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14. Kapitel.

Der Pater hatte einige dunkle Gänge passiert und kam an eine Tür, an die er klopfte.

»Wer ist draußen?« fragte es. – »Ich. Darf ich eintreten?« – »Ah, Pater Hilario! Tretet ein!«

Hilario machte die Tür auf und kam nun in einen ziemlich wohnlich eingerichteten Felsenraum, in dem eine Lampe brannte. Cortejo und seine Tochter saßen darin auf einer Matte am Boden.

»Gut, daß Ihr kommt!« sagte die letztere. »Ich leide noch immer große Schmerzen. Wollt Ihr mich noch einmal verbinden?« – »Nein, Señorita. Es wäre überflüssig. Eure Verletzung ist falsch behandelt worden. Jetzt ist es zu spät. Ihr werdet daran zugrunde gehen.«

Josefa richtete ihre Eulenaugen erschrocken auf ihn.

»Ihr scherzt, Pater«, sagte sie. – »Ich spreche sehr im Ernst.« – »Oh, Ihr wollt mir bloß Angst machen.« – »Ich wünschte, Ihr hättet die richtige Angst, Señorita.«

Hilarios Auge ruhte dabei kalt und gefühllos auf ihren vor Schreck totenbleichen Zügen. Sie beachtete es nicht und sagte, wie um sich selbst zu ermutigen:

»Ich bin überzeugt, daß ich bald wieder genese.« – »Hofft meinetwegen, solange Ihr könnt und wollt!« – »Ja, hoffe, Josefa!« sagte Cortejo. »Der Pater hat schlechte Laune, und diese läßt er uns entgelten. Wie steht es an der Oberwelt, Señor? Darf man sich bald sehen lassen?« – »Wohl noch nicht!« – »Warum nicht? Sind die Franzosen noch da?« – »Sie werden sich nicht sogleich entfernen.« – »Der Teufel hole sie. Auf diese Weise kann man sich ja nur des Nachts ins Freie wagen, um frische Luft zu haben. Könnt Ihr uns denn nicht wenigstens eine andere Wohnung anweisen?« – »Ja, Señor.« – »Wann?« – »Nachher.« – »Und wo?« – »Das werde ich mir erst überlegen müssen. Es paßt nicht jede für Euch.« – »Hat sich noch kein Verfolger sehen lassen?« – »O sicher. Es waren einige da.« – »Ah, also doch! Wie viele waren es?« – »Vier. Es scheinen keine gewöhnlichen Kerle zu sein. Der eine war ein Riese, ein wahrer Goliath.« – »Sternau jedenfalls.« – »Zwei waren Indianer.« – »Büffelstirn und Bärenherz!« – »Der vierte war ein Weißer.« – »Jedenfalls dieser Helmers oder Donnerpfeil, der mich gefangennahm und fesselte«, sagte Josefa. »Was habt Ihr mit ihnen gemacht?« – »Ich? Nichts, gar nichts, Señorita.« – »Nichts? Gar nichts?« – »Nein. Ich war froh, daß sie nichts mit mir machten.« – »Sie waren also gar nicht bei Euch?« – »Natürlich!« – »In Eurer Stube?« – »Ja.« – »Aber es war doch bestimmt, daß sie festgenommen werden sollten!« – »Wie hätte ich es machen können, Señorita?« – »Das fragt Ihr noch? Señor, Ihr seid ein Feigling!« – »Meint Ihr das wirklich? Das ist wohl der Dank für die Opferwilligkeit, mit der ich Euch bei mir aufgenommen habe? Soll ich Euch etwa den Franzosen ausliefern?« – »Unsinn!« rief Cortejo. »Meine Tochter meint es ja gar nicht so, wie Ihr es nehmt. Ich habe allerdings auch geglaubt, daß Ihr diese Kerle gefangennehmen würdet. Es war auch so ausgemacht. Nun sind sie entkommen, und ich bin gezwungen, sie auf andere Weise unschädlich zu machen.« – »Wie das zu geschehen hat, werden wir uns noch überlegen.« – »Was sagten sie denn? Wie benahmen sie sich? Erzählt es doch!« – »Nachher, Señor. Jetzt denke ich daran, daß Ihr eine andere Wohnung wünscht. Wenn Ihr mir folgen wollt, werde ich Euch eine solche zeigen.«

Cortejo verließ mit seiner Tochter den gegenwärtigen Aufenthalt und ließ sich von dem Pater durch die Gänge führen. Endlich schimmerte ihnen ein Licht entgegen, und als sie näher kamen, erkannte Cortejo Manfredo, der bei vier Männern saß, die gebunden am Boden lagen.

