Matthäus Merian
Matthäus Merian

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Bremen

Bremmen / Ptolomaei Phabiranum

Diese vornehme und berühmbte Reichs- und Hansee-Statt, allda grosser Handel getrieben wird, halten theils für des Ptolomaei Phabiranum, und führen den jetzigen Nahmen von den Brombeer-Stauden her, die vor Zeiten in großer Menge da gewachsen seyn sollen. Sonsten hat sie in ihrem Wappen Schlüssel, weilen sie sampt ihrem Gebiet dem Meer nahend ist und die Weser beschützet und befreyet. Dann diese Statt bey der Weser an einem zu der Kauffmannschafft auß der West- und Nord-See bequemen, lustigen und fruchtbaren Ort gelegen, da es auch gute Viehweide, davon die Burger jährlich grossen Gewinn haben. Es gibet gleichwol auch viel Sümpff herumb.

Sonsten ist die Statt in ablänglicher Form gebauet, hat schöne weite Gassen, beiderseits nach der Ordnung mit herrlichen und unzählbaren Burger-Häusern besetzt, wiewol einer meldt, daß sie ziemlich unflätig gehalten werden, welches vielleicht von dem vielen Viehe, so da ist, herkommen möge. Ist im übrigen von Werckern, kunst- und natürlichem Lager gar fest.

Hat einem weiten grossen Marckt, in welches Mitte eines Kaysers und Königs Bildnuß, das bloß Schwerdt in der Hand haltende, zu sehen; wovon hernach zu lesen. Die eine Seiten des Marckts zieret die Domkirch, die ander das Rath-Hauß, welches ein köstliches und angenehmes Fundament, nämlich den öffentlichen Weinkeller hat, in welchem E. E. Rath unter eines darzu bestellten Auffsicht den Wein umb ein leidenlich Gelt hergibet. Welches dann bey vielen Sächsischen und Westphälischen Stätten im Brauch ist, daß die Außschenckung des Weins bey dem Rath, die gemeine Beschwerde dadurch zu tragen, stehet.

Es hat aber diese Statt auch sonsten gutes Einkommen und ein schönes Gebiet, und nicht geringe Aempter oder Vogteyen, als Viehland, Hollerland, Werderland, Blockland, Borchfeld, Blumenthal, Nyenkercken, Bederhusen oder Berxen, in welchem etliche Schlösser, viel Dörffer, Pfarren, See, Holtz und dergleichen, so theils ziemlich weit von der Statt gelegen seyn. Der Port oder Hafen allhie wird Vegesack genant, und ist an dem Ort, wo die Wumma oder wie man sie allda nennet, die Lessem oder Lesmona, sich in die Weser ergiesset. Dann die Last-Schiffe nicht gar an Bremen kommen können, sondern daselbst ausgeladen werden.

Die Statt Bremen selbsten erstrecket sich jetzt viel weiter gegen Mittag über die Weser als vorhin, also daß sie auff selbiger Seiten gleichsam eine neue Gestalt bekommen, und wird solche Neue mit der Alten Statt durch eine hültzerne Brücken vereinbaret, welche Brücke künstlich erbauet, also, daß nach der ganzen Länge etliche Mühlen unter derselben seyn, auch ein Rad von wunderlicher Größe gesehen wird, so das Wasser aus der Weser schöpffet und in der Statt Häuser durch verborgene Teuchel oder Rinnen zum Gebrauch der Burger laitet.

Sie hat fünff Thor, deren das Erste, gegen Morgen, mit einem Bollwerck und Thurn starck befestiget ist, das Andere, von Jenem gegen Mitternacht gelegen, wegen deß den Bürgern erblich gehörigen Feldes fürs Vieh das Herden-Thor genant wird, daran dieser denckwürdige Vers geschrieben stehet:

Bremia ut sis sospes,
sis hospita fortior hospes.

Bremen sey indächtig,
laß nicht mehr ein,
du seyst denn ihrer mächtig.

Das dritte Thor hat von dem nahend gelegenen Tempel Anscharii den Nahmen, welchen Hartvicus zur Gedächtnuß des vierdten Bischoffs allhie, des H. Anscharii, sampt einem kleinern Capitul im Jahr 1182 angerichtet hat. Das Vierdte Thor wird Porta Divana und das Fünffte S. Stephani, wegen der benachbarten Collegiat-Kirchen dieses Nahmens genennet und ist gegen Abend gelegen, allda man Anno 1602 ein starckes Bollwerck gebauet hat.

Es hat auch ein Kollegium für die studierende Jugend, item allerhand Gebäu für die Arme, Krancke und Findelkinder allda. Sonsten seyn ausser des oberwehnten Rathhauses zu sehen: das Kauffhauß, das Zollhauß, des Raths Apotheck, das Zeughauß, die offentliche Speicher oder Kornschütte, und umb den Marckt, gegen dem Rathauß über, die Schüttung, da die 16 Elterleute zusammen kommen, wann etwas wegen gemeiner Stadt aus Bewilligung des Raths zu berathschlagen fürfällt.

