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Siebzehntes Capitel

Auf dem Oelberge

Ritter Langenbruck war ein guter, aber auch ein sehr eitler Mann. Es stand zu befürchten, daß er sich bei der nächsten Gelegenheit mit den vornehmen Gästen, die er unter seinem Dach beherberge, brüstete, damit der Abglanz der hohen Namen auch auf ihn fiele. Den Liebenden erschien es daher nicht rathsam, sich zur Bereisung der Umgebung von Jerusalem zu entfernen und einen Verräther im Rücken zu lassen; aber auch da fand sich bald ein Auskunftsmittel. Graf Albrecht beschloß, den Ritter zur Theilnahme an dem Ausfluge einzuladen und ihn sammt seinem Geheimnisse gleichsam als Gefangenen mitzuschleppen. Da Ritter Langenbruck, auf's Höchste geschmeichelt, die Einladung annahm, konnte man die heilige Stadt in aller Ruhe verlassen und die Ausflüge weiter ausdehnen, als man anfangs im Sinne gehabt.

Nachdem man die Andacht am Grabe des Erlösers verrichtet und denkwürdige Stätten, die zunächst lagen, besichtigt hatte, wurde aufgebrochen. Man besuchte den See Genezareth, Siloah, die Steine im Thale Josaphat und gedachte dabei mit frommem Glauben all der Thaten und Wunder, die sich einstens an diesen Orten zugetragen. Dennoch war das Erstaunen nicht zu unterdrücken, daß man überall auf Wüsten, nackte Felsen und baumlose Einöden stieß und in dem Lande, in dem einst Milch und Honig geflossen, kaum das nöthige Trinkwasser fand.

Nichtsdestoweniger kam die Gesellschaft fröhlich und auf's Höchste befriedigt, wie von einer schönen Lustreise zurück. Ritter Langenbruck war von der Güte und Vertraulichkeit, die er auf dem Wege genossen, ganz entzückt. Insbesondere hatte die edle Einfachheit des Grafen von Vaduz sein Herz gewonnen.

So war nun der Vorabend der langwierigen und nicht ganz gefahrlosen Rückreise herangerückt. Alles hatte man vorbereitet, um am folgenden Tage bei Morgengrauen nach Jaffa zurückzukehren, von wo die Fahrt nach Venedig angetreten werden sollte.

Um die letzten Stunden noch zu benutzen, hatte sich Graf Albrecht mit der Prinzessin ganz allein auf den Oelberg begeben, der, östlich von Jerusalem gelegen und nur durch den Bach Kidron davon getrennt, die Stadt und das Thal Josaphat beherrscht. Es ist ein beinahe kahles Kalkgebirge, durch flache Einsattelungen, auf deren mittleren sich eine große, runde Kirche erhebt, in drei Kuppen getrennt. Die beiden Liebenden setzten sich, nachdem sie die Kirche besucht, auf eine Felsenstufe, die ein im Gestein wuchernder Feigenbaum umkleidete, im Schatten einer einsamen Sykomore nieder.

Die Sonne neigte sich dem Untergange zu und beleuchtete mit ihren brennenden Strahlen die heilige Stadt und ihre Umgebung.

Es war rings herum öde und einsam.

»Also das ist Jerusalem!« sagte die Prinzessin. »Wie oft bin ich in meinen Kindesträumen hier gewesen! Aber wo ist der Tempel, wo die Burg Zion, wo das von Gärten umgebene Königsschloß des Herodes? Wo die fürstlichen Paläste der Hasmonäer, die Wohnung der Hohenpriester und der großen Geschlechter? Es ist Alles in Trümmer gesunken, – Thürme und Säulenhallen sind zerbrochen, die Gärten dahin! Ich sehe nur ein Gewühl enger, gewundener Gassen, in welchen ein schmutziges Volk ein elendes Dasein führt. Hier haben Krieg und Feuer schrecklich gewüthet! Und dies ist der Berg, von welchem der Heiland zum Himmel gefahren! Auch ihm scheint kein Segen geblieben zu sein, – er ist nackt und verdorrt. Wo ist hier der Garten Gethsemane?«

Sie sagte es kaum, da kam um eine Felsecke ein Mann hervor, der, auf einen Stock gestützt, leicht hinkte. Da er an ihnen bald vorüber mußte, zog die Prinzessin, die ihren Pilgeranzug abgelegt hatte und sich in ihrer früheren Tracht sicherer verborgen glaubte, einen dichten Schleier tief über das Gesicht herab.