»Was ist das? Wer sind diese Leute?« fragte er. – »Seht sie Euch an!« antwortete der Pater.

Cortejo trat hinzu und stieß einen Ruf des Erstaunens aus.

»Alte Teufel! Das ist ja Sternau!« – »Sternau?« fragte Josefa schnell. »Wo? Wo ist er?« – »Hier liegt er, an Armen und Beinen gefesselt.«

Josefa eilte herbei und ließ sich bei Sternau nieder. Dieser war wieder zu sich gekommen und betrachtete mit kalten, ruhigen Blicken die vier Personen, in deren Hände er geraten war.

»Ja, es ist Sternau!« frohlockte das Mädchen. »Und hier liegen Büffelstirn, Bärenherz und Donnerpfeil. Ich denke, sie sind entkommen?«

Diese letzten Worte waren an den Pater gerichtet.

»Ich scherzte nur«, antwortete dieser. »Mir pflegt keiner zu entkommen, dem ich eine Wohnung bei mir anweisen will.«

Auch die drei anderen hatten ihre Besinnung wiedererlangt, Sie hielten zwar die Augen offen, aber keiner von ihnen sprach ein Wort.

»Aber wie ist es Euch geglückt, sie festzunehmen?« fragte Cortejo. – »Das werdet Ihr später erfahren. Jetzt fragt es sich vor allem, was wir mit diesen Leuten tun werden.« – »Einsperren, natürlich!« antwortete Josefa. – »Aber wo?« – »In Euren allerschlechtesten Löchern, Señor!« – »Wollen wir es wirklich so ganz schlimm machen? Sie sind doch auch Menschen.« – »Es kann nicht schlimm genug für sie werden!« antwortete Josefa eifrig. »Sie werden täglich Prügel bekommen, aber allwöchentlich nur einmal zu essen.« – »Ich möchte Euch aber doch bitten, ein wenig nachsichtiger zu sein, Señorita. Ihr wißt ja auch nicht, ob Ihr einmal in eine Lage kommt, in der Ihr Nachsicht gebrauchen könnt!«

Josefa bemerkte den stechenden Blick nicht, den der Pater bei diesen Worten auf sie warf, und antwortete rasch und eifrig:

»Keine Nachsicht, keine Spur von Nachsicht sollen sie haben! Nicht, Vater?«

Cortejo neigte zustimmend den Kopf und erwiderte:

»Milde ist hier am unrechten Platz. Ich habe ein Auge verloren. Man hat mir die Hazienda genommen und meine Leute ermordet. Man wollte meine Tochter von den Krokodilen zerreißen lassen. Es ist keine Strafe zu grausam für diese Menschen. Wo sind die Löcher, in die sie gesteckt werden sollen?« – »Eine Treppe tiefer, Señor.« – »So wollen wir sie dorthin bringen. Später werdet Ihr uns erzählen, wie sie in Eure Hände gekommen sind.« – »Machen wir ihnen die Beinfesseln weiter, damit sie gehen können.« – »Wenn sie aber nicht gehen wollen?« fragte Josefa. – »So haben wir Messer und Licht. Wenn wir sie stechen und brennen, werden sie schon laufen lernen«, meinte Cortejo.

Es fiel keinem von den vieren ein, sich zu widersetzen und sich dadurch noch weitere Qualen zuzuziehen, sie folgten willig dem Pater, der sie bis an eine Treppe brachte, die in ein tieferes, unterirdisches Stockwerk führte. Dort gelangten sie in einen langen, schmalen Gang, in dem rechts und links kleine Felsenzellen angebracht waren, kaum groß genug für einen Menschen. Diese Zellen waren durch Türen verschlossen, in denen sich ein rundes Loch befand.

»Sind das die Gefängnisse?« fragte Josefa. – »Ja.« – »Zeigt einmal eins!«

Der Pater öffnete eine Tür und leuchtete hinein.

