Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel.

Die Piraten. – Vom Blitz geblendet. – »Wir sitzen auf!«

 

Das Wiedererscheinen der beiden Gelynchten ist nicht schwer zu erklären.

Die Rächer, Lot und Hiob, hatten sie verlassen, als sie, im Todeskampfe sich windend, an den Ästen des Baumes hingen, der über den Zaun in den Hofraum der Hütte des »alten Methusalem« hineinragte.

Die Last war groß, und die Äste gaben ein wenig nach, so daß die zappelnden Gehängten mit den Fußspitzen den Erdboden erreichen konnten.

Wenn nun dadurch die drohende Erstickungsgefahr auch keineswegs beseitigt wurde, so reichte die Verminderung der in der Schlinge baumelnden Last doch hin, die tödliche Wirkung der Strangulation auf einige Minuten hinauszuschieben; das genügte aber. Denn als ihre Spießgesellen eintrafen, fanden dieselben sie zwar bereits besinnungslos, aber noch lebend.

Das erste, was sie taten, nachdem man sie abgeschnitten und wieder zum Bewußtsein gebracht hatte, war, daß sie den Mund öffneten und ein wahres Gewitter von grauenhaften Flüchen ausstießen.

Sodann verschworen sie sich bei Himmel und Hölle, vornehmlich bei der letzteren, nicht eher zu ruhen, bis sie an den Bösewichtern, von denen sie, die noblen, freigeborenen amerikanischen Bürger, so unerhört beleidigt und mißhandelt worden waren, die fürchterlichste Rache genommen hätten. Diese Bösewichter aber waren nicht nur die beiden Farbigen, Lot und Hiob, sondern auch sämtliche Bernsdorfs in Bausch und Bogen.

Die Rachsucht dieser noblen, freigeborenen Amerikaner aber war um so glühender, als durch die Vernichtung und gänzliche Ausrottung besagter Bösewichter auch alles aus dem Wege geräumt wurde, was sie hindern konnte, als die Erben und Rechtsnachfolger des verstorbenen Jackson, die Hinterlassenschaft desselben anzutreten und die Schätze der Edelsteininsel zu heben, wozu allerdings nötig war, daß sie das wunderbare Eiland zunächst entdeckten.

Sie beobachteten unsere Freunde und deren Schoner mit Luchsaugen, und als die »Seeschlange« in See gegangen war, da hielten sie ihr Spiel für gewonnen.

Das »Nordlicht« hatte also ein Boot mit Bewaffneten abgesendet. Die Schar stand unter dem Befehl Nelsons; sie sollte mit List oder Gewalt den Schoner der Bernsdorfs entern und von demselben Besitz ergreifen, eine Aufgabe, deren Ausführung unter den Geschützen der Brigg nicht schwierig sein konnte, wie man meinte.

Inzwischen war Karl in die Kajüte hinabgeeilt und hatte den Vater, den Onkel und den Kapitän Armstrong von der Entdeckung, die sie soeben gemacht hatten, in Kenntnis gesetzt.

Die Männer vernahmen die Kunde voll Erstaunen.

»So, also dem Hängen sind die Schurken entgangen«, sagte der Schiffer. »Na, dann haben sie jetzt alle Aussicht, erschossen oder ersäuft zu werden.«

Damit eilten sie an Deck.

Das Boot der Flibustier war bereits ganz in der Nähe. Man konnte erkennen, daß außer den Flinten, die die Kerle mit sich führten, auch noch ein Haufen Säbel und Beile unter den Duchten lag.

Kapitän Armstrong befahl dem Steuermann, den Klüver wieder aufhissen und die Schoot des Besansegels vorholen zu lassen. Auch die Geitaue der Fock wurden losgeworfen und die Leute an die Brassen gestellt.

»Es fällt mir doch nicht ein,« brummte der alte Seebär, »mich hier entern zu lassen wie ein Lamm!«

»Entern lassen wie ein Lamm! Sehr gut!« kicherte Philipp.

»Boot ahoy!« rief der Schiffer jetzt die Herankommenden an. »Was wollt ihr von mir?«

Zugleich winkte er dem Steuermann, die Segel vollbrassen zu lassen.

