Georg Queri
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Georg Queri

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Nach dem Miesbacher Treiben

Nach dem Miesbacher Treiben ersann der Bauer und Wirt Johann Vogl zu Wall, unter dem Namen »der Daxer« bekannt, Schabernack um Schabernack gegen Bezirksamt und Polizei.

Zunächst ließ er drei verschiedene Zettel drucken und gummieren, die folgenden Wortlaut hatten:

I.

17 Schandarm und 5 vo da Grenz
ham 21 Beudl und 22 SchwänzDem Gendarmen Würdinger mußten infolge der schweren Schußverletzung die Hoden abgenommen werden.

II.

Zwischn Mieschba und Schliersee gehts Hobafeldtreiben o,
da is a Kugl mitn Schandarm sein Beidl davo.

III.

TziDa Bezirksamtmo von Miaschba is a tapfana Mo,
Ea tragt zweng an Schandarm sein Beudl dö verdünnate Viera Medallio.Der Bezirksamtmann hatte wegen seines umsichtigen Einschreitens den Orden vom heiligen Michael IV. Klasse erhalten, den man scherzhaft den »Michel vierter Verdünnung« zu nennen pflegt.

Diese Zettel wurden allenthalben im Bezirk angeklebt und es soll sogar vorgekommen sein, daß ein Gendarm den ominösen Zettel von den »17 Gendarmen« auf seinem Waffenrock aufgeklebt entdeckte.

Der Daxer besorgte das Zettelankleben gerne selber und wäre dabei eines Tages beinahe in flagranti ertappt worden. Da hatte ein Gendarm an einem Wegweiser einen Spottzettel gefunden und weggenommen; er hatte sich kaum von dem Wegweiser entfernt, als er Schritte hörte und im Umsehen bemerkte, daß der Daxer hinter ihm drein kam. Er ging ahnungsvoll zurück und siehe da: ein frischer Zettel am Wegweiser.

Der Daxer fühlte sich damals noch völlig sicher und erwartete weder von seinen Freunden noch von seinen zahlreichen Feinden Verrat. Die Furcht vor ihm und seiner vor keinem Verbrechen zurückschreckenden Rachsucht war ja so groß, daß die Leute lieber Meineide geschworen hätten, als den Burschen anzugeben. Aber darüber ist ja an anderer Stelle zu lesen.

Der Daxer hatte also keine Ahnung, wie das Gewitter über seinem Haupte zusammenzog und welche schweren Verdachtsmomente gegen ihn zusammengetragen wurden, während er in allerhand derben Späßen seinem Hohn gegen die Behörden freien Lauf ließ.

Da wurden zunächst in Rottach zur Verherrlichung des großen Miesbacher Treibens (im Februar 1894) geschriebene Plakate folgenden Inhalts angeschlagen:

Das Hobara Schlachtfeld vo Miaschbach.

        Da Bezirksamtmo vo Miaschba,
dös is a Mo
der is neuli auszogn aufn Habarafang
da hot a 17 Schamdarm in Tscheißgassn gführt,
weil a gwißt hat
daß eahm a Orden thuat blühan.
A Orden des is a gspassiges Ding,
er schmöckt net und stinkt net
und hot a koan Sin
er is nur a Spielzeug für Volksverräta und anders Gsind
die Hobara vo Miaschba de warn hoit a Leut
ham ghabt a Kuraschö und a Feur im Leib
aufs Sturmleitn hams gschießen,sie haben sich nicht gefürchtet, wie in der Kirche gegen sie Sturm geläutet wurde
des hats net scheniert
sie habn de Saukerl und Diab vo Miaschba
ghörig reguliert.
A da Erzfischkopf vo Münka
der hats ö (hat sich) bemüht
und hat für de Howara an Hirtnbriaf fabriziert.
Aufn Hirtnbriaf is Gschießn und aufn Erzfischkopf aa
was a so a Schwindla dicht,
des is ois für de Katz.
Da Minista vo Feilisch und da Her vo Asch
dö kinna mit mitananda
de Hobara leka in Arsch.
und wenn ma hoit wida a moi ausruka thoan,
nacha lassma unsa Gwissn hübsch sauba dahoam.
Mir machns wia da Bezirksamtmo vo Miaschba
der feige Hund
und schoißn rückwärts meuchlings drein
wann a ois geht zu Grund.
Mir Hobara san die ehrlichsten Leut
vergüatn jedn Schodn wanns no so weit feit
as hot jeder hübsch Moneten und Karakter im Leib
drum geht a eha de Welt zu Grund
als de Saukerl könna sprenga an Habererbund.

