Matthäus Merian
Matthäus Merian

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Münster

Mayland / Mimingarvorde

Diese weltberühmte, schön- und wolerbaute, auch von Natur und der Hand sehr feste und in einer fruchtbaren Ebene gelegene Bischöfliche und Hansee-Statt, so für das Haupt in gantz Westphalen gehalten wird, solle Anfangs von denjenigen Sachsen, die man Tencteros genannt und die mit den Longobarden in Italien gezogen, aber folgende mit grosser Beut wieder in ihr alte Heimat, nemlich in Westphalen zurück kommen, mitten zwischen dem Rhein und der Weser und inmitten ihres Lands umbs Jahr 584 nach Christi Geburt seyn erbauet und Mayland genannt worden, welcher Name ihr biß auffs Jahr 696 ungefähr geblieben, umb welches sie Mimingarvorde, nicht wissend, auß was Ursachen, geheissen zu werden angefangen worden; nemlich zu der Zeit, als der heilige Swiberus den Christlichen Glauben allhie erstlich gepredigt und ein reiche Frau, so das Gicht hatte, gesund gemacht, die folgend hart bey ihrer Behausung eine Kirch in die Ehr S. Pauli (weiln sie eben an S. Pauli Bekehrungs-Tag bekehret und gesund worden) erbauen lassen.

Hernach umbs Jahr 772 hat Kayser Carolus Magnus Mimingarvorden bekrieget und sie ihm unterthänig gemacht, und mit neuer Bestellung der Kirchendiener die Christliche Religion mehrers allda außgebreitet. Und dieweiln die Leut dieser Orten, so ohne Leibeserben verstorben, ihre Häuser, Höff, Land und Sand Gott und seinen Dienern williglich gegeben oder dieselbe sonsten den Geistlichen umb einen billigen Kauff überlassen, auch besagte Statt Mimingarvorde oder wie sie Theils nennen Mimingerode oder Mimingardefurde an Inwohnern zugenommen: so hat er auch ein Bischthumb Anno 785 allda auffgerichtet und einen prächtigen Tempel zusampt einen Kloster für die Geistlichkeit, so man das Münster genannt, erbauet, nach welchem auch die Statt selbsten forthin Münster anstatt Mimingarvorde geheissen zu werden angefangen hat.

Sie ist beynahe gantz rund. Hat acht Pfordten oder Thor, nemlich das Horster, S. Moritz, S. Servatii, S. Ludger, S. Aegidii, Unser Lieben Frauen, das Judenfeld (so von den Juden, deren es vor Zeiten, ehe sie von hinnen vertrieben worden, allhie viel gehabt, den Namen hat) und das Neuenbrücker-Thor. Vor Jahren seyn noch drey Pfordten gewesen, die aber zugemauert worden. Es seyn allhie fünff Collegia oder Stiffter, als das besagte hohe Stifft oder der Thumb; das zu S. Paul im alten Thumb; das zu S. Ludger, dabey auch eine Pfarrkirch; das zu S. Moritz ausser der Stadt; und das zu S. Martin, in dessen Bezirk ein Minoriten Kloster ist.

Der Kerspel oder Pfarrkirchen seyn ausser der auss dem Thumbhoff zu S. Jakob sechs, darunter die zu S. Lampert oder Lamprecht beynahe mitten in der Statt gelegen. Der erste Stein des Chors dieser Kirchen ist Anno 1375 gelegt worden, die übrige Höhe hat ein Todtengräber, Cornelius genannt, gebauet. Auff den Thurn wird allezeit eine Wacht gehalten, auch alle Stund mit der Schallmeyen ein Lied gespielet, und hanget in solchem die Brandglocken, so in Feindes- und Feuersgefahr geschlagen wird, wie auch die Nachtglock und die Sturmglock, so man leutet,wann man einem zum Tode verurtheilen thut.

Anno 1536, den 22. Januarii ist der Widertäufferische König und falscher Lügenprophet Johann von Leyden allhie mit heissen Zangen zerrissen und nach langer Marter ihme ein Messer in die Brust gestossen, er auff einer Schlaiffen durch die Statt geschlaiffet und in einem eisernen Korbe hoch an diesem S. Lamprechts-Thurn gehencket worden.

Ferners hat es allhie vier Mannsklöster und sieben Jungfrauen-Klöster, aus welch letzteren das zu Ueberwasser oder das trans aquas sehr berühmbt ist, welches Anno 1041 der 14. Bischoff Hermanus I. gestifftet und es Marienthal genennet hat. Es hat dieses Kloster auch eine Freyung, daß, wann nemlich einer durch Unglück einen todt schlaget und hierein laufft, man ihn ein Jahr darinn auffhalten darff. Aber öffentliche Mörder werden von E. E. Rath allda nicht gestattet.

