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V.
Weib und Kind


In eurem Namen, Mutter, die ihr thront im
Grenzenlosen, ewig einsam wohnt und doch gesellig.

Goethe

Die geistige und politische Entwicklung des Weibes

Es ist noch gar nicht so lange her, seit man die Seele der Frau in ihrer ganzen Tiefe erkannt und in der Literatur gewürdigt und beschrieben hat. Da man früher nie die Möglichkeit erwog, daß auch das Weib alle edlen und großen Eigenschaften, die man nur dem Manne zuerkannt hatte, in sich tragen und hegen könne, gab man sich erst gar nicht die Mühe, das Leben ihrer Seele zu erforschen. Die Frage wurde noch nicht einmal laut, ob sie überhaupt eine Seele habe.

In den Uranfängen der Kultur hatte das Weib nur als Fortpflanzungsobjekt Daseinsberechtigung. Es war des Mannes niedrige Sklavin, die vom Gatten – dem Priester des Hauses, eine Art Halbgott – gepeitscht, geschunden und getötet werden durfte, ohne daß dieser eine entsprechende Strafe zu erdulden gehabt hätte. Das Weib war Sacheigentum des Mannes im niedersten Sinne des Wortes, folglich konnte er es verborgen, verschenken, verkaufen, aus Gastfreundschaft fremden Reisenden anbieten, und wo dies Anerbieten ausgeschlagen wurde, galt es – wie im alten Griechenland – geradezu als Beleidigung.

In Indien reicht dieser Begriff des Weibes als eines Sacheigentums bis zum Tode des Mannes. Zugleich mit den anderen Lieblingsgegenständen, Lieblingspferden usw. wird auch die Witwe verbrannt.

In China nehmen die Frauen noch gegenwärtig eine sehr untergeordnete Stellung ein.

Die spartanischen Ehegesetze des Lykurg sind im wesentlichen von den Anordnungen eines Gestütdirektors nicht zu unterscheiden.

Später, als das Weib seine Schönheit erkannt hatte und nunmehr seine Reize gegen das Geschlecht der Männer auszunutzen verstand, ward es ehrgeizig. Im Hinblick auf ihre Schönheit stempelte die Kirche Aspasia, Lais und Cleopatra zu Fürstinnen der Hölle. Seine ersten Lorbeeren errang das Weib in der Glanzzeit des Hetärentums. Als öffentliche Dirne ward es zur Heiligen ernannt, und es entspannen sich bittere Kämpfe um seinen Besitz. Nur die Hetären wurden verwöhnt; sie waren es, die Ruhm und Reichtum errangen. Sie waren es, die die Edelsten und Vornehmsten der Nation, die Philosophen und Staatsmänner zu ihren Füßen sahen und von den Dichtern in unsterblichen Liedern besungen wurden. Die braven Mütter ermahnten darum auch ihre Töchter, niemals in die schlechten Manieren der Ehefrauen zu verfallen, nicht laut zu schreien, nicht unmäßig zu essen oder zu trinken usw.

Die Ehefrau war ein geistig gering geschätztes Inventar des Hauses, mehr Gefangene als Herrin, und Plutarch versichert in seiner »Abhandlung über die Liebe«, daß zwischen Mann und Weib Liebe unmöglich sei.

Wieder später ward das Weib ein willenloses Objekt, um das die Männer unter sich in bitteren Fehden verhandelten – eine barbarische Form des Werbens, die noch heute in unserem Duell fortbesteht – und als der Stärkere naturgemäß siegte, war das Weib noch stolz darauf, Hetäre des Stärkeren sein zu dürfen. Es hatte noch keine geistige Selbständigkeit und fühlte noch nicht die Größe der Erniedrigung, die darin lag, nicht frei wählen zu dürfen, sondern sich wählen lassen zu müssen. Mit physischer Kraft machte sich der Mann allezeit das Weib und des Weibes stumpfen Willen untertan, und auch die Denkenden aller alten Völker betrachteten das Weib als etwas gänzlich Untergeordnetes, aber als etwas Gefährliches zugleich. Denn man sah nur, daß es überall direkt oder indirekt Unheil angestiftet hatte. Es war die Quelle der Bosheit, Verderbnis der Seele, Fahne der Hölle, Auge des Teufels, Pfeil des Satans, Verleumderin der Heiligen, Herberge der Schlangen, wütende Ziege, verheerender Nordwind, ein unbändiges Tier.