Es lebe Hoch der Kaiser Karl von Untaschberg mit seiner Armee lebe hoch, hoch!

Riezler, Bezirksamtmo vo Miaschba,
Hobara Schreiber.«

Der in Miesbach erscheinende »Schlierachbote« schien den Glauben an die Unergreifbarkeit der Haberer zu teilen und leistete sich in seiner Faschingsnummer dieses Jahres auch einen Witz gegen die suchende Justiz, indem er in einem Konzertprogramm die folgende Nummer einführte: »›Habt's üns scho'?‹ Rückzugsmarsch von Stadelfeld«.

Einen ganz grotesken Ulk verübte der Daxer mit seinen Freunden in der Nacht vom Samstag, den 12., zum Sonntag, den 13. Mai. Außerhalb des Friedhofes von Wall, ungefähr zwei Meter von der Friedhofseinfassung entfernt, liegt das Grab eines ohne Sang und Klang Verscharrten, der vor Zeiten dem Habererbund angehört haben soll und wohl in der Zeit des großen Kirchenbanns hier sein Grab angewiesen erhalten hatte. Über dieses Grab häuften die Burschen einen ziemlich großen Erdhügel auf, aus dem sie ein neues Grab machten. Wahrscheinlich unter einem sehr derben Zeremoniell – auf derartige Dinge verstand sich ja der Daxer – wurde hier eine mit schwarzem Sackstoff bekleidete Strohpuppe beerdigt. Diesen Grabhügel umgaben sie nun mit einem Stacheldrahtzaun, an dem sie zwei Tafeln anbrachten.

Und staunend las der patrouillierende Gendarm anderntags:

Hier ruht
der Wohlgeborne
Graf von Luxburg
ehemal. Haberfeldmeister von Tegernsee
z. Zt. Polizeirat
zwischen dunkel und sichts mi nöt,
das war der letzte Habermeister
der hat beim letzten Haberfeldtreiben in Tegernsee
oan Moasta gmacht und
beim vorletztn Treim an Schandarm daschossen,
geb. zwischen Weihnachten und Hunbach,
gestorb. weiß Gott wo.
O Herr!
gib dem Hurnkerl die ewige Hur
und das ewig Licht
brenne seinem Beudl.
R. I. P.
Vivat alter Haberfeldmeister.

Die zweite Tafel verkündete:

Ruhestatt der Haberer.

Zwei Tage darauf wurde ein ähnlicher Scherz in der Feldkapelle zwischen Schliersee und Westenhofen verübt. Man fand eine bemalte Tafel:

Ruhestätte der Haberer

und einen Stacheldrahtzaun, der die Kapelle in einem Umkreis von einem Meter umringte und mit fünf aus Fichtenzweigen gefertigten Kreuzen geziert war. Ferner hatte man die in der Kapelle befindlichen drei Figuren Christus, Josef und Maria umgedreht, so daß diese den Rücken nach dem Beter wendeten und ihm so anzeigen sollten, daß sich ihre Gnade vom Volk abgewendet habe, seit die Haberer verfolgt werden. Schmähzettel, die am Stacheldrahtzaun hingen, vervollständigten das Produkt der Habererlaune.