Der Mann trug weite Pluderhosen und über einem grauen Soldaten-Wams einen weißen Mantel, auf welchem das rothe Kreuz zu sehen war. Seine schweren, nägelbeschlagenen Schuhe klapperten auf dem Gestein. Er stieg heran und näherte sich den Beiden, an denen er knapp vorübergehen mußte, langsam, gedankenvoll, ohne die allergeringste Neugierde zu zeigen.

Beide konnten ihn mit Muße betrachten.

Das Edle und Gebietende, das er, von ferne gesehen, hatte, wich in der Nähe dem Eindrucke des Leidens und des Unglücks. Das früh gealterte Gesicht mit den eingesunkenen Wangen, die welke, citronengelbe Haut, die tiefliegenden Augen mit dem Ausdrucke unsäglicher Schwermuth, der von Verbitterung und Schmerz umspielte Mund, – Alles das kündete von schweren Krankheiten und schweren Schicksalen.

Als der Mann schon am Grafen vorüber gehen wollte, fiel sein Blick auf diesen, erst matt, belebte und befestigte sich jedoch schnell.

»Ich erkenne Euch,« rief plötzlich der Fremde mit einer etwas seltsam klingenden Stimme. »Ich habe Euch das erste Mal gesehen in einer mir unvergeßlichen Zeit! Eure Züge haben sich mir tief, tief eingeprägt. Ihr seid der Graf Albrecht von Werdenberg!«

Der Graf erwiderte nach kurzem Besinnen: »Und wer seid Ihr?«

»Ihr kennt mich freilich nicht,« fuhr der Mann lebhaft fort. »Wie solltet Ihr Euch noch des Knaben erinnern, der mit seinem blutbefleckten Oheim auf Eurem Schlosse eine Zufluchtsstätte fand? ... Ich bin Arbogast von Wolfegg!«

Die Prinzessin, wiewohl sie hinter ihrem dichten Schleier vor der Erkennung sicher war, wandte zusammenzuckend ihr Gesicht ab, während der Graf Arbogast aufforderte, sich neben ihn zu setzen, da dieser auf solche Weise die Prinzessin weniger beobachten konnte, als wenn er ihr beinahe gegenüber stand.

»Ich habe hier in Jerusalem,« sprach Graf Albrecht, »von Eurer glücklichen Befreiung aus der Sclaverei gehört, aber es kam aus einer wenig verläßlichen Quelle. So hörte ich auch, daß Ihr nach Portugal zurückkehren wollt, –«

»Nach Portugal?« erwiderte Arbogast mit furchtbarem Ernst. »Das hat ein Dummkopf erfunden! Für mich ist nur die Klosterzelle und die Todtengruft. In Portugal hat die Rache Gottes meinen Oheim am Jahrestage des begangenen Mordes mit einem Steine erschlagen, und dieser Stein wälzt sich über mich, als den verfluchten Nachkommen, in tausend Gestalten fort. Und doch bin ich nicht ohne eigene Schuld,« fuhr er nach einer Pause düsteren Sinnens fort. »Eine vermessene, strafwürdige Liebe hat Alles vom Anfang bis zum Ende über mich gebracht. Einige Augenblicke hat diese Liebe geleuchtet und gleich darauf ewiges Unheil angestiftet!«

»Kommt Ihr jetzt wirklich aus Aegypten,« fragte der Graf, »oder ist auch diese Nachricht falsch?«