»Wir haben mit Euch über eine wichtige Sache zu reden«, antwortete Nelson, im Heck des Bootes aufstehend; »Ihr müßt uns daher gestatten, zu Euch an Bord zu kommen.«

»So? Muß ich das? Den Teufel muß ich! Was Ihr zu reden habt, könnt Ihr auch vom Boot aus sagen. An Bord dieses Schoners kommt Ihr nicht. Bleibt zurück, oder ich lasse auf Euch Feuer geben!«

Ohne ein Wort zu erwidern, erhob Nelson seinen Revolver, den er unbemerkt in der Hand gehalten hatte, und drückte auf den Schiffer ab.

»Wenn's zum Feuern kommen soll, will ich den ersten Schuß haben!« lachte er höhnisch.

Armstrong hatte nicht Zeit, der verräterischen Kugel auszuweichen. Dieselbe traf ihn in die linke Schulter.

Unmittelbar nach dem Schuß duckte Nelson sich nieder, und eine Kugel aus der Büchse des Steuermanns sauste über ihn hinweg. Zugleich riß er das Steuer herum, so daß das Boot sich schnell wieder von dem Schoner entfernte.

»Feuert!« schrie der Kapitän wütend. »Feuert! Es ist unsere Schuld, wenn einer der Schufte mit dem Leben davonkommt!«

Außer dem Steuermann war jedoch niemand mit einer Schußwaffe bereit. Der Angriff war zu plötzlich und unerwartet gekommen. Ehe die Knaben ihre Gewehre, die sie in das Ruderhäuschen gestellt hatten, herbeiholen und brauchen konnten, befand das Boot sich außer Schußweite, da inzwischen auch der Schoner wieder in schnelle Fahrt gekommen war.

Die Brigg hatte ein Signal für das Boot gehißt, und Nelson trieb seine Leute zur größten Eile an.

Die Verwundung des Schiffers war schmerzhaft, aber nicht so gefährlich, wie man anfänglich fürchtete; immerhin zwang sie ihn, das Kommando des Schoners vorübergehend an Stevens, den Steuermann, abzutreten und sich unter Deck begeben.

Johann Bernsdorf untersuchte die Verletzung, die einen starken Blutverlust herbeigeführt hatte. Das Geschoß hatte die Fleischteile der Schulter durchbohrt und war im Futter des dicken Rockes steckengeblieben.

»Ihr könnt von Glück sagen, Kapitän«, bemerkte der Farmer, als der Verband regelrecht angelegt war. »Jetzt aber wird es nötig sein, daß Ihr Euch ganz ruhig verhaltet und ein wenig niederlegt.«

»Was? Ich soll mich niederlegen, wenn der Schoner in Gefahr ist?«

»Die Gefahr ist vorläufig abgewendet, soweit die Brigg in Betracht kommt; überdies ist Stevens ein besonnener und zuverlässiger Mann, Ihr braucht daher nicht in Sorge zu sein.«

»Da habt Ihr recht, Stevens ist brav ... Ja, ich werde Euch folgen und mich niederlegen, ich fühle, daß ich schwach werde. Achtet auf das Wetter, Mr. Bernsdorf, ich fürchte, es wird wieder stürmisch werden ... Achtet auch auf das Eis und laßt die Brigg nicht aus den Augen. Der vermaledeite Mordgeselle! Daß er mich auch gerade jetzt flügellahm schießen mußte!«

»Habt keine Sorge, wir alle werden die Augen offen halten, dessen seid versichert. Es wird vorzeitig finster, wie mir scheint. Legt Euch nieder; ich gehe an Deck.«

»Es wird Sturm geben«, rief der Schiffer dem Davoneilenden nach. »Stevens soll auf die Segel achten!«

» All right!«

Als Johann aus der Kajütskappe hervortauchte, erschrak er ernstlich über die Veränderung, die inzwischen in der Atmosphäre vorgegangen war. Kurz zuvor noch war das Firmament hell und die Luft klar und durchsichtig gewesen, so daß sowohl die grönländische Küste wie auch die Brigg deutlich zu sehen waren.

Wie anders jetzt!

Der Himmel hatte sich schwarz bezogen, von der untergehenden Sonne war nichts zu sehen, und eine fast nächtliche Finsternis lagerte rings über dem öden Meer.