Die Frechheit, die aus dem Sicherheitsgefühl erwuchs, machte in dieser Zeit da und dort den Wunsch nach einem Treiben laut und in dem umfangreichen Gebiet zwischen Rosenheim und Tölz begann wieder eine Zeit der aufreibenden Unruhe für die ganze Beamtenschaft und der aufopferungsvollsten Tätigkeit für die Schutzmannschaft. Wochenlang kamen die Gendarmen nicht aus ihren Kleidern; überdies fühlten sie wohl den Spott der Bauern, der sie überall vorsichtig umschlich. Außerdem aber waren diese Leute damals schauerlich schlecht gelöhnt und es ist geradezu merkwürdig, daß sie dennoch den Mühseligkeiten des Habererauskundschaftens mit einem Eifer sich hingaben, den sie – die Behörde konnte das ja nicht so genau kontrollieren – ruhig hätten beiseite lassen können. Aber die Gendarmen erreichten durch die Zähigkeit, mit der sie ihren schweren Dienst erfüllten, allmählich eine derartige Kenntnis von Land und Leuten und eine derartige Findigkeit, daß aus den kleinen Bruchstücken, die ihre Berichte bildeten, das große vernichtende Material gegen die Haberer aufgebaut werden konnte.

Und das war für das Wesen der Landpolizei von großer Bedeutung. Als der Bauer ihre Macht und Geschicklichkeit erkannte, erschrak er vor ihr und gewann Respekt. Er überzeugte sich endlich auch – nach üblen Erfahrungen mit den Daxerleuten – von der Notwendigkeit des Polizeisystems und ein plötzlicher Umschwung in dem Verhältnis zwischen Landpolizei und Landbevölkerung trat ein: der Spott wurde selten, man legte den Dienern des Gesetzes keine Hindernisse mehr in den Weg, man stand ehrlicher Rede und Antwort und zeigte sich sogar in manchen Fällen hilfsbereit.

Als der Daxer von Wall mit seinen Genossen endgültig verwahrt lag, hatte man ja ohnehin aufgeatmet und von Gau zu Gau gingen die Gerüchte über die Schrecknisse der Daxerzeit. Man hatte nun die Furcht verloren und fühlte die Wohltat sicherer Zustände – etwas wie Dankbarkeit keimte auf und in ungeheurer Anzahl erstanden aus der Landbevölkerung heraus Feinde des alten Brauches, dessen moderne Verkommenheit die alten Haberer laut in den Wirtshäusern verdammten.

Aber wie gesagt, kaum ein Jahr zuvor, als die Miesbacher Haberer noch in Freiheit waren, hatte sich allenthalben noch die Lust zum Haberfeldtreiben gezeigt. Bereits im Sommer waren Ankündigungen erfolgt und in der Nacht vom 23. zum 24. Juli 1894 wurde in Gmund an mehreren Orten ein Schmähschreiben angeschlagen:

»Da N. N. vo Gmund den Sauschlampn
müassmas scho vor olle leut sagn
daß ihr sei Bruada da X.
sein finnärischen Schwanz ah Ihr Sauloch
eini thuet jagn.
Dös SchindamenschSchinderweib; die verächtliche Bedeutung hat sich also aus dem Mittelalter noch erhalten is hübsch spöttisch
und a ah bis vowegn;
drum wär Ihr wenns dö Bluatschänderei net aufgeit
an Hirgst unsanö Hoabara und Schandarm Beutlstutzenspielt auf die Verwundung des Miesbacher Gendarmen Würdinger an
zum Fensta eini höbn.
Dös Saumensch is no bei oaschik Herrschaftn guet dro,bei einzelnen (einschichtigen) Sommergästen gut angesehen
weils net wissn, daß mit Ihre Bluatschänder Bratzn
s Eßn rürth oh.mit den blutschänderischen Händen das Essen zubereitet (anrührt)
An Y. den Misthund woi ma zerscht no frogn:
Oba sö thuat besarn?
Wen nöt müß man durch Hobamühl jogn.
Und an Erzbischof den Brachhame
derft a Pfara gnua sogn,
mir wörn an not vergössen;
boi a wider a moi kimmt
gema jahm a Bleikügerl z freßen.
Gruß vo dö Haberer.«

Das große Miesbacher Treiben hatte den Bauern der verdächtigen Gemeinden die Überraschung gebracht, daß bereits des andern Tages das alte System der Nachtwachen wieder in Wirkung trat und daß also in jedem Dorf 8 Mann von 9 Uhr abends bis 1 Uhr nach Mitternacht Patrouillendienste zu verrichten hatten – unter eifrigster Kontrolle der Gendarmerie.

