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Drittes Capitel

Arbogast

Arbogasts Gesuch war im rechten Augenblicke eingetroffen. Der König hatte gerade jetzt, mehr als je, Kriegsleute nöthig. Es war nämlich so eben die schreckliche Kunde angelangt, daß der Beherrscher von Cordova mit starker Macht in's Land eingebrochen sei, die Grenzfestung Fueraforte überrumpelt und die ganze Besatzung niedergesäbelt habe. Es war nun zu erwarten, daß der Feind, auf den eroberten Punkt gestützt, seine Verheerungen tiefer in's Land hinein fortsetzen werde.

Ritter von Wolfegg hatte inzwischen an den Grenzen des Königreichs da und dort ohne Unterlaß gekämpft und, da ein vollständiger Erfolg jede seiner Unternehmungen krönte, sich den Namen und das Ansehen eines unüberwindlichen Anführers erworben. Der König hatte ihn mit Auszeichnungen überhäuft, ihm Reichthümer und große Ländereien geschenkt. Es gab nichts, was er einem solchen Manne versagt hätte. Sobald er daher von ihm den Wunsch Arbogasts erfahren hatte, sandte er Letzterem den Befehl zu, unverzüglich zu den unter der Anführung seines Oheims stehenden Leuten zu stoßen, um gleich gegen den Maurenfürsten von Cordova auszuziehen und denselben aus dem Lande hinaustreiben zu helfen.

Arbogast empfing die königliche Botschaft mit eben so viel Freude als Bestürzung, je nachdem die Begierde nach Waffenruhm oder die tief in der Brust verschlossene Liebe die Oberhand hatte.

Sein Oheim wollte dem Feinde in Eilmärschen entgegenziehen, und Arbogast hatte vollauf zu thun, sich fertig zu machen, um sich rechtzeitig mit ihm zu vereinen.

Die überraschende Kunde seines Abgangs zum Heere hatte sich in den Hofkreisen schnell verbreitet; seltsamer Weise aber war Dona Diafanta eine der Letzten, denen dieselbe zu Ohren kam. Sie hörte die Nachricht an, ohne eine Miene zu verziehen, ohne ein Wort fallen zu lassen, zog sich aber bald in die Einsamkeit ihres Gemaches zurück. Trauer und Zorn bewegten abwechselnd ihre Brust.

Endlich sagte sie, sich Luft machend, zu sich selbst: »Mir nichts vorher zu sagen, wiewohl er sich doch lange mit dem Entschluß getragen haben muß! Wäre er mir entrissen, von meinem Vater fortgejagt, mir von der Seite genommen, es thäte mir nicht so wehe, als zu sehen, daß er freiwillig geht! ... Noch auf der letzten Jagd, – was habe ich mir eingebildet an ihm zu bemerken, zu errathen! Ich hielt ihn oft für im Innersten ergriffen, von einer unausgesprochenen Pein gefoltert, von Gefühlen erdrückt, die er nicht wagte in einem Seufzer hinauszuhauchen. Jetzt ist es klar. Er hat nie etwas für mich gefühlt! Alles, was ich an ihm bemerkte, war nur der Gehorsam, die Pflichttreue und Hingebung eines vortrefflichen Dieners, der diese Tugenden von einem Herrn zum andern gleichmäßig überträgt! Und dennoch wollte ich ihn immer noch um mich haben, mich noch länger täuschen, noch weiterhin versuchen, Feuer zu hauchen in diese eiskalte, nordische Seele! O, Gott verzeihe es mir, – ich wollte, daß er plötzlich krank, schwer krank würde und hier bleiben müßte! Läßt sich denn nichts machen, seine Abreise zu hintertreiben? Mir fällt nichts ein, ich bin rathlos. Nur noch einmal werde ich ihn sehen und dann, – Gott weiß, wann oder ob jemals wieder! Ich muß mich in mein entsetzliches Schicksal fügen. Wenn ich beim Abschiede nur eine einzige Thräne in seinen Augen sehe, werde ich nicht mehr unglücklich sein. Aber er sucht Ruhm und weint nicht um mich! Wenn ich gar einen Kuß von ihm haben könnte, – aber er kann nicht küssen! Sein Mund hat noch nichts geküßt, als das Krucifix! Ebenso leicht könnte ich erwarten, daß die Statue dort in der Nische herabstiege und mich in ihre Arme schlösse.«