In dem Treibeis war es lebendig geworden. Knirschend, rauschend, polternd und krachend wogten die Hummocks und Schollen gegeneinander; das Geräusch war so stark, daß man an Deck kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.

Der Farmer trat an die Reling und suchte die Finsternis mit den Blicken zu durchdringen.

Die beiden Dienstmannen standen in seiner Nähe.

»Das ist die Flut, die solchen Lärm macht, nicht wahr, Lot?« sagte Hiob.

»Ja«, antwortete der Neger. »Die Flutströmung ist hier in der Davis-Straße ebenso stark wie in der Bai von Fundy. O Lord! Wie dunkel das wird! Wir sitzen hier bös in der Klemme und können froh sein, wenn wir nicht vom Eise zerquetscht werden.«

Johann suchte den Steuermann auf und fragte ihn um seine Ansicht.

Der Seemann kratzte sich den Kopf.

»Wenn wir etwas mehr Platz hätten, dann wäre mir's ein ganz Teil lieber«, brummte er. »Wir kriegen schwer Wetter und werden bei dieser Flutströmung und diesem Treibeis einen harten Stand haben. Zum Glück wird es der Brigg ebenso gehen, sonst müßten wir fürchten, daß sie uns hinterrücks über den Hals kommt ... Aber was ist denn das?«

Der Wind hatte sich plötzlich gelegt; kein Lüftchen regte sich. Die Segel schlugen schwer gegen die Masten und Stengen des rollenden Fahrzeugs.

Unheimlich laut dröhnte das Tosen des Eises herüber.

Rasche, schwere Tritte kamen die Kajütstreppe herauf.

»Gei auf alle Segel!« schmetterte eine wohlbekannte, gewaltige Stimme. »Macht alles fest! Eilt euch, ihr Leute!«

Flink wie Katzen sprangen die Matrosen und der Junge die Wanten hinauf, den Befehl des Kapitäns auszuführen.

Der war gerade zur rechten Zeit an Deck gekommen; denn kaum hatte man die Segel, bis auf das Stagsegel und den dichtgerefften Besan, geborgen, als ein tobendes Ungewitter hereinbrach.

Blitz und Donner entluden sich unmittelbar über dem Schoner in furchtbaren Schlägen.

Ein arktisches Gewitter ist entsetzlich.

Zischend und prasselnd fuhren die Blitze hernieder, sekundenlang das dunkle Meer und die weißen Eismassen tageshell erleuchtend.

Rrrrrrr! ...

Der Himmel schien zu zerreißen und die Welt mit grellem, blendendem Feuer zu überschütten.

Da ertönte ein wilder, klagender Weheruf.

»Oh, meine Augen!«

Das war Hansens Stimme.

»Ich sehe nichts mehr!« rief er in Angst. »Ich bin blind! O Gott, ich bin blind!«

Alles eilte erschrocken auf den Knaben zu, der an der Reling stand und sich die Hände vor die Augen hielt.

»Hans!« rief Karl. »Was ist denn? Kannst du mich nicht sehen?«

»Nein! Nein! Wo ist Vater?«

»Hier bin ich«, sagte Friedrich Bernsdorf. »Mein armer Junge, ist's denn möglich? Sollte der Blitz dich so geblendet haben? Gott wolle nicht, daß du dein Augenlicht verloren hast! Sprich doch, Kind – nicht wahr, du bist nicht blind?«

»Ich weiß es nicht«, jammerte Hans. »Ich kann nichts sehen! O Vater, Vater!«

»Mein armer, armer Junge!« rief der Vater bewegt. »Ängstige dich nur nicht, es wird so schlimm nicht sein. Deine Augen sind ja nicht verletzt; bald kannst du wieder sehen, verlaß dich darauf. Solche Blindheit ist vorübergehend.«

»O nein, Vater, die Augen tun mir so weh!« klagte der arme Knabe, während ihm die Tränen über die Wangen liefen. »Es ist alles finster um mich ... o, ich werde niemals wieder sehen können!«

Und laut aufweinend warf er sich seinem tief erschütterten Vater in die Arme.