»Ah, zwei Eisenringe!« meinte Cortejo. »Wozu sind sie?« – »Zum Festhalten der Person.« – »Wie wird dies gemacht?« – »Das ist eigentlich ein Kunststück, Señor«, sagte der Pater. »Ihr seid ungefesselt, nehmt einmal da Platz.« – »Ich soll mich in das Loch setzen?« – »Ja. Ich kann Euch da am besten überzeugen, daß keiner dieser vier Gefangenen entkommen wird.« – »Gut! Ich werde es versuchen. Es soll mir eine Freude sein, genau zu wissen, wie fest wir diese Menschen haben.« – »Ja, Vater, auch ich muß das wissen!« meinte Josefa. »Wollt Ihr es auch mir zeigen, Señor?« – »Gern«, antwortete der Pater. »Ich habe da rechts ein Doppelloch, das zu einem solchen Versuch wie gemacht ist. Ich werde öffnen.«

Hilario schob zwei Riegel zurück und öffnete eine Tür. Es wurde ein Loch sichtbar, zwei Meter breit, ebenso tief und gerade so hoch, daß ein Mensch darin sitzen konnte. Der Boden bestand aus Stein. Es war kein Stroh, keine Matte, kein Krug oder Trinkgefäß zu sehen. Aber am hinteren Teil sah man ungefähr in der Höhe des Halses und der Taille zweimal zwei eiserne Ringe, die gegenwärtig geöffnet waren.

»An die Ringe werden die Gefangenen geschlossen?« fragte Josefa. – »Ja, Señorita«, antwortete der Pater. – »Aber sie sind ja offen, und ich sehe keine Hängeschlösser.« – »Sie gehören nicht dazu. Es ist an den Ringen eine geheime Mechanik angebracht, mit deren Hilfe sie verschlossen werden. Also, wollen die Herrschaften versuchen, wie man sich in einem solchen Loch befindet?« – »Ja, ich versuche es«, erwiderte Josefa. »Habe ich das getan, so fühle ich die Süßigkeit der Rache um so stärker.« – »Ich auch«, meinte Cortejo. – »So kommt! Setzt Euch nebeneinander hinein!«

Sie gehorchten diesem Gebot, zu diesem unsinnigen Verhalten durch die Größe und Stärke ihrer Rachsucht veranlaßt. Nach je zwei Griffen von seiten des Paters schlossen sich die eisernen Ringe um ihre Leiber.

»Herrlich!« meinte Josefa. »Man kann sich gar nicht bewegen. Wie aber bekommt man das Essen herein?« – »Durch das Loch in der Tür. Das Brot durch eine eiserne Gabel und das Wasser durch einen Schwamm, der einem an den Mund gehalten wird.« – »So ist es recht! Dann bin ich mit diesen Löchern zufrieden«, meinte Josefa. – »Ihr auch, Señor?« fragte der Pater ihren Vater. – »Ja; steckt die Kerle nur in keine besseren«, antwortete dieser. »Ja, sie werden vis-à-vis einquartiert.«

Der Pater öffnete da drüben vier Türen und leuchtete hinein. Diese vier Zellen waren größer und nicht mit Eisenringen, sondern mit Ketten versehen, die eine Bewegung gestatteten. Auch standen ein Kübel und ein Wassergefäß darin.

»Was! Da hinein sollen sie?« fragte Josefa. – »Allerdings, Señorita!« – »Aber dann haben sie es ja dort besser als hier!« – »Das ist auch meine Absicht«, antwortete er. »Ich will sie zwar festhalten, aber nicht geradezu töten.« – »Das ist ja gegen die Verabredung!« – »Ich entsinne mich keiner bezüglichen Verabredung. Übrigens bin ich in diesen Räumen Herr und kann tun was ich will. Es ist für die Gefangenen besser, sie treten freiwillig in ihre Zellen, als daß wir sie zwingen müssen.«

Die anderen blickten Sternau an.

»Gehorchen wir!« sagte er ruhig und kalt.

Dies waren die ersten Worte, die von ihm gehört wurden. Und zugleich tat er auch, was er gesagt hatte. Er trat in die Zelle und ließ sich die Ketten anlegen, worauf ihm die bisherigen Fesseln abgenommen wurden.

»Ich dächte, Ihr könntet uns vorher wieder losmachen, Señor!« meinte jetzt Cortejo zu dem Pater.

»Geduld!« antwortete dieser. »Wir sind jetzt zu sehr beschäftigt.«

Hilario und sein Neffe brachten nun auch die beiden Häuptlinge und Helmers in ihre Zellen, legten sie an die Ketten, nahmen ihnen die anderen Fesseln ab und schlossen dann die Türen von außen zu.

»Jetzt hole Brot und Wasser für sie«, gebot der Pater seinem Neffen.

Dieser entfernte sich.

