Georg Queri
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Georg Queri

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Der habererfreundliche Kooperator

Die Regierung erhielt im Januar 1841 ein anonymes Schreiben, das die Haberer verteidigen wollte.

Das merkwürdige Schriftstück bringt abermals neue Details über das Habern und verrät in seiner Tendenz einen Geistlichen als Verfasser.

»Glaubend, daß die Kgl. Regierung über den Zweck des sog. Haberfeldtreibens im südlichen bayrischen Hochlande nicht die gehörige Kenntnis hat, so wird hiemit der gehörige Aufschluß erteilt.

Der Zweck des Haberfeldtreibens ist, der Unsittlichkeit Einhalt zu tun durch öffentliche Beschämung. Denn nur bei solchen Leuten wird getrieben, welche als Ehebrecher oder Ehebrecherinnen oder im ledigen Zustande als ganze Wohllüstlinge öffentlich schon bekannt sind. Würde gegen solche sittenlose Menschen auf anderem Weg streng verfahren werden, daß sie ihren verderblichen Lebenswandel bessern möchten, vom Haberfeldtreiben würde keine Rede mehr sein, daher auch jener nächtliche Tumult vor mehreren Jahren zu Maxlhofen bei Aibling, jenes Schießen ins Schloß kein Haberfeldtreiben war, sondern Ausübung der Rache, welche dadurch gefaßt wurde, daß der Jäger des dortigen Schlosses einen Wildpratschützen erschoß und nach aller Vermutung lebens eingescharrt hat.Derartige Gerüchte sind in dem großen Reich der altbayrischen Wildpratschützen keineswegs selten aufgetaucht. Aus meinen Bubenjahren ist mir eine ähnliche Geschichte vom Starnbergerseegebiet bekannt. Man hatte einen von hinten angeschossenen Wilderer unter einem Daxenhaufen tot aufgefunden. Da ihm die Kinnlade anscheinend durch einen Kolbenhieb zerschmettert war, erzählte sich das Volk, der oder die Jäger hätten auf diese Weise seine Hilferufe erstickt. – Der in den achtziger Jahren berüchtigte Wilderer »Schweizer-Karl« von Murnau, war eines Tages am Rand eines Steinbruches, als er eben einen Rehbock erlegt hatte, von einem Jäger gestellt worden. Der Schweizer-Karl war verwegen genug, lieber in den Steinbruch einen Sprung zu wagen, als sich wehrlos – er hatte keinen Schuß mehr in der Büchse – verhaften zu lassen. Der Jäger schoß dem Springenden eine Ladung Rehposten nach, die ihn beträchtlich verwundete. Da der Wilderer infolge der Schußverletzung wie des fürchterlichen Sprunges eine Weile liegen blieb, mußte der Jäger wohl annehmen, daß der Feind tot sei. Er begab sich nach Hause und holte Pickel und Schaufel, um den Leichnam einzuscharren – im eigensten Interesse: denn er hatte auf einen Fliehenden geschossen und war darum vor dem Gesetz strafbar, er hatte aber auch einen Wilderer erschossen und mußte die Rache seiner Genossen fürchten. Ein Ausweg blieb: jede Spur der Tat beseitigen. Der Wilderer mußte, wie viele seines gefährlichen Gewerbes, plötzlich verschollen sein.

Aber der Jäger fand den mutmaßlichen Leichnam nicht mehr; der Schweizer-Karl war allerdings schwer verwundet, vermochte sich aber noch nach einem Bache zu schleppen, in dem er lange liegen blieb und seine Wunden kühlte. Dann kroch er mühselig nach einem Bauernhof, wo ihn dann die Gendarmerie aufhob.

Der Jäger wurde einige Monate später erschossen aufgefunden. Der zuerst als der Tat verdächtig gefänglich eingezogene Schweizer-Karl wurde bald wieder freigelassen, nachdem die Untersuchung eine Selbsttötung aus Unvorsichtigkeit annahm.

»Wo keine Ehebrüche oder sonst kein all bekannt unkeuscher Lebenswandel von Erzeugung mehrerer Kinder, da kein Haberfeldtreiben.«

»Die Entstehung des Haberfeldtreibens reicht schon über 200 Jahre hinauf und das Verfahren dabei blieb sich stets ziemlich gleich. Das Verfahren ist nun dieses:«

»Um Mitternacht kommen von 100–200 rüstige Mannspersonen. Sie schließen am freien Platz einen großen Kreis, alle sind mit Gewehren versehen, die scharf geladen sind

»In der Mitte des Kreises wird ein Schragen gestellt, worauf Bretter gelegt sind. Der Haberfeldtreibmeister mit noch einigen Männern befindet sich da. Ist die Anordnung geschehen, sind alle Vorposten ausgestellt, um ja niemanden nahekommen zu lassen, so wird bei der Wohnung der sittenlosen Person aufgeweckt, was geschieht mittelst zweier Flintenschüsse. Musik wird gemacht, passende Reime werden gesprochen, und die Aufwecker treten wieder in den Kreis. Nun Lärm usw.«

»Gegen drei Stunden weit hört man den Lärm.«

»Plötzlich wird Ruhe kommandiert und nun beginnt die Vorlesung der Ursache in lustigen Versen, in den Hurern oder Ehebrechern zum Schimpf gereichenden Reimen, genommen aus ihrem unkeuschen Lebenswandel. Nach jedem Reim folgt ein schallendes Gelächter.«

»Jetzt wird zum zweitenmale aufgeweckt, dann Ruhe geboten und es folgt die zweite Vorlesung. Hierauf folgt der Schluß. Es werden falsche Namen der Treiber abgelesen und anstatt des Wortes »hier« wird geantwortet: »Hur«. Ein ganz möglich großer Lärm macht den Beschluß. Die ganze Mannschaft zieht sich zusammen und es erfolgt der Abmarsch, was sehr schnell geht, um allen Gefahren etwaiger Nachstellung zu entkommen und nicht erkannt zu werden.«

»Die Treiber schwören zusammen, nichts durch Aussagen zu verraten, während des Treibens selbst in allen Gefahren einander zu unterstützen.«

»Sollte allenfalls ein Schaden angerichtet werden an zeitlicher Habe, er wird ersetzt. Die Flinten und Stutzen werden verborgen gehalten, um ja bei allen Nachforschungen dieselben nicht dem Gerichte überliefern zu müssen.«

»Es ersuchen die Haberfeldtreiber die bayrische Regierung, gegen den liederlichen Lebenswandel aller Personen, die ihn führen, vorzugehen. Dieser nächtliche Lärm wird für immer aufgehoben bleiben im bayrischen Hochlande.«

»Geschrieben im Monat Jänner 1841 in Übereinstimmung mehrerer Haberfeldtreiber.«

Der Kooperator Bartholomae Schmid in Parsberg hatte den habererfreundlichen Brief geschrieben, wie Schriftproben, die man allenthalben einholte, nur zu schnell ergaben. Die Regierung hatte zwar Auftrag gegeben, den Verfasser in jeder Form zu schonen, aber der Landrichter fand einen boshaften Modus, um von dem Manne eine schriftliche Erklärung zu erhalten, daß das Haberfeldtreiben etwas höchst Verderbliches sei.


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