Wir dürfen ihn deswegen nicht unmännlich schelten. Die Prüfung, die ihn betroffen, war furchtbar. Er hatte urplötzlich, mit einem Schlage, sein Augenlicht verloren, er, der so scharf zu schauen vermocht, der an dem in der Gottesnatur rings um sich Erschauten stets die innigste Freude, das lebhafteste Interesse gehabt. Und nun plötzlich Finsternis und die Überzeugung, nie wieder die schöne Welt, nie wieder den Vater, nie wieder den Bruder und die Freunde sehen zu können! Wohl hatte der Ärmste Ursache, bitterlich zu weinen.

Man schaffte ihn in die Kajüte hinunter, man wusch und badete seine Augen, man nahm sich auf das liebevollste seiner an, er aber verhielt sich nach dem ersten Schmerzensausbruch ganz still und teilnahmslos. Das Unglück hatte ihn bis in die tiefste Seele getroffen ...

Mittlerweile hatte sich auch der erwartete Sturmwind aufgemacht, wenn auch nicht mit der Gewalt, wie man nach der vorangegangenen Windstille befürchtet hatte.

Das wogende, sich gegenseitig zermahlende Eis, die hochgehende See, der heulende Wind und das knarrende, klappernde und pfeifende Takelwerk vollführten vereint ein Getöse, das keine Feder zu beschreiben vermag.

Ab und zu wurde das Schiff von einem dumpfen Stoß erschüttert, wenn sein Bug gegen ein größeres Eisstück anstieß oder eine schwere Scholle ihm in die Seite fuhr. Die Mannschaft mußte überall bereitstehen, die drohenden Eismassen nach Möglichkeit mit langen Stangen abzuwehren und zur Seite zu lenken.

Kapitän Armstrong saß auf der Kajütsklappe und war nicht zu bewegen, seine Koje aufzusuchen. Angesichts der Gefahr war seine Schwäche verschwunden, seine eiserne Willenskraft erhielt ihn aufrecht, und ein Uneingeweihter hätte ihm nicht angemerkt, daß er erst vor wenigen Stunden eine Kugel in den Leib gekriegt hatte.

Zur selben Zeit umstand unten in der Kajüte eine Anzahl sorgenvoller und schmerzbewegter Männer und Knaben das Lager eines armen Blinden, der sich nicht trösten lassen wollte.

Zwar war er nach dem ersten heftigen Ausbruch ruhiger geworden, aber diese anscheinende Gefaßtheit war nur die Resignation der Verzweiflung.

Sein Vater und sein Onkel, redlich unterstützt von Hiob, boten alles auf, ihn zu ermutigen und ihm Hoffnung einzuflößen, indem sie ihm allerlei Fälle aufzählten, in denen Leute, die tagelang blind gewesen waren, ganz unerwartet ihr Augenlicht wieder erhielten. Hiob verstieg sich sogar zu einer merkwürdigen Anekdote aus seiner eigenen Erfahrung, wonach ein Mann, den er ganz genau gekannt haben wollte, gleichfalls durch einen blendenden Blitz seine Sehkraft verlor; jahrelang lief er blind umher und hatte sich bereits vollständig mit diesem Zustand versöhnt, da kam wieder einmal ein Gewitter, und ein neuer Blitzstrahl gab ihm urplötzlich die Sehfähigkeit wieder.

»Fragt Lot, ob's nicht wahr ist«, schloß er diesen erstaunlichen Bericht.

Niemand fühlte sich aufgelegt, die Glaubwürdigkeit der Geschichte in Frage zu ziehen; Hans aber schüttelte nur den Kopf und wendete sich ab.

Als er endlich eingeschlafen war, ließ man ihn allein. Die Nacht war da, das Ungewitter hatte sich verzogen, und ein dicker Nebel lag auf dem Meere.

Der Schoner hatte wieder Segel gesetzt und strich langsam längs des Eises hin. Die jungen Leute verzichteten heute auf das Abendbrot und gingen, in ihre Polarkleider gehüllt, gedankenvoll an Deck auf und nieder.

Das Knirschen und Krachen des Eises hatte nachgelassen, und die Fahrstraße war ziemlich frei.

