Matthäus Merian
Matthäus Merian

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Ulm

Ulm

Woher dieser weitberühmbten Reichs Statt Nahmen kommen und wer sie erbauet habe, darinn seyn die Gelehrte nicht einerley Meynung. Folgends ist sonders Zweiffels, daß dieser jetzige Nahm von den Ulmen oder Rüst-Bäumen entstanden, deren es sehr viel in dieser Gegend, als in einem Erdfeuchten Land geben, so nach der Ordnung wie die Weidenbäum gestanden und noch darvon die Ulmergassen allhie den Namen haben solle.

Es wollen Theils, daß zwischen den Jahren Christi 345 und 352 sie zu einer Statt sey gemacht worden. Wann deme also, so muß folgen, daß sie nämlich zun Zeiten Königs Ludwigs oder Clodowigs deß Grossen in Franckreich umb das Jahr Christi 500 verwüstet und in die Dienstbarkeit gesetzt worden, weil sie lange Zeit hernach von Kayser Carle dem Grossen Anno 813 ein Flecken oder Dorff genennet, gleichwol ein Königlichs oder ein Reichsflecken, als die keinem Fürsten, Grafen oder jemands anderm, sondern allein ihme dem Kayser und Fränckischen König unterworffen gewesen.

Wer aber sie folgende zu einer Statt und mit Mauren umbgeben habe, das kann man auch nicht eigentlich wissen. Das findet sich wol, als vom Kayser Lothario II und seinem Tochtermann Hertzog Heinrichen dem Zehenden auß Bayern und Sachsen, zugenandt dem Hoffärtigen, Anno 1129 belagert, erobert, verbrandt und zerstöret worden, daß sie nur zweytausendt ein hundert Schritt in ihrem Umbkreyß gehabt hat. Wiewoln damaln allein Reiche und vom Adel darinnen in Ruhe und Stille von ihren Renten, heraussen aber in den Vorstätten die Handwercksleuth und andere sollen gewohnet haben. Und obwoln nach dieser Niederlag Hertzog Conrad von Schwaben, deme sie so treulich wider den besagten Kayser Lother beygestanden, als er völlig zur Kayserlichen Regierung kommen, ihr stattlich geholfen und sie umb viel erweitert, so ist sie doch wie ein Dorff biß auffs Jahr 1300 ohne Mauren gestanden und hat nur einen Graben und Zaun herumb gehabt. Folgends aber ist sie mit Mauren und anderm dergleichen versehen worden, seythero deß 1605. Jahres viel mehro bevestiget und mit neuen ansehentlichen und gewaltigen Aussenwercken, Pasteyen und Wällen versehen worden.

Hat fünff Thor: als gegen Mitternacht das Frauen- und Neunthor, gegen Abend das Glöckner, gegen Mittag das Heerdbrucker oder Thonau-Thor, und dann gegen Morgen das Gänßthor. Und noch darzu einen Einlaß. Und gehet bey gemelten Heerdbrucker insgemein Herrbelthor genant über die Thonau eine wider feindlichen Anfall wolverwahrte und gepflasterte Brücke, mit steinern Pfeilern unterstützet. Die Statt an ihr selbsten ligt etwas uneben, so man aber von aussen nicht wol mercken kann, und ist mehrers in die Hänge als Breyte erbauet.

Unter den Kirchen und Gottshäusern leuchtet herfür das gewaltige Münster oder die Hauptkirche, fast mitten in der Statt gelegen, die wenig ihresgleichen, ja in Teutschland keine findet, so ihr an Grösse, Höhe, Länge und Breyte gleich wäre. Ist mit fünff schönen steinern Gewölben neben und aneinander geschlossen, welche auff sechs und dreyssig starcken wolgezierten Quadersteinen-Säulen stehen, je neun in der Länge. Hat am hellen Liecht 57 offene Fenster, ohne die, so in der Sacristey und den 3 Neben-Capellen zu finden. Dannenhero es allenthalben darinn hell und liecht, wie dann auch kein dunckeler Winckel und Nebenabseite, als etwan sonsten in andern alten großen Kirchen zu sehen. Hat Anfangs zweiundfünffzig Altär gehabt.

