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Siebentes Kapitel.

Bernsdorf City. – Ein liebliches Trio von Halunken. – Das »Nordlicht«. – »Seeschlangen müssen auch beißen können.« – Dick.

 

Jackson, der alte Seefahrer, wurde beerdigt, und zwar von den Yankees, auf die er im Leben so schlecht zu sprechen gewesen war.

Nachdem die drei den Ort verlassen hatten, machten unsere Freunde an einigen entfernteren Stellen des Berghanges eine Reihe von Bohrversuchen, die allerdings nur das Resultat ergaben, daß die Bohrstangen nach Petroleum riechend wieder zutage kamen.

Das war jedoch immerhin eine Aussicht und rief in den beiden Führern der Karawane die Überzeugung wach, daß eine Brunnenanlage wenigstens die Arbeit und die notwendigen Apparate bezahlt machen würde.

Sie richteten demgemäß einen Pfahl und daran ein Schild auf, welches jedermann kund und zu wissen tat, daß sie, Johann und Friedrich Bernsdorf, von diesem verlassenen Terrain in aller Form Besitz ergriffen hätten, vorbehaltlich der sofort einzuholenden Genehmigung der Regierung des Staates.

Da an letzterer nicht zu zweifeln war, so waren unsere Freunde nunmehr Besitzer der Stadt, der leeren Holzhäuser, der brüllenden Gasflamme und des kleinen Kirchhofes, in welchem, als erster und vorläufig einziger Insasse, Michael Jeremias Jackson, der Meergreis, dem Jüngsten Tage entgegenschlummerte.

Zwei Tage später wurden die Pferde wieder eingespannt und die Karawane machte sich auf den Weg nach Pittsburg.

Pittsburg ist eine Industriestadt ersten Ranges.

Die Knaben waren auf das höchste erstaunt, als sie schon in der Entfernung von mehreren englischen Meilen die undurchdringliche, schwarze Rauchmasse gewahrten, die über der ganzen großen Stadt lagerte.

Näher herankommend, wurden ihre Ohren von dem Getöse der Dampfhämmer und dem Sausen und Rasseln und Klappern der unzähligen Dampfmaschinen fast betäubt.

Seither hat die Industrie Pittsburgs sich noch vermehrt und vergrößert, die Eisen- und Kohlenwerke, die Glasfabriken und die Kanonen- und sonstigen Metallgießereien sind noch zahlreicher geworden, allein die ungeheure Rauchwolke über der Stadt ist verschwunden, die Luft in derselben ist rein, und der Himmel wölbt sich klar und blau über den Wohnhäusern und den Fabriken, denn als Feuerungsmaterial wird heutzutage nur noch Gas verwendet.

Robert Bates, der reiche Bergwerksbesitzer, erwies sich als ein Freund, wie er sein soll. Er ließ sich die Lage des Tals, in welchem sich die verlassene Petroleumstadt befand, genau beschreiben, untersuchte die Proben des mitgebrachten Erdreichs und sandte sogleich einige Fachleute ab, um alles an Ort und Stelle genau zu erforschen.

Sein Interesse an der Sache war um so größer, als er auch zugleich eine große Petroleumraffinerie besaß.

Johann und Friedrich Bernsdorf erfuhren vorderhand nichts von dem Bescheide, den die Abgesandten bei ihrer Rückkunft dem Mr. Bates erstatteten, denn inzwischen hatten die Abenteurer, von dem Bergwerksbesitzer mit reichen Mitteln ausgerüstet, die Expedition nach der Edelsteininsel angetreten, das heißt, sich zunächst auf den Weg von Pittsburg nach Quebeck begeben.

Mr. Bates war, nach reiflichster Überlegung, ebenfalls zu der Ansicht gekommen, daß die Aufzeichnungen des alten Seefahrers wohl der Beachtung wert seien; und da er ein Mann war, dem es auf ein Paket Tausenddollarnoten nicht ankam, so hatte er unsere Freunde bereitwilligst in den Stand gesetzt, die geeigneten Nachforschungen anzustellen.