Gleichwohl trieben die Haberer, jedenfalls nicht ohne des Daxers Zutun, ihre Späße weiter und eine Unzahl von Plakaten verkündeten plötzlich allerorts Treiben, in Ellbach, in Gmund, in Weyarn, in Rottach usw.

Um Beispiele dieser Ankündigungen aufzuführen:

»Bekanntmachung.

Es wird hirmit bekant gegeben daß am Samstag den 14 Oktober in Elbach ein Notwendiges Haberfeldtreiben stafindet

Haberfeldmeister Gfspfn Otlrnise«Nach der bekannten Malefisohu = Geheimschrift: Giopin Sternvol

Ein grobes Blaustiftgesudel auf schlechtestem Dütenpapier; aber was der Daxer selbst entrierte, entbehrte nicht der besseren Aufmachung – er beschäftigte gerne den Drucker und hatte sowohl in Gmund wie in München Leute, die seine Machwerke durch die Presse veredelten. Die Staatsanwaltschaft fahndete eifrig nach den beiden und vermochte auch den einen zu entdecken; aber es stellte sich heraus, daß sein Vergehen gerade zwei Tage vor Einleitung des Verfahrens verjährt war.

Ein Daxersches Plakat ist das folgende (aus dem Jahre 1893):

»Bekanntmachung.

Samstag den 4. November lfd. Jrs.

Großes Haberfeldtreiben
in nächster Nähe von Holzkirchen Bez.-Amt Miesbach.

Es wird eindringlich gewarnt und darauf hingewiesen, daß das zuhörende Publikum und die Polizei in keiner Art und Weise den Haberern oder der Vorpostenlinie zu nahe tritt, damit jedes größere oder kleinere Unglück vermieden bleibe.

Da die Haberer diesmal gegen derartige Zusammenstöße energisch vorgehen werden, so wird es daher unter keinen Umständen ausgeschlossen bleiben, daß nicht blos wie in Miesbach einem Gendarm der Beudl weggeschossen würde, sondern auch viele Todte und Schwerbetroffene vom Platz getragen werden müßten.

Das Geheim-Comite der Haberer.«

Diese Zettel waren im Format der ländlichen Theaterzettel gehalten und wie diese auf schlechtes farbiges Papier gedruckt. Also ab und zu auch auf rotes Papier; und so konnte es sich ereignen, daß in jener Zeit der Sozialistenfurcht ein Gendarm aus einem erbeuteten roten Zettel die Vermutung gewann, daß die Sozialdemokraten hinter den Haberern steckten . . .

Als im Jahre 1894 an die 300 des Haberfeldtreibens verdächtige Burschen und Männer in Untersuchungshaft saßen, empfanden die Münchener im allgemeinen das Eingreifen der Justiz als zu streng und verteidigten an ihren Biertischen die Haberer mit Leidenschaft – weil eben die Perspektive, unter der sie diese Leute betrachteten, durch keinerlei Kenntnis des richterlichen Materials beeinflußt war. Aber auch außerhalb der Biertischdebatten ergriff man Partei für die Haberer und von einem völlig unbekannten »Verein zur Erhaltung deutscher Volksgebräuche«, gelangte nachstehender Schrieb an das Miesbacher Bezirksamt:

