David Christie Murray
Ein gefährliches Werkzeug
David Christie Murray

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Vierzehntes Kapitel.

An den zwei unmittelbar auf den Diebstahl folgenden Tagen war natürlich das tägliche Leben in Wootton Hill House etwas außer dem gewohnten Geleise verlaufen, aber am Morgen des dritten Tages brachte die Post Fräulein Pharr eine Mitteilung so tröstlicher Natur, daß die Sache wenigstens für sie ihre Wichtigkeit verlor und nicht mehr das ganze Sein und Denken erfüllte, wie bisher.

»Mein liebes Fräulein Pharr,« schrieb Esden. »Pricketts und meine gestrige Jagd blieb leider ohne Erfolg. Prickett glaubt immer noch, die Diebe erwischen zu können, sobald sie versuchen, ihre Beute zu Geld zu machen, aber er gibt zu, daß der einfachste und billigste Weg ist, mit Ihrem schurkischen Korrespondenten zu unterhandeln. Ich bin entschieden der nämlichen Ansicht und habe schon durch Prickett eine Anzeige einrücken lassen, die dem ›Betrübten Vater‹ in die Augen fallen muß. Sie können fest überzeugt sein, daß Sie zwei Tage nach Empfang dieser Zeilen wieder im Besitz Ihrer Kostbarkeiten sein werden. Es ist gewiß ein Unglück gewesen, aber es hätte noch so viel schlimmer ausfallen können, daß Ihre Freunde Ihnen wirklich Glück wünschen dürfen. Die Diebe werden sich natürlich nicht mit der Polizei in Verbindung setzen und Sie werden aus der Mitteilung im ›Standard‹ ersehen, daß der ›Betrübte Vater ersucht wird, sich an mich zu wenden.«

Dieser am Frühstückstisch vorgelesene Brief veranlaßte alle, die Bekanntmachung in der Zeitung zu suchen, und die jungen Damen starrten, von romantischen Schauern ergriffen, auf die so unschuldig aussehenden Worte – wußten sie doch, wie viel sich dahinter verbarg.

Wyncotts Brief war indessen nicht der einzige, den Janet diesen Morgen erhalten hatte. Geraume Zeit lag ein in der Handschrift des »Betrübten Vaters« überschriebener Brief uneröffnet neben ihrem Teller. Sie betrachtete ihn mit Widerwillen und hätte ihn vielleicht gar nicht aufgemacht, wenn Edith nicht eine entsetzliche Drohung hätte laut werden lassen.

»Vielleicht hat der Elende seine Absicht geändert,« sagte sie, »und schreibt nun, er habe schon anderweitig über die Sammlung verfügt.«

Bei diesen Worten riß Janet den Brief eiligst auf. Der Schreiber teilte ihr mit, daß er in der heutigen Zeitung vergebens nach einer Antwort gesucht habe. »Biete, machen sieh forran,« fügte er hinzu. »Mein son wiel nur bies freitag frieh warden.«

»Jetzt hat er die Bekanntmachung schon lang gelesen,« sagte Arnold. »In einigen Stunden wird Wyncott seine Antwort erhalten und uns sofort telegraphieren.«

»Nun, Janet, mein Mädel,« sagte der alte Doktor, »tausend Pfund sind immer tausend Pfund, aber sie bringen Sie nicht an den Bettelstab, und alles in allem genommen hat Wyncott recht, wenn er sagt, Ihre Freunde könnten Ihnen Glück wünschen.«

»Ich verdiene gar nicht, daß man mir Glück wünscht,« erklärte Janet, an ihrer alten Auffassung der Sache festhaltend. »Ich bin für meine eigene Dummheit und meinen Leichtsinn mit Fug und Recht bestraft worden und bitte euch alle von ganzem Herzen um Verzeihung für all die Unruhe, die ich verursacht habe.«

»Dann will ich wieder an meine Arbeit gehen. Ich werde alt und habe nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Ich war in meinem Zimmer beschäftigt und habe prächtiges Licht gehabt. Wenn Sie noch was lernen wollen, Edith, so stehe ich Ihnen in einer halben Stunde zur Verfügung.«

Edith nahm die Aufforderung mit halb unterdrücktem Lächeln an und der Doktor zog sich blinzelnd und schmunzelnd zurück. Neben seinem Schlafzimmer hatte der alte Herr ein Zimmer, in dem er seinen Liebhabereien ungestört frönen konnte; bis auf zwei Küchentische und einige Stühle war es ganz ausgeräumt worden, und die Tische waren mit allerlei zum Photographieren nötigen Gerätschaften bedeckt. Eine volle halbe Stunde gab er sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin und erzielte mitunter Resultate von wunderbarer Feinheit und Schönheit.