Den Untergang des Paradieses warf man Eva vor. Moses verbot den Weibern ihres Leichtsinns halber den Eid. Dalila verriet den Giganten Simson, und Salomo hatte gesagt, das Weib sei bitterer als der Tod. Hippokrates versicherte, die Bosheit sei dem Weibe direkt angeboren. Cicero rächte sich an seinem Feinde, indem er ihm seine böse Schwester zur Gattin gab. Philipp von Macedonien beteuerte, der schlimmste Krieg, den er zu führen gehabt habe, sei der gegen seine Gemahlin Olympias gewesen. Cato verstieß sein Weib. Hesiod glaubte, das Weib sei zur Strafe des Menschengeschlechtes geschaffen. Sokrates – der allerdings besonders böse Erfahrungen gemacht hatte – sagte, die Quelle aller Übel sei das Weib, und der heilige Chrysostomos hielt kein wildes Tier für so gefährlich wie das Weib. Origines hielt die Frauen für des Teufels Waffen, und der heilige Augustin verachtete sie vollkommen. Um Helenas willen bluteten Tausende, brannte Troja. Penelope war schuld an einer ganzen Odyssee voll Jammers. Martial begriff es nicht, wie man zuweilen auch eine gute Frau finden könne.

In den Korintherbriefen heißt es, es sei dem Menschen gut, daß er kein Weib berühre. Der heilige Ambrosius meint, Eheleute müßten voreinander erröten. »O Liebe!« ruft der heilige Tertullian aus, »du müßtest immer in Trauergewänder oder in Lumpen gekleidet sein, büßend für das Verbrechen, das menschliche Geschlecht verdorben zu haben! Weib, du bist die Eingangstür des Teufels, die Pforte der Hölle. Verbirg deine Stirn überall, immer, zu jeder Zeit!« Paulus riet zur Ehelosigkeit, und der heilige Matthäus versicherte, das Paradies sei deshalb nur so verlockend, weil dort die Heiligen unverheiratet sein würden. Der heilige Gregorius verglich das Weib mit einer Schlange und meinte, Weiberhaß sei mehr zu fürchten als Teufelshaß, und Petrus endlich verleugnete, durch ein Weib verleitet, Jesus.

Der Talmud schloß die Frauen von der Bildung aus. Wenn man seine Tochter in der Thora unterweise, sei es, als lehre man sie Gemeines. Man verbot den Weibern, nach Jerusalem zu wallfahrten. Manche der jüdischen Weisen betrachteten es bereits als Sünde, mit einer Frau nur allein zu sein. Andere rühmten sich, daß sie ihre Gattin nicht Weib nannten, sondern Gefäß.

Die mittelalterlichen Protestanten schrieben noch von den drei Häuten der Weiber, der »Hundshaut«, der »Sauhaut« und zum dritten erst der »Menschenhaut«. Das Weib war »eines der neun bösen Würmer«. 1595 wurden in Wittenberg 51 Thesen verbreitet, die ernsthaft untersuchen sollten, ob Frauen denn auch Menschen wären. Hier sind ein paar Blütenlesen aus den Werken jener Zeit:

»Ein Eheweib ist nicht anders im Haus, als ein dick schwartz und ungestüm Wetter am Himmel.«

»Es ist kein Weib gut, auch die allerbeste nicht.«

»Wer will seinen Feind zu Tisch und Bett haben, wer mit Zank und Hader sich will niederlegen und aufstehen, der nehme ein Weib.«

»Ein Weib nehmen ist nichts anderes als des Unglücks Hosen anziehn.«

»Jede Bosheit ist gering, verglichen mit der Bosheit des Weibes. Brevis omnis malitia super malitiam mulieris.«

Man fürchtete das Weib als die unwiderstehlich lockende Sünde.

Aus unserer Zeit ließe sich wohl noch eine stattlichere Anzahl kräftiger Beispiele zusammenstellen, in denen das Weib bald als notwendiges Übel, bald als lockeres Geldsieb, als Hexe und Teufelin, hier als verschlingender Strudel der Vernunft und dort als Puppe, die nach der Narrenpfeife tanzte, dargestellt wurde.

