Matthäus Merian
Matthäus Merian

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Vorrede

Großgünstig-geneigter Leser und Liebhaber der deutschen Sachen: Wann man der alten Skribenten uns überbliebene Schrifften von Teutschen Sachen durchgehet, so findet sich in denselben, daß unser Hochgeehrtes Vatterland vor Alters sehr rauh und wüst gewesen und von den Ausländern für eine finstere Wildnuß, traurigste Wohnung, ungeschlachtes und mehrentheils unerbautes Erdreich gehalten worden, darinnen keine Stadt und Schlösser zu sehen, keine fruchttragende Bäume und dergleichen, aber wol viel Morast, große Walde, wilde Seen und unfruchtbare Berge anzutreffen.

Aber nachdem unsere Vorfahren ihre kriegerische und wilde Art nach und nach hinweg gelegt, sich angefangen höflicher Sitten zu gebrauchen, etwas in Künsten und Sprachen zu lernen und zur Vermeidung des Müssiggangs das Erdreich zu pflanzen und zu bauen, da hat Teutschland, sonderlich als die wahre Christliche Religion in demselben herfür zu leuchten begunte und die höchste Würde des Römischen Reichs an dasselbe gelangte, herrlich zu grünen und von Tag zu Tag an Macht, Gewalt, Schönheit und aller Dingen Überfluß zuzunehmen angefangen. Also daß hernach, gleich wie in der ganzen Welt nichts Herrlichers als Europa, auch in Europa nichts Edlers und welches in allen Dingen so vollkommen wäre als Teutschland, zu finden gewesen.

Dann es ist dermassen erbauet, und mit solcher schönen Gelegenheit gezieret worden, daß es diß Orts keinem Lande etwas nachgegeben, und war nicht zu glauben, wie viel ummauerte, und mit schönen, lustigen, herrlichen und gewaltigen Gebäuen zugerichte Städte, Vestungen, Schlösser, Clöster, Flecken, Dörffer, Weiler, und in denselben ansehnliche, und mit köstlichem Kirchen-Ornat begabte Tempel, Collegia und Schulhäuser, stattliche Bibliotheken, schön erbaute Kirchhöfe, reiche Spitäl, wohlangeordnete Waisen und andere dergleichen den Armen und Preßhafften zu gutem gewidmete Ort und Wohnungen, prächtige Palläst, wohlerbaute, fein disponirte und stattlich ausstaffirte Rath-Zeug- und Kauffhäuser, Märckte, Korn-Schütte, Marställ, Mühlen, Bäder, künstliche Thürn und Uhrwerck, Schauplätz, Wasserkünste, Meerhäfen, Brünn, Brücken, Schießhütten, Ballzucht- und Wirtshäuser, Kunst-Cammern, Antiquitäten, Monumenten, Münzwerck, stattliche Privat-Wohnungen, lustige und nützliche Gärten, künstliche Gemälde, und viel anders mehr, in solchem anzutreffen: Allda man Höflichkeit, rechte Adeliche Übungen, Sitten, Tugenden, schöne, gravitätische und ernstliche Ceremonien, gute Gesetz und Ordnungen, hohe Künste, Weißheit und Sprachen, und wie, neben der Christlichen Religions-Übung, man Land und Leute wohl regieren, auch im Nothfall zu Land und Wasser den Krieg führen, mit grossem Nutzen Gewerb und Handlungen treiben; allerley Handwercke erlernen, und die Haußhaltung wol bestellen solle, studiren können.