Ehe dieselben aber des reichen Gönners gastfreies Haus verließen, hatten sie sich nach den drei Männern erkundigt, deren Bekanntschaft sie in Bernsdorf City – so hatte man die verlassene Stadt mit Genehmigung der Behörde benannt – auf so unerwartete Art gemacht hatten.

Mr. Bates wußte nichts von denselben, desto mehr aber einer seiner Werkmeister.

Nach der Auskunft desselben war der eine des Kleeblatts, ein besonders langer Geselle, ein Mann namens Loskins, von Beruf Pferdedieb, aber sonst ein durchaus anständiger Mensch, höflich in seinen Manieren und keineswegs ein Raufbold, wenigstens fiel es ihm nie ein, ohne besonders dringliche Veranlassung einen Wehrlosen über den Haufen zu schießen.

Nein, Stephen J. Loskins mußte, im Vergleich mit seinem kleinen, breitschultrigen Genossen, dem schielenden Joseph, als ein hochrespektabler Mann angesehen werden.

Der schielende Joseph, eigentlich Joseph Britton geheißen, war früher einmal Hauptmann einer Räuberbande gewesen, die sich die ›weißen Indianer‹ nannte und, in die Kleidung rothäutiger Krieger vermummt, die scheußlichsten Untaten vollführt hatte. Der schielende Joseph war es auch gewesen, der bei der Begegnung mit den Bernsdorfs das Wort geführt hatte.

Das dritte Individuum war dem Werkmeister nicht bekannt, wenigstens konnte die Personalbeschreibung, welche die Brüder ihm von demselben gaben, ihn auf keinen Gedanken bringen.

»Wir wissen auch ohnedies genug, denke ich«, sagte Johann. »So viel steht fest, daß wir ein liebliches Trio von Halunken auf unserer Fährte haben werden.«

»Auf eurer Fährte?« fragte der Werkmeister. »Sind die Skunks (Stinktiere) hinter euch her? Wenn das so ist, dann nehmt meinen Rat an und legt euch niemals schlafen, ohne zuvor einen Derringer (Revolver) in jede Faust zu nehmen. Noch besser wär's, ihr nehmt das verständigste von euren Schießeisen und richtet es ab, von selber loszufeuern, wenn jemand mit schlimmen Absichten in eure Nähe kommt.«

Dabei musterte er mit spaßigen Blicken die jungen Leute, die der Unterredung beigewohnt hatten.

»Hahaha!« lachte Philipp. »Das ist nicht übel! Ein Derringer, den man abrichten kann wie einen Hund oder wie einen Affen! Hahaha!«

»Warum nicht?« sagte der Mann. »Leicht wird's ja nicht sein, solch ein Ding so weit zu bringen, ist's aber erst gelungen, dann bereut man die aufgewendete Mühe sicher nicht.«

»Wir wollen Lot drankriegen«, raunte Heinz seinem Bruder Hans zu. »Der und Hiob werden natürlich behaupten, so was schon längst gekannt und womöglich auch schon gemacht zu haben.«

»Ihr meint also, daß uns von den drei Männern Gefahren drohen?« fragte Karl den Werkmeister.

»Das meine ich nicht nur, young sir, daß weiß ich vielmehr ganz gewiß. Wenn der schielende Joseph euch nicht einen Streich spielt, dann will ich den Hammer fressen, den ich hier in der Hand halte!«

Diese Bekräftigung wirkte überzeugend; man trennte sich von dem braven Werkmeister mit dem festen Vorsatz, die Augen offen zu halten und auf der Hut zu sein.

In diesem Vorsatz sollten die Berndorfs demnächst noch bestärkt werden.

Es fügte sich, daß ihnen durch Zufall auch noch Näheres über den dritten Mann zu Ohren kommen sollte. Derselbe wurde ihnen zwar als ein gefährlicher Mordgeselle, zugleich aber auch als einer der gutmütigsten und persönlich angenehmsten Menschen geschildert. Er rühmte sich, unter keinen Umständen einem Wesen, am allerwenigsten einem Menschen, Schmerz oder Unbehagen zufügen zu können. Wenn er den Revolver zur Hand nähme, dann töte er auch auf der Stelle. Man kannte ihn im ganzen Westen, man wußte genau, daß er bereits viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte, dennoch aber war es noch nie gelungen, ihn auf frischer Tat abzufassen und Beweise gegen ihn zu erbringen. Sein Name war Christian Nelson.