Zur bestimmten Zeit klopfte Edith an die Thür des Arbeitszimmers. Der alte Herr empfing sie in Hemdärmeln, die er bis zum Ellbogen aufgestülpt hatte; als Edith näher trat, trocknete er seine tropfenden Hände ab.

»Wie ich Ihnen gestern abend sagte, als Ihre Mutter uns unterbrach,« begann er sofort, »habe ich weder Kind noch Kegel, und beabsichtige, seit die beiden Jungen so hoch waren wie dieser Tisch, meine irdischen Güter ihnen zu hinterlassen. Ich sage Ihnen dies, weil ich wohl gemerkt habe, daß Sie mich als Heiratsstifter haben verwenden wollen. Nun hören Sie, wie weit ich Ihnen zulieb gehen will. Ich werde dem Jungen sagen, was ich vorhabe, aber verstehen Sie mich recht, wenn Arnold es erfährt, so muß auch Wyncott es wissen. Ich werde es beiden sagen und damit all diesen Heiratsplänen gegenüber mein Gewissen salvieren. Wenn ich nicht mehr bin, werden sie miteinander etwa dreitausend Pfund jährlich haben, und ein junger Mann, der seinen Beruf, etwas Grütze im Kopf und fünfzehnhundert Pfund jährlich hat, der kann eine Frau heiraten und sich unabhängig fühlen, und wäre sie reicher als die Königin von Saba. Und wenn Arnold das Mädel will, warum sagt er's ihr nicht? Und wenn sie ihn will und findet kein Mittel, es ihn merken zu lassen, so sind die Mädels heutzutage beträchtlich schüchterner als früher.«

Edith hatte nur eine ganz zarte Andeutung gemacht, aber der kluge Doktor hatte sie rasch verstanden und Edith zog sich glückselig zurück, weil es ihr gelungen war, seine Hilfe für ihre beiden Protegés wenigstens soweit zu sichern.

Nach dem Gabelfrühstück nahm der Arzt die Gelegenheit wahr, ihn zu einem kleinen Spaziergang aufzufordern, da er ihm etwas zu sagen habe.

Sie machten sich auf den Weg, aber die vertrauliche Mitteilung sollte an diesem Nachmittag noch nicht gemacht werden, denn kaum hatten sie die Straße erreicht, so sahen sie schon Prickett auf sich zukommen.

»Ich bin froh, Sie hier außen zu treffen, meine Herren,« begann er, nachdem er sie begrüßt hatte, »denn ich möchte die Damen im Augenblick womöglich nicht sehen. Ich habe Ihnen eine sehr ernste Mitteilung zu machen und möchte dies an einem Ort thun, wo wir gänzlich unbeachtet wären.«

Ganz überrascht von dieser Rede sagte der Doktor: »Wir werden ganz ungestört sein, wenn wir dort über den Steg in die Felder gehen.«

Schweigend schritten sie zu einer kleinen, inmitten eines großen Brachfeldes gelegenen Anhöhe, wo weit und breit keine Menschenseele zu bemerken war.

»Meine Herren,« sagte Prickett, von einem auf den andern blickend, »ich bin heute heruntergefahren, vorgeblich um mir von Fräulein Pharr einen Check zur Bezahlung der von den Dieben geforderten Summe ausstellen zu lassen. Man könnte nun meinen, die Sache komme zu Ende, in Wahrheit fängt sie aber jetzt erst recht an. Ich muß Sie im voraus darauf aufmerksam machen, meine Herren, daß das, was ich zu sagen habe, ein harter Schlag für Sie beide ist, doch hoffe ich, Sie werden ihn ertragen können. Im übrigen hat es keinen Wert, lang auf den Busch zu klopfen,« fuhr Prickett zu Arnold gewendet fort, wobei der Doktor eine Art achtungsvolles Mitleid in seinem Wesen zu bemerken glaubte, über das er sich wunderte. »Die Wahrheit ist die, meine Herren, daß die Person, die sich als ›betrübter Vater‹ unterzeichnete, niemand anders ist, als Herr Wyncott Esden.«

Arnold packte Prickett mit beiden Händen an seinen Rockaufschlägen und schüttelte ihn, ohne ein Wort zu sagen, leidenschaftlich hin und her. Elphinstones freundliches altes Gesicht hatte sich mit Leichenblässe überzogen, aber er legte seine Hand auf Arnolds Arme und zog ihn zurück.