»Ich komme aus Aegypten,« erwiderte Arbogast. »Laßt Euch aber auch sagen, auf welchem schauderhaften Wege ich dorthin gekommen bin! Als mich die Seeräuber in Portugal fortgeschleppt hatten, kam ich zuerst nach Tunis und wurde dort verkauft. Als Sclave eines mächtigen Scheik wanderte ich nun viele Tagreisen weiter in das Innere des Landes. Mein Herr war alt und ein gefühlloser Mann, der mit keiner Arbeit zufrieden war und mich, wie alle übrigen Sclaven, auf das Härteste behandelte. Unter diesen Sclaven befand sich ein einziger Christ, ein Däne. Wir wurden gleich Freunde, trösteten einander und suchten mit eitlen Fluchtentwürfen unsere Lage erträglicher zu machen. Eines Tages stürzte mein Freund mit einem edlen, kostbaren Rosse. Das Pferd brach das Bein. Der alte Scheik war darüber so ergrimmt, daß er über ihn mit dem Schwerte herfiel und ihn vor meinen Augen in Stücke hieb. Einige Zeit später begleitete ich den Scheik nach einem benachbarten Orte, wo er eine Besitzung hatte, ganz allein. Wir kamen in einen Wald und rasteten dort zu Mittag. Ich schlummerte ein. Plötzlich erwachte ich, mir war, wie wenn man mich gerufen hätte, – eine Stimme war es: ›Auf, auf, jetzt wirst du frei!‹ Ich sah rings um mich und erblickte Niemand. Alles war still. Ich sah nur unsere beiden Pferde grasen und meinen Herrn schlafen. Ich erhob mich, schlich auf den Fußspitzen weiter und – erdrosselte den alten Mann!«

Die Prinzessin stieß einen leisen Schreckenslaut hervor, den aber Arbogast im Feuer seiner Erzählung nicht vernahm. Er fuhr fort:

»Ich legte die Kleider des Scheiks an, bemächtigte mich seiner Waffen und bestieg, nachdem ich den Leichnam verscharrt hatte, eines der Pferde. Nach langen Irrungen erreichte ich das Meer und einen kleinen Hafenort. Ein Schiff war gerade im Abfahren begriffen. Es hatte dreißig Mann an Bord. Die Leute waren aus der Umgebung und gingen, wie ich nach ihrem Aussehen und ihrer Bewaffnung gleich errieth, auf einen Raubzug aus. Ich hatte während der langen Zeit meiner Gefangenschaft die Landessprache erlernt, und von meiner Verkleidung dreist gemacht, rief ich ihnen laut zu: ›Möge Euch der Allmächtige und sein Prophet beistehen! O würdet Ihr mich doch mit Euch nehmen! Ich will keinen Antheil an Eurer Beute, – ich dürste nur nach Blut, nach Christenblut!‹

»Die Bluthunde hielten mich für ihresgleichen und nahmen mich mit. Nach langen Kreuz- und Querzügen, während welchen viel unschuldiges Blut vergossen wurde, segelten wir die spanische Küste entlang. Die Zeit war gekommen, meinen Plan auszuführen. Ich wollte die Seeräuber in die Falle locken und entfliehen. Darum rieth ich ihnen, nach Portugal zu fahren, und spiegelte ihnen vor, von einem Schlosse zu wissen, in welchem der König seine Schätze und seine ganze Kriegsbeute aufbewahre. Von meiner Ortskenntniß getäuscht und von ihrer Habgier verblendet, folgten sie meinem Rathe. Kurz vor dem Einbrechen der Nacht langten wir unweit von Lissabon an einem Punkte, den ich bezeichnet hatte, an. Es war die nämliche Bucht, aus welcher ich als Gefangener fortgeführt worden war. Ich sah vom Schiffe aus die aus der Asche wiedererstandenen Häuser vor mir; ich erkannte ungefähr die Stelle, an welcher der Wagen der Prinzessin gestanden, den ich vertheidigt und frei gemacht hatte. Der erste Hoffnungsstrahl durchdrang meine Brust, der erste Hoffnungsstrahl! Ich hielt mich schon fast für gerettet.

