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Fest gemauert in der Erde

Der folgende Tag war ein Samstag. Auf dem Römerberge war es von Käufern und Verkäufern lebendig und von der unfernen Barfüßerkirche tönte aus dem kleinen spitzen Türmchen das klimpernde Geläute, welches die Andächtigen zum Samstagsgottesdienste und zur Beichte rief.

Tante Wenkbach, hocherfreut über den glücklichen Erfolg ihrer gestrigen, bei Kunigunden getanen Schritte, die sie, nach späterem Erwägen und in dem Gedanken an des geliebten Neffen Wohlfahrt doch wieder gerechtfertigt, wenigstens entschuldigt fand, ging mit stolzen Geberden in der Stube umher. Zeitweise besuchte sie dabei die anstoßende Küche, um die Dienstmagd zu überwachen, weil heute der geliebte Neffe, um das Siegesfest mitzufeiern, geladen war.

Die friedlich herübersingenden Glockentöne – vielleicht auch die Erinnerung an ihr gestriges Auftreten bei Kunigunde – erweckten in ihr eine andächtige Stimmung, wenigstens glaubte sie, in ihrer Brust eine solche Regung zu verspüren, und um derselben nachzuhängen und zugleich den etwa drohenden Himmel durch einen Dank zu versöhnen, begann sie mit feiner näselnder Stimme ein Kirchenlied.

Doch hatte sie mittlerweile eine Flasche Wein aus dem Keller holen lassen. Eins mit dem andern verbindend, unterließ sie daher nicht, während des Gesanges einmal die Sauce zu versuchen und das andere Mal zwischen jedem Verse ein Glas Wein zu trinken, wodurch ihre zagende Seele beruhigt und die andächtige Stimmung, wie sie deutlich zu fühlen vermeinte, nur gehoben wurde.

Mitten in diesen nach ihrer Ansicht dem Himmel wohlgefälligen Werken tappte etwas die Stiege herauf und gleich darauf trat der Nachbar Haarwachs im Wams, mit weißem Bendeltuch vorgebunden und einer grauen, zuckerhutförmigen Filzmütze auf dem Kopfe in ihre Stube.

Mit siegesfreudigem Blicke, ja mit einer gewissen Verklärung in allen ihren Mienen begrüßte ihn die alte Jungfer, der Besuchende aber schnitt ein sehr ernsthaftes Gesicht und blickte gepreßten Herzens zu Boden.

»Ei, lieber Herr Vetter,« redete ihn die Wenkbach heiter an, »Er macht ja ein Gesicht, als ob ihm die Hühner das Brot gefressen hätten! So nimmt sich doch nicht der Vater einer liebenswürdigen Braut aus?«

»Hat sich auch gar nichts auszunehmen,« seufzte der Alte, »denn aus der Hochzeit mit Ihrem Kanzlisten kann einmal nichts werden.«

Die Tante wollte dieses gar nicht glauben und nannte den Metzger einen alten Spaßmacher. Als aber dieser ganz entschieden erklärte, daß an eine Verheiratung seiner Kunigunde mit dem Neffen gar nicht mehr gedacht werden könne, da war es mit der andächtigen Stimmung der alten Jungfer zu Ende und sie brauste auf wie ein gereizter Truthahn.

»Was,« rief sie mit größtem Eifer, »Er will sein Wort zurücknehmen? Hat denn der böse Feind sich eingemischt und Ihn behext, daß Er solche Streiche macht?«

Der also Angeredete erschrak, daß ihm alle Glieder bebten. Gerne hätte er der Base gestanden, daß sie vollkommen recht habe, wenn nicht die fürchterliche Drohung des Genickbrechens im Hintergründe gestanden und auf der Enthüllung des nächtlichen Abenteuers der Verlust all seiner so mühsam zusammengetragenen Gelder gestanden hätte.

Er begnügte sich also, eine zerknirschte Miene anzunehmen und der allmählich bis zur Wut gesteigerten Jungfrau zu erklären, wie er ihr den inneren und näheren Zusammenhang dieser Katastrophe unmöglich zu erklären vermöge und wie unendlich leid es ihm sei, daß aus der beabsichtigten Verbindung eben nichts werden könne.

Indem ihm noch verschiedene schmeichelhafte Benennungen als zum Beispiel »Narr«, »Esel« und dergleichen zierliche Zusätze um die Ohren flogen, fand er es geraten, sich aus dem Bereiche der gereizten jungfräulichen Lungentätigkeit still zu entfernen.