»Das kann nichts nützen, mein Junge,« mahnte er mit erstickter Stimme.

»Nein, mein Herr,« erwiderte Prickett traurig, »das nützt nichts: aber ich wundere mich nicht, daß es Sie so schwer trifft – es ging mir ebenso, aber ich sage Ihnen die Wahrheit, die reinste Wahrheit. Herr Wyncott Esden und der ›Betrübte Vater‹ sind ein und dieselbe Person.«

»Arnold,« sagte der alte Mann bebend, »laß mich das Wort führen! Ich habe mit so viel Anerkennung von Ihnen sprechen hören, Herr Prickett, und bin überzeugt, daß Sie nicht ohne schwerwiegende Indicien in einen solch fürchterlichen Irrtum verfallen konnten. Lassen Sie hören!«

»Wenn Sie mir die Ehre erweisen wollen, mir zu folgen, so ist die Sache kurz die: in erster Linie steckt Herr Esden bis über die Ohren in Schulden und wird von seinen Gläubigern sehr gedrängt; er hat eine Unmasse Wechsel auf den Markt geworfen, die er nicht decken kann. Ferner, meine Herren, war er einer der Wenigen, die von dem Vorhandensein der Juwelen Kenntnis hatten. Ferner befand sich Herr Wyncott Esden an dem Nachmittag, wo der Einbruch ausgeführt wurde, hier in der Nähe und nicht, wie er vorgab, in London.«

»In der Nähe!« rief Arnold. »Was meinen Sie damit?«

»Hier ist ein Verzeichnis der Züge, die Herr Wyncott Esden an jenem Nachmittag benützt hat. Er bezahlte Extrafahrgeld von Wootton Hill nach Hemsleigh, als er von London zurückkam, und fuhr dann von Sandy Park aus mit einer einfachen Fahrkarte erster Klasse wieder nach der Stadt zurück.«

Die beiden Herren stierten einander und Prickett mit entsetzenstarrer Verwunderung an.

»Sie können dies beweisen?« sagte Elphinstone.

»Ja, ich kann nötigenfalls die Bahnvorstände als Zeugen berufen. Als ich Herrn Esden das gefundene Werkzeug zeigte, war er sichtlich erschüttert, obgleich er sich möglichst beherrschte, und als ich Reuben Gale aufsuchte, bot Herr Esden sich mir, wie Sie wissen, zur Begleitung an und in meiner Gegenwart traf er eine Art Abkommen mit ihm – alles so schlau und verwegen, wie ich es noch nie erlebt habe. Gale wurde beobachtet, und nachdem wir ihn zusammen verlassen hatten, kehrte Herr Esden allein zu ihm zurück. Als er nach zehn Minuten wieder ging, soll er ausgesehen haben, wie wenn er einen Geist erblickt hätte. Gestern früh war ich in seinem Zimmer und schrieb dies mit verwässerter Tinte, die in einem gewöhnlichen Pennyfläschchen auf seinem Kaminsims stand.«

Damit reichte er Elphinstone den Entwurf zu der Bekanntmachung. »Wenn Sie dies mit dem Brief des ›betrübten Vaters‹ vergleichen, so werden Sie bemerken, daß beides mit derselben Tinte geschrieben ist. Und noch etwas: das Werkzeug mit dem der Einbruch ausgeführt wurde, ist an der Thür von Herrn Esdens Wohnzimmer versucht worden; ich habe die Schrammen gestern gesehen und sie entsprechen den andern Spuren ganz genau.«

»Großer Gott!« stöhnte Arnold plötzlich. »Ich entsinne mich. Es muß hier ein entsetzliches Zusammentreffen unglücklicher Umstände vorliegen. Wyncott wird alles erklären.«

»Wessen entsinnen Sie sich?« fragte Elphinstone.

»Der erbrochenen Thür in Wyncotts Zimmer,« antwortete Arnold. »Das Schloß war gesprengt, und er begann nur lachend von einem ganz merkwürdigen Andenken zu erzählen, das ihm ein Klient verehrt habe, allein er wurde zweimal unterbrochen und brachte die Geschichte nicht zu Ende.«

»Wann war dies?« forschte Prickett.