Nachdem alle Vorbereitungen getroffen, die Wagen, die Pferde und der größte Teil der sonstigen Habseligkeiten verkauft waren, fuhren die Bernsdorfs, in Begleitung der beiden Farbigen und des guten Troll, auf der Eisenbahn durch Kanada nach Quebeck. Von dort begaben sie sich nach Carleton, woselbst sie, wie auch in den übrigen längs der Chaleur Bai gelegenen Ortschaften, unter beträchtlichen Opfern an Zeit und Geld, Erkundigungen über den Seefahrer Jackson und den Korrespondenten desselben, Dick, der jedenfalls auch ein Seemann war, einzuziehen suchten.

Es vergingen einige Wochen unter fruchtlosen Bemühungen; während dieser Zeit hatten Lot und Hiob die Aufgabe, im östlichen Teile der Bai, in den Städten Carlisle und Bonaventure, nach einem Fahrzeug Umschau zu halten, welches sich als geeignet für die Expedition erwiese.

Nach längerer Abwesenheit stellten sich die beiden Genossen wieder ein und brachten gute Nachricht mit.

Sie hatten einen schmucken Schoner von hundertundfünfzig Tonnen Tragfähigkeit ausfindig gemacht, der in der vergangenen Saison dem Robbenfang in den nördlichen Gewässern obgelegen hatte.

»Ein braves Fahrzeug, Masters,« sagte der Schwarze, »das uns gute Dienste leisten wird.«

»Aber zu klein, Lot, zu klein!« rief Hans. »Wie sollen wir alle in dem Kahn Unterkunft finden? Wir sind doch keine Ratten!«

»Nein, Ratten sind wir nicht, aber Seeleute, mit Respekt zu sagen«, antwortete Lot würdevoll. »Nicht wahr, Hiob?«

»Gewiß, Partner.«

»Da hört Ihr's, Master Hans; Seeleute aber finden an Bord eines Schoners allemal Platz, und wäre er auch noch so klein.«

»Wir sind aber noch keine Seeleute, Lot«, protestierte Hans. »Wie lange dauert's, ehe man ein richtiger Seemann wird?«

»Bis einem die Seebeine gewachsen sind, Master Hans«, belehrte ihn der Neger. »Ist's nicht so, Hiob?«

»So ist es«, nickte der Mulatte.

»Wie steht es mit der Bemannung des Schoners?« fragte der Farmer.

»Mit der Bemannung?« antwortete Lot. »Oh, da sind zunächst also wir beide, Hiob und ich; dann sind da drei Matrosen, ein Kajütsjunge und der Kapitän. Eine bessere Bemannung hat kein anderes Schiff, das könnt Ihr glauben, Master.«

»Das höre ich gerne, Lot. Wie heißt der Kapitän?«

»Armstrong heißt er, und wie ein Stück Salzfleisch, das fünf Jahre im Pökelfaß gelegen hat, sieht er aus. Er ist bereit, Eure Bedingungen anzunehmen und verpflichtet sich, uns alle wieder heil und lebendig zurückzuliefern.«

»Hast du ihm den Zweck der Reise mitgeteilt?« forschte Johann Bernsdorf.

»Habt Ihr schon mal ein Wiesel im Schlaf angetroffen, Master?« grinste der Schwarze. »Sehe ich denn so grün aus?«

»Das gerade nicht«, lächelte der Farmer.

»Nein, selbst eine alte blinde Frau würde dich nicht für grün halten, Lot,« lachte Hans, »denn schon mit dem Krückstock könnte sie fühlen, daß du so schwarz bist wie eine Rußbutte.«

»Ganz recht«, nickte Lot gutmütig. »Der liebe Gott hat schwarze und weiße Gentlemen geschaffen, und ich bin einer von den schwarzen. Nein, Master Johann, ich habe dem Kapitän Armstrong kein Wort davon gesagt, wohin die Reise gehen soll; Hiob und ich, wir können taub, stumm dumm und verschlossen sein, wenn's drauf ankommt, was, Partner?«

»Das versteht sich, Partner, verschlossen wie ein Bäckerladen am Sonntag.«

»Aber sehen können wir immer, nicht, Hiob?«

»Ja, Lot, sehen können wir wie Katzen im Kohlenkeller.«

Der Schwarze sah seinen Herrn triumphierend an. Dann wendete er sich wieder an seinen treuen Pylades.