Noch tobte Jungfrau Wenkbach in der Stube umher, als der Neffe Kanzlist an der Stelle des verabschiedeten Metzgers erschien.

»Gut, daß du kommst«, rief sie ihm mit grimmiger Geberde zu. »Denke dir nun einmal –«

Hier faßte sie ihren Neffen ins Auge. Wenn aber der Nachbar Vetter vorhin mit einem betrübten Gesichte vor ihr stand, so war das des Neffen völlig trostlos anzuschauen, wie eine durch alle möglichen Plagen zerstörte Landschaft.

Die weitere Rede erstarb der Fragerin auf der Zunge.

»Wie ist dir?« forschte sie mit plötzlicher Teilnahme. »Solltest du vielleicht schon erfahren haben?«

Sie drängte ihn nach einem Sessel und aller Spannkraft beraubt, sank der bleiche Kanzlist dort nieder. Nachdem sie in der Angst ein Fläschchen mit stärkender Essenz herbeigeholt und dem Neffen einen Löffel voll davon eingeflößt hatte, begann sie aufs neue zu forschen.

»Ach, das ist eine entsetzliche Geschichte,« nahm endlich der Gefragte, vielfach nach Luft schnappend, das Wort, »die mich sogar verhindert hat, heute morgen meine Kanzlei zu besuchen, weil ich vor allen Dingen meiner geliebten Tante Kenntnis geben muß.«

»Rede,« drängte diese, welche den seltsamen und störrigen Metzger jetzt rein vergessen hatte.

»Ich saß gestern abend,« fuhr dann Schwärzlich mit kalten Schweißtropfen auf der Stirn fort, »in meiner Stube mit Akten beschäftigt, die ich zum besseren Verständnis mit nach Hause genommen hatte, als meine Stubentür plötzlich sich auftat und ein Mann, eingehüllt in einen Mantel, eintrat, den ich bei dem schwachen Licht meiner Lampe anfangs gar nicht, später aber als den Junker Adalbert von Stetten, den Sohn des Herrn Schöffen gleichen Namens erkannte. Ich war natürlich durch diesen späten Abendbesuch auf das höchste überrascht, allein diese Überraschung sollte sich gar bald in Erstaunen, dann in Schreck und zuletzt in Entsetzen verwandeln!«

Er trocknete sich die Stirne und der Tante begann es unheimlich zu werden.

»Was wollte er denn nur?« fragte sie mit bebender Stimme.

»Er erzählte mir eine Geschichte,« sprach der Redende mit gedämpfter Stimme, indem seine Augen scheu in der Stube herumfuhren, »von einem Briefe an Seelenverkäufer – kurzum meine Geschichte, zeigte mir den Brief, redete von Zeugen und drohte mich und meine Helfershelfer dem Kriminal zu überantworten.«

Die Zuhörende sank jetzt ebenfalls auf einen Stuhl und blickte mit verdrehten Augen in die Höhe.

»Wenn ich nicht,« fügte Schwärzlich an, »alle gestellten Bedingungen annehmen und erfüllen wollte.«

Die Tante atmete wieder auf.

»Und du hast sie doch angenommen?« fragte sie.

»Ob ich es getan habe!« war die Antwort. »Des Junkers Vater ist ein Herr Schöffe, und die Schöffen behalten immer recht. Wir beide wären verloren gewesen!«

»Wir beide?« forschte jetzt die Wenkbach, indem sie sich wieder erhob und den Sprechenden befremdet anblickte.

»Ei freilich,« versetzte derselbe kopfnickend. »Ich mußte ihm alles erzählen, meine Tätigkeit und Ihre Geldvorschüsse. Er nannte das ein Komplott, welches entsetzlich streng bestraft würde, manchmal sogar mit Halseisen, Auspeitschen und Gassenkehren.«

»Und in solche Dinge hast du mich verwickelt,« fiel die Tante ein, indem ihre Angst sich in eine gewisse Gereiztheit verwandelte.