»An dem Tag, wo er die Einladung meiner Tante erhielt.«

»Das war der Tag nach der Schwurgerichtsverhandlung gegen Gale,« sagte Elphinstone, und sein bleiches Gesicht wurde noch blässer.

»Das Werkzeug ist von Gale verfertigt worden,« sagte Prickett, »und kann auf ganz unschuldige Weise in Herrn Esdens Hände gekommen sein.«

»Wyncott kann alles erklären,« rief Arnold mit einer entsetzlichen inneren Mutlosigkeit, die seine Worte Lügen strafte. »Wir müssen sofort in die Stadt und ihn aufsuchen, denn es ist unerträglich, daß ein Ehrenmann auch nur eine Stunde unter einem solchen Verdacht stehe.«

»Bitte um Vergebung,« sagte Prickett, »aber das geht nicht an. Wir müssen auch sehen, Fräulein Pharrs Juwelen wieder zu erhalten. Verstehen Sie wohl, meine Herren, als Herr Esden diese Sache unternahm, that er es allein; jedenfalls ist die Versuchung plötzlich über ihn gekommen, denn er ist viel zu gerieben, als daß er das Werkzeug erst an seiner eignen Thür probiert hätte, falls er etwas Derartiges vorgehabt hätte. Es ist sonnenklar, daß er es nur um der Belohnung willen gethan hat, und ebenso wahrscheinlich ist, daß er diese später wieder zurückzuzahlen beabsichtigt. – Wenigstens sehe ich die Sache so an. Nun aber, meine Herren, ist Reuben Gale dazugekommen, der den jungen Herrn in der Hand hat, und wenn ein Gentleman sich zu einem Verbrechen hat hinreißen lassen und Reuben Gale zum Bundesgenossen bekommt, so geht es reißend bergab. Ich wette eine Million gegen ein Pfund, daß Reuben sowohl die Juwelen als auch die Belohnung für sich zu ergattern sucht. Herr Esden ist nicht so dumm, daß er die Juwelen bei sich herumträgt, und wenn Sie jetzt zu ihm gehen, schließen Sie ihm nur den Mund; überlassen Sie dagegen die Sache mir, so werden wir Geld und Juwelen zurückerhalten.«

»Ich glaube diese abscheuliche Geschichte gar nicht,« brach Arnold los. »Ich habe oft von Fällen gelesen, die ebenso schwarz oder noch schwärzer aussahen und wo doch schließlich die Unschuld des Angeklagten sonnenhell zu Tage kam.«

»Das ist zweifelsohne schon dagewesen und kann natürlich auch hier geschehen,« stimmte ihm Prickett zu, »und ich wäre herzlich froh, wenn es so käme, aber das kann jedenfalls nur geschehen, wenn wir einen oder zwei Tage zuwarten. Für den Fall aber, daß ich recht behielte, meine Herren, möchte ich schon im voraus klare und deutliche Verhaltungsbefehle haben. Vorausgesetzt, meine Pflicht gebiete mir, Herrn Wyncott Esden festzunehmen – was habe ich dann zu thun?«

»Das hängt doch wohl nicht von uns ab?« stammelte Elphinstone, der einen Hoffnungsschimmer zu sehen schien.

»Niemand ist verpflichtet, einen Verbrecher in Haft zu geben,« entgegnete Prickett. »Sie können jemand auf der That ertappen und dürfen ihn laufen lassen, wenn Sie mild sein und die Sache vertuschen wollen; mit Ausnahme von Mord kann alles geheimgehalten werden.«

»Dann sorgen Sie um Gotteswillen, daß die Sache geheim bleibt, falls es überhaupt mehr ist als ein Alpdrücken.«

»Wollen Sie dafür sorgen, daß mir diese Weisung von Fräulein Pharr zukommt?«

»Sie wissen, daß Fräulein Pharr die Angelegenheit überhaupt zu unterdrücken wünschte – wie viel mehr unter diesen Umständen!« sagte Elphinstone mit zitternder Stimme. »Bis vor einem Jahr bin ich Fräulein Pharrs Vormund gewesen und achtzehn Jahre lang habe ich sie wie mein eigen Kind betrachtet. Den letzten Pfennig, den ich habe, würde ich dran wenden, ihr die Kenntnis dieser Niederträchtigkeit zu ersparen. Geben Sie dem Schurken seinen Check, sagen Sie ihm, alles sei entdeckt, und heißen Sie ihn fliehen!«