Die Verachtung des Weibes, gegründet auf eine mangelhafte Kenntnis der weiblichen Seele – und diese wieder: entstanden durch übereiliges Generalisieren der weiblichen Individualitäten: »Die Weiber sind alle …«, durch Verwechseln und mehr noch durch Zusammenwerfen von Grund und Ursache, von Ursache und Wirkung – fand bei den Neueren ihre stärksten und vornehmsten Repräsentanten in Schopenhauer, Nietzsche und Strindberg. Man kann aber aus den Werken dieser tiefsten und anarchistischsten Köpfe des 19. Jahrhunderts ohne Mühe herausfinden, wie sehr sie alle am Weibe gelitten und wie es nicht eigentlich Verachtung war, die sie dem Weibe entgegenbrachten, sondern nur ein erschreckend tiefer Haß, ein Haß gegen einen mächtigen Feind, gegen den sie vergeblich ankämpften, weil er eine Waffe besaß, der gegenüber man, solange man weder Castrat noch Eunuch war, noch sexuell abgewirtschaftet hatte, gänzlich machtlos blieb: den erotischen Reiz. Der Kampf dieser Geister gegen das Weib war also eigentlich nur Rebellion des zeugenden Geistes gegen das Empfängnis begehrende Fleisch. Liebeshaß nannte es Strindberg; eine Wut gegen das eigene Herz, die in Verachtung umgeschlagen wäre, wenn Schopenhauer, Nietzsche und Strindberg im Unterstrom ihres Bewußtseins nicht so deutlich empfunden hätten, daß es gerade die Sinnlichkeit war, aus der ihre große Schaffenskraft floß, daß es gerade die instinktive natürliche Anziehungskraft des Weibes war, gegen die man sich wehrte. Die eisernen Männer wehrten sich gegen Magneten und schlugen um sich, da sie naturgemäß angezogen wurden.

Alle Schriftsteller und Dichter, die das Weib nicht erkannt hatten, haben es uns als Nixe geschildert oder als Sphinx, als Elfe oder Zauberin, als ein Gehäuse großer Mystik und tiefer, unlösbarer Rätsel. Sie richteten in der Psyche des Weibes mit ihren orakelnden Beschwörungsformeln eine große Wirrnis an und suggerierten dem Weibe alles, was geheimnisvoll und unerklärlich an ihm schien, sodaß es allmählich selber an sein Sphinxtum zu glauben anfing und sich in den wichtigsten Augenblicken des Lebens nicht begriff.

Wie der Wilde, der von physikalischer Astronomie nichts weiß, den feurigen Sonnenball anbetet oder verflucht – je nachdem er ihm Glück oder Unglück bringt! – so beteten diese Dichter das Weib an, wenn es Glück verhieß, oder verfluchten es, wenn es sie nicht erhörte. Sie verstanden es nicht …

Vor wenigen Jahren erst waren nun ein paar tapfere Frauen auf dem Plan erschienen, die zum erstenmal den Mut hatten, sich dieser aufgedrungenen Rätselhaftigkeit zu entkleiden. Sie wurden Schatzgräber an ihren Seelen und zeigten uns, wie auch in ihren Herzen alle Leidenschaften und Lüste, die man bislang nur dem Manne zugesprochen hatte, stürmten und wüteten. Die Memoiren Sonja Kovalewskas, der Baschkirtzew, Jane Welsh Carlyles und Malvida Meysenburgs, die Bücher der Elisabeth Fry, Florence Nightingale, Josephine Butler, Harriet Beecher-Stowe, Frederika Bremer, Camilla Collet, Humphry Ward, Anne Jerenina Clough, Mathilde Serao, Ada Negri, Amalie Skram, Selma Lagerlöf, Karin Michaelis, Ebner-Eschenbach, Clara Viebig, George Egerton, Catharina Godwin, die Essays der Ellen Key, Rosa Mayreder und Laura Marholm, Ricarda Huch usw. usw. waren literarische Dokumente von eminentester Wichtigkeit. Wenn die Frauen Anspruch auf geistige Gleichberechtigung machten, so hatten sie schlagend bewiesen, daß sie auch ein Recht darauf hatten; und nun waren es nur noch die Impotenten, die zu zittern begannen, daß das Weib ihnen auf allen Gebieten die Vorherrschaft entreißen würde, – was auch bald genug geschah. Es gab bald keinen Beruf mehr, den die Frau nicht gleich dem Manne ausfüllte, und keine Kunst, in der sie nicht Bleibendes leistete.