»Na, endlich, Señor!« sagte Cortejo ungeduldig. – »Was?« fragte der Alte kaltblütig. – »Uns losmachen natürlich!« – »Uns? Ah! Wen meint Ihr damit?« – »Mich und Josefa, wie sich doch von selbst versteht!«

Da setzte der Pater seine Laterne zur Erde, lehnte sich an die Mauer des Ganges, schlug die Hände behaglich über der Brust zusammen und sagte:

»Aber, Señor, Ihr seid recht inkonsequent!« – »Wieso?« – »Ihr sagtet ja vorhin, daß Ihr mit Eurem Loch ganz zufrieden wäret, und Eure Tochter meinte ganz dasselbe.« – »Ja, zufrieden damit, daß die Gefangenen solche Löcher erhalten sollten.« – »Nun, das ist ja auch der Fall.« – »Sie haben ja bessere!« – »Nicht alle. Ihr zum Beispiel habt das Loch, das Euch so sehr gefallen hat. Und nun Ihr es habt, seid Ihr nicht mehr zufrieden. Ei, was soll ich da von Euch beiden denken.«

Vater und Tochter hatten noch immer keine Ahnung von dem, was der Pater eigentlich bezweckte. Der erstere sagte höchst ungeduldig:

»So macht uns wenigstens endlich los! Oder meint Ihr etwa, daß wir uns hereingesetzt haben, um hier sitzen zu bleiben?« – »Ja, das meine ich allerdings.«

Jetzt entstand eine kleine Pause, hervorgebracht durch den Schreck, der Josefa und ihrem Vater die Sprache raubte. Erst jetzt kam ihnen die Ahnung der fürchterlichen Falle, in die sie sich selbst begeben hatten.

»Seid Ihr verrückt!« rief endlich Cortejo. – »Ich? O nein! Aber Ihr seid geradezu verrückt gewesen, Euch, und noch dazu auf eine so ganz dumme Weise, in die Hände Eures ärgsten Feindes zu begeben. Ich sage Euch, daß Ihr dieses Loch niemals verlassen werdet.«

Da hielt es Cortejo für angezeigt, im bittenden Ton zu sagen:

»Treibt den Scherz nicht gar zu weit, Señor! Wir wissen nun, was wir wissen wollten, nämlich, wie es einem Menschen zumute ist, der verurteilt ist, in diesem Loch zu verschmachten.« – »Nein, Ihr wißt dies noch lange nicht. Das Verschmachten muß Euch ernstlich an die Seele treten, dann erst könnt Ihr es wissen.« – »Meinetwegen. Aber es ist genug für jetzt!« – »Es hat ja erst begonnen! Wartet noch eine Weile, nämlich einige Tage oder einige Wochen, dann wollen wir miteinander abermals über dieses Thema sprechen.«

Da stieß Josefa einen unartikulierten Schrei aus. Es war ihr die volle Erkenntnis dessen gekommen, was ihr bevorstand.

»Señor, Ihr seid ein Ungeheuer!« rief sie. – »Nicht schlimmer als Ihr!« antwortete er. – »Ihr dürft uns nicht verschmachten lassen!« – »Wer will es mir verwehren?« – »Ich kann es nicht aushalten!« – »Ganz richtig!« lachte er. »Das Verschmachten hält niemand aus!« – »Ich bin ja bereits krank.« – »Es ist Euch zu gönnen.« – »Habt doch Erbarmen mit uns!« bat Cortejo. – »Erbarmen? Habt Ihr Erbarmen mit mir gehabt? Habt Ihr Erbarmen gehabt mit einem einzigen Eurer vielen Opfer? Ich habe geschmachtet nach der Stunde der Rache. Sie ist gekommen, spät, sehr spät; aber es soll kein Gott und kein Teufel mir wehren, sie zu genießen. Zum Sündigen habt Ihr den Mut, die Strafe zu tragen, fehlt Euch die Courage. Schämt Euch! Nehmt Euch ein Beispiel an den vieren hier, die zu stolz sind, um einen Laut von sich zu geben!« – »Wenn Ihr mich loslaßt, erhaltet Ihr alle meine Reichtümer«, rief Cortejo in gräßlicher Angst. – »Zu diesem Handel ist es noch zu zeitig. Übrigens habe ich jetzt keine Zeit mehr, mit Euch zu verkehren. Euer Gefängniswärter kommt. Klagt ihm die Ohren voll!«

Damit schritt Hilario von dannen und traf auf seinen Neffen, der Brot und Wasser brachte. Er blieb bei ihm stehen und sagte:

»Cortejo erhält heute nichts und seine Tochter auch nicht.« – »Aber die anderen?« – »Ja. Sie bekommen Brot und Wasser hinein in die Zellen, so daß sie beides mit den Händen erreichen können.« – »Darf ich mit den Gefangenen sprechen?« – »Kein Wort. Du kommst mir sogleich nach.«

Hilario stieg nun nach seiner Wohnung empor, wo der Neffe sich sehr bald einstellte.