Die Sonne neigte sich zum Untergange. Arbogast sollte schon beim Morgengrauen ausreiten, um seine neue Laufbahn anzutreten. Die Prinzessin ging in den Garten hinab und lauerte auf den Geliebten, um ihn womöglich zum letzten Mal ohne Zeugen zu sprechen.

Es fing schon zu dunkeln an. Diafanta war an einem Springbrunnen, den Wasser hervorblasende Tritonen umgaben, vorübergekommen, als sie Arbogast erblickte. Sofort rief sie ihn herbei.

Ein Cypressenwäldchen, durch welches kein Sonnenstrahl dringen konnte, umgab den Platz und schützte die Dastehenden vor jedem Späherauge.

»Kein Wort vorher zu sagen, daß Du gehen wolltest!« Mit diesen Worten empfing die Prinzessin den Herantretenden. »Du handelst unrecht, ja verrätherisch. War ich Dir nicht jeder Zeit eine gütige Herrin? Ja, hab' ich nicht gar oft vergessen Dir gegenüber, daß ich eine Königstochter bin?«

Niedergeschmettert begann Arbogast Worte der Entschuldigung hervorzustammeln, doch Dona Diafanta fiel ihm in's Wort. »Sage nichts! Dafür giebt es keine Entschuldigung,« sagte sie in demselben heftigen Tone. »Wenigstens hättest Du mir Zeit lassen sollen, Jemanden zu suchen oder zu finden, der mir paßt, mir gefällt, um Deine Stelle zu ersetzen.«

Diese Rede schnitt Arbogast tief in's Herz, gab ihm aber auch den Muth, seiner Angebeteten ruhig in die Augen zu schauen.

»Euer Gnaden,« erwiderte er, »thun Ihrem treuesten und ergebensten Diener sehr wehe! Ich verlasse nicht den Dienst; ich ändere ihn nur, da ich jetzt für Ihren hohen Vater, den König, und das Land mein Blut zu vergießen gehe.«

Sein Anblick hatte ihren Zorn geschmolzen; sie versetzte mit wiedererwachender Liebe:

»Damit machst Du freilich Alles wieder gut! Ja, Du hast Dich an mir vergangen, aber ich verzeihe Dir von Herzen! Man hört so viel von großen Kämpfen, – ich wollte, ich wäre ein Mann, könnte mit Dir gegen die Mauren ziehen und an Deiner Seite fechten! Welch trauriges Loos hat hienieden das Weib! Wenn der Mann einen Kummer hat, so kann er sich in's Weltgewühl stürzen und Alles vergessen, – wir müssen zu Hause sitzen bleiben, und der Kummer sitzt mit, neben uns! Gehe mit Gott! Möge Dein Schutzengel Dich durch alle Gefahren tragen! Und hier, zum Zeichen der vollständigen Versöhnung, meine Hand, – Du darfst sie küssen!«

Der arglose Jüngling, ohne Ahnung von der Gegenliebe der Prinzessin, von ihren Vorwürfen eingeschüchtert, von ihren strengen Blicken irregeführt, vermochte nur mit einer fast übermenschlichen Anstrengung sein pochendes Herz zu bewältigen, um noch im allerletzten Augenblicke den Schein zu retten.

Ohne Zittern ergriff er auf's Zarteste die ihm dargereichte Hand und küßte sie mit einer ehrerbietigen Scheu, sodaß der Kuß eher hingehaucht, als daraufgedrückt war. Darauf stürzte er eilends fort, während die Prinzessin, wie festgebannt auf der Stelle, ihm nachblickte, bis er in der Säulenhalle des Palastes verschwunden war.


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