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Der Ehestreit.

»Monna, geht's tonz'n
Und schaut's net a so!
Rührt's Enkan Ronz'n:
Da Fenzl is do!«

Mit diesem »G'sang'l« forderte der Fenzlbauer dieWaldbauern zum »Deutschen« auf, welche am langen Buchentische fleißig dem schäumenden Maßkruge zusprachen und sich blutwenig um den »Deutschen« kümmerten. Diese kecken Worte aus dem Munde eines Fünfzigers, des lustigen Fenzlbauers, verfehlten ihre Wirkung nicht und bald gerieten die alten Trinker in die »Hitze« und nun ging es an ein altmodisches – Schleifen, Drehen und Stampfen, dass die Fensterscheiben erklirrten und der Jugend ob des freudigen Erstaunens Hören und Sehen verging. Zuvor aber packte der fidele Fenzlbauer seine »Annamirl« an der Hüfte, stellte sich vor die Spielleute hin und sang ihnen das »G'sang'l« vor:

»I und mei' Oite
Woll'n narrisch heut' wer'n –
Spoileutl, Spoileutl,
Losst's Enk brav hör'n!«

Und dann drehte der tannenschlanke Waldbauer sein Weibsen so lustig im Kreise, dass alles hell aufjubelte. Gerne traten die Dorfburschen mit ihren Dirnen zurück, um den Alten Platz zu machen; denn am »Faschingsirtag« hat auch das Alter seine Rechte am Tanzboden. Als der »Deutsche« vorüber war, näherte sich der Korlbauer den Spielleuten, um sich den »Vogelhupfauf« »auzufriemen«. Der »Vogelhupfauf« ist ein besonders auf der bayerischen Seite des mittleren Böhmerwaldes stark beliebter und häufig begehrter Ländler, der besonders bei den Alten eine große Rolle spielt und den jeder Spielmann kennen und können muss, will er als solcher geachtet werden.

Kaum vernahm man die naiven Weisen dieses »Oberländlers« auf dem Tanzboden, so begannen die Bauern zu stampfen und mit der Zunge zu schnalzen, zu jauchzen und zu »almen« (jodeln), dass es weithin durchs Dorf erschallte. Und nun gingen sie daran, diesen altertümlichen Ländler in allerlei komischen Stellungen und Drehungen zu tanzen, wobei sich hauptsächlich der Fenzlbauer mit seiner etwas dickleibigen Annamirl hervortun wollte. Aber, war es das Alter, das die Glieder ungelenk und das Gedächtnis schwach machte, oder ein besonders böser Zufall: die Bäuerin verlor das stabile Gleichgewicht und im Nu wälzte sich der tanzlustige Waldbauer mit seiner Gesponsin zum nicht geringen Gaudium der Anwesenden auf dem Boden und konnte sich nicht so bald wieder aufraffen. Spottreden fielen, Hohngelächter erschallte, die Schande war groß: er, der lustige Mann, der so gerne tanzte, sollte sich so durch sein ungeschicktes Weib außer Kurs gesetzt sehen! Nein, das durfte nicht geschehen! Jauchzend sprang er empor, gebot mit starker Stimme »Solo!«, d. h. Stillstand im Tanze, packte seine dralle Dirne, die Trudl, und nun bekamen die Zuschauer ein Kunststück im Ländlertanz zu sehen, der sie weidlich erstaunen machte.

Die Annamirl aber, die sich so durch die Magd zurückgesetzt und beschämt sah, floh heimlich hinweg vom Tanzboden und weinte sich in ihrem »Extrastübl« zu Hause so recht vom Herzen aus. Furchtbare Eifersucht gegen die Dirne bemächtigte sich ihrer Seele und sie beschloss, sich an ihrem Manne zu rächen, indem sie heute allein im verschlossenen »Extrastübl« schlafen wollte. Indessen tollte der Fenzlbauer auf dem Tanzboden und machte der Trudl weidlich den Hof, dass die alten Weiber die Köpfe zusammensteckten und bedenklich flüsterten. Es war Mitternacht, als der entartete Bauer mit einem schäumenden Maßkruge vor die Spielleute hintrat und ihnen folgendes »G'sang'l« vorsang:

»Wia homa – r – a Henn,
A gscheckati, gscheckati.
Die hätt' a Lust,
Sie peckat mi, peckat mi!«

Die Musikanten spielten dieses Liedchen geduldig nach, was ihnen einen blanken Silbergulden trug. Sodann sang der bierbenebelte Bauer weiter:

»Wia homa – r – a Henn,
A grawlati, grawlati,
Die hätt' a Lust,
Sie schnablat mi, schnablat mi!«

Und abermals ernteten die Spielleute für die gelungene Wiedergabe dieser Melodie einen Silbergulden. Dann »friemte« sich der Bauer einen »Hopsa« an, den er mit der Trudl jauchzend und stampfend tanzte, ließ sich darauf von den Musikanten »Hinausspielen« und wankte, seiner nicht mehr bewusst, nach Hause.