Gewiß, es gibt heute in männlichen Berufen mehr Frauen, als nötig ist; in der Kunst stellen sie den größten Prozentsatz des Dilettantismus; und es ist sicher, daß sie auf allen Gebieten die Preise verderben. Sollen wir aber deshalb die nicht loben, die die Energie besitzen, einen vorgeschriebenen Lehrgang, trotz aller Chikane der Examina, durchzumachen? Die von der Krankenwärterin und Hebamme zur Ärztin sich entwickeln? Die die mathematischen Probleme mit gleicher Kühnheit lösen wie der Mann? Wenn die Frau ein Buch schreiben oder mit der Radiernadel umgehen kann, beginge sie nicht ein Unrecht, wenn sie es nicht täte?

Allerdings: es gibt nichts Greuelvolleres als Blaustrümpfe. Aber wenn man es für nötig befunden hat, alle jungen Mädchen unterschiedslos unterrichten zu lassen, muß man sich schon solche peinlichen Auswüchse gefallen lassen. Und wenn es andererseits die höchste pädagogische Aufgabe ist, den Funken anzufachen, warum wundert man sich dann, wenn eines Tages aus dem Funken eine Flamme wird?

Auch dies ist gewiß: Die »emanzipierte« Frau, die nur noch auf die Naturwissenschaften schwört; eine Frau, die Pillen dreht oder die Ausscheidungen der Nieren kocht, ist im Grunde etwas Unweibliches, Gräßliches. Für diese Frau ist Jeanne d'Arc keine gottgesandte Heldin, sondern ein hysterisches Frauenzimmer, Caterina di Siena nicht hellseherisch, sondern epileptisch. Die Verzückungen der heiligen Therese sind dann Halluzinationen einer gesteigerten Sexualität, und die Inspirationen der heiligen Bräute des Mittelalters sind auf kataleptische Anfälle zurückführbar. Aber was ist dann der Liebreiz der Frau? Diese »Emanzipierte« wird mir, wenn sie verliebt ist – was immerhin möglich wäre! – mit der Erklärung imponieren wollen, daß ihre Liebe nichts als eine Reflexbewegung der Gehirnzentren sei. Und während es anderen Frauen das Süßeste ist, ein Kind an der Brust zu tränken, wird sie mit der Weisheit aufwarten: Muttermilch enthalte so viel Prozent Wasser, so viel Casein, Albumin, Fette, Zucker, Salze usw. Soll man wirklich die Anmut und die Schönheit der Frau auf die letzte chemische Formel bringen? War das die Absicht all derer, die für die Freiheit der Frau zu kämpfen begannen?

Ibsen, durch Hebbel, den tiefsten Frauenverehrer, auf den Weg geführt, stellte an den Mann die kategorische Forderung, der Frau ihre so schnöde beschnittenen Rechte in vollem Umfang wieder zurückzugeben, und wenn der Mann auch nur mit halbem Ohr auf den Aufwiegler hörte, die Frau ward um so aufgereizter, verstand auch das Unausgesprochene, kehrte sich nicht länger an die durch statistische Zahlen erschwerte These der Gehirn-Anatomen, daß das Frauengehirn minderwertiger sei, als das des Mannes. Ibsen zeigte der Frau, daß sie eigentlich nur des Mannes Puppe und absolut nicht seine »bessere Hälfte« war, wie sie sich, vom Manne beschwatzt, solange eingeredet hatte. Und nun begann der rücksichtslose Kampf, in dem das Weib dem Manne bewies, daß es ebenfalls Tat- und Denkkraft besaß. Ungern, aber von unumstößlichen Tatsachen besiegt, gab der Mann endlich seine alte Anschauung vom Weibe auf und erhob es zu seiner Gefährtin. Nunmehr dem Manne im besten Sinne ebenbürtig, stellte das Weib gleiche Forderungen an das Leben wie der Mann, und empörte sich gegen die Zumutung, fernerhin des Mannes Sklavin sein zu müssen, wie es Gesetz und Moral von ihr verlangten. Es hämmerte sich neue moralische Werte, ein starkes Schwert, mit dem es gegen alle diejenigen, die das Kainszeichen des Rückschritts auf der Stirn trugen, bitter losschlug, und es wurde aus dem ursprünglichen Kampf der Geschlechter allmählich ein Kampf der Kultur gegen den Rückschritt. Nachdem das Weib den Dichtern neue Probleme gestellt, das alte Zerr-Konterfei zerstört und ein neues, prächtiges Selbstbildnis geschaffen hatte, erkannte man seine Tiefe und Seelenfülle und begann ihm gerecht zu werden. Fast an allen Kulturstätten verließ das Weib rehabilitiert den Turnierplatz. Aber der Glanz des Sieges wird der Frau nur so lange gehören, solange die Kulte des Eros ihr heilig sein werden, solange ihr Leben dem Gottesdienst der Liebe geweiht sein wird. Denn das tiefste und reinste Künstlertum der Frau ruht in der Liebe. Ihre Idee ist die Mutterschaft, und ihr schönstes Werk ist das Kind.

