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Nächtliche Wanderungen

Den Kanzlisten hatte seine verunglückte Geisterbeschwörung so sehr angegriffen, daß er die Nacht ebenfalls in größter Unruhe und ohne Schlaf hinbrachte. Er gedachte am anderen Morgen in aller Frühe bei der Tante Wenkbach vorzusprechen, um ihr das greuliche Erlebnis mitzuteilen. Allein diese lag noch zu Bett und die Arbeiten auf dem Römer ließen ihm keine Zeit zum Warten. So konnte er erst am Abend seinen Fuß in die altjüngferliche Wohnung setzen und dort die grausige Mähr verkünden. Die Tante überlief ein Schauder, als sie die Vermessenheit ihres geliebten Neffen vernahm.

»Was deines Amtes nicht ist,« sprach sie dann mit feierlichem Warnertone, »da lasse deinen Fürwitz«, sagt schon ein sehr altes Sprüchwort, und da Gespensterbannen nicht zu den Verrichtungen eines Kanzlisten gehört, so hättest du von solchen freventlichen Unternehmungen ablassen sollen!«

Schwärzlich wollte sich mit dem anfangs gehabten Unglauben entschuldigen, damit hatte er aber bei der Ermahnenden gerade Öl ins Feuer gegossen.

»Was?« rief sie empört aus, »willst du dich auch diesen neueren französischen Leichtfertigkeiten hingeben und unseren festgegründeten Gespensterglauben aufgeben?«

Und nun suchte sie in vielfältigen Auszählungen darzutun, wie es allerdings Gespenster gebe und auch noch mehr übernatürliche Dinge in der Welt existierten, über welche der Mensch vergeblich nach Erklärung strebe.

In dem entwickelten Wortschwall, den der Neffe ergeben und getreulich anhörte, kam sie auch auf Ahnungen, sogenannte Anzeigen und endlich auf Erforschungen der Zukunft durch Bleigießen und Kartenschlagen.

»In den Karten«, fuhr sie dann mit einer gewissen gläubigen Begeisterung fort, »habe ich meine ganzen Lebensschicksale vorausgesehen, und – und –« ein leuchtender Gedanke, der sie durchzuckte, verklärte plötzlich ihr Antlitz »– und Du – sollst auch deine Zukunft in den Karten befragen.«

An eine unmittelbare, handgreifliche Einwirkung der Geisterwelt war der neugierig Aufhorchende schon genötigt zu glauben, wie sollte er jetzt sich gegen sichere Blicke in die Zukunft spreizen, zumal die Tante seinen Glaubensmut hierüber forderte und er nach schlauem Ermessen gewohnt war, derselben in solchen Dingen nicht zu widersprechen.

»Was meine verehrte Tante wünscht,« sprach er deshalb voll kindlicher Ergebung, indem er derselben die Hand küßte, »ist mir jederzeit Befehl. Mit Freuden werde ich das Orakel befragen.«

Tante Wenkbach streichelte ihm entzückt die Wange.

»Dann soll es auch gleich heute abend noch geschehen,« entgegnete sie, gewichtig nickend, »weil die Nacht so finster ist und wir daher ungesehen die Wohnung unserer Wahrsagerin besuchen können.«

Schnell wurde jetzt von der Redenden ein alter Mantel mit einer Kapuze übergeworfen, die sie über den Kopf zog und dem Neffen ein faltenreicher Überrock des seligen Vaters der Tante sowie dessen große Pelzmütze zur Vermummung eingehändigt, worauf beide, sicher gegen jedes Erkennen, Arm in Arm das Haus in der Bendergasse verließen und ihre Schritte nach der Nikolaikirche hinwendeten, allwo sie durch das enge Gäßchen auf den Römerberg gelangten. Die Neuenkräme hinauf blies ihnen ein naseweiser Nordwestwind entgegen und trieb ihnen aus der dichten Finsternis einzelne Regentropfen, vermischt mit Schneeflocken, in das Gesicht. Sie verfolgten jedoch mutig ihren Weg. Als aber die Tante ihre Richtung über den Liebfrauenberg nach der Döngesgasse nehmen wollte, erhob der Neffe warnend seine Stimme.

