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Industrielandschaft

Auf dem von rissigen Häusern besetzten, vom Bergwerk unterhöhlten Boden stehen noch alte Bauernhöfe eingeschlossen von chicagohaften schmutzigroten Ziegelhäusern, von Schlackenbergen, die immer breiter werden, von dürren Fördergerüsten. So mischten sich, wo die Industrien ihre Tore öffneten, die hergewanderten fremden grauäugigen Menschen mit den Enkeln der blaublonden, die hier auch den Pflug führten und bilden mit ihnen ein neues Ganzes.

Wenn wir an einem grauen Abend auf der elektrischen Bahn von einer Stadt des Industrielandes den kurzen Weg zur andern fahren und Bergleute, Hausierer, harte Männer stehen eng neben dem Fahrer, der den nassen Nebel von der behauchten Scheibe wegwischt, dann sehen wir rechts und links die mächtigen Feuer, die alle zusammenführen: steiflinige Eisengerüste für das Drahtseil, Hochöfen, Kühltürme, die Flaschenhälsen gleichen, stehen in endloser Perspektive hinter den schwarzen Bretterzäunen der Gruben, und an den Schlackenhalden fließt die Glut herab. In dem Eisenbahnzug sitzen Männer, die nichts als Zahlen, Bestellungen, Muster in ihren Reisetaschen tragen und in ihren Köpfen außer einem Vorrat eisengestanzter Redewendungen kaum noch Ideen haben, nur noch den Witz und das Grunzen oder Klagen, auf die das Schweigen antwortet. Der Schnellzug geht mitten durch die Städte. Da sind die lichtglänzenden Engpässe der Kontore und der Fabriksäle, an deren Decken die Treibriemen still um ihre Räder sausen. Die Bahnhöfe stehen voll von den Reihen schwarzroter Güterwagen, und die hochgehäuften gelben Postkarren rollen zu den Zügen, denen im Warten der weiße Dampf der Heizung entströmt.

Aber wenn dann endlich spät am Abend die Pulte und Säle geräumt, die Türen zugeschlossen werden, wenn in den Geschäftsstraßen die Jalousien rasseln und die raschen Schritte der nach Hause gehenden Mädchen, die scharrenden Sohlen der jungen Leute ein Gedränge entstehen lassen, das im Nu vorüber ist, wenn dann aus seinem Privatkontor auch der Verantwortliche sich zurückzieht und die großen Lichter verlöschen – welche Erlösung! Die vielen hellen Lampen, die der Arbeit leuchteten, sind plötzlich wie leere Teller auf leerem Tische. Die tätigen Schaustellungen, die unter dem Licht wie offene Kelche waren, schließen sich sofort. Die müden Menschen, in deren Mienen Anspannung und Aufmerksamkeit die feinen Falten gruben, lassen die erlahmte Hand, den gebogenen Rücken von der Ganzheit des Blutkreislaufes durchströmen, sie geben sich der Lockerung und der Zerstreuung ihres gepreßten Geistes hin, sie freuen sich auf den Schlaf.


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