*

Eine große, geräumige Bauernstube. In der vierten Ecke dort eine truhenähnliche Vorrichtung, welche bei Tage als eine Art Tisch oder Bank, bei Nacht aber als Ruhebett für die Magd dient, in welcher Trudl bereits im tiefsten Schlaf versunken lag.

In dieser Stube finden wir den Fenzlbauer nach seiner Rückkehr vom Tanzboden. Lange tappte der Bauer im Finstern herum, bevor er ein Licht fand. Alles Rufen nach seiner Annamirl war vergebens. Das Weib schmollte im »Extrastübl«. Endlich gelang es dem taumelnden Manne, das Nachtlicht anzustecken, und nun wurden seine Augen groß, als er vergebens seine Gesponsin suchte. Doch die Natur ließ ihm nicht lange Zeit zum Suchen und Nachdenken. Kaum entkleidet, sank er ins Bett und begann ein entsetzliches Schnarchen.

So schliefen Herr und Magd bis acht Uhr früh in demselben Raum beisammen, ohne dass eines vom anderen etwas wusste; längst schon ließ das bußfertige Dorfvolk im Kirchlein Asche auf sein sündiges Haupt streuen – im Fenzelhofe lag noch alles im tiefen Schlafe.

Da schlug endlich die Annamirl die Augen auf. Die »Liachtn« belehrte sie, dass es Zeit zum Aufstehen sei. Sie steckte den Kopf empor, um zu lauschen, ob die Magd bereits an ihrer Pflichterfüllung sei – alles blieb mäuschenstille. »Die hat sich verschlafen«, brummte sie verdrießlich und schickte sich an, die säumige Dirne in der großen Stube zu wecken.

Wer beschreibt ihr Erstaunen und Entsetzen, als sie beim Betreten der Stube den Bauer und die Trudl sah!! Das Herz presste es ihr zusammen, vor ihren Augen begann es zu flimmern: »Vafluachta Lump! Vadunnerte Matz!« kreischte sie heraus, dann packte sie den Besen und begann auf die beiden Schläfer dreinzuhauen ...

Das war ein originelles Lebendigmachen. Zuerst sprang die Trudel auf und stieß einen gellenden Schrei aus. Der Bauer rieb sich verwundert die Augen, blickte lange fragend in der Stube umher, bis er seine besenbewaffnete Gesponsin erschaute. Jetzt ging ihm auf einmal das »Liachtl« auf und mit einem »Hoisakra!« schnellte er empor.

Alles begütigende Reden und Unschuldsbeteuern half nichts. Die Bäuerin gebärdete sich wie wahnsinnig, beschenkte Mann und Dirne mit einer Flut von Schimpfworten und verließ dann mit der Drohung, alles dem Pfarrherrn mitzuteilen, das Haus, um bei ihren greisen Eltern fürderhin zu leben.

»Hm! Oite Gredl!« brummte der Bauer verdrießlich, »geh, wenn Du g'scheidt wirst, wirst schon wieda kemma!« Dann kratzte er sich verlegen hinter dem rechten Ohre und abermals murmelte er: »Hoisakra!«

Der Dorfpfarrer war eine sogenannte »Altweibernase«, denn er hielt es mit den alten Weibern. Durch diese erfuhr er die Familienverhältnisse, und so kam es, dass er stets »über den neuesten Stand der Dinge« im Dorfe unterrichtet war, was jedem Pfarrherrn von Wichtigkeit ist. Er hatte ein scharfes, durchdringendes Auge und, um mit dem Wäldler zu sprechen, einen »Kimpfel« Nase von »dimenser« (immenser) Größe, die er fleißig mit Tabak versorgte. Sonst war er ein gutmütiger Lebemann und eifrig in der Seelsorge; nur konnten es ihm die Männer nicht verzeihen, dass er immer, wenn es Streitigkeiten zu schlichten gab, auf der Weiber Seite war.

