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Neuntes Capitel

Auf der Galeere

Sobald König Alfons von der Abreise des Grafen Albrecht und dessen Reiseziele gehört hatte, ließ er den obersten Inspector seiner Kriegsflotte zu sich kommen und sagte zu ihm:

»Graf Albrecht von Werdenberg hat vor, das ganze Mittelmeer zu durchkreuzen und mag die Gefahren unterschätzen, die damit verbunden sind. Er sucht ein Schiff. Ich will ihm ein besseres anbieten, als er irgendwo finden kann. Wir haben den Sarazenen vor einiger Zeit eine Kriegsgaleere abgenommen, welche diese Seewölfe auch irgendwo zuvor gekapert haben. Sie ist von venetianischer Bauart, vollkommen seetüchtig und segelt, wie der Blitz. Sorget für eine hinreichende, gute Bemannung, für Proviant und die gehörige Kriegsausrüstung! Da der Graf viele tapfere Männer mit sich hat, wird er im Stande sein, einen etwaigen Angriff auf offener See abzuschlagen.«

Der Befehl des Königs wurde ohne allen Zeitverlust ausgeführt, und Graf Albrecht begab sich am Tage vor seiner Abfahrt in's königliche Schloß, um in derselben feierlichen Weise, in welcher er dort nach seiner Ankunft erschienen war, Abschied zu nehmen.

Als er dem König, den sein ganzer Hofstaat umgab, für die unendliche Güte und Fürsorge auf's Wärmste gedankt hatte, wandte er sich an die Prinzessin, die unweit stand, und die er lange ängstlich gemieden hatte.

»Ich habe wohl von Eurer Abreise gehört,« sagte Dona Diasanta nach der Anrede des Grafen, »doch Euer Reiseziel nicht gekannt, ja nicht einmal vermuthet. Zu spät ist es mir eingefallen, daß ich Euch einen Auftrag mitzugeben hätte –«

»Befehlen Euer Gnaden!« rief Graf Albrecht mit großer Ueberraschung. »Kein Aufenthalt, kein Aufschub würde mir zu lange dauern, um Euren leisesten Wunsch zu erfüllen –«

»Zu spät, zu spät!« sagte die Prinzessin mit sichtlicher Verlegenheit und kaum verhehlter Erregung. »Ein Maler, den mein Vater aus Constantinopel kommen ließ, um die neue Schloßkapelle auszuschmücken, – kurz, es handelt sich um ein Bild, – ich wollte, – – jedoch ich weiß einen Ausweg, der noch besser zum Ziele führt – ohne Euch zu belästigen!«

»Ich würde mich durch Eure Befehle sehr geehrt fühlen,« drang der Graf voller Eifer in sie.

»Nein, edler Graf,« sprach der König, der Alles gehört hatte, dazwischentretend, »einer Laune meiner Tochter willen sollt Ihr keinen Augenblick verlieren –«

»Das ist sehr wahr,« sprach die Prinzessin rasch. »Ich bestehe ja darauf nicht mehr, – Du hörst es, theurer Vater! Ja, edler Graf,« fuhr sie, diesem einen Schritt näher tretend, fort, »Ihr macht eine herrliche, herrliche Fahrt! In die schönsten Länder und Inseln der Welt! Werdet Ihr wohl auch die Insel Rhodus berühren?«

»Ich werde daselbst nicht blos landen,« gab der Graf zur Antwort, sondern auch einen längeren Aufenthalt nehmen. Der gegenwärtige Ordensmeister, Graf von Pfirt, ist mein Landsmann; er war ein guter Freund meines in dem Herrn entschlafenen Vaters.«

Bald darauf verließ Graf Albrecht, von den Glückwünschen Aller begleitet, den königlichen Palast und begab sich mit seinen Mannen und den Rossen gleich auf das Schiff, dessen Einrichtung und Ausrüstung er nicht genug bewundern konnte. Nachdem er seinen Kriegsleuten alle daselbst befindlichen Angriffs- und Vertheidigungsmittel, die, Dank der großherzigen Fürsorge des Königs, ein wahres Arsenal bildeten, die Schiffshaken zum Entern der feindlichen Schiffe, die Enterbrücken, die Brandfackeln und all die übrigen Kampfwerkzeuge gezeigt und erklärt hatte, rief er aus:

»Wir müßten die größten Feiglinge sein, wenn wir noch die Seeräuber fürchteten! Wir müssen im Gegentheil inbrünstig wünschen, sie zu treffen!«

Die Nacht war eingebrochen, bevor Alles so weit gediehen war, um die Anker zu lichten und in See zu stechen. In diesem Augenblicke kam Thomas in die geräumige, bequem eingerichtete Kajüte, in der sich der Graf soeben befand, eilig hinab.