»Und was haben wir gesehen, Partner?« fragte er.

»Oh, allerlei«, antwortete Hiob, gleichmütig die Hände in die Hosentaschen versenkend und sich breitbeinig hinstellend »Zum Beispiel haben wir das ›Nordlicht‹ gesehen.«

»Was soll das?« fragte der Farmer unwillig, der die letzten Reden der beiden Genossen für müßiges Geschwätz hielt.

»Was das ›Nordlicht‹ soll? Oh, das soll sobald als möglich in See gehen«, versetzte Hiob ganz ruhig.

»Dann ist das ›Nordlicht‹ also ein Schiff?«

»Ja, das ›Nordlicht‹ ist ein Schiff.«

»Nun, außer ihm werden jedenfalls noch mehr Schiffe in See gehen. Was ist dabei so bemerkenswert?«

»Lot, sag' du dem Master, was wir beide wissen.«

»Gut«, nickte der Schwarze. »Wie du willst, Partner.«

Johann Bernsdorf und die jungen Leute horchten neugierig auf.

»Ich kenne einen von der Mannschaft des ›Nordlicht‹«, begann Lot mit gleichgültigster Miene.

»Der Glückliche!« sagte Hans trocken, als der Schwarze nach dieser Mitteilung einige Sekunden lang weiter nichts hören ließ.

»Nun, Lot, ist's gefällig?« rief Johann Bernsdorf ungeduldig. »Ihr beiden Nigger seid heute so rätselhaft wie ein Paar Sphinxe!«

»Von Finksen oder Finken weiß ich nichts, Master –«, antwortete Lot.

»Ich auch nicht«, fiel Hiob ein.

»Halte deinen Mund, Partner!« herrschte der andere ihn an. »Laß mich doch reden! Wie soll Master Johann denn die wichtige Sache erfahren, wenn du mich gar nicht zu Worte kommen läßt? ... Also das ›Nordlicht‹ wird von dem schielenden Joseph und seinen Freunden zu einer Seefahrt ausgerüstet.«

»Von Britton, Loskins und Nelson!« rief Johann erstaunt.

»Von den sogenannten Erben, Rechtsnachfolgern, Testamentsvollstreckern und nachgelassenen Busenfreunden unseres Meergreises!« rief Hans. »Die Kerle wollen uns zuvorkommen!«

»Das wollen sie, Master, darauf könnt Ihr Euch verlassen«, nickte Lot. »Jedenfalls werden sie alles tun, um uns wenigstens in die Quere zu kommen.«

»Ist unser Schoner bewaffnet?«

»Nein, er hat eine kleine Kanone an Bord, mit der Nebelsignale gegeben werden, das aber ist keine Bewaffnung.«

»Dann sorge dafür, daß zwei vierpfündige Geschütze und die nötige Munition an Bord geschafft werden, Lot. Mache dich so schnell als tunlich wieder auf den Weg. Du kannst dem Kapitän Armstrong auch andeuten, daß wir keineswegs nur eine Lustfahrt vorhaben, sondern daß der Fall eintreten könnte, wo er und seine Leute zu zeigen hätten, daß sie Männer sind. Verstanden? Für jeden Schaden würde ich aufkommen.«

» Very good, Master«, versetzte Lot. »Unser Fahrzeug heißt ›Seeschlange‹, Seeschlangen aber müssen auch beißen können.«

»Recht so, Lot; mach' also deine Sache gut«, sagte der Farmer lächelnd.

Die beiden Farbigen zogen sich zurück, um sich ein wenig auszuruhen und einen Imbiß zu sich zu nehmen.

Währenddessen trafen Friedrich Bernsdorf, sein Sohn Heinrich und sein Neffe Philipp von einem Ausgange wieder ein.