»Sie weiß doch, wie entsetzlich das am vergangenen 26. Juni in der Bockgasse ausgebrochene Feuer in dieser Gegend gewütet hat. Noch liegt die Döngesgasse teilweise in Schutt und Asche und teilweise ist sie durch Bausteine und Balken für die neuen Gebäude versperrt. Wir können daher in der Dunkelheit – wenn Tante nach jener Gegend etwa –?«

»Hast recht, Dietrich,« versetzte die Gefragte, indem sie ihm dankbar den Arm drückte, »wir wollen also unsere Richtung durch die Katharinenpforte nehmen.«

Und so geschah es. Durch die pechschwarze Finsternis unter dem Katharinen-Gefängnisturm und der Pforte ging es hindurch und über die lange Zeil bis zu deren Ende, wo eine schmale Gasse ihren schwarzen Schlund aus alten Häusern notdürftig erkennen ließ.

»In die Stelzengasse?« flüsterte überrascht der Kanzlist.

»Dort wohnt,« war die leise Entgegnung, »die kluge Erforscherin der Zukunft, die weise Jungfer Rippscher. Du wirst sie kennen und verehren lernen.«

Beide betraten die enge Stelzengasse und standen, nachdem sie vorsichtig mehrere Düngerhaufen dort wohnender Gärtner umschritten hatten, vor einem zur linken Seite belegenen kleinen, unansehnlichen Hause.

»Das gehört ja«, flüsterte wiederum der ganz betretene Kanzlist, »zu der Fußherberge Zur Stelze.«

»Was kümmert es dich?« versetzte die Tante leise und unwillig. »Die alten Baracken besuchen wir nicht, nur ihre erfahrenen Insassen.«

Schwärzlich machte keine Widerrede und die Tante nahte dem Laden eines zu ebener Erde befindlichen Fensters, an den sie mit dem Knöchel des Fingers in abgemessenem Zeitmaße leise tippte.

Nicht lange, so wurde das Zeichen von innen wiederholt, worauf hinter der nebenan ihre Umrisse zeigenden Haustür ein Schlürfen entstand, und endlich diese selbst langsam gekläfft wurde.

Einige Worte der Tante genügten, um den Einlaß zu erwirken, worauf beide Eingetretene, nachdem die Tür wieder hinter ihnen verriegelt worden war, in der undurchdringlichen Finsternis eines langen Ganges eine Strecke fortwanderten.

Endlich tat sich im Hintergrunde eine Tür auf, aus der ein Lichtstrahl hervorblitzte. Indem beide Einhertappenden darauf zugingen, schlüpfte eine vor ihnen hergehende Frauengestalt – wahrscheinlich die, welche ihnen geöffnet hatte – in die sichtbar werdende Stube, worauf eine andere, mit einem Licht in der Hand, den Nahenden entgegentrat.

Schwärzlich konnte sich bei deren Anblick eines gewissen unheimlichen Gefühles nicht erwehren. Die kleine, nur etwa vier Schuh hohe, etwas zerdrückte, ärmlich und schmutzig gekleidete Gestalt, mit dem großen Kopfe, den schadhaften Zähnen, den markierten Zügen und den borstigen Augenbrauen blickte ihn mit ihren graugrünen und leuchtenden Augen so durchbohrend an, als ob sie in seinem Innern lesen und seinen Wert abschätzen wollte.

Die Tante stellte nun, nachdem sie in die kleine Stube getreten waren, ihren Liebling vor und die Kleine – von der Wenkbach als die gerühmte Jungfer Rippscher bezeichnet – zog allmählich den Mund breit zum Lächeln und ließ ihren Augen freundliche Blicke entstrahlen.

Jetzt erst wagte Schwärzlich in dem nicht geheuerlich engen Gemach sich umzusehen. Notdürftiger Hausrat und ein schmutziges Bett boten sich Schwärzlichs Blicken dar, doch machte ein schwarzes Schränkchen von dieser Ärmlichkeit eine Ausnahme, das mit seltsamen, messingenen Schnörkeln und Knöpfen in dem Helldunkel der Stube phantastisch leuchtete. Neben demselben lag in einem Korbe eine große Katze, die bei dem Anblick des Kanzlisten erschreckt auf das Schränkchen sprang und mit gesträubtem Schweif ihn drohend anglotzte und miaute.

Die Kleine beruhigte ihren Kater, der wieder in sein Lager zurückkehrte, ließ dann den Besuch auf etlichen alten wackeligen Stühlen Platz hinter einem schadhaften Tische nehmen, setzte sich hierauf gegenüber, nahm eine wichtige Miene an und blickte den Sitzenden fragend in das Gesicht.