»Gnädiger Herr,« sagte er, »ein kleines Ruderboot ist mit zwei Frauen angefahren gekommen. Sie wollen auf das Verdeck, und da sie das Schiffsvolk zurückweist, sagen sie, daß sie für Euch bestimmtes Gepäck überbringen und Euch sprechen müssen. Da sie überdies gar sehr gedroht haben, schickt man sich an, sie sammt dem Gepäcke an Bord zu nehmen. Ich komme, Verhaltungsbefehle von Euch zu holen ...«

»Was soll das sein?« rief Graf Albrecht sehr verblüfft. »Gepäck für mich? Wohl wieder eines der vielen Reisegeschenke, mit welchen man mich in diesem gastlichen Lande erdrückt! Von wem es nur kommt?«

Allerhand tolle Gedanken durchfuhren seinen Kopf. »Laß die Frauen zu mir kommen und das Gepäck einschiffen!«

Das war unterdessen geschehen. Thomas traf die beiden Frauen bereits auf der schmalen Treppe, die in die Kajüte hinabführte, und zog sich, als er ihnen die Thür geöffnet und diese hinter ihnen geschlossen hatte, zurück. Beide trugen lange, bis an den Fuß reichende Mäntel, und ihr Gesicht war hinter den dichten schwarzen Schleiern nicht sichtbar. Während die Eine, den Schleier lüftend, mit viel Fassung gleich auf den Grafen zutrat, klammerte sich die Andere unweit der Thür erst mit einer, dann auch mit der andern Hand an die Kajütenwand an, und es schien, als wenn ihr Körper zusammenbrechen wollte.

»Fort, ungesäumt fort!« sprach die Erstere, die den Schleier gelüftet und ihr schönes Gesicht mit klugen dunklen Augen gezeigt hatte, zum Grafen leise und geheimnißvoll, aber mit viel Nachdruck. »Ihr habt ein großes Kleinod an Bord, das Euch nicht entrissen werden darf! Die Dame da,« – sie zeigte auf die Gestalt, die noch immer an der Wand lehnte, – »ist die Prinzessin Dona Diafanta!«

Graf Albrecht war sprachlos vor Erstaunen und konnte kein Wort hervorstammeln. Die Prinzessin wankte inzwischen einige Schritte weit bis zu einem Lehnstuhl, in welchen sie sich hineinwarf, indem sie ihr Gesicht, das der Schleier vor den Augen des Grafen ohnehin schützte, mit den Händen bedeckte.

»Höre ich recht? Sehe ich recht?« sagte der Graf, ganz außer sich, nach einer kleinen Pause. »Sprecht, sprecht nur ein einziges Wort, wenn Ihr Dona Diafanta seid, damit ich mich sicher stelle, daß ich nicht ein Opfer der Täuschung, ein Narr meiner Sinne bin!«

Er trat dicht vor die Prinzessin hin.

»Gebt das Zeichen zur Abfahrt!« sagte diese drängend. »Fragt jetzt nicht viel, – Ihr werdet Alles hören!«

»Ich erkenne die Stimme,« versetzte der Graf. »Ihr seid es, und es ist schrecklich, daß Ihr es seid! Was macht Ihr hier und was wollt Ihr hier?«

»Ich will mitfahren,« erwiderte die Prinzessin; »aber verliert mit Fragen keine Zeit. Sucht das Weite!«

»Großer Heiland!« rief der Graf, die Hände zusammenschlagend. »Wißt Ihr auch, was Ihr thut, was Ihr wagtet?«

»Wenn ich das nicht wüßte,« gab die Prinzessin zur Antwort, »würde ich so am ganzen Leibe zittern und meine Schamröthe verbergen?«

»Ich schwöre beim lebendigen Gotte,« rief der Graf, »daß ich Euch nicht meinet- sondern Euretwillen von dem Schritte abrathe. Ich zittre um Euch!«

»Ihr werdet doch so viel Muth haben, wie ich?« erwiderte die Prinzessin. »Meine That kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, schon darum nicht, weil ich nicht vor Allen bloßgestellt sein möchte. Ich hätte übrigens von Euch einen besseren Empfang erwartet! Sind alle Eure Betheurungen, mit welchen Ihr so verschwenderisch wäret, wo immer Ihr mich fandet, nichts gewesen, als schöntönende, leere Worte? Ich will und kann nicht mehr zurück! Wenn Ihr mich zurückweist, dann – springe ich hinunter in die Wellen!«

Graf Albrecht kämpfte einen schrecklichen Kampf mit sich und rief endlich: »Euer Wille geschehe! Mögen die Folgen nur auf mein Haupt fallen, nicht auf das Eurige!«

Er stürzte aus der Kajüte heraus, um das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Nicht lange darauf schaukelte die Galeere aus dem Hafen in die offene See hinaus, wo sie von einer starken Brise, die der Fahrt sehr günstig war, ergriffen und raschen Fluges dahin getragen wurde. Graf Albrecht, der, um sich zu sammeln und Fassung zu gewinnen, einige Zeit auf dem Verdecke geblieben war, sagte, als er die Lichter von Lissabon verlöschen sah, zu sich selbst: »Schickt uns der Himmel diesen günstigen Wind, oder die Hölle, – das möchte ich wissen!«

Dann begab er sich, die Kajüte den Frauen überlassend, in ein kleines Gelaß, wo er eine schlaflose Nacht verbrachte.


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