Ich verkenne nicht die Arbeit der Frau, nicht den ehrlichen Willen, nicht die Tüchtigkeit und Geschicklichkeit, nicht die Fähigkeit zur Anspannung und Ausführung, nicht die oft zutage tretende Besonderheit des Schauens, nicht die Sicherheit ihres Instinktes, nicht das vollgültige Empfinden, nicht die Gabe des poetischen Ausdrucks. Ich weiß ganz gut, was die Frauen geleistet haben. Ich erinnere mich zarter Gedichte, robuster Erzählungen, machtvoller Radierungen, starker Theaterstücke, überzeugender Schriften der Frauen. Ich vergesse nicht ihre Leistungen auf dem Gebiet der Kunst und Literatur, der Chemie und Physik, der Mathematik und Philosophie, vor allem auf dem den Frauen eigensten Gebiete: der Pädagogik. Und ich denke auch an eine große Fülle sehr respektabler Erzeugungen auf allen praktischen Gebieten. Trotz allem aber kann kein Streitsatz, keine Erfahrung, keine Tatsache das Naturgesetz aus der Welt schaffen, daß es die erste, höchste und schönste Aufgabe der Frau ist, der Welt und der Menschheit neues Leben und neue Hoffnungen zu schenken.

In Deutschland, der Ideenwiege der Nationen, hat die Frau endlich das Wahlrecht erhalten und ist auch politisch dem Mann ebenbürtig geworden. Hat sie aber damit ihrem Geschlecht eine größere Summe Glückes verschafft?

Die Frauenbewegung, insofern sie von Prinzipien geleitet wurde, war ja nichts anderes als der Versuch, die Natur, die differenziert, durch Kultur, die generalisiert, zu korrigieren. Aber man sollte meinen, daß die Natur in bezug auf das Weib doch deutlich genug gesprochen hat. Und doch wollen die Frauen sie im Zeitalter der Naturwissenschaften nicht verstehen.

Aber offenbar handelt es sich bei der Frauenfrage gar nicht um ein Prinzip, sondern um Kritik und Besserungsbestrebungen. Dann tauchen allerdings die Fragen auf: was wird kritisiert, was soll reformiert oder gelöst werden?

Zunächst die soziale Frage. Auf ihre Wurzel zurückgeführt ist sie nichts anderes als eine Magenfrage. Wenn der männliche Magen knurrt, nennt man es Arbeiterfrage; ist der weibliche Magen hungrig, nennt man es Frauenfrage. Aber das Schicksal der notleidenden Frau, der Arbeiterin und Proletarierin, fällt unter das allgemeine Proletarierschicksal, und ihr Hunger und ihre Not sind nur zum geringsten Teil Frauen-, d. h. Geschlechtsfragen. Die versorgte reiche Frau scheidet bei dieser Betrachtung völlig aus.

Sodann die politische Frage. Das Dogma von der allgemeinen Gleichheit aller Menschen hat seinen Segen nun auch auf das Frauengeschlecht ausgebreitet. Aber dies ist viel mehr eine reine Menschheitsfrage, die mit der Frauenfrage schlechterdings nichts zu tun hat. Es gibt kein Recht, wo es keine Macht gibt. Die politische Gleichberechtigung allein würde die Frau um keinen Schritt vorwärtsbringen, so wenig sie das Volk als Ganzes weiterbringt. Die Gleichberechtigung ist stets die Präexistenzform der Macht, insofern die bestehende oder wirkende Übermacht beseitigt werden soll, um sich selbst durchsetzen zu können. Wenn die Frau dem Mann gleichberechtigt sein will, so sucht sie die Möglichkeit, ihn zu überwinden, als Geschlechtswesen über ihn zu herrschen, sucht Macht. Und da sind wir im Vorstellungskreise Strindbergs, der über diesen Punkt bereits alles Wünschenswerte gesagt hat.