Tante Wenkbach brachte sofort ihr Anliegen vor. Erforschung der Zukunft ihres Neffen, klare Übersicht der Herzensangelegenheiten desselben und welche Mittel angewandt werden müßten, um zu einem erwünschten Ziele zu gelangen, dieses waren ihre Fragen.

Jungfer Rippscher forschte und die Tante erzählte. Beides geschah in leise munkelnder Unterhaltung, während Schwärzlichs Augen besorgt hin- und wiederfuhren. »Wenn dieser Schritt verraten würde, so wäre es aus mit all deinen Ehren und Würden. So eine Art Hexenprozeß müßte dann die Folge sein, in dem du, ein Mann des Gerichts, nur eine höchst klägliche Rolle spielen könntest.« Diese Betrachtungen ließen ihn auf die Fragen der Kleinen nicht achten, die mit gewandter Zunge die Jungfrau Wenkbach ausforschte, um – ihr nachher desto gründlicher wahrsagen zu können.

Unterdessen Schwärzlich in seinem Herzen noch die ganze Wahrsagergeschichte verwünschte, öffnete jetzt die Kleine den messingbeschlagenen Schrank, aus dem sie einen Totenkopf und etliche Gebeine nebst einem Spiel Karten auf den Tisch legte.

Entsetzt fuhr die Wenkbach bei diesem Anblick zurück. Als ihr jedoch die Wahrsagerin auseinandersetzte, daß in gegenwärtigem bedeutenderem Falle diese Dinge durchaus nötig seien, nahte sie sich wieder, indem sie jedoch den Schädel immer mit einem gewissen Mißtrauen betrachtete. Schwärzlich dagegen schüttelte unmerklich den Kopf. Die Sache kam ihm denn doch ein wenig sonderbar vor.

Die Rippscher brachte nun aus dem Schranke noch zwei wie Schlangen gewundene messingene Leuchter zum Vorschein und steckte zwei dicke, gelb aussehende Kerzen darauf.

»Sie sind von dem Fette eines gehängten Missetäters,« flüsterte sie geheimnisvoll, »mit ihrem Lichte kann man alle Widerwärtigkeiten des Satans zerstreuen.«

Die Tante sperrte erschrocken den Mund auf, in den Mienen des Kanzlisten aber schimmerte ein wenig Spott und Mißtrauen.

Die Wahrsagerin hatte das nicht übersehen, und ihr Antlitz verzog sich zu verächtlichem Lächeln.

»Was die Augen sehen und die Ohren hören,« sprach sie jetzt mit lauter, gellender Stimme, »glaubt auch das Herz. Edelsteine funkeln gar hell, der blendende Schimmer vermochte zu den Herzen zu dringen. Ist aber die Wahrheit nicht auch ein Edelstein?«

Schwärzlich zog sich betreten zurück und betrachtete die kleine verschrumpfte Figur mit Grauen. Was wollte sie mit den Edelsteinen, die er der Geliebten und deren Vater dargereicht, und wie konnte sie davon Kunde erhalten haben?

»Woher weiß Sie?« stotterte er endlich.

»Da mein Kater,« versetzte die Rippscher, indem sie grinsend auf die Katze zeigte, »der hat es auf seinen nächtlichen Wanderungen erfahren.«

Der Kanzlist schüttelte verwundert den Kopf und die Kleine breitete unter siegesfreudiger Miene ihre Karten auf dem Tische aus.

Neugierig reckten Tante und Neffe ihre Hälse, als die Wahrsagerin mit geläufiger Zunge und geheimnisvoller Miene einen sonderbaren Wortkram vernehmen ließ, den beide nicht recht zusammenfinden konnten, den aber die Tante vorzüglich als die wahre Orakelweisheit erkannte, eben weil sie gar nicht wußte, was sie aus dem Mischmasch der vielen sonderbaren Ausdrücke machen sollte.

Indessen wollte sie doch etwas Genaues wissen, und so nahm sie sich endlich heraus, um deutlichere Auskunft zu fragen.

Die Wahrsagerin lächelte und tippte auf die Karten.

