Marchese ins Zimmer zurück kam. Sie sah auf Vivaldis offnem Gesicht einige Zeichen der Bewegung, die darüber hingestrichen war; seine Farbe war fliegend roth und seine Augenbraunen leicht zusammengezogen. Schedoni's Gesicht drückte nichts aus als Gefälligkeit, ausgenommen, daß er von Zeit zu Zeit Vivaldi mit halbgeschlossenen Augen, die Falschheit oder wenigstens List verriethen, ansah, indem er sich bemühte, einen aufgebrachten Stolz zu verheelen.

Die Marquise fragte ihren Sohn mit einem mißfälligen Blick, ›warum er so ausser sich wäre?‹ Allein über sein Betragen gegen den Mönch zu sehr betroffen, als daß er eine Erklärung hätte ertragen, oder in ihrer Gegenwart bleiben können, sagte er blos, ›daß er seine Ehre der Discretion des heiligen Vaters anvertrauen wollte, der, wie er fürchtete, nur zu günstig von seinem Versehn sprechen würde,‹ und verließ schnell das Zimmer.

Sobald er sich entfernt hatte, gab Schedoni mit anscheinendem Widerwillen die Erklärung, welche die Marquise verlangte, hütete sich aber wohl, nicht zu vortheilhaft von Vivaldi's Betragen zu sprechen, das er im Gegentheil weit beleidigender schilderte, als es würklich war; er stellte die Beleidigung stärker dar, ohne der Offenheit und Vorwürfe gegen sich selbst zu erwähnen, womit Vivaldi sie gut zu machen suchte. Doch wußte er dies alles so listig zu stellen, daß er Vivaldis Versehn zu entschuldigen, die Heftigkeit seines Temperaments zu beklagen und Vergebung für ihn von seiner aufgebrachten Mutter zu erbitten schien.

»Er ist noch sehr jung,« setzte der Mönch hinzu, als er merkte, daß er die Marquise genug gegen ihren Sohn aufgebracht hatte; »er ist sehr jung, und die Jugend ist warm in ihren Leidenschaften und vorschnell im Urtheilen. Zudem war er ohne Zweifel auf die Freundschaft, womit Sie mich beehren, eifersüchtig; und ich finde es sehr natürlich, daß ein Sohn auf die Aufmerksamkeit einer solchen Mutter eifersüchtig ist.«

»Sie denken zu gut, Vater,« sagte die Marquise, deren Unwillen gegen Vivaldi in eben dem Maaße zunahm, wie Schedoni sein erkünsteltes Wohlmeinen und Sanftmuth zur Schau legte.

»Allerdings,« fuhr der Beichtvater fort, »fühle ich recht gut alle Unannehmlichkeiten, die meine Ergebenheit, ich sollte wohl sagen, meine Pflicht gegen Ihre Familie mir zuzieht; allein ich lasse es mir gerne gefallen, so lange mein Rath behülflich seyn kann, die Ehre Ihres Hauses unbefleckt zu erhalten und diesen unbesonnenen jungen Mann vor künftigem Elend und fruchtloser Reue zu retten.«

Bei der Wärme dieser sympathetischen Empfindlichkeit verloren die Marquise und Schedoni gegenseitig und aufrichtig die Erinnerung an die umwürdigen Bewegungsgründe, wodurch jeder den andern regiert wußte, sowohl als die Abneigung, deren sich Personen, die zusammen zu demselben bösen Endzweck würken, selten gegen ihre Verbündeten erwehren können. Die Marquise lobte Schedonis Treue und vergaß seine Absichten und ihre Versprechungen auf eine reiche Pfründe; während der Beichtvater ihre Sorge für den Glanz ihres Sohnes, einem würklichen Antheil an seinem Wohl und nicht der Bekümmerniß für ihre eigne Würde zuschrieb. Nach einem gegenseitigen Tausch von Lobsprüchen, schritten sie zu einer langen Berathschlagung über Vivaldi, und kamen überein, daß ihre Bemühungen für das, was sie seine Erhaltung nannten, sich nicht länger auf bloße Vorstellungen beschränken sollten.



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