»Einer Verabredung zufolge, legte ich schnell die muhamedanische Kleidung ab und begann mich in einen der Anzüge, die wir den Christen geraubt hatten, zu werfen; denn ich sollte allein an's Land steigen und das Schloß auskundschaften. Da entsteht auf dem Schiffe ein großer Lärm. Ein portugiesisches Schiff hat uns bemerkt und fährt in keiner gar zu großen Entfernung auf uns zu. Unser Schiff sucht das Weite mit vollen Segeln. In meiner Verzweiflung stürze ich mich in's Meer, aber ungeachtet aller Eile, mich schwimmend davon zu machen, holen mich die Seeräuber, die mich für das Opfer eines unglücklichen Zufalles halten, aus dem Wasser heraus. Ich blieb wie todt liegen ...«

»Wahrlich,« rief Graf Albrecht, welcher der Erzählung mit immer steigender Theilnahme zugehört hatte, »es ist nicht an Euch gelegen, daß Ihr so lange verschollen geblieben seid!«

»Als ich zum Bewußtsein zurückgekehrt war,« erzählte Arbogast weiter, »waren wir, von der Finsterniß begünstigt, aller Gefahr entgangen und ich hörte, daß wir jetzt nach Tunis heimfuhren. Meine Lage war entsetzlich. Als wir uns in einem schrecklichen Sturme der Küste näherten, also dem Lande, in welchem ich den alten Scheik ermordet hatte, sahen wir ein entmastetes Schiff nahe an uns vorüber treiben. Leichte Beute witternd, ruderten unsere Boote gleich dahin, aber es zeigte sich, daß das Schiff dem Sultan von Aegypten gehörte, und daß sich einer seiner größten Würdenträger darauf befand. Die Schiffbrüchigen wurden bei uns aufgenommen, und die Seeräuber verdingten sich um hohen Lohn, den großen Herrn nach Aegypten zu bringen. Als wir in Alexandrien angekommen waren, kam ich eines Tages auf den dortigen Hafenplatz und fand eine große Volksmenge versammelt. Der Sultan sollte erscheinen, um die Flotte zu besichtigen, welche die Aufgabe hatte, die Küsten von Syrien anzufallen. Ich drängte mich von einem Platze zum anderen durch, und der Zufall wollte es, daß ich gerade dorthin gerieth, wo der Sultan mit seinem Gefolge vorbeikommen mußte. Bald sah ich ihn auch hoch zu Pferde daherreiten und beugte mich tief zur Erde. Der Sultan hielt sein Pferd an, betrachtete zu meinem größten Schrecken mich eine ganze Weile und sagte: ›Du gefällst mir. Du bist zu großen Ehren und Reichthümern bestimmt! Einer der Eunuchen, welche die Oberaufsicht in meinem Harem haben, hat ein schweres Verschulden auf sich geladen und ist heute hingerichtet worden. Ich brauchte einen Ersatz. Ich ernenne Dich an seine Stelle.‹ Ich wurde sogleich umringt und abgeführt. Und nun – und nun –«

Er verhüllte sein Gesicht, ein dumpfes Stöhnen entwand sich seiner Brust.

Auf's Aeußerste ergriffen, lüftete die Prinzessin ihren Schleier, aber der Graf zog ihn schnell wieder herunter.

»Nach Monaten,« sprach Arbogast mit leiser, sich kaum hervorwagender Stimme weiter, »trat ich mein Amt an und bekleidete es, – aber nicht lange. Der Sultan sandte eine Kriegsschaar ab, um die syrische Stadt Ghaza zu überfallen, und nahm auf die Fahrt einen Theil seines Harems mit. Ich war dabei. Ehe jedoch Ghaza erreicht war, brachen die Christen aus einem Hinterhalte hervor, und der Sultan wäre beinahe gefangen worden. In dieser Gefahr und Verwirrung stürzte ich mich mit blankem Säbel in das Schlachtgewühl bis zur vordersten Kampfreihe und metzelte rechts und links meine vermeintlichen Glaubensgenossen nieder, indem ich den Namen Christi und seiner Heiligen mit lauter Stimme rief. Darüber staunend, sprangen mir die Christen zu Hilfe, und bald war die ganze Kriegsschaar des Sultans in die Flucht getrieben. Ich gab mich hierauf zu erkennen und wurde wegen einer Wunde am Schenkel, die ich erhalten, in das Spital nach Jerusalem gebracht. Das ist nun etwas über zwei Monate her. Die Wunde ist fast geheilt, und ich wünschte nur, daß die Wunden meiner Seele ebenso heilen könnten. Aber das wird nie geschehen! An meiner Menschenwürde ist gefrevelt worden – was kann ich noch sein?«