Es hat zu Münster auch viel feine Häuser für die Armen, presthaffte, inficierte und dergleichen Personen, darunter das Hospital ist, zwischen den Brücken zu Ueberwasser. Ist von aller Schätzung und Dienste befreyet und dörffen die, so in solchem sterben, kein Testament machen, sondern es bleibet alles dem Spital.

Von weltlichen Gebäuen und Sachen seyn allhie zu sehen die vier Märckte, und auff dem ersten das Rathhauß, so unter allen Häusern das höheste ist und auff runden Pfeilern stehet, auch mit schönen Bildern gezieret und erst neulich wieder stattlich ausgebutzet worden ist. Alle Mon- und Freytag wird in solchem Rath gehalten, und ist des Raths Weinkeller darunter. Auff dem Fischmarckt ist das schönste Hauß, in welchem die Olderleut und Gildenmeister zusammen kommen. Es seyn überdas auch sechs Frühmarckt, deren drey außer der Statt und drey in derselben gehalten werden, so von den Kaysern große Freyheit haben, wer einen blutrüstig auff denselben schlägt, der hat den Halß verwircket.

Die Bürgershäuser seyn zum Theil auch schön von Bamberger Stein (so ein Ort, zwo Meilen von Münster) gebauet. Nicht weniger zieren die Statt die Bogen, so auf dem Thurmbhoff nach Osten liegen und fast den halben Theil desselben begreiffen. Und seynd die Häuser vornen alle auff Pfeiler gesetzet, darunter man hingehet und darinnen meistentheils Krämer wohnen, deren Frauen und Töchter man Bogenfrauen und Jungfrauen nennet, welche, weil sie höfflicher Sitten und gleichsam mitten in der Statt wohnen, andern gemeiniglich vorgezogen werden.

Es hat allhie zu Münster zweierlei Gerichte, das Geist- und Weltliche. Das Geistliche gehöret dem Bischoff zu, vor welchem nicht allein Geistliche, sondern auch Weltliche Sachen tractiert und die Schuldner von dem Official mit geistlichen Briefen vorgefordert werden, daß sie bezahlen müssen. Das weltliche oder Niedergericht wird von dem Rathhauß, zwischen zwey Bäumen unter den Bogen sowol in Bürgerlichen als Halßsachen gehalten. Der Ort des Gerichts oder der Platz wird das Paradeiß genannt. Wenn einer zur Zeit des Gerichts da fürüber gehet, so höret er wegen Menge Volcks ein groß Gemurmel und Getöß.

Was endlich das Bischthumb allhie anbelanget, so schreibet Johannes Angelius à Werdenhagen nachfolgende Wort: Es müssen die Thumbherren des Hohen Stiffts alle vom Adel von acht Ahnen, nicht allein Vatter- sondern auch Mutter-halb seyn und solches mit einem Eyd vor dem gantzen Capitul bezeugen. Ueberdas muß auch ein solcher mit Briefs und Siegel beweisen, daß er erstlich ein gantzes Jahr und Tag über dem Gebürge in Italien oder Franckreich auff einer Hohen Schul studiert habe. Die Thumbherren haben ihre eigene Aempter und Prälaten, so sie unter sich austheilen. Dann es ist da ein Probst, Dechant, Scholaster, Thumb-Custor, Vitzthumb, Thumb-Kellner, Seckelmeister, Cantor, Uebermeister, Regent der Krancken, welcher vor Zeiten durch das gantze Jahr Schweinen-Köpff in der Sultze liegen lassen mußte, auff daß, wann ein Thumbherr läge und also seine Kirchenrechte empfangen hatte, man ihme solcher Köpffe einen neben Weißbrod, Bier und einer Wachskerzen drey Tage lang präsentieren konnte, sofern er anders so lang lebte, aber weiters nicht. Welcher Gewohnheit man unterschiedliche Ursachen giebet.

Wann sie aus ihren Höfen gehen, haben sie viel Diener hinter sich. Tragen gemeiniglich sammete Barettlein, daß man sie leichtlich vor andern kennen kann. Gehen auff Pantoffeln, so mit Tuch gefüttert seyn. Ausser der Statt gebrauchen sie sich der Wagen oder der Pferde. Wie sie dann dem Waidwerck obliegen, auch in Zeit der Noth gute Kriegsleuthe geben. Sie tragen güldene Ketten am Halse und sind ihre Finger mit vielen Ringen gezieret, darinn allerhand Edelgesteine und ihre Wappen geschnitten, damit sie die Brieff verpetschieren. Sie haben aber auch gute Auffsicht auff die Schüler in der Thumbschul und auff die Armen, und halten deßwegen ihren Almosen-Pfleger.

Sie, die Thumbherren, haben allein Macht, einen neuen Bischoff zu erwehlen, und biß solches geschieht, so stehet das Regiment bey ihnen, wie dann, ohne das, ihnen das gantze Stifft, die Ritterschafft, ja auch der Fürst oder Bischoff selbsten vereydet seyn. Also, daß in denen Sachen, so das Stifft angehen, ohne der Thumbherren wissen und Willen nichts geschehen kann.


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