»Ich konnte ja nicht anders,« versetzte der Kanzlist, dem nunmehr die Tränen hervorbrachen, »Ich mußte sogar noch in Ihrem, meiner geliebten Tante Namen versprechen, dem Schusterssohne Reinhart für ausgestandene Leiden tausend Reichstaler vergüten zu wollen, und als ich ihm darauf erklärte, daß derselbe solche bereits angeblich als eine Art Draufgabe empfangen habe, war er großmütig genug, diese als die Gratifikation gelten zu lassen.«

»Schöne Geschichten,« fuhr jetzt die Wenkbach, indem ihre Augen plötzlich voll Zorn leuchteten, auf, »die ich da von deiner Dummheit vernehme! wenn du Geständnisse machen wolltest, so mache sie von dir, was bringst du mich, deine arme unschuldige Tante in übelriechende Dinge hinein?«

»O, liebe Tante,« fiel nunmehr Schwärzlich gleichsam beleidigt ein, »glaube Sie doch nicht, daß ich nicht soviel Jurist sein sollte, um begreifen zu können, daß auch Ihre Einwilligung zu dem Geschäfte vonnöten sei. Ich habe mit dem Junker nur salva ratificatione, das heißt unter Vorbehalt Ihrer Genehmigung abgeschlossen. Erfolgt diese bis heute mittag um zwölf Uhr nicht, so hat der jüngere Herr Bürgermeister um ein Uhr die Anzeige und um zwei Uhr sitzen wir beide auf dem Brückenturm.«

Jungfer Wenkbach sank jetzt abermals auf ihren Stuhl.

»Hier ist die Genehmigung,« fügte der Redende zitternd an, indem er aus seiner Busentasche einen beschriebenen Bogen Papier zog und ihn der Tante überreichte, »wie sie mir der Junker diktiert hat. Sie hat jetzt die Wahl, ob Sie unterschreiben oder – – – –!«

Die Angeredete riß ihm die Schrift aus den Händen und las sie durch; Blässe und Röte wechselten unterdessen auf ihrem Gesicht.

»Ein vollständiges Bekenntnis!« weinte sie.

»Er will es aber,« sprach der Kanzlist, seine Augen zum Himmel richtend, »wenn wir alle Versprechungen genau erfüllen, keinem Menschen offenbaren. Darauf hat er mir sein Ehrenwort gegeben.«

Die Tante hatte noch mancherlei Besorgnisse, die er jedoch, wie er einmal merkte, daß ihr vor der Zukunft bangte, mit wieder gewonnener Gewandtheit zu zerstreuen wußte.

»Um dich nicht um Amt und Würde zu bringen,« sprach sie endlich, »damit der Schein doch wenigstens gewahrt wird, will ich den sauren Schritt tun und unterzeichnen.«

Sie nahm eine Feder aus einem in der Nähe stehenden Tintenfaß, tauchte ein und kritzelte ihren Namen unter das beschriebene Papier, dann überreichte sie es dem Neffen mit zitternden Händen.

Diesem fiel jetzt ein Stein vom Herzen. Die Tante zu dem schweren Schritte zu veranlassen, mußte seine Aufgabe sein, an deren Lösung er sehr gezweifelt hatte. Nun es gelungen und die drohende Gefahr – indem er dem Ehrenworte Adalberts fest vertraute – beseitigt war, erwachte wieder all seine Schlauheit und Zuversicht in ihm. Mit Schmeichelreden überhäufte er die Tante und diese, in ihrer Befangenheit fing wieder an, dem Sünder ein gnädiges Ohr zuzuwenden, als die Dienstmagd auf einmal mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens auf ihrem Gesichte in die Stube stürzte.

»Ach, Jungfer Wenkbach,« rief sie, »sehen Sie doch einmal dahinten auf das kleine Plätzchen. Tausend und tausend Menschen sind dort versammelt, da muß etwas vorgefallen sein!«

Die Tante erschrak, Schwärzlich aber, froh, eine Gelegenheit gefunden zu haben, um der Tante einen Dienst zu erweisen und so deren Gnade aufs neue zu verdienen, versprach Erkundigungen einzuziehen und eilte zur Stiege hinab.

Wenn nun auch auf dem engen, hinter dem Hause liegenden Plätzchen keine tausend Menschen sich befanden, weil dasselbe keine hundert faßte, so war es doch mit Neugierigen zum Erdrücken angefüllt, die sich alle um die Überreste des Reinhartschen Hauses drängten, an dessen Kellergewölbe die Maurer eben bemüht waren, einen eisernen Schrank, den eine Steinplatte seither verdeckt hatte, auszubrechen.

Der alte Reinhart und der leitende Maurermeister standen am Rande der Kellergrube und letzterer beaufsichtigte seine Gesellen, während er scherzend dem Bauherrn Reinhart einstweilen im voraus zu dem Funde Glück wünschte.