Kann das Wahlrecht das Weib entschädigen für sein Vorrecht auf Liebe und die Kinder, die man ihm heute mehr denn je verwehrt? Das Wahlrecht des Weibes ist eine Nichtigkeit gegenüber dem Ehe- und Liebesrecht, dem Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Wenn der Frau das Wahlrecht als ein ihr erstrebenswertes Ziel erschien, so liegt es daran, daß ihre Gedanken sich in konventionellen Bahnen bewegen. Sie wollte die konventionellen Rechte des Mannes, nicht etwa das Recht ihrer Frauennatur oder ihrer Individualität. Weil der Mann das Recht hat, wollte sie es auch, gleichviel, ob es Sinn und Zweck für sie hatte oder nicht und ohne Rücksicht darauf, daß es zunächst gegolten hätte, wichtigere Rechte für sie zu erkämpfen.

Emanzipation! Los vom Manne, den sie doch nicht entbehren kann. Aber während sonst Emanzipation stets eine Umwertung aller Werte bedeutet, sollte die Emanzipation für sie nur ein Sprungbrett sein, um mittels seiner auf die flache Ebene der Konvention zu gelangen. Zu allen Zeiten war die Frau von der Mode beherrscht. Sie hat nie den Mut zu sich selbst gehabt. Sie fand ihre Tugend immer im Hause. Aber nun, da der Mann sie emanzipiert hat – denn vom Manne geht ihre Emanzipation aus und nicht von ihr selbst! –, findet sie ihre Tugend im Wettbewerb mit der Arbeitskraft des Mannes und folglich mit der Verbilligung und Entwertung der Menschen. Denn das Überangebot der Arbeitskräfte und die herrschende Arbeitslosigkeit sind nicht zuletzt auf die Konkurrenz der Frau zurückzuführen. Gehörte die Frau wie einst dem Gatten, dem Kinde, dem Heim und wanderte sie nicht hekatombenweise in die Fabriken, Bureaus, Geschäfte usw., so würde der Mann als Arbeiter und Werteschaffer nie so gedemütigt, so würde der Kapitalismus nie solche brutalen Formen angenommen haben, und Mann und Weib würden nie so restlos um alles menschliche Glück gebracht worden sein. Die Macht, die die Frau heute besitzt, hat sie nur auf Kosten des Mannes errungen und endlich auf Kosten ihres Weibtums, Mutterglücks und Heims, auf Kosten der Ehefrage.

Erst bei der Ehefrage bekommt die Frauenfrage ein frauenhaftes Gesicht. Aber auch sie ist keine spezielle Frauenfrage, denn Mann und Kind sind ja mit von der Partie. Die Ehefrage ist vielmehr eine Staats- und Gesellschaftsfrage. Denn es handelt sich darum, das Gesetz zu bestimmen, unter dem mehrere Menschen zusammenleben sollen. Herrscht Liebe in der Ehe, so ist die Ehefrage von vornherein gelöst. Sie ist auch dort gelöst, wo beiderseitig der Stumpfsinn herrscht, das heißt, wo die Gewohnheit der Brutboden des Zusammenlebens ist. Gelöst ist sie auch, wenn der eine Teil dem anderen Autorität ist und endlich der eine von beiden die führende Macht besitzt. Zwischen zwei Gleichen mit denselben Rechten gibt es keine Einheit. Denn jede organische Einheit entsteht durch die autoritative Gewalt des einen Teils über den anderen. Die Frauen wollen ja nicht neben, sondern mit ihren Männern leben. Nur in der freien Liebe ist die Voraussetzung der Gleichheit beider Geschlechter möglich; denn nur außerhalb der Ehe stehen sich beide Teile als zwei Gleiche gegenüber. In der Ehe ist es das Recht der Frau, daß der Mann sie und das Kind ernährt und beschützt. Dieses Rechts begibt sie sich, wenn sie als Erwerbskonkurrentin des Mannes auftritt. Emanzipiert sich die Frau politisch und wirtschaftlich vom Manne, so kann er sich auch von seiner Ehepflicht emanzipieren, und die tugendhaften Mädchen können dann ruhig das Menschengeschlecht aussterben lassen. Die Frauen haben es aber immer vorgezogen, lieber schlecht verheiratet zu sein als gar nicht. Man kann nicht Ehe und zugleich Emanzipation wollen. Der Frauen Unglück ist auch gar nicht des Mannes Autorität – sein Wille war stets des Weibes Glück und Ziel! – sondern daß der moderne Mann gar nicht mehr Autorität sein will und kann.