»Hier, Herzkönig,« bemerkte sie, »ist der Herr da« – sie zeigte auf Schwärzlich – »und ihm zur Seite liegen die schönen roten Farben, lauter Hoffnungen auf günstigen Erfolg. – Dort aber liegt der Schippenkönig, der Nebenbuhler, in totaler schwarzer Finsternis. Sein Gestirn ist trübe, er hat gar nichts zu hoffen.«

»Schön, sehr schön,« rief freudig die Tante. »Allein,« setzte sie jetzt nachdenklich hinzu, »wie hat sich denn mein Neffe fortan zu verhalten, um sein Ziel nicht zu verfehlen?«

Die Gefragte runzelte die Stirn und begann dann abermals einen Gallimatthias und Kauderwelsch von Worten, daß es der begierig aufhorchenden Tante in dem Kopfe wirbelte.

»Wie aber,« fiel nunmehr der Kanzlist mit scharf blickenden Augen selber ein, »gedenkt Sie dies alles aus den Karten zu beweisen?«

Die Rippscher stutzte, nahm aber schnell eine zuversichtliche Miene an.

»Ei, da liegt es ja,« rief sie gellend. »Da ist das As, das ist das eine Haus. Da liegt das andere und hier das Herzas, das muß fallen; aus ihm erblüht das Glück und der Reichtum und wenn es fällt, wofür Er Sorge tragen muß, so erwächst daraus dem liebenden Herzen die vollkommenste Befriedigung. Verstanden?«

Die Tante sandte dem Neffen einen triumphierenden Blick zu, und Schwärzlich mußte, er mochte wollen oder nicht, um seine kluge Beschützerin nicht der Lüge zu zeihen, durch Kopfnicken ein Zeichen geben, daß er alles verstanden und begriffen habe.

Die Rippscher aber zog den Kopf auf die Seite und betrachtete sich den Kanzlisten mit schlauem, wie schelmisch blickendem Auge.

»Der junge Herr ist noch nicht recht glaubensmutig,« begann sie mit ihrer gellenden Stimme, indem sie mit den langen dürren Fingern auf den Tisch tupfte. »Dem müssen wir – ich nämlich und mein Kater – einmal ein Liedchen singen. Aufgepaßt, Korax – mit diesen Worten wandte sie sich zu der im Korbe schnurrenden Katze – »singe mir schön im Chor mit und trillere die Antworten!«

Der Kater war mit einem Satze aus dem schwarzen Schränkchen und sandte funkelnd seine Blicke umher, während auf der Wahrsagerin Antlitz eine gewisse Ausgelassenheit und etwas Spöttisches sich ausprägte, und in den Mienen der Zusehenden Überraschung und Erstaunen bemerkbar wurde. Die Kleine aber riß die Augen weit auf und sang mit durchdringender, wiewohl heiserer Stimme:

»Es war einmal ein junger Herr,
Der ging gern auf die Jagd,
Da hat er sich zur Abendzeit
Zum Pirschen aufgemacht.«

Miau! heulte der Kater und streckte gespreizt den Schweif in die Höhe. Die Singende fuhr dann fort:

»Ein junges Reh, mit frommem Aug',
Und sonst so hold, wie zart,
Das hat zu seiner Waidmannslust
Er schlau sich aufgespart.«

Miau, miau, kreischte der Kater und die Kleine sandte ihm belobende Blicke zu und sang weiter:

»Das unbesorgte Reh, es kam,
Die Kugel drang ins Herz.
Jetzt eilt der Jäger lachend fort
Und rief: Es war nur Scherz!«

Miau, miau, miau, heulte der Kater und die Sängerin schlug ein heiseres Gelächter auf und betrachtete den Kanzlisten mit sarkastischen, durchbohrenden Blicken. Der aber senkte erschüttert das Auge auf den Fußboden und wußte nicht, was er sagen sollte. Eine geheime Liebesgeschichte, welche selbst die vertraute Tante nur unvollkommen kannte und gern in ewige Nacht vergraben hätte, lag offen in den Karten da und wurde ihm sogar noch in einer abenteuerlichen Melodie in die Ohren gesungen. Mit rechten Dingen ging das nicht zu. Er mußte also an übernatürliche Einwirkungen glauben.

Die Kartenschlägerin merkte die heraufdämmernde Überzeugung, zog den Mund in die Höhe und nickte blinzelnd.

»Nun, junger Herr,« fragte sie dann mit schelmischem Blick, »war mein Liedchen schön, habe ich es getroffen?«

Der Gefragte senkte bejahend das Haupt und erhob sich von seinem Sitze.

»Ich werde nach Ihrem Rate handeln,« war die mühsam hervorgebrachte Antwort.