Zu diesem Pfarrer lief nun die Annamirl und trug ihm mit tränenerstickter Stimme ihr Anliegen vor. Der hochwürdige Herr riss anfangs die Augen auf und stierte lange sprachlos vor Verwunderung und Empörung die Bäuerin an. Dann entlud sich das Donnerwetter, und am Fenzlbauer blieb kein gutes Haar.

»Tröstet Euch!« sagte er dann besänftigend zu dem gekränkten Weibe, »Euer Mann ist zwar ein verirrtes Schäflein, allein ich werde ihn schon wieder der Gnade zuführen. Ihr müsst ihm halt eben dann auch verzeihen und alles wird mit Gottes Hilfe wieder gut werden. Aber die Trudl, wohlgemerkt, die Trudl, die muss aus dem Hause. Die dürfet Ihr nicht dulden, denn das Sprichwort sagt: Die Katze lässt das Mausen nicht! und da muss man klugerweise die Maus davonjagen, damit die Katze nicht mausen kann. Ist zwar ein armes Mädl, die Trudl, und wird sich kränken, wenn sie dienstlos wird, allein auch da kann ich Rat schaffen. Mei oit Schwag'rin braucht eine Kuhmagd, und dann kann halt, mein' ich, die Trudl bei uns einstehen.«

»Goit's God!« schluchzte die Bäuerin und küsste die Hand des geistlichen Herrn.

Und am ersten Fastensonntag nach der Messe gab es im Pfarrhofe große Verhandlung: Der unliebsame Ehestreit sollte geschlichtet werden. Der Pfarrer stand im langen Talare am Schreibtische seines Arbeitszimmers, während die fettleibige Köchin, das sogenannte »Fräulein Ursula«, in der Küche den leckeren Braten zubereitete.

Der Pfarrer nahm den Fenzlbauer in ein scharfes Verhör.

»Fenzl!« begann er in salbungsvollem Tone, »Ihr habet, wie mir Euer Weib geklagt, an demselben schwer gefrevelt. Denket doch an das Jüngste Gericht! Ist Euch denn gar nicht bange vor demselben?«

Hierbei hielt er inne, um die Wirkung dieser Vermahnung abzuwarten. Und da bekam er nun etwas Urwüchsiges zu hören und zu sehen, dass er sich unwillkürlich hinter einem hochlehnigen Sessel verschanzte.

»Fix Sakra Alleluja!« platzte der Feuzlbauer heraus und schlug dabei mit seiner derben Faust so fest auf den Schreibtisch, dass das Tintenfass umstürzte und den ganzen Stoß Konzepte überschwemmte, welche der Pfarrer für die Fastenreden schon vorbereitet hatte. »Kreuz Türken und Gronoten! Hoisakra! I a Ehebrecha? Soll mia dos a ondra und wo onderst sog'n – olle Boal (Knochen) z'hau eahm im Leib, so wohr i da Fenzlbaner bin!«

Der Pfarrer wechselte die Farben. Er sah ein, dass es das Beste sei, den entarteten Mann zu beschwichtigen und so derb seine Donnerworte vorhin klangen, so weich flossen seine Versöhnungsworte jetzt aus seinem Munde. Und das wirkte. Der Fenzl, von Haus aus ein offener, biederer Mann, erzählte nun freiwillig dem Pfarrer den ganzen Sachverhalt haarklein und sprach sein Bedauern über diesen unliebsamen Irrtum aus. Der Pfarrer musste selbst so herzlich lachen, dass ihm drei Knöpfe von der gestickten Weste absprangen. Dann versprach er dem Bauern, bei der Annamirl den Vermittler zu spielen, um sie wieder mit ihrem fidelen Mann auszusöhnen. Ein kühler Trunk im Dorfkruge besiegelte die Versöhnung.

Und als am Ostermontag wieder die Fiedeln und Hörner klangen, da tanzte der Fenzl mit seiner versöhnten Annamirl abermals den »Vogelhupfauf« und diesmal zur vollsten Zufriedenheit der Dorfjugend.

Wahrscheinlich hat er nach der Szene im Pfarrhofe während der Fastenzeit fleißig Probe gehalten mit seiner – Annamirl.


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