Johann und Friedrich Bernsdorf hatten sich zur Ruhe begeben, ebenso der Kapitän und die Leute seiner Wache. Die andere Hälfte der Mannschaft, die Steuerbordwache, befand sich an Deck und auf dem Ausguck; der Steuermann hielt sich auf dem Achterdeck auf und lugte aufmerksam nach allen Seiten durch den Nebel.

»Ich kann noch nicht hinuntergehen«, sagte Philipp. »Wenn ich an den armen Hans denke, dann wird mir ganz elend zumute. Wie schrecklich! Vielleicht kann er uns nun nie mehr sehen!«

»Wer hätte an ein solches Unglück gedacht!« stimmte Heinrich ein. »Mein armer, lieber Bruder! Ich könnte in einem fort weinen! Wie kann aber der Blitz ihm das Augenlicht genommen haben, da er doch gar nicht verbrannt ist?«

»Die ungeheure und plötzliche Blendung hat es getan,« bemerkte Karl, »wenigstens erkläre ich mir das so, da die Elektrizität damit doch wohl nichts zu tun hat. Man kann das zwar nicht wissen. Immerhin hoffe und glaube ich, daß Hans wieder sehend werden wird ... Still! Hörtet ihr nicht eben etwas?«

Alle standen still und lauschten. Sie vernahmen jedoch nichts als das Tosen des Packeises.

»Was willst du Absonderliches gehört haben?« fragte Heinrich.

»Ich weiß es selbst nicht, ich bin jetzt so schreckhaft«, antwortete Karl. »Wenn uns nun die Eskimos plötzlich überfallen, was dann? Es soll nämlich auch ganz wilde und kriegerische Stämme unter ihnen geben, und es wäre ihnen ein leichtes, uns in ihren Kajaks und Umiaks zu umringen.«

»Die Eskimos fürchte ich nicht,« sagte Philipp, »eher noch die Yankees. Wenn die uns nun angreifen sollten?«

»Die werden froh sein, wenn das Eis sie nicht zerdrückt, auch sind sie zu weit ab von uns ... Was war das? Wir sind aufgelaufen – gescheitert! Steuermann! Steuermann!«

Der Schoner hatte einen Stoß erhalten, der ihn vom Heck bis zum Buge in allen Fugen erbeben ließ. Zugleich verlor er seine Fahrt und stand stockstill.

Der Steuermann kam in zwei Sätzen die zum Achterdeck führende Treppe herabgesprungen, und einen Augenblick später erschien auch in Eile und Hast der Kapitän an Deck.

»Zum Glück hatte der Schoner nur wenig Fahrt, kaum drei Knoten«, sagte Stevens zu dem Schiffer, der aufgeregt umherblickte. »In dem verwünschten Nebel ist nichts zu sehen. Wir sitzen irgendwo auf.«

»Wir sitzen auf, und zwar wieder mal auf einem Eisberg!« rief der Schiffer. »Wo habt Ihr denn Eure Augen gehabt, Mann? Dort ist ja der Berg, am Steuerbordbuge, schneeweiß und so groß wie die größte Kirche!«

Alle schauten nach der angegebenen Richtung – der Kapitän hatte recht; dort ragte ein Eisberg empor, unheimlich nahe und grausig wie ein Nachtgespenst. Niemand hatte ihn vorher gesehen, selbst die scharfäugigen Matrosen auf dem Ausguck nicht. Der Nebel mußte sich in dem Moment, wo der Kapitän an Deck erschienen war, ein wenig gelichtet haben.

Man warf das Lot hinten und vorn und um das ganze Schiff herum – der Schoner saß fest, den Bug voran, auf dem Fuße des Eisbergs. Er war gefangen, dem Berge auf Gnade und Ungnade ausgeliefert und mußte mit, wohin die Strömung und der Wind denselben trieben. Nur eine Erlösung gab es – das Schmelzen des Eises, damit aber kam auch die Gefahr, daß der Berg über den Schoner herstürzte und ihn unter sich begrub.

So waren, allem Anschein nach, die Pläne und Hoffnungen unserer Abenteurer mit einem Schlage zunichte gemacht.

Wenn nicht ein halbes Wunder geschah und sie vom Eise frei machte, dann konnten sie der Edelsteininsel und den erträumten Schätzen derselben nur immer Lebewohl sagen.


 << zurück weiter >>