Die Frauenfrage ist zuletzt nichts als eine Geschlechtsfrage, sodann eine Menschheitsfrage und endlich eine Individuenfrage. Die Geschlechtsfrage kann durch Leugnung des Geschlechts nicht gelöst werden. Gleiche Geschlechtsmoral für beide Geschlechter fordern, ist Blödsinn oder Heuchelei, da es bei beiden weder die gleichen Ursachen, noch die gleichen Folgen hat.

Die Menschheitsfrage lautet: Wie verschafft man der größtmöglichen Zahl der Frauen das größtmögliche Glück? Nicht, indem man sie ihrer Natur entfremdet und vermännlicht, nicht, indem man die Ehe durch den Konkurrenzkampf, den die Frau selbst entfacht hat, erschwert. »Überdies – sagte Arne Garborg, dessen Art es war, das Kind immer beim richtigen Namen zu nennen – überdies, wenn es wirklich ein Weib geben sollte, das mehr dazu taugt, Professor als verheiratet zu sein, so laßt sie in Gottes Namen Professor werden! Allein die Frauenbewegung geht vom Standpunkt aus, daß das Weib überhaupt Professor sein soll. Und das ist Literatur und hat mit dem Leben nichts mehr zu tun. Hätten die Dichter die Wahrheit gesagt, nämlich daß das Weib so gut als der Mann nicht bloß eine Versorgung braucht, sondern auch Liebe, und zwar nicht bloß die feine Liebe, die in den Büchern gestattet ist … Aber das ist eine der Menschlichkeiten, von denen die Poeten schweigen! Natürlich glauben dann die jungen Mädchen, es sei etwas Abscheuliches und Unweibliches, dieser gesunde heiße Drang im Blute nach der Umarmung eines Mannes.«

Hier spricht ein tieferes Mitleid mit dem weiblichen Geschlecht und ein besseres Verständnis für die furchtbaren Demütigungen und Leiden, die das Weib, insbesondere das Mädchen, in der modernen Gesellschaft erfährt.

Schließlich ist die moderne Frau aber nicht nur Weib, sondern auch Individuum. Die ganze Frauenfrage bekommt ein anderes Gesicht, wenn man nicht mehr die Frauen, sondern die einzelne Frau ins Auge faßt. Jede starke Leistung ist die Rache des Individuums an der Natur und Gesellschaft. Die Leistung der Frau in der Kunst, Wissenschaft oder im politischen Leben ist im Grunde nichts anderes als ein Ventil, das sie sich geschaffen hat für ihre mangelnde erotische Erlösung. Denn jede Leistung in der Öffentlichkeit erfordert beim Weibe eine Überwindung der Scham, jedenfalls bei jedem Weibe, das seelisch noch intakt ist.

Das Recht der Frau ist, wie jedes allgemeine Recht, eine Entrechtung des Individuums, und individuell wird auch die Frau niemals durch die politische Emanzipation zu ihren Rechten kommen. Sie hat sich nur eine neue Schranke ihrer Natur errichtet. Das Urproblem der menschlichen Gesellschaft aber, wie der einzelne Mensch zu seinem Rechte kommt, wird durch die politische Emanzipation der modernen Frau auch nicht einmal von fern berührt. Man emanzipiert das Weib namentlich von der Sklaverei des Staates und dem Zwang der Zeit nur, indem man es wieder zur Natur, indem man es zu seinem eigenen Geschlecht zurückführt. Darum sehe ich in der politischen Gleichberechtigung nicht das Glück für die Frau. Ich glaube vielmehr, daß die politische Gleichberechtigung der Frau ein Schritt weiter ist auf dem Wege zu ihrer Verelendigung und zur Korruption ihres Urwesens. Es wird nicht das Wesen sein, das uns ewig hinanzieht.


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