Philipp, wie immer der vorlauteste, führte, als er kaum die Tür geöffnet hatte, wieder das große Wort.

»Vater!« rief er. »Und ihr, Karl und Hans, ratet einmal, von wem wir kommen! Doch das könnt ihr gar nicht raten, ich will's daher nur gleich sagen. Also wir kommen von dem allerältesten Mann auf der Welt! Von einem Mann, der schon zur Zeit der Sündflut beinahe umgekommen ist und der sich noch ganz genau erinnert, wie der babylonische Turm ausgesehen hat! Denkt euch nur!«

»Sei nicht albern, Philipp«, verwies ihn sein Vater. »Du bist wirklich schon zu alt, um fortwährend solche Kindereien im Kopfe zu haben.«

»Kindereien, Vater!« antwortete der Knabe ganz beleidigt. »Wenn ich von den ernstesten Dingen rede, nennst du das Kindereien! Frage nur den Onkel Friedrich, ob ich nicht die buchstäbliche Wahrheit gesagt habe. Wir haben wirklich den ältesten Mann gesehen, den man sich nur denken kann. Er ist so uralt, daß er eingesalzen oder in Spiritus konserviert gewesen zu sein scheint, sonst hätte er sich nimmermehr so halten können.«

»Du bist ein unverbesserlicher Schlingel«, lachte der Farmer, dem hübschen, intelligenten Knaben liebevoll das lockige Haar streichelnd. »Da ist aber euer Onkel, der uns vernünftigere Auskunft geben wird. Ihr habt also den alten Methusalem aufgefunden, Friedrich, wie ich soeben höre?«

»Scheint so«, sagte der Angeredete. »Entweder ihn selber oder aber seinen jüngsten Bruder. Jedenfalls habe ich in meinem Leben noch keinen so übertrieben alten Menschen gesehen, um mich so auszudrücken. Immerhin hat er uns den Inhalt der Jacksonschen Dokumente bestätigt.«

»Ah, das wäre!« rief Johann.

»Die Edelsteininsel ist also wirklich vorhanden?« fragte Karl.

»Ja, wenigstens behauptete auch dieser Urgreis das mit aller Bestimmtheit. Es hat schwer gehalten, ihn aufzufinden; sein Name ist Richard.«

»Somit ist er auch der Richtige, denn die englische Abkürzung von Richard ist bekanntlich Dick«, fiel Philipp ein. »Er kannte unseren Meergreis ganz genau und zeigte die größte Teilnahme, als ich ihm von dessen letzten Lebensstunden erzählte.«

Johann schaute seinen Bruder Friedrich fragend an.

Dieser nickte zustimmend.

»Das kann ich nur bestätigen«, sagte er. »Richard muß mit dem Seefahrer Jackson in engster Verbindung gestanden haben, denn er war über die Edelsteininsel ebensogut unterrichtet wie jener.«

»Ja, und er schwatzte mit einer Geläufigkeit, die man bei einem so antiken Menschen gar nicht erwartet haben sollte«, fügte Philipp hinzu.

»Das kam daher, weil er Geld klappern hörte«, bemerkte Heinrich.

»Oho, ihr habt ihm also ein Trinkgeld gegeben?« fragte Johann.

»Ja,« versetzte Friedrich, »ich händigte ihm für seine Auskunft zehn Dollar ein und versprach ihm weitere fünfhundert, wenn wir die Schätze gehoben und in Sicherheit gebracht haben würden.«

»Ist das nicht etwas viel?« wendete Johann ein.

»Allerdings, aber sind seine Mitteilungen nicht soviel wert, Bruder? Er machte uns die genauesten Angaben über die geographische Lage der Insel; ich habe alles notiert, so daß wir nun gar nicht mehr irren können. Bemerken muß ich allerdings hierbei, daß seine Angaben von denen, die in unseren Papieren enthalten sind, wesentlich abweichen. Wir zeigten ihm den betreffenden Zettel. Da lachte er. ›Falsch,‹ sagte er, ›alles falsch. Der alte Jack muß nach seiner Gewohnheit etwas im Kopfe gehabt haben, als er das niederschrieb. Er war manchmal ein wenig unzuverlässig, aber sonst der beste Kerl, Gott hab' ihn selig!‹ Das waren seine eigenen Worte.«

»Wo kann man diesen alten Herrn finden?« fragte Karl, der aufmerksam zugehört hatte.