»Das wäre alles schön und gut, wenn Gale nicht mit im Spiel wäre! Aber Gale ist nun einmal dabei; und wir können nicht wissen, wo die Steine hingekommen sind. Wir müssen abwarten und sie fassen, wenn wir ihnen ihre gemeinsame Schuld unfehlbar beweisen können. Alles in allem betrachtet, glaube ich, die Sache in der Stille abmachen zu können, wenn Sie beide mich dazu bevollmächtigen.«

»Sie sprechen,« rief Arnold halb zornig, halb verzweifelt, »als ob diese Verdachtsgründe schon bewiesene Wahrheit wären!«

»Mein lieber Junge,« sagte Elphinstone, »ich weiß nicht, was ich denken soll. Gott steh mir bei! Alles scheint nach der einen Richtung hinzuweisen. Es will mir nicht aus dem Sinn, wie ich ihn im Mondlicht habe suchend hin und her gehen sehen. Ob er wohl nach dem verlornen Werkzeug suchte?«

»So sehe ich es an,« entgegnete Prickett. »An Ihrer Stelle würde ich nicht gleich wieder zu den Damen gehen, und später müssen Sie so unbefangen wie möglich thun. Aus mir sollen sie nichts herauskriegen. Ich habe einen Brief von Herrn Esden, in dem er um den Check bittet; ich gehe ins Haus und übergebe ihn und dann kehre ich nach der Stadt zurück.«

»Ist es nötig,« fragte Arnold, »diese entsetzliche Komödie weiter zu spielen?«

»Leider unbedingt nötig,« erwiderte Prickett teilnahmvoll.

Damit verabschiedete er sich und ließ die beiden Herren in starrem Entsetzen zurück. Als sie sich endlich soweit gefaßt hatten, daß sie ins Haus zurückkehren konnten, waren sie noch so erschüttert, daß Elphinstone zu Arnold sagte: »Kommen Sie noch ein wenig mit auf mein Zimmer; ich brauche Gesellschaft und kann den andern noch nicht gegenübertreten.«

Sie stiegen die Treppe hinauf und traten in das Arbeitszimmer des alten Herrn.

»Das habe ich heute morgen aufgezogen,« sagte der Doktor und berührte mit einem seiner blassen, zitternden Finger eine neben ihm liegende Photographie. »Ist es zu glauben? Ich habe sie genau zu derselben Zeit aufgenommen, als diese sündhafte That vollbracht wurde. Als wir so glücklich und heiter beisammen waren, ahnten wir nicht, daß der arme Narr, Gott verzeihe ihm, in diesem Augenblick seine Seele dem Bösen verschrieb.«

»Ich kann nicht daran glauben,« wandte Arnold düster ein, »bis ich Gewißheit habe. Ich möchte mir nicht den leisesten Zweifel an Wyncotts Ehrenhaftigkeit gestatten – ich kenne ihn besser.«

Doch seine mutigen Worte überzeugten ihn selbst nicht und er kämpfte vergebens gegen die eigne innere Gewißheit. Mechanisch nahm er die Photographie in die Hand und betrachtete sie gedankenlos durch ein in der Nähe liegendes Vergrößerungsglas. Plötzlich fuhr er mit einem gellen Schrei von seinem Stuhl empor: Elphinstone sprang ebenfalls auf und drückte ihn wieder auf seinen Sitz, denn jener hatte so gezittert und geschwankt, daß der alte Mann fürchtete, er falle um.

Ganz verstört blickte Arnold zu Elphinstone auf und erwiderte auf dessen besorgte Frage mit entsetzlicher Gelassenheit: »Es ist alles vorbei. Hier ist sein Gesicht. Hinter den Rhododendren.« Elphinstones bebende Hände ergriffen hastig die Photographie und das Glas; er wankte an das Fenster. Eine Weile lang zitterte er so heftig, daß er nichts sah, dann aber faßte er sich und entdeckte, von keinem geringeren Zeugen als der Sonne selbst gemalt, das Gesicht Wyncott Esdens – ein Gesicht voll Schuld und Angst.

Er sah auf und begegnete Arnolds Blicken und hoffnungslos starrten die beiden einander an.


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