Es seyn die Burger einer gutthätigen Natur und gastfrey gegen die Fremden, in Vermehrung des Gewerbs gar arbeitsam und embsig, wie dann der meiste Theil von der Kauffmannschaft theils auch von ihren Erb-Aeckern und oben angedeuter Viehzucht und dem Biersieden leben. Welches Bier, so röthlich und weiß, herrlich gut ist und in die benachbarte Länder, auch Holland und weiters, überflüssig verführet wird, weilen es so wol geschmack- und annehmlich ist, keine Wind und Reissen in den Därmen (sonderlich das, so im Frühling gebrauen ist) leichtlich verursachet.

Der Magistrat bestehet von 24 Personen und vier Burgermeistern, deren zween ein Jahr lang regieren, und wird der, so das halbe Jahr durch den Fürtrag und die Direction hat, der Praesident genant. Den ganzen Rath aber mit seinen Theilen nennen sie die Witheit, Weißheit oder gleichsam der Weisen Rath, in welchem meistentheils die fürnehmsten, das ist die nützesten und besten unter der Burgerschafft, sonderlich der Burger Söhne, so gestudiert, doch also, daß der halbe Theil von Kauffleuten ist, gezogen werden. Und siehet man da in derselben Erwöhlung nicht auff Gunst, Schwäger und Blut-Freundschafft, sondern auff Verdienst, Tugenden und Geschicklichkeit.

Sonsten ist auch Anno 1641 ein Bericht, daß nämlich unverneynlich seye, daß E. E. Rath der Stadt Bremen ihre eigene freye Stadt-Regierung in Geist- und Weltlichen Sachen ohne Zuthun der Herren Ertzbischöffe verwalten. So seye auch mit untadeligen alten und neuen Documentis Kayserlichen Concessionibus und Confirmationibus zu belegen, daß die Stadt Bremen mit anderen hohen vortrefflichen Regalien zu Wasser und Lande, unter denen mit der jurisdiction, pacification und protection der königlichen Heerstraßen und fürnehmen Flusses des Weserstroms, von der Stadt Bremen an biß in die Saltzene See, item der Müntz-Gerechtigkeit, Zöllen, Staffelgerechtigkeit, gleitlicher Obrigkeit und allen anderen Regalien, welche eine dem Reich immediate unterworffene Statt haben kann, privilegiret und versehen. Unter anderm gesagt wird, als Kayser Carl der Grosse Anno 805 einen grossen Landtag bey Magdeburg an der Elbe gehalten, hab er daselbst mit den Sachsen einen neuen ewigen Frieden auffgerichtet, worin die Sächsischen Lande und Stätte in den Schutz des Reichs abermals genommen, und verabschiedet, daß sie bey ihren alten Freyheiten gelassen werden, ihnen auch in specie an das Reich zu appelliren frey seyn sollte; in particulari die Statt Bremen betreffend, dieselbe mit einer Statua Rolandina, welche noch biß auff heutigen Tag am offenen Marckte mit einem Adeler im Schilde und mit diesen Worten:

Vryheit do ick Ju openbahr
De Carll, und mannig Fürst vorwahr,
Dieser Statt ghegheven hat,
Deß dancket Gode, ist min Rath.

auffgerichtet stehet, begabet.

Was die Historie dieser Statt anbelangt, so schreibet man, daß ums Jahr 915 die Hunnen Bremen überfallen, die Priester bey den Altären erschlagen und endlich alle Kirchen angezündet. Es hab aber Gott ein groß Ungewitter erreget und die Schindeln von den halb verbrandten Kirchen den ungläubigen Heyden unter das Gesicht geworffen, daß sie davon geflohen und entweder im Wasser ersoffen oder ihren Feinden zu theil worden seyn. Wiewol sie, die Hunnen, Anno 923 wieder kommen und übel da gehausset haben sollen. Es ist aber Bremen zu selbiger Zeit noch schlecht, und vorher bey Kayser Carls deß Grossen ein offener Fleck, wiewol vor Andern in Sachsen selbiges mal schon vornehm und berühmt gewesen, doch vor dem Jahr 990 zu ummauern nicht angefangen worden.

Theils wollen, daß ums Jahr 1000 oder 1010 diesen Ort mit einem Graben und Wall Bischoff Umanus eingefangen, theils daß der Bischoff Libentius das erste Fundament der Mauren gelegt, weiln vorhero die besagten Hunnen, item die Normannen und Wenden mit ihrer Grausamkeit hierzu Ursach gegeben. Bischoff Bezelinus haben das Werck fortgetrieben aber nicht gar vollendet, in dessem letzten Jahr, als das Bistum nun fast 270 Jahr gestanden, die gantze Statt ausgebronnen sey. Man liset aber, daß ums Jahr 1100 allbereit grosser Handel von den frembden Kauffleuten auff hieher gewesen. Und, wie mächtig diese Statt folgende worden, ist daraus zu sehen, dieweil die Bremer drey Meerfahrten gethan: eine in das Jüdische Land, die andere nach Portugal, da sie ums Jahr 1141 den Saracenern die Statt Lisabona hinweg genommen, und die dritte wiederum in das gelobte Land ums Jahr 1189, zu welcher Zeit, nach der Bremer lobwürdigem Exempel, man sich der krancken Reisenden angenommen und der Teutsche Ritters-Orden seinen Anfang bekommen hat.


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