»Was sagten sie noch?« fragte er ihn. – »Die vier waren still. Die beiden anderen aber heulten und jammerten, daß mich meine Ohren schmerzten. Sollen sie wirklich unten bleiben?« – »Natürlich.« – »Um da zu sterben?« – »Das wird sich finden. Aber sagtest du nicht, daß die vier ihre Pferde in das Gebüsch geschafft hätten?« – »Allerdings.« – »Die Tiere könnten zu Verrätern werden.« – »Sie müssen fortgeschafft werden, aber wohin?« – »Gehe erst hin, um ihnen alles abzunehmen, dann schaffst du sie hinaus auf das weite Feld und läßt sie laufen.« – »Es ist wohl schade um sie. Man könnte sie ja verkaufen.« – »Du könntest dadurch leicht unglücklich werden. Jetzt ist es Nacht. Du hast Zeit, meinen Befehl auszuführen. Begnüge dich mit der Beute, die dir bereits geworden ist. Morgen magst du dann sehen, ob eine Spur der Señorita Emilia zu finden ist.«

Der Neffe blickte den Onkel erstaunt an.

»Der Señorita? Was hast du mit dieser zu schaffen?« fragte er. – »Geht das dich etwas an?« – »Ja, sobald ich nämlich nach ihrer Spur suchen soll.« – »Nun gut, so will ich dir sagen, daß ich sehr viel Grund habe, mich zu erkundigen, welches Unglück ihr widerfahren ist.« – »Warum?« – »Weil – weil sie deine Tante werden wird.«

Der Neffe öffnete den Mund wie einer, dem vor Erstaunen der Verstand stillsteht. Dann, als er sich wieder gefaßt hatte, fragte er:

»Meine Tante, sagst du?« – »Ja.« – »Das wäre ja deine Frau?« – »Allerdings!« – »Das soll wohl heißen, daß du sie heiraten willst?«

Der Alte schlug sich an die Brust und antwortete:

»Natürlich! Sie liebt mich ja!« – »Alle Teufel! Hat sie dir das gesagt?« – »Ja.« – »Selbst gesagt? Mit ihrem eigenen Munde gesagt?« – »Freilich! Und ich habe es mit meinem eigenen Gehör vernommen.« – »So ist an deinem Gehör irgend etwas aus dem Leim gegangen.« – »Ah! Glaubst du etwa, daß ich nicht heiraten könnte?« – »Oh, das glaube ich ganz gern.« – »Und zwar Señorita Emilia heiraten?« – »Ja, wenn sie nämlich mitmachte.« – »Du denkst, sie gäbe mir einen Korb?« – »Ich bin davon überzeugt.« – »So bist du der größte Esel, den es gibt. Du wirst in einigen Tagen eine Tante haben, um die dich ein jeder beneiden wird.« – »Warum nicht gleich? Warum erst in einigen Tagen?« – »Weil sie sich diese Bedenkzeit ausgebeten hat.« – »Bedenkzeit? O weh!« – »Sie hat es nur der Form wegen getan. Eine schöne Dame darf sich einem Mann doch nicht sofort überantworten und ergeben.« – »Wenn sie ihn liebhat, wird sie das gern tun. Oheim, es wird gar nicht nötig sein, nach dieser Señorita Emilia zu suchen.« – »Warum nicht?« – »Weil wir sie nicht finden werden. Sie ist dir echappiert, sie ist dir durchgebrannt, weil sie nicht meine Tante werden will.«

Jetzt war es der Alte, der den Mund aufsperrte.

»Wo denkst du hin!« sagte er endlich. »Sie hat ja noch ihre Sachen da.« – »Alle?« – »Nein, aber einige Kleinigkeiten.« – »Und das andere ist fort?« – »Leider.« – »Nun, so ist sie dir wirklich ausgekniffen. Sie hat sich heimlich entfernt und nur das Nötige mitgenommen, das Unnötige aber zurückgelassen.« – »Alle Teufel, wenn du recht hättest!« – »Ich werde nachforschen und dir dann das Resultat mitteilen.«


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