Matthäus Merian
Matthäus Merian

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Danzig

Dantiscum, Danstick, Godanium, Gdansko

Woher dieser gewaltigen und hochberühmten Stadt, dahin manche Jahr zu 4, 5 auch 600 Schiffe gelangen, Nahme komme und wer sie erbauet, seynd die Gelehrten nicht einig. Philippus Cluverius will, daß diese Stadt vorzeiten Danzke geheissen und den Namen von Gott, den die Alten auch Dan, Codan und Godan genannt, bekommen habe: wie dann auch die Oost-See als ein Theil Maris Balthici Sinus Codanus genannt wird. Und sagt er, daß die Wenden noch heutigs Tags diese Stadt Gdansk und Gdansko, von Gdan, das ist Gott, nennen thäten. Und obwoln sie der Handthierung halber viel hundert Jahr berühmt, so seye sie doch nur ein Dorff gewesen, bis sie Anno Christi 1295 von Primislao in Polen zu einer Stadt gemacht und endlich An. 1343 mit einer Mauer umbgeben worden, und daß Dantzig unter allen Städten gegen Mitternacht die älteste seye, was auch Thorn, Elbingen und andere hirzu sagen mögen.

Mit dem aber andere nicht zufrieden seyn, welche vermeynen, er habe seinem Vatterland gar zuviel zugeeignet, und führen sie das Wort Dantzig von Dänen her, als den ersten Anfängern des Schlosses allhie umbs Jahr 1164, wie dann theils Dantzig für Danswijk oder der Dähnen Flecken oder Buesen lesen, darauß Danstick oder Danzigk endlich worden seye.

Theils führen den lateinischen Namen Dantiscum von danzen, saltando, und den anderen, Gedanum, auß der Polnischen Sprach her, welche den Buchstaben D das G vorzusetzen pfleget.

Der Pommersche Historicus Micraelius sagt also: Der König von Dennemarck fuhr mit seinen Schiffen in Hinter-Pommern, und weil Fürst Zubißlaff seinen Vettern, dem Vorpommerschen Fürsten Hülffe zugesandt hette, legete er ihm zuwidern das Schloß Dantzig oder Danswijck, das ist die Dänische Wycke, an und fügete darauß den Pommern und Preussen viel Schaden zu; welches doch bald darauff Fürst Zubißlaff wieder eroberte und es fester bauete.

Und dieses sagt er weiter, daß Dantzig von den Hertzogen in Pommern an die Marggrafen zu Brandenburg, item an Polen und endlich an den Teutschen Orden kommen, von welchem sich aber die Stadt mit der Zeit, nämblich Anno 1454 ledig gemacht.

Es liget aber Dantzig nahend bey und an den drey Wasseren Weissel, Motlau und der Rodaune. Die Motlau ist nicht sonderlich breit und fällt eine halbe oder eine gute viertel Meil unter der Stadt in die Weissel, von dannen noch eine halbe Meil in die See ist. Und können die gar grossen Schiffe nicht wol biß zur Stadt kommen, sondern müssen besser abwerts unter der Stadt liegen bleiben.

Gegen Abend hat es hohe Sandberg, als den Hagelsberg, Dölberg und Bischoffsberg, die so nahe an der Stadt, daß man auff solchen über die Wälln in die Stadt hinein sehen und mit einem Stein in die Wassergräben werffen kann, darumb auch an demselbigen Orth die Stadt sonderlich mit tieffen Wassergräben, hohen Wällen und starcken Pasteyen oder Bollwercken zimblich wolbefestigt ist. D. Frölich schreibet, wann man deß Danzigischen Walls Grösse und Breite besehe, so werde man keine Stadt in Teutschland finden, auch Straßburg nicht, so mit Danzig könne verglichen werden.

