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Vierzehntes Capitel

Dom Vedras

Sobald der Ordensmeister fortgegangen war, kam Thomas, der in Erwartung dieses Augenblickes schon vor der Thür gestanden, in das Gemach des Grafen und theilte ihm mit, daß ihn die Prinzessin sogleich zu sprechen wünsche. Graf Albrecht, der ohnehin schon auf dem Sprunge war, sich zu ihr zu begeben, sagte voll Aufregung zu seinem treuen Knechte:

»Thomas, Thomas, jetzt wünschte ich, wie Du, daß wir schon in Genua wären! Die Leute des Königs von Portugal sind uns auf den Fersen. Wir müssen noch heute Nacht heimlich fort. Ich kann nur Dich allein mitnehmen. Bringe mein und der Prinzessin Gepäck auf das Schnellste in Ordnung, und halte Dich bereit, mir auf den ersten Ruf zu folgen.«

Er eilte zur Thür hinaus, während ihm Thomas mit verdutztem Gesichte nachsah.

Graf Albrecht kam in das Gemach der Prinzessin gestürzt, aber auch sie ging ihm gleich mit großer Hast entgegen.

»Ihr habt mir schwere Sorge gemacht,« sagte er mit Vorwurf. »Ich habe Euch doch schon oft gewarnt, in einem unbekannten Lande nicht zu weit herumzuschwärmen, – und wenn Ihr wüßtet –«

»Fortan will ich gehorsam sein,« erwiderte die Prinzessin, ihm lebhaft in's Wort fallend, mit sehr erregter Miene. »Wir haben ein Abenteuer bestanden und einen, gewiß nicht leeren, Schrecken gehabt! Als wir am Ende des Schloßgartens, weit hinten den steilen Felsenweg auf- und niederstiegen, sahen wir mehrere Männer, die unten aus einer Schlucht hervorkamen und sich hurtig in dem nächsten Gebüsche versteckten, gerade da, wo wir auf dem Rückwege vorüber mußten. Ohne das Gebüsch, in welchem sie sich verbargen, aus den Augen zu verlieren, stiegen wir den Felsen immer höher hinan. Auf dieser Höhe konnten wir tiefer in die Schlucht hinabblicken, aus der die Männer gekommen waren. Da sahen wir denn Gestalten unter einem Baume gelagert, welche bei unserem Anblicke schnell hinter einem großen Felsblocke verschwanden. Das gefiel uns nicht. Wir gingen weiter den Felsabhang entlang, erst langsam, dann aber, als wir, um eine vorspringende Ecke abbiegend, den Leuten unten unsichtbar wurden, mit beschleunigten, eiligen Schritten, bis wir an eine Stelle gelangten, an der ein Hinuntersteigen möglich war. Bald waren wir unten im trockenen Bette eines Wildbaches und gleich darauf in einem Wäldchen, allen Späheraugen entrückt. Nun wollten wir in entgegengesetzter Richtung auf das Schloß zugehen, aber da fanden wir immer neue Hindernisse, die uns zum Umkehren zwangen und uns auf Umwegen ohne Ende bald seitwärts, bald rückwärts trieben, bis wir nicht mehr wußten, wo wir seien. Es wurde schon dunkel, da begegneten wir in unserer größten Noth einigen Weibern mit großen Krügen auf den Köpfen, die uns auf den rechten Weg brachten, und wir erreichten, nicht ohne einige Irrgänge, das Schloß in völliger Finsterniß.«

»Ihr habt wohl gethan,« sagte der Graf mit erhobenem Finger sehr ernst, »vor den Männern zu fliehen! Sie hätten Euch gefangen und fortgeschleppt! Ihre Hände, die sich nach Euch ausstrecken wollten, sind eigentlich die Hände Eures ergrimmten Vaters, der die Männer abgesandt hat, Euch mit Gewalt nach Lissabon zurückzubringen.«

»Wie kommt Ihr auf diese Gedanken? Warum glaubt Ihr das?« fragte die Prinzessin erbleichend.