Es werden auch da fruchtbare Berg, grossen Nutzen tragende, und zum Jagen gantz bequemliche Wälde, berühmte, grosse Goldführende und Schiffreiche Flüß, See und andere Wasser, und darinn auserlesene Fisch, als Lachs, Murenen, Stör, Hausen etc. Item, heilsame warme und andere Bäder, Saurbrünn, Gold, Silber, Eisen, Zinn, Bley und Kupfferreiche Bergwerck, Edelstein, Mineralien, Schwefel, Alaun, Steinkolen, Schifferstein, Mühlstein, Grabstein, Schleiffstein, Alabaster, Marmol und andere Steinbrüch, Salzbrünn und Gruben, treffliche Waide, köstlicher Weinwachs, allerley gutes Getraid und Früchte, seltzam und wunderbarliches Erdgewächs, heilsame und gesunde Kräuter, herrliches Obst, Mandel, Castanien, Saffran, Süßholtz, Myrrhen, Weyrauch, etc. allerhand zahme und wilde Thier, und viel anders mehr, angetroffen.

Weil dann dieses mächtige, schöne fruchtbare und wolerbaute Land wol würdig, daß es absonderlich beschrieben werde, als hat unser lieber Vater Matthaeus Merian, Buchverleger und Kunststecher Seel. Anno 1650 bey deß H. Reichs-Wahl- und Handels-Stadt Franckfurt am Mayn, als ein besonderer Freund und Liebhaber aller löblicher, insonderheit aber Mathematischer und Geographischer Künsten wie auch Historischer Beschreibungen, sich dahin bearbeitet / neben vielen andern sehr nutzlichen und anmüthigen Büchern und Operibus vor etlichen Jahren auch ein Topographiam oder Topographisches Werck, das ist eine Historische Beschreibung und zugleich künstlich ins Kupffer gestochene Abcontrafeyung unterschiedlicher in unserm geliebten Vatterland Teutscher Nation gelegener Provinzen, Länder, Königreichen, zumalen aber in specie deren darin gelegenen nit allein ansehnlichsten und fürtrefflichsten Haupt-, Reichs-, Residentz- und anderer considerabler Städten, sondern auch der übrigen mittelmässigen und geringeren Land-Städten, dem gemeinen Nutzen zum besten, zu publiciren und in offenen Truck außgehen zu lassen.

Wiewol es Anfangs eben schwer damit hergegangen und ziemliche Zeit, Mühe und Unkosten um schrifftlichen Bericht und Abriß hin und wieder zu schreiben solches erfordert hat, weilen von so viel ansehnlichen in den hochwollöblichen Händern sich befindenden Orten biß dahero, so zu verwundern, wenige oder gar keine Beschreibungen und noch viel wenigere derselben Abbildungen an das Taglicht kommen seyn / so haben wir, seine Hinterbliebene Kinder und Erben, also auch auß Lieb, Inclination und Neygung zur Beförderung erstgedachter Künsten und Wissenschaften, uns ebenmässig verbunden zu seyn erachtet, ihme bey solch seinem löblich angefangenem Topographischen Werck auff dem Fußstapffen gleichsam nachzufolgen, und auch die noch übrige Länder und darinn gelegene Städt und Plätz, in gleichmässiger Form beschrieben und abgebildet, nach und nach folgends an des Tages Liecht zu bringen.

Hoffend, daß solch ein löbliches Vornehmen vielen hohen, mittlern und niedrigen Stands-Personen sehr lieb und angenehm seyn möge.

Franckfurt am Mayn
den 14. Aprilis, im Jahr Christi 1652

Matthaei Meriani, deß Aeltern seel.
hinterbliebene sämptliche Erben  

 

Da nun aber dies hochwollöbliche Werck, die Topographia Germaniae des Matthaeus Merian Seel. und seiner Erben gar groß und nur schwer und wenigen zugänglich, als hat sich der untenermelte Herausgeber für nützlich und ersprießlich erachtet, einen geringen und kurtzen Außzug darauß zu geben und denselben zu mehrer Commodität und Vergnügung deß liebhabenden Lesers in eine zierliche Form zu bringen, nicht zweiffelnd, diese curiose Beschreybung vornehmster und bekanntester Oerthen in Teutschland aus der Zeit, da das flammende dreißigjährige Kriegsfeuer mählich durch einen grünenden Frieden ersetzt worden, jedermänniglich und insonderheit den Inwohnern der beschriebenen Städte beliebet seyn werde.

Anno 1935
Hartfrid Voß


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