Hermann Oeser
Des Herrn Archemoros Gedanken über Irrende, Suchende und Selbstgewisse
Hermann Oeser

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18.
Ein Brief.

Sie schreiben, hier seien »Positive« verspottet.

Mein Herr, ich lese wenig theologische Bücher, verkehre auch nicht mit Theologen und verstehe deshalb dieses Fremdwort nicht.

Ich habe eine Reihe von Freunden, die den Herrn Jesum lieben, die ihr Leben heiligen, die Knechtschaft der Sünde überwinden wollen und die täglich und stündlich durch Anfechtung und Fall zu neuem kindlichen Glauben sich hervorringen, daß doch endlich einmal der schwarze Schatten der Sünde mit Gottes Hilfe aus ihrem Leben verschwinde, – und ich höre zuweilen im Verkehre, daß man einige dieser meiner Freunde positiv, andere dieser meiner Freunde liberal nennt, aber ich verstehe diese Fremdwörter nicht und bin nicht neugierig. Jedenfalls sind es Christen.

Dann höre ich andere positiv, andere liberal nennen, von denen ich weiß, daß sie sich mit dem Herrn Christus nur beschäftigen, wenn sie mit einer ihn betreffenden Lehre Recht haben wollen, und daß sie von Sünde, 142 Erlösung, Gnade, Glaube, Rechtfertigung entweder reden, um Begriffsbestimmungen auszuführen oder um andere in erbaulicher Ansprache zu veranlassen, mit diesen geheimnisvollen Erscheinungen unseres innersten Teufels- oder Gotteslebens irgendwie Ernst zu machen; ich sehe sie mit der Erlösung anderer, aber durchaus nicht mit der eigenen beschäftigt, seien diese nun positiv oder liberal, ich sehe nur, daß sie nicht das vorbildliche Leben unseres Herrn Jesu Christi in sich zu wiederholen suchen.

Ich bin kein Zeichner, aber ich habe trotzdem große Lust, Ihnen mit einer Zeichnung die Beobachtungen über Christen und Positive und Liberale zu veranschaulichen. Haben Sie Nachsicht mit mir. Ich sehe nach den Bezeichnungen, die zuweilen in mein Ohr klingen, in den Kreisen L. und P. einige Christen und sehe eine Menge Christen, die nicht liberal oder positiv sind. Was sie aber denn seien, um Gottes Willen, wenn nicht eines oder das andere? – Nun, ich denke, Christen.

Sie können auch zeichnen und ziehen mit festem Striche die Kreise Nun, Gott wird Ihrer wie meiner Seele gnädig sein. Warten wir beide des Tages der Gnade und der Enthüllung. 143

 


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