»Der Verein zur Erhaltung deutscher Volksgebräuche in München sieht sich veranlaßt, Ihnen mitzuteilen, daß die Maßnahmen contra Haberfeldtreiber in Miesbach diesseitige Zustimmung nicht finden können. Nachdem es in der Tat Dinge gibt, die das Gesetz nicht verfolgt, die aber vom Sittlichkeitsgefühl aus verwerflich sind, wird ein Volksgericht sogar lobenswert, weil es den Beweis liefert, daß in unserem Volksleben ein Gefühl der Wertschätzung sittlich tadellosen Lebens vorhanden ist, das Volk also das Gegenteil laut und derb bestrafen will. Mit Gewalt dagegen vorzugehen, ist unratsam, weil dies zur Stärkung des Bösen beiträgt und im übrigen ist die Sache nicht so wichtig, daß deshalb Menschenleben auf beiden Seiten gefordert werden.«

Nur in völliger Verkennung der Rechtslage und der krassen Nebenerscheinungen des Brauches konnte eine ästhetisierende Gesellschaft zu diesem Urteil kommen. Es braucht wohl nicht gesagt zu werden, daß der Schrieb an dem Verhalten der Behörden nicht das geringste änderte.

Man verbot zunächst für weite Bezirke das Abhalten von Tanzveranstaltungen und ähnlichen ländlichen Lustbarkeiten, in der Erkenntnis, daß diese Zusammenkünfte zumeist Abmachungen der Haberer gezeitigt hatten. Zu den Jahrmärkten erschienen auffallend viel Gendarmen, die dank einer mühsam erworbenen Personalkenntnis die Gruppen beobachteten und die Resultate dieser Beobachtungen für künftige Ereignisse niederlegten.

Es war nun einmal notwendig geworden, mit aller Genauigkeit den Kampf weiterzuverfolgen, um den Sieg über einen Volksbrauch zu erringen, der veraltet und lästig, obszön und verlogen, gefährlich und verbrecherisch geworden war.

Die Wilderer, die in dieser wie in den früheren Perioden des Brauches zumeist identisch mit Haberern sind, ließen wieder Gewalttätiges von sich hören. Wahrscheinlich ist hier wiederum der Daxer von Wall im Spiele.

In der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1893, also gerade vor dem Allerheiligen- und Allerseelenfeste, an denen das katholische Altbayern seine Friedhöfe besucht, wurde das Grabdenkmal des verstorbenen Försters Maier zu Egern anscheinend durch Dynamit in die Luft gesprengt.

Daß ein Racheakt vorlag, ging aus einem an dem verwüsteten Grabe vorgefundenen Schreiben hervor:

»Nach der Verwesung (?) vom 15. Oktober 1893 wurde von der Geheimjustiz beschlossen:

Jedem Übeltäter und Mörder mit dem Tode zu strafen, um daß Versäumte einzuholen, sehen wir uns veranlaßt, noch an derben Mair zu rächen, denn ein so Schützenmörder ist kein so Ehrendes Denkmal werd, sondern blos ein gewöhnliches Kreuz.

Die Geheim-Justiz.«

Wie die Wilderer sich hier an dem Toten rächten, der zeitlebens seine Pflicht getan, so versuchten sie es ein Jahr später an einem Lebenden, dem Förster von Wiessee.

Man warf ihm Dynamitpatronen ins Haus; der Umstand, daß der Sprengstoff größtenteils verdorben war, vereitelte ein größeres Unglück.

Als diese Attentat nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte, unternahm man einen ganz feigen Mordversuch: man bohrte das Dienstschiff des Försters, mit dem er sehr viel zu fahren pflegte, dicht oberhalb der Wasserlinie an vielen Stellen an und verstopfte die Löcher mit Brotmulle. Sowie das Schiff durch einen Passagier beschwert war, mußten die Bohrlöcher unter Wasser geraten und die Brotmulle mußte bald ausgeschwemmt sein . . .

Der Förster wurde indessen durch einen Zufall auf die Manipulationen aufmerksam, die mit dem Schiffe gemacht worden waren. Man vermochte auch die Burschen ausfindig zu machen, die das Leben des Försters verlangten; unter ihnen befand sich der berüchtigte Metzger Xaverl von Gmund, der im allgemeinen die vom Daxer ersonnenen verbrecherischen Anschläge auszuführen pflegte.