Gegen Mitternacht und Mittag ist eine schön Ebene und gegen Morgen ist der Fluß. Es hat die Stadt einen grossen Umbfang und liegt an der Motlau etwas nach der Länge. Die alte Stadt hat inwendig noch grosse Thürne, Mauren auch Gräben herumb. Die Häuser seynd vornen herauß mit Gibeln gar zierlich gebauet, und gehet man von der Gassen etliche Treppen in die Häuser hinauff, welches dann eine Ursach, daß die Gassen zimlich eng seyn, die auch unsauber gehalten und alles vor die Thüren herauß, auch todte Katzen und Hunde geworffen werden. Welches dann bey dieser sonst edlen Stadt ein sonderlicher Uebelstand, wann es anders wahr ist, was man berichten thut.

In der langen Gassen, so die schönste, seynd viel herrliche Gebäu, außwendig mit Farben und Gold gemahlet. Der Dom oder die Hauptkirche ist ein schön groß Gebäude, inwendig sehr hoch und durchaus gantz hell, und ist die Orgel darinn ein überauß groß Werck. In einer Reiß-Verzeichnus wird gelesen, es seye die vornehmste evangelische Kirch allda zur lieben Maria, darinnen ein Taufstein von gantzem Messing zusampt den Gitter herumb, auch eine Tafel, welche an hohen Festen gezeiget werde, und darauff das Jüngste Gericht gar künstlich gemahlet seye, also daß kein Mahler zu finden, der es nachmahlen oder solche gleichsam lebende Farben zurichten könne, und soll sie ein Schiffmann in der See gefunden haben. Sonsten hat es andere Kirchen deren unterschiedliche, und Spitälen, auch allhie drey Clöster.

Es hat auch ein feines Collegium und berühmtes Gymnasium allhie, bey welchem vor der Zeit Bartholomaeus Keckermannus und M. Petrus Krügerus gelehret haben, und welches nicht allein Teutsche und Polen, sondern auch Ungarn und Sibenbürger besuchen.

Nicht weit von dem gedachten Dom ist der Marckt, so zwar nicht sonderlich groß, aber es stehet darauff das sehr prächtig mit großem Unkosten erbaute Rathhauß. Oben am Ende ist ein schöner Thurn, daran die Uhr, und ist er oben hinauß mit Gängen und gar artlich durchsichtig gebauet, hat eine dreyfache Cron übergoldet herumb, und hangen auff solchem viel grosser und kleiner Glocken, welche ehe die Uhr schlägt, allezeit ein Geistlich Lied machen.

Nächst daran ist der Juncker-Hoff, so ein zimlich grosser hochgewölbter Saal mit Steinen außgesetzet. Man steiget etliche lange Stuffen am Marck hinauff, und stehen dreymal gedoppelte Bäncke auf beiden Seiten längs den Saal herab. An der Wand ist ein schön Tafel-Werck. Oben an den Seiten herumb seyn viel kunstreiche schöne Gemälde, auch schöne Hirschgeweihe. Item etliche schöne Rüstungen, so zum Scharffrennen gebraucht werden. In der Mitte hangen etliche kleine Schiff mit neun, zehn und elf Segeln, mit aller Zugehörung gar künstlich gemachet. Sollen kleine messingne Stücklein darinnen liegen, so bißweilen losgeschossen werden. Der eiserne Ofen in solchem Saal ist einer verwunderlichen Höhe, daran ein altes Weib, so sich hinderwerts im Spiegel sihet. Und dieses Wahrzeichen nehmen die reisenden Handwercksgesellen sonderlich in acht.

Allhie pflegen die fürnehmsten der Stadt das gute Danzger Bier zu trincken. Sie gehen zu einer gewissen Stund deß Abends dahin und auch wieder hinweg, und gibt einer ein Geldt, so Anno 1605 zween polnische Groschen gewesen, dafür er von drey bis auff neun Uhr hat trincken mögen, soviel ihn gelüstet hat. Man solle auch eine herrliche Music von allerley Instrumenten darbey haben. Von gemeinen Handwercksleuthen darf niemand dahin kommen, diese haben aber auch ihre besondere Orth, da sie zusammen kommen und trincken. Man zehlet allhie über die dreissig Sorten Biere, deren etliche die Stadt selbsten brauet, unter denen sonderlich das Juncker- und Doppelbier trefflich gelobet und hoch gehalten wird. Obgedachter Cluverius schreibet, daß er eines von 60 Jahren alt, so gar schwartz und dick gewesen, gesehen, welches man nicht mehr für den Durst, sondern zu den Kranckheiten gebraucht habe.