»Fällt das so schwer,« rief jetzt die Rippscher in munterem, sozusagen mutwilligem und komischem Ton. »Ein junges schönes Mädchen kapern, hussa, da darf man, als junger Herr, nicht faul sein. Immer herzhaft zugegriffen; jeder ist sich selbst der Nächste. Folge Er in diesem Stücke dem natürlichen Triebe, und kümmere Er sich nicht um langweilige Predigten der Moralisten, die nur das vertreiben wollen, was uns doch angeboren ist. Werfe Er einmal den Hunden einen Knochen hin und sehe Er zu, ob einer dem andern die Beute großmütig überläßt. Prosit Mahlzeit! Sie beißen sich darum und der stärkste, wohl auch der gewandteste trägt den Preis davon und – die Hunde sind doch auch Geschöpfe wie wir. – Juchhe, darum dem Nebenbuhler in das Genick gebissen! Er, mein junger Herr, bleibt Sieger; meine Karten haben noch nie gelogen!«

Die Tante, welche mit Wohlgefallen diese Verheißungen angehört hatte, öffnete jetzt ihren Geldbeutel und drückte der Rippscher mehrere blanke Reichstaler in die Hand. War die Kleine vorher schon heiterer Dinge, so trat sie, durch den Geldtalisman angeregt, nun vollkommen aus allen Schranken, also, daß sie endlich in der Stube umhertanzte, die im Vergleich mit ihrem Oberkörper sehr langen und dürren Beine hoch in die Luft schleuderte und dazu ein lustiges Schelmenliedlein sang.

Schwärzlich konnte sich bei dem Anblick der verschrumpften Tänzerin eines Abscheues und Grausens nicht erwehren. Die Enthüllungen und Verheißungen in dieser Spelunke und zwar in tiefer, stiller Nacht mußten wohl das Gefühl des Unheimlichen in ihm hervorrufen, an das sich alsbald der Wunsch reihte, diese Höhle ungesäumt verlassen zu können.

Leise zupfte er daher die Tante und diese, welche die wie wahnsinnig sich gebärdende Kartenschlägerin ebenfalls mit scheuen Augen betrachtete, verstand gerne die Mahnung und bat die immer noch Umherspringende, die Tür zum Fortgehen öffnen zu lassen.

Da stand die Angeredete plötzlich still und zog ihr Gesicht in ernsthafte Falten.

»Bin nicht übergeschnappt, wie ihr vielleicht meint,« versetzte sie mit lächelnder Miene und von der gehabten Anstrengung pustend. »Der Wahrsagergeist, der über mich gekommen, muß nur austoben – er will – vertanzt sein. – Jetzt ist es gut, und nun werde ich samt meinem Kater Korax auch eine ruhige Nacht haben. – Nun kommt wohlbehalten nach Hause und, wenn ihr wieder meiner Hilfe bedürft, so vergeht wie heute das letzte Mondesviertel nicht. Mondschein ist nicht gut für die wahrsagenden Karten.«

Sie öffnete die Tür. Auf dem finsteren Gange draußen stand schon der dienstbare Geist, der sie hereingeleitet hatte und faßte die Wenkbach, an der sich der Kanzlist festhielt, an der Hand. Beide tappten unter der unheimlichen Führung durch den finsteren Pfad und gelangten in kurzer Zeit in die menschenleere Stelzengasse.

Als sie auf die breite Zeil kamen und der ausgehende Mond den bleichen Schein über die stille Straße warf, nahm die Tante endlich das Wort.

»Nun haben wir Licht,« flüsterte sie; »du weißt jetzt, wie du dich zu benehmen hast.«

Schwärzlich aber antwortete nicht. Daß die Kartenschlägerin tiefe Blicke in sein vergangenes Leben hatte tun können, war ihm unbegreiflich. Das Näherliegende übersah er und sein forschendes Auge schweifte in die Ferne. Um so rätselhafter wurde ihm daher das Erlebte und um so mehr verschwanden seine Zweifel, die gegen das Wunderbare sich dennoch in seinem Innern erhoben hatten. Er mußte endlich glauben und wollte es auch, überhörte aber in diesen Betrachtungen alles, was seine Begleiterin mit geschwätziger Zunge von einer schönen Zukunft ihm vorerzählte.

Endlich waren beide wieder in der Bendergasse angekommen. Die Tante, nachdem ihr der Neffe ehrerbietigst die Hand geküßt, schlüpfte in ihr Haus und der letztere ging gedankenvoll nach seiner an der Faulpumpe gelegenen Wohnung.


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