Ein anonymer Brief hatte ja das Bezirksamt bereits auf die Daxerclique hingewiesen:

»Ein guter Freund macht Inen zu wissen, daß Hans Vogl Daxer von Wall und seine 2 Brüder sowie auch Johann Sprünger Markhauser von Wall und Kaspar Veicht Dienstknecht bei Markhauser und noch viele Anhänger diese raupen schleien immer bei der Nacht und umeinander thun den Leuten allerhand an von denen ist niemand sicher das sind schlechte Leute wenn Sie diese Raupen Einspären ließen, da verfehlten Sie nichts denn bei die Lumpen sind auch gewisse Haberfeldtreiber.

Schreiber zeigt sich nicht an wegen seiner eigenen Sicherheit.«

Die Furcht vor dem Gesindel war eben zu groß; man kannte die Rachsucht der Daxerleute: dem Buchdrucker Mayer in Miesbach, der gegen die Haberer geschrieben hatte, wurde nachts ins Schlafzimmer geschossen. Dem Stumböckbauern zu Hinterberg aber, der den Daxer belastende Aussagen gemacht hatte, wurde im Oktober 1894 das Haus völlig demoliert; dem Bauern Feuerreiter in Wall wurde aus gleichem Grunde ins Haus geschossen und Brandstiftung angedroht, die nur durch rechtzeitiges Inhaftnehmen der hierzu gedungenen Subjekte vereitelt wurde; die Dienstmagd Maria Stilner von Gmund konnte nach ihrer Vernehmung in Sachen Daxer und Genossen weit und breit keinen Dienstplatz mehr finden und war ihres Lebens nicht mehr sicher.

Neben diesen Äußerungen der Brutalität gehen endlos die Scherze her, auf die man die Gendarmen hereinzulocken sucht; fortwährend gehen Gerüchte über festgesetzte Haberfeldtreiben; anonyme Anzeigen, Plakate, Wirtshausgespräche – alles versucht den Gendarmen die Mühen des Dienstes zu erhöhen und sie durch aussichtslose Hetzjagden zur Gleichgültigkeit und Untätigkeit zu bringen. Und wenn die Station lächelnd Briefe, Plakate und mündliche Nachrichten endlich neglegiert: dann plötzlich krachen wieder etliche hundert Gewehre in der Nacht und der Unfug hat von neuem begonnen.

So konnte es dem Bezirksamt München II passieren, daß die Meldung über ein bevorstehendes Haberfeldtreiben (bei Otterfing), die in allen Details sich später als richtig erwies, keine Beachtung fand. Das Treiben fand pünktlich statt und ein kleiner Trupp Soldaten, der bei der Nähe Münchens rechtzeitig hätte zur Stelle sein können, würde nicht nur in dem speziellen Fall sondern auch für die Zukunft Wunder gewirkt haben.

Wie weit oft die Grenzen gesteckt waren, innerhalb derer man ein Treiben befürchtete, geht aus dem nachstehenden Depeschenwechsel zweier Bezirksämter an ein Drittes hervor:

»Wasserburg, 6. 10. 94.

Versucht heute Nacht Grenze gegen Wasserburg tunlichst überwachen zu lassen.

Bezirksamt Wasserburg.«

»Miesbach, 6. 10. 94

Heute vielleicht Haberfeldtreiben bei Hundham oder Irschenberg.

Bezirksamt Miesbach.«

Die dünn gesäte Gendarmerie hatte also für das Treiben Entfernungen bis zu 200 Kilometern anzunehmen. Überdies erwiesen sich die Gerüchte als falsch und die Strapazen großer Nachtmärsche blieben ungelohnt. Während des ganzen Oktobers fand kein Treiben statt; aber am 9. November rebellten die Burschen in Gaißach.