»Dom Vedras«, erwiderte der Graf, »ist mit einem Schiffe vorgestern auf Rhodus gelandet, und Ihr begreift, was das zu bedeuten hat! Zuerst versucht er Euch heimlich in seine Gewalt zu bekommen, und wenn das nicht geht, wird er vom Ordensmeister im Namen des Königs Eure Auslieferung verlangen!«

Die Prinzessin war wie niedergeschmettert. »Ich bin das unglücklichste Geschöpf!« rief sie. »Seit der Erschaffung der Welt war Niemand elender, als ich! Mein Vater, – mein Vater, ich hätte mir ihn so hart, so grausam nicht gedacht! Ich habe vor dem Gedanken gezittert, ihm in's Gesicht zu sehen, selbst wenn er mir verziehen und mich heimgerufen hätte, – jetzt, aber jetzt – mein Kopf geht in Stücke!«

»Es ist für Euch gesorgt,« versetzte Graf Albrecht. »Euer Vater darf Eurer in seinem ersten Zorne nicht habhaft werden. Man muß Zeit gewinnen, – die Zeit wird ihn vielleicht milder stimmen. Wir müssen –«

»Habt Ihr Dom Vedras gesprochen?« fragte die Prinzessin, etwas ermuthigter.

»Dazu hätte ich wahrlich keine Lust,« erwiderte der Graf. »Ich muß ihm gerade so ausweichen, wie Ihr! Wir müssen fort, – Alles ist vorbereitet für unsere Flucht. Ehe der Morgen graut, müssen wir die Gestade von Rhodus weit hinter uns haben.«

»Seit meiner Einschiffung lade ich Euch immer neue Bürden auf,« sprach Dona Diafanta schmerzlich gerührt, »und bringe großes Ungemach, das ich allein verdiene, über Euer Haupt! Und doch werdet Ihr nie müde, meinen Schutzengel zu machen! Statt mir zu zürnen und mir Vorwürfe zu machen, gebt Ihr mir immer neue Proben Eures Edelmuths und bedeckt den furchtbaren Fehler, den ich begangen, mit Eurem Schilde! Ich werfe mich in die Retterarme, die Ihr mir öffnet, noch einmal – zum letzten Male!«

Thränen überströmten ihre Wangen.

Graf Albrecht war tief ergriffen, das unglückliche Königskind so vor sich zu sehen. Sein Mitleid hatte die unermeßliche Höhe seiner Liebe.

Nach einigem Nachdenken sagte er ruhig und ernst:

»Ihr habt in letzter Zeit viel nachgedacht. Habt Ihr einen Entschluß gefaßt? Was wollt Ihr thun, wenn ich Euch jetzt aus den Händen Eurer Verfolger befreie?«

»Wenn die Stunde kommt, so will ich Euch Alles sagen,« erwiderte die Prinzessin unter Schluchzen. »Ich habe viel nachgedacht und viel bereut. Getäuscht und betrogen stehe ich jetzt da, bettelarm! Die wenigen Habseligkeiten, die ich eilig zusammengerafft, sind nichts, sind Kleidungsstücke, die bald in Fetzen fallen. Ich wähnte Alles, Alles zu besitzen, wenn ich Arbogasts Bild mit mir nähme.«

»Sagt mir ganz offen,« sagte Graf Albrecht, ihr in's Wort fallend, »wollt Ihr noch immer einem Traumbilde nachjagen und ihm das Leben opfern?«

»O,« rief die Prinzessin, »Arbogast ist todt, vermuthlich, ja sicherlich todt! Er hat mich so sehr geliebt! Würde er denn, wenn er lebte, nicht ebensoviel gewagt haben, mich wiederzufinden, als ich für ihn gewagt habe? Er lebt nur noch in meinem Herzen!«

Graf Albrecht sagte finster:

»Ihr braucht ihn nicht zu vergessen, aber auch nicht seinetwegen alles Andere rings um Euch.«

»Ich habe freilich alles Uebrige vergessen,« sprach die Prinzessin, schmerzlicher Reue voll, »meinen Vater, meine Freunde, meine Heimath! Ihr habt mich vorher so finster angeblickt, werdet auch Ihr mir böse, dann habe ich nichts mehr, nichts!«

Da klopfte es an die Thür, und man meldete, daß die Maulthiere auf das Gepäck unten warteten; der Aufbruch müsse so schnell als möglich erfolgen.

An den Ernst der Lage gemahnt, raffte die Prinzessin ihre Kräfte zusammen und sagte: »Ich werde bald fertig sein. Wir haben hier aus unseren Truhen so wenig herauszunehmen.«

»Fasset Muth, fasset Muth!« erwiderte der Graf voll Güte. »Die Welt ist nicht so garstig, wie sie heute aussieht. Eine Ahnung sagt mir, daß wir diesmal einem frohen Ziele entgegensteuern –«


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