»Unten am Strande, eine tüchtige Strecke von hier; da haust er in einer kleinen windschiefen Hütte. Ein Fischer wies uns zurecht.«

»Woher wußtet ihr aber, daß der alte Richard überhaupt hier existierte?« forschte Karl weiter.

»Das hörten wir von den Fischersleuten. Wir hatten uns mit ihnen in ein Gespräch eingelassen und selbstverständlich den alten Jackson erwähnt. Auch den Namen Dick zu nennen vergaßen wir nicht. Zufällig war Jackson einem der Männer bekannt gewesen. Er schickte uns zu einer alten Frau, die wiederum etwas Näheres von Dick wußte; sie sagte uns, der Dick hieße eigentlich Richard und wohne in Carleton. Über dem Gespräch kam ein anderer Fischer hinzu, der noch besser Bescheid wußte, denn er führte uns zu der Hütte, wo der alte Richard, der Carleton längst verlassen hatte, jetzt wohnt. Ja, der Mensch ist merkwürdig alt, aber Augen hat er in dem verwitterten, aschfarbenen Gesicht, die noch durch eine Kirchenmauer sehen müssen.«

»Mir schien er eigentlich gar nicht so furchtbar alt zu sein, Vater«, sagte Heinrich. »Seine Stimme klang zum Beispiel durchaus nicht greisenhaft.«

»Alte Menschen können auch noch gesunde Lungen haben«, warf Philipp ein. »Bei manchen Leuten ist die Stimme überhaupt das dauerhafteste.«

»Das Mundwerk, willst du sagen, Master Philipp«, bemerkte Karl. »Wenn du einmal so alt geworden sein wirst wie dieser Urgreis, dann werden die Leute über das deine sicherlich noch ebenso staunen wie wir jetzt.«

»Nun, wohl mir«, versetzte Philipp gelassen. »Vetter Heinz aber ist wieder einmal überklug. Richard ist so alt wie das Meer. Er ist geradezu spaßhaft antik. Ich wollte nur, du sähest ihn dir an, Karl, du würdest deine Freude an ihm haben.«

»Gut, ich werde ihn besuchen«, sagte Karl. »Ich bin ein Freund von solchen Raritäten.«

»Und ich gehe noch einmal mit«, murmelte Heinrich. »Der Kerl ist ein Humbug, weiter nichts.«

Johann Bernsdorf setzte seinen Bruder nunmehr von dem Erfolge in Kenntnis, den die beiden Farbigen in Carlisle erzielt hatten, und die Männer kamen überein, sich dorthin zu begeben und die weiteren Maßregeln selber in die Hand zu nehmen.

»Wir machen uns morgen auf den Weg«, schlug Johann vor. »Wenn das ›Nordlicht‹ tatsächlich von unseren Feinden ausgerüstet wird, dann müssen wir dafür sorgen, daß wir spätestens am 15. Juni seeklar sind.«

Dann wendete er sich an die Knaben.

»Wir hoffen, daß ihr während unserer Abwesenheit verständig sein werdet«, sagte er ermahnend. »Karl, du, als der Älteste, übernimmst das Kommando und sorgst für Aufrechterhaltung der Zucht und Ordnung.«

»Jawohl, Vater«, versetzte der Jüngling. »Du kannst ruhig abreisen.«

»Ja, Onkel,« fügte Hans hinzu, »verlaß dich ganz auf uns; Karl und ich wir werden die jungen Bengels schon beaufsichtigen, und wehe dem, der über die Stränge haut!«

»Erst Hasen fangen und dann Hasen braten, lieber Hans«, lachte Philipp. »Wenn Vater und Onkel fort sind, unternehmen Heinrich und ich eine Expedition; dann seid ihr aller Mühe überhoben.«

»Vor allem sorgt dafür, daß unser gesamtes Gepäck fertig zur Hand liegt«, sagte Vater Johann. »Denn es könnte sein, daß wir schon nach Ablauf von drei Tagen an Bord und in See gehen.«


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