Gleich den Marckt hinab ist die Wage nächst am Wasser, ein groß schön Gebäu, so samt anderen schönen Häusern herum den Marckt ein schön Ansehn gibt. Wann man die Gassen oben am Marckt hinauß gehet, so ist bald auff der rechten Hand ein herrlich schön Zeughauß, so unten durchaus gewölbet, und ruhen die Gewölbe auf vielen Pfeilern. Die schöne Mühl auf der Raden, mit 18 Gängen, ist auch zu sehen, ingleichem der Juncker-Garten und in solchem der sehr schöne Brunn. Und ligen sonderlich über der Motlau-Brücken in der grossen langen Vorstadt, Schotland genandt, viel hundert Speicher oder Schütthäuser, so meistentheils 5 auch 6 Böden übereinander haben und gar schön von Steinen auffgebauet seyn; und sollen bißweilen allhie über 15 Tonnen Golds Werth Korn im Vorrath liegen.

Es hat des Volcks allhie eine grosse Menge, nicht allein Teutsche, deren die meisten, sondern auch Polacken, die sich der Handthierung halber da auffhalten. Viel Leuthe, sonderlich die Arme wohnen unterm Boden in den Kellern. Und gleichwol bey einer solchen grossen Menge lebet man untereinander friedlich. Die größte Gewerbschaft allhie ist, wie oben angedeutet, mit Getreid, also, daß man dafür hält, daß jährlich 365tausend Last desselben da verkaufft werden. Man handelt da auch mit Holtz und Bier. Auß Reussen kommet hieher allerley Fell- und Beltzwerck, aus Dennemarck allerhand gesaltzene Fische, auß Engelland das köstliche Tuch, auß Niderland, Portugal, Hispania und Franckreich Gewürtz und allerley Wein, dessen, wie man sagt, offt soviel daselbst oder mehrers als frisches Brunnenwasser zu finden. Und holen die Polen, so deß Korns und anderer Victualien ein unglaubliche Menge stätigs zuführen, den Wein und sonderlich den Malvasir allhie hergegen ab. Auß Italia kompt die Seidenwaar wie auch von andern Orthen. Daß daher diese Stadt nicht allein wegen ihrer Grösse, Reichthum, Gewalt, Veste, sondern auch so grossen Handels halber unter den vier auß schreibenden Hansee-Städten eine nicht unbillich ist.

Als eine freye Reichs-Stadt hat sie ihre sonderbare Freyheiten. Ihr Regiment ist Aristocratisch, wiewol mit der Democratia temperiret. Sie hat über ihre Städtlein, Flecken und Dörffer alle hohe und niedere Obrigkeit, mag selbsten Gesetz machen, die Burger und Unterthanen mit Steuern und Anlagen belegen, Paßgelt nehmen, Engelländer, Italiäner und andere Frembde zu Burgern auffnehmen, bey den Landtagen erscheinen, güldene und silberne Müntz schlagen und ihre Gesandten schicken, wohin sie will; hat auch ihre freye Religions-Übung, deren dreyerley allda öffentlich getrieben werden, als die Lutherische, Papistische, Calvinische.

Und seynd die Inwohner gemeinlich freundlich, gastfrey und sonderliche Liebhaber der Gelehrten. Beneben aber haben sie gern, daß man sie ehret, also daß einer allhie nicht wol fortkommen soll, wann er nicht einen jeden Schiffsmann oder Schweffelhöltzlein-Krämer einen Juncker nennet.


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