Auch im Bereich des Bezirksamtes Aibling schien es, als ob der Brauch sich wieder in solennen Treiben äußern wolle, trotzdem Nachrichten aus Miesbach besagten, daß den Haberern allgemeiner Verrat drohe. Da indessen die Teilnehmer an dem jüngsten Treiben des Bezirks (Götting, 30./31. Oktober 1892) noch immer in der Angst vor Entdeckung schwebten, mußten die üblichen Plakate die Treiben ersetzen. So fand man in Feldkirchen am 2. Februar 1894 ein mit Blaustift geschriebenes Habererplakat mit der Unterschrift:

»Karll
Unterschberg«,

zu gut Deutsch also: »Kaiser Karl vom Untersberg«.

Das Plakat beginnt mit einem Schnaderhüpfl:

»De P. Deandl san handsam
gon Tanzn sche langsam
gon mausn sants gschwind,
daß eahne de Roz abarint

Dieser Einleitung folgt das groß und verachtungsvoll geschriebene Wort »hurrerpanti« (Hurenbande). Und dann entlädt der Mann seine Galle:

»Dä G. vo H. hotse sagrisch vohaut
da hot dä P. und dä Dachtan sei Kamodi ohgschaut
ä hod de zwoha Bridschn auf Bank aufi gleg
dasas gsen hot wie offt oana drin gstegg is.

An L. sei G. hot gschaugg wja Nar
und hot doh glej gsag,
des sant ga raudi harr.

Da S. vo G. is a schoh a oita Moh
aba sowas is eahm sejna Löbdag net vürkema.

Drum wohima an G. aufs nei johr schreim
na brauchtas bej de Weibsbuhida ned gar aso ztreibn
und däsparn uns a bißl a Howafehidtreim.

Aso Gschichdn macha des is jetz koha Gschpas
weill mas vo dea Zeit oh ban Schnohinwiat hoaßt.

Jetz los ihs bohid guad sei des Leut derblekn
suscht kimt amohi oana mit an graußn Stekn.

brosit Neujahr
Karll
Unterschberg.«

Dann die folgende

»Bekanntmachung.

Ich rich eine einladung auf den Endorfer spais es kunden vileich einige da sein, daß nicht ein jeder wais in Endorf hat ein Ochsen renen gang in Endorf streiten in Grafing hats einen weiher ist kein fisch und kein Greps gar keiner drin . . .«

Der konfuse Brief, der die Hirschauer Stückchen von Endorf aufzählen will und nach dem Obigen noch eine atemlose Reihe von Unverständlichkeiten bringt, ist unterzeichnet:

»Schongau, 20. Dezember 1898, post Rottalmünster am Inn, Übersendung des Bürgermeisters Haifing:

ich mus mein schreiben schlisn
ich hab nich mehr Zeit
ich hab noch fon Haifing 10 tagreisn weid
da werds aber denken
wan ich einmal kim
da hab ich meine Menscher
im kuk kastn drin.«

In der Nacht vom 16. zum 17. Juni 1894 wurde in Hemhof ein Habererbrief angeschlagen, der unverkennbar die Privatarbeit und die Privatrache eines einzelnen gegen einen einzelnen ist. Er beginnt:

»Gehts he da Leut lests die Freud wire ra
daß de R. Bauern stand giebt
grad a notiger is hat a dabei
Geh Leut lassteng was vozehn
De G. ham z R.
we bei der Militär gwen
ja de det engs gen vozehn
Was um sein Stand is gwen
was um sei Gelt is und um sei Sach wä
D J. z R. is a gar a gscheider
da paßd hat a scha auf K. sei Haus
Ja dei die Tächter ano kriegetn a Haim . . .«

Der Mann beschließt die Reihe seiner Geheimnisse mit den Versen:

»Jetz Leut bschließe mein Schreibn weiß aufkema iss
was min G. hen z R. ist
Und jetzt Leut zum schlus mecht i eng gebn an gudn Rath
das euch ned pasirt wi an G. z R.
der wo sei Wei hat grad fir an anden Stir.

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