Arbogast schwieg, und nach einer langen Pause sagte Graf Albrecht: »Ich habe viele Geschichten gehört und gelesen – der Eurigen kommt keine gleich! Der kühne Geist der Wolfeggs hat sich in Euch fortgeerbt, und Ihr hättet es im Leben weit gebracht, wenn Euch das Glück mit gleicher Standhaftigkeit begleitet hätte, wie das Unglück! Was wollt Ihr jetzt beginnen?«

»Ich bin krank und siech,« erwiderte Arbogast, »und wenn sich auch meine Gesundheit durch Ruhe und in der Freiheit, die ich genieße, wieder befestigen sollte, so bin ich doch von den Freuden des Lebens für immer ausgeschlossen. Ich kann nur an Rache denken und Mordgedanken nähren! Nehmet an, ich würde mich erholen und Samson's Leibesstärke erlangen, – was kann ich thun? Nichts, nichts, als Heidenblut vergießen und diese Söldlinge der Hölle mit Weib und Kind in ihren Höllenpfuhl zurücktreiben! Aber ich fühle, – ich fühle, daß meine Kräfte auf der Neige sind, daß mein Siechthum fortschreitet? Wenn dem so ist, wie ich fürchte, so will ich in ein Kloster treten und in gottgeweihter Einsamkeit meine gemarterte bejammernswürdige Seele aushauchen.«

Es war finster geworden, der Abendwind rauschte im Wipfel der einsamen Sykomore. Ein leises Aufschluchzen verrieth, daß die Prinzessin weine.

»Ist diese da Euer Weib?« fragte Arbogast.

»Sie ist es,« erwiderte der Graf, indem er Diafanta, wie zu ihrer Beruhigung, mit einem Arme fest und innig an sich drückte.

»Ich habe Niemandem auf der Welt Freude gemacht,« sagte Arbogast tief traurig. »Sogar diejenigen, die sich nichts um mich zu kümmern hätten, bringe ich zu Thränen. Mein einziger Trost, mein einziger Wunsch ist es, daß mich die Eine, welcher mein Schicksal am nächsten ginge, nicht wiedersieht! Sollte sie mir aber, was der Himmel verhüte, irgendwo begegnen, und könnte ich mich vor ihrem Anblicke nicht anders retten, so würde ich mir den Dolch, den ich beständig bei mir trage, durch das Herz stoßen!«

Die Prinzessin wiegte ihren Kopf an der Brust des Grafen in stillem Jammer hin und her.

»Kann ich nichts für Euch thun?« fragte der Graf, der das Ende des furchtbaren Auftrittes herbeiwünschte. »Kann ich Euch in keiner Weise helfen?«

Arbogast besann sich eine Weile und erwiderte dann: »Ich habe Alles, was Menschen geben können! Wie lange bleibt Ihr noch in Jerusalem?«

»Ich reise morgen in aller Frühe,« war die Antwort. »Ich habe bereits alle die wunderbaren Dinge auf diesem heiligen Boden gesehen. Aber nicht minder denkwürdig wird das Ungefähr in meinem Gedächtnisse haften, daß ich Euch hier getroffen habe! Ich gehe nach langer Abwesenheit zurück über die Alpen, in's Rheinthal.«

Er erhob sich mit der Prinzessin und Arbogast rief aus: »Grüßt mir die Berge dort, auf denen ich Gemse und Steinbock gejagt, die Thäler, in welchen ich mich als lustiger Knabe herumgetummelt habe, und die ich nie wieder schauen werde, – nie!«

»Stärke Euch Gott, Arbogast,« sprach der Graf mit tiefer Bewegung, indem er ihm die Hand reichte.

Arbogast hielt die Hand eine Weile schweigend in der seinigen. Die Prinzessin, am Arme des Grafen, lüftete, von der Finsterniß geschützt, ihren Schleier, um auf Arbogast noch einen, den letzten Blick zu werfen, nahm dann ein geweihtes Kreuz, das sie vom heiligen Grabe mitgebracht, vom Halse, küßte es und reichte es Arbogast, der es dankbar annahm und heiß und wiederholt küßte.

Es war gleichsam ein Geisterkuß, den der Unglückliche von der Prinzessin erhalten hatte. Gleich darauf kamen sie sich auf ewig aus den Augen.


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