Neugierig drängte sich der Kanzlist heran. Da wich der Schrank aus dem Mauerwerke und als jetzt ein herzugerufener Schlosser kam, Nachschlüssel, Meißel und Brechwerkzeuge in Bewegung setzte, ging die Schranktür endlich ächzend auf und mehrere große Säcke von Leder, sowie Kannen, Kelche, Becher, Leuchter und anderes dergleichen, zwar bräunlich angelaufen, aber unverkennbar alles von Silber, zeigten sich den erstaunten Blicken.

»Heil Ihm, Schuster Reinhart,« rief der Maurermeister, indem er dem ganz verblüfften Bauherrn die Hand schüttelte, »ein Schatz in Seinem alten Hause. Nun. Er ist ein braver Mann, das hat der Himmel an den rechten Mann kommen lassen!«

Er befühlte die Säcke, sie strotzten von Geld und als er sie jetzt öffnete, war sogar einer davon mit großen Goldstücken darunter.

»Auf ihr Leute,« rief er nun den Gesellen zu, »faßt den Inhalt und tragt ihn hinüber in unseres Bauherrn Wohnung. Ein gutes Trinkgeld wird nicht ausbleiben.«

Reinhart nickte und die Arbeiter wollten schon zugreifen, als Schwärzlich, der dem allen mit mißgünstigen Blicken seither zugesehen hatte und vor Neid sich gar nicht mehr halten konnte, herantrat und den Gesellen Halt gebot.

»Hier liegt eine Verlassenschaftssache,« sprach er mit giftiger Betonung, »der Nachlaß eines Verstorbenen, vor, und davon muß dem Herrn Obristrichter Kenntnis gegeben werden, damit dieser den gefundenen Nachlaß unter Siegel legt und auf dem Rechneiamte deponiert. Ich warne daher den Bauherrn und seine Handwerker, sich an einer Sache zu vergreifen, für welche, wenn keine sonstigen Erben vorhanden sind, der Fiskus gesetzlicher Erbe ist.«

Die Arbeiter zogen erschrocken ihre Hände zurück und Reinharts Gesicht begann sich mit Furchen der Besorgnis zu durchziehen. Da trat aber auf einmal aus dem Menschenknäuel ein wohlgekleideter, dicker freundlicher Mann hervor und reichte dem verblüfften Schuster unter hellem, herzlichem Lachen die Hand.

»Lasse Er seinen Fund,« befahl er, »nur in sein Haus bringen. Der Herr Kanzlist, scheint es, ist so dicht an der Jurisprudenz vorbeigeschifft, wenn er hier von einer Verlassenschaft reden will. – Hier liegt ein Schatz vor und da Er, Meister Reinhart, denselben auf seinem eigenen Grund und Boden und zwar ohne Anwendung von Zauberkünsten gefunden hat, so gehört derselbe nach deutlichen Rechtsvorschriften Ihm.«

»Ob ohne Zauberkünste,« fiel Schwärzlich ein, der sich der Kartenschlägerin hierbei oberflächlich erinnerte, »stünde wohl noch zu erweisen.«

»Daß Er kein Hexenmeister ist,« versetzte der Dicke, indem er dem Kanzlisten einen sarkastischen Blick zusandte, »glaubt man ihm ohne Beweis. Gegen Reinhart müßte es aber erst bewiesen werden.«

»Ach, Herr Doktor Kratzeisen,« rief Reinhart erfreut, »Sie kommen ja wie gerufen.«

»Mache Er nicht lang Umstände,« kommandierte der Advokat, »und sich zu kurzer Hand in den Besitz gesetzt. Will Ihm dann einer etwas anhaben, dann soll ihm der Kratzeisen schon das Maul sauber halten!«

Die Arbeiter griffen jetzt von neuem zu und der alte Schuster unterließ nicht, selbst Hand ans Werk zu legen, so daß in geringer Zeit der glückbringende Eisenschrank ausgeleert und der Inhalt in Reinharts Stube geschafft war.

Der lebensfrohe alte Doktor hatte sich gleichfalls dorthin begeben. Die aufgefundenen silbernen Gefäße und die Münzsorten wurden jetzt von ihm, der ein großer Kenner solcher Altertümlichkeiten war, untersucht, und das gesamte als aus dem sechzehnten Jahrhundert herstammend erklärt.

Auf Befragen erzählte nun Reinhart, was er von der früheren Hausbesitzerin, der alten Jungfer und der aus der gefundenen Hauschronik ersehenen Furcht vor Plünderung im Jahre 1552 wußte.