Anno 1377 den letzten Junij, Morgens früh nach 3 Uhren ist das erste Fundament gelegt, und der Bau, wie man sagt, in 112 Jahren zu Ende gebracht worden, und hat dennoch nicht mehr, wegen der wolfeylen Zeit und Freygebigkeit der Leuthe, als 9 Tonnen Golds gekostet. Der viereckichte Thurn daran, so mit lauter Quaderstücken auff das zierlichst und prächtigst auffgeführet ist, hat in der Höhe biß an den Ring oder Umbgang zweyhundert und vierunddreyssig Werckschuh. Die Orgel in dieser Kirchen ist neben der Cantzel, Tauffstein, Monstrantz oder Sacramenthäußlein und dem Oelberg voraussen sonderlich berühmt. Der Pfeiffen seyn über die dreytausend, alle von dem besten englischen Zinn und Metall, außgenommen den sechszehen-schühigen Einbaß, welcher hültzin. Die größte Pfeiff ist vier und zwantzig Werckschuh hoch, in welche dreyhundert und fünffzehen Ulmische Eychmasse gehen. Man kann auff solcher Orgel wegen ihrer grossen weite mit drey und vier Choren musicieren.

Von weltlichen Gebäuen ist sonderlich das Rathauß allda, daran alte Gemälde und darauf ein feines Uhrwerck, darunter aber die Metzig oder Fleischbänck und herum der Fischmarckt und andere Märckt. Es hat auch viel und gute Gastherbergen und Wirthäuser und neben diesen auch feine wolgebaute Burgers oder Privathäuser, darunter nunmehr vil von Stein seyn, in welcher Zahl auch Herren Joseph Furtenbachs, deß Raths und Bauherrns (welcher sich durch seine in der Bau- und anderen Künsten hohe Experientz, so er auf seinen Reysen und sonsten, sonderlich die 10 Jahr über, in welchen er sich in Italia auffgehalten, mit seinem unverdrossenen und fast unglaublichen Fleiß und stätiger Arbeit erlangt und in sieben underschiedlichen ans Tagliecht gegeben schönen und sehr nutzlichen Büchern weit und breyt, auch bey hohen Standtspersonen, Fürsten und Herren berühmbt, bekandt und beliebt gemacht hat) Hauß nahend dem neuen Thor gelegen ist. Welches wegen seines bequemen Lägers, künstlichen Erbauung, sehr guten Commoditäten und Gelegenheiten, so ein Hauß immer haben soll, item wegen der Rüst- und Kunst-Kammer, so mit mancherlei Modellen, Instrumenten, Architectonischen Handrissen, rar- und wunderlichen Natur und künstlichen Sachen besetzt und gezieret, wie auch und sonderlich Frühling- und Sommerszeiten wegen deß schönen Blumengärtleins und darinn zugerichten künstlich und anmüthigen Grotten und Wasserwercks wol zu besichtigen ist.

Ferners so hat Ulm auch einen gesunden guten Lufft. Der Boden herumb ist geschlacht und gut, da allerhand herrliches Getreyd und Früchten wachsen, auch die Gärtner allerley zu feylem Kauff auff den grossen Platz vor dem gemeldten Münster bringen, und von andern Orthen, sonderlich zu Friedenszeiten alle Nothdurfft zugeführet wirdt, daß man umb ein zimliches fein allda zu leben hat. Und obwohln ausser eines geringen hierumb kein Wein wächst, so wird doch derselbe vom Rhein, dem Necker, Bodensee, Veltlin in der Menge hieher gebracht, und ist der Weinmarckt allhie vor andern in Teutschland berühmbt. Darneben macht man auch zu Ulm gut braun und weisses Bier und zimlichen Meth. An gutem gesunden Wasser, Röhrkästen und Schöpfbrunnen hat es allda keinen Mangel, und wird sonderlich das bey den alten Röhren gelobt.

Die Inwohner belangend, so seyn sie nicht einer Ankunfft, diejenige aber, deren Vorältern viel hundert Jahre in dieser Statt säßhafft gewesen, mögen vielleicht noch von den alten Schwäbischen Hermunduris herkommen.

Insgemeyn seyn die Manns- und Weibspersonen meistentheils wol gestaltet, freundlich, gutthätig, sonderlich gegen die Armen, also daß wenig Statt in Teutschland zu finden seyn werden, die es hierin dieser zuvor thun sollten. Sie arbeiten gern, seyn auch sinnreich und zu allerhand guten Wissenschafften, Künsten und Verrichtungen nicht untauglich. So hat ingleichem dieser Orth sonsten viel gelehrter Leuth geben, die sich auch in die Ferne berühmbt und bekandt gemacht und ihrer theils weitgelegene Länder besichtiget und einen gut Theil von Europa, Asia, Africa und America durchreyset haben.


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