Matthäus Merian
Matthäus Merian

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Göttingen

Gootdingen/Gothungam

Die Stadt Göttingen ist die Hauptstadt deß Fürstenthums Braunschweig-Göttingen oder Oberwald genant, so zum Fürstenthum Calenberg gehörig, ist gelegen an einem sehr fruchtbaren Ort, hat gegen Orient das Eichsfeld, gegen Mittag den Werrastrom und gegen Mitternacht die Städte Northeim und Eimbeck; durch die Stadt fliesset der Leinastrom.

Vom Ursprung dieser Stadt und wann sie erbauet, kann man zwar keine eigentliche Nachricht haben, wird aber insgemein dafür gehalten, daß sie von den Gothen ihren Anfang auch Nahmen erlanget, und zwar zu der Zeit, als dieselben Welsch- und andere Länder durchstreiften, unterschiedliche Provincien mit grosser Macht eingenommen und unter sich vertheilet gehabt, wie sie aber dieselben endlich wieder räumen müssen, hätten sie sich in Westphalen, Sachsen und Thüringen niedergeschlagen und in Sachsen Göttingen, in Thüringen aber Gotha erbauet.

Dahero erscheinet, daß diß eine uhralte Stadt sey, dann von Historicis davor gehalten wird, daß die Rückkunfft der Gothen um das Jahr Christi 448 geschehen. Soviel sonsten den Nahmen anlanget, seyn andere der Meynung, daß derselbe à honitate agri herkomme und Göttingen quasi Gootdingen oder Gutdingen genennet. So findet sich, daß Kaiser Fridericus Barbarossa in einem mit seiner Hand geschriebenen Briefe Göttingen Gutding genennet habe.

Franciscus Modius beschreibet weitläufftig, daß, nachdem lange Zeit vorhero um das Jahr Christi 925 der Kaiser Henricus I. die Hunnen (welche von grössten Theils Teutschlands jährlichen Tribut gefordert und auff deß Kaisers Befehl geschehener Verweigerung, mit Hülffe der Tartarn, Russen und andern, theils vorberührter Länder nebst Thüringen auch Sachsen-Land sich bemächtiget, dieselbe außgeraubet und darin viel tausend Menschen ermordet) durch eine herrliche Victori erlegt und diesem Hand Ruhe verschaffet, mit seinem gantzen Heer zurückgangen biß auff Gothungam sic Göttingen, daselbsten denen in großer Anzahl bey sich habenden Reichs-Fürsten, Grafen, Herren und Rittern Triumph- und Freuden-Fest, herrliche Panquet und Ritterspiel angestellet, und wie das Turnierbuch meldet, allda den ersten Turnier gehalten. Auch damals, diese Gäste umb soviel mehr zu contentiren, in dergleichen Nothfall wider die Feinde deß Römischen Reichs und der Christenheit williger und freudiger zu machen, sodann zu ritterlichen Tugenden und Uebung anzufrischen, diese vor der Zeit bey den Teutschen ungewöhnlichen Turniere und Ritterspiele, wie dieselbe hinkünfftig sollen gehalten werden, mit gewissen Gesetzen gefasset, und sowol ausser dem Reich als darinn gesessene Potentaten, Fürsten, Grafen, Herren und andere Rittermässige Personen dazu berufen und eingeladen.

Es sey aber um den Nahmen wie es wolle, muß dero Zeit Göttingen allbereit ein feine Stadt, darinnen der Kaiser so vielen ansehentlichen Fürsten, Graffen und Herren einen bequemen Hoff bestellen können, gewesen seyn.

Wie nun diese Stadt auff den Frontieren und Gräntzen Thüringer- und Hessen-Landes gelegen, also hat sie bey den Kriegszeiten gemeinlich den ersten Anstoß und dannenhero groß Unglück und Widerwärtigkeit außstehen müssen, welches dann sich schon zu der Zeit, wie zwischen Kaiser Heinrich den Vierdten und Hertzog Otten zu Bayern, so ein Herr dieses Fürstenthums gewesen, um das Jahr Christi 1068 schwere Kriege geführet, angefangen, die etliche Jahr hernach gewähret, biß sich endlich Hertzog Otto des Bayrischen Hertzogthums und Tituls begeben und mit diesem Lande contentiren lassen.

Nicht weniger Widerwärtigkeit hat sie gelitten, als Heinrich deß Löwen Sohn, Hertzog Otto Anno 1208 zum Römischen König erwöhlet, deme sich Philippus, Hertzog in Schwaben widersetzt und darüber beschwerliche Kriege entstanden.

Als nach Absterben Hertzog Ernsten Hertzog Otto, den man den Quaden genennet, Anno 1367 zur Regierung komen, hat derselbe in Göttingen im Jahr 1368, 1370, 1374 und 1376 herrliche Ritterspiel und Freudenfeste mit rennen, stechen, turnieren ec. angestellet, dazu von Fürsten, Grafen, Rittern und Edelleuten, nebst ihren Gemahlinnen und Frauenzimmern, wie auch auß Ihrer Fürstlichen Gnaden Städten eine große Menge sich eingefunden.

Es seynd auch für langen Jahren die Calands Einkünffte zu Anrichtung einer Schul und Paedagogii daselbst angewendet worden, wie dann auch mit Consens deß gnädigen Regierenden Landes-Fürsten geschehen, daß in dem Pauliner Closter beregtes Paedagogium angestellet und in gewisse Ordnung verfasset, also, daß darin offtmals Doctores Juris der Pädagogiarchen Stell vertretten, auch sonsten vornehme gelahrte Leute angenommen, durch deren Fleiß die Jugend informiret und feine geschickte Leute darin erzogen worden.

Was diese Stadt in Anno 1626 biß 33 wegen deß empor geschwebten Teutschen schweren Krieges außgestanden, was sie für grossen Schaden, theils von Belagerung, Eroberung und Außplünderung gelitten, und wie Anno 1641 gegen harte Belägerung deß Herrn Ertzhertzogs Leopold Wilhelm in Oesterreich durch Gottes Gnad und tapffere Resistenz deß damahligen Commendanten nebenst anderen bey sich gehabten Officierern und Soldaten, auch unerschrockenen Bürgerschafft und Landvolcks, bey ihres natürlichen Landesfürsten getreuer Devotion conservieret, solches ist männiglich bekannt und werden die Historienschreiber auff die Posterität rühmlich fortzupflanzen wissen.

So viel Nahrung, Handel und Wandel dieser Stadt betrifft, findet man gute Nachricht, daß vor drey und vierhundert Jahren daselbst der Stapel und Niederlage der von Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Nürnberg, Franckfurt verführten Waaren, und sie selbst eine vornehme Handelstadt gewesen, daselbst grosse Märckte, sonderlich das Freymarckt in der Faßnacht gehalten, welches von vorbenannten Oertern wie auch von vielen anderen Städten, von Kauffleuten und Krämern gar häufig besuchet worden.

Sonsten ist neben dem Brauwerck und andern Handthierungen, welche vor Jahren allhie in vollen Schwange gangen, sonderlich das Wollenweber- oder Tuchmacher-Handwerck sehr starck getrieben, also, daß um das Jahr Christi 1475 an die 800 allein Meister von diesem Handwerck in der Stadt gewohnet, und seynd die allhie gemachten Tücher häuffig weg- und in andere Länder geführet worden, welches der Stadt eine stattliche Nahrung gebracht, nunmehr aber der Welt Lauff nach eine grosse Veränderung hat erfahren müssen.


 << zurück weiter >>