Als er sodann auch die gedachte Handschrift herbeiholte und der Doktor sie durchgesehen hatte, erklärte dieser:

»Freue Er sich seines Glückes; es wird ihm kein Mensch streitig zu machen vermögen!«

Der Advokat wollte sich nunmehr entfernen, allein der Schuster hielt ihn fest.

»Da drüben in der Saalgasse,« sprach er, »wird ein köstlicher Wein ausgeschenkt. Den Maurern und Handlangern habe ich schon zur Genüge darreichen lassen, hört, wie sie »Vivat hoch!« schreien, nun müssen aber auch wir, und zwar ein Gläschen Firnen, auf unser Glück trinken!«

Kratzeisen lehnte nicht ab und der lustige Schuster stellte etliche Flaschen und Römergläser auf den Tisch, die er füllte, dann seine Frau Abigail aus der Küche rief, jedem ein Glas in die Hand gab, selbst eins ergriff und zum Anstoßen aufforderte.

Reinhart aber räusperte sich, hierauf begann er:

Es war einmal eine alte Jungfer,
Die mir das Haus –

»Nein, nein,« unterbrach er sich dann, »auf eine alte Jungfer reimt sich ja nichts.

Das Kleeblatt leerte noch etliche Gläser, worauf der Doktor das Haus verließ.

Der Kanzlist aber hatte sich unterdessen die in der Weinlaune tobenden Arbeiter an dem Reinhartschen Bauplatze noch angeschaut, dann wandte er seinen Fuß zu der Wohnung der Tante.

»Ist es wirklich wahr,« rief ihm diese mit vor Neugierde ganz weit aufgerissenen Augen entgegen, »daß der boshafte Schuster einen viele hunderttausend Reichstaler betragenden Schatz in seiner miserablen Baracke gefunden hat?«

»Leider ist es an dem,« versetzte der Gefragte unter Achselzucken! »Ich habe zwar versucht, ihm den Fund streitig zu machen, aber da hat der böse Feind den Doktor Kratzeisen –«

»Also nicht den Lizentiaten Frosch,« fiel ihm die Zuhörende beißend in die Rede, »mit seinen schiefen Beinen, den du mir damals empfohlen hast und welcher so gütig gewesen ist, meinen Prozeß gegen den reimeschmiedenden Schuster zu verlieren?«

»Liebe Tante,« entgegnete der also Angefahrene, »ich habe Ihr damals nach bester Überzeugung –«

»Dumme Streiche hast du gemacht,« unterbrach ihn die Wenkbach aufs neue, »gerade so, wie du mir das Geld aus der Tasche locktest, um des Schusters Haus zum Falle zu bringen. Wäre das alte Gelerche stehen geblieben, so hätte der Pechkünstler keinen Schatz gefunden und könnte jetzt nicht über mich triumphieren!«

»Aber Tante,« rief Schwärzlich, allen Mut zusammennehmend, »die Kartenschlägerin Rippscher, zu der Sie selbst mich geführt hat, sagte denn doch, das Haus müßte fallen und aus ihm erblühte Glück und Reichtum, auch erwüchse daraus dem liebenden Herzen vollkommene Befriedigung«

»Ja, wem denn?« kreischte die durch die laute Sprache des Neffen aufs äußerste gereizte alte Jungfer. »Glück und Reichtum dem Schuster, und dem liebenden Herzen Befriedigung, das ist dessen Sohn Rudolf. Denn, daß dir Kunigunde nicht zuteil wird, hat mir schon heute morgen der alte Metzger verkündet.«

»Was!?« rief Schwärzlich und stand wie versteinert.

»Alles machst du verkehrt,« fuhr die Tante, immer wütender werdend, fort, »Geld verloren, Prozeß verloren, Ansehen verloren, die Braut verloren, den Kopf verloren, du Einfaltspinsel!«

Ehe der Kanzlist sich dessen versehen konnte, hatte er eine tüchtige Ohrfeige und die Tante war in die Nebenstube verschwunden.

Verblüfft rieb sich Schwärzlich die brennend rote Wange, dann wollte er aufbrausen, aber die schnell auftauchende Rücksicht bezüglich der reichen Erbschaft setzte ihm rasch einen Dämpfer auf.

Es blieb ihm keine Wahl. Er mußte sich in Geduld fassen und mit stiller Wut das Haus verlassen. Statt eines Mittagsmahles, wozu er eingeladen war, eine Maulschelle, das war denn doch eine gar zu grobe Wandlung.


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