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3. Kapitel.

Josefa war an Händen und Füßen gefesselt und sah fürchterlich bleich aus.

Pedro Arbellez warf einen Blick auf sie und schloß die Augen, er mochte sie gar nicht mehr sehen. Auch Marie Hermoyes wandte sich zur Seite, nur Antonio, der Vaquero, sagte:

»Endlich haben wir dich, du Teufelin. Du wirst nie wieder meinen Herrn schlagen lassen und mich einkerkern können. Man wird dir dein Urteil sprechen. Ich möchte nicht an deiner Stelle sein!«

Josefa antwortete nicht, aber aus ihren runden Eulenaugen schoß ein giftiger, haßerfüllter Blick nach dem Sprecher.

»Wer wird sie verhören?« fragte Helmers. – »Verhören?« antwortete Büffelstirn, indem sich seine Brauen zusammenzogen. »Wozu soll sie verhört werden? Sie weiß, was sie verschuldet hat, und wir wissen es auch. Sie hat den Tod verdient.« – »Ja, den Tod!« sagte Bärenherz. – »Sie muß sterben, das versteht sich von selbst«, stimmte Helmers bei. – »Darüber sind wir also einig«, fuhr Büffelstirn fort. »Aber wo und wie soll sie sterben? Meine Brüder mögen beraten.« – »Ein einfacher Tod ist zu wenig«, erklärte Antonio, der Vaquero. – »Ihr Sterben soll ein zehnfaches sein«, antwortete Büffelstirn. »Ich weiß, welches Urteil wir über sie fällen müssen. Wir geben sie den Krokodilen zu fressen.« – »Das ist zu wenig«, fiel der Vaquero ein. »Was hätte sie da für Schmerzen auszustehen? Ein Druck und ein Schluck, dann ist sie weg. Das ist keine Strafe für alles das, was sie auf dem Gewissen hat.« – »Sie soll nicht schnell sterben, sondern die Krokodile sollen nach ihr springen müssen«, entgegnete Büffelstirn. »Wissen meine Brüder, was ich meine?« – Ja«, antwortete Helmers, »ich stimme bei.« – »Der Wille meines Bruders ist auch der meinige«, erklärte Bärenherz. – »Und was sagt der Fürst des Felsens dazu?« fragte der Mixteka.

Sternau schauderte, er dachte an die Szenen, die sich vor Jahren am Teich der Krokodile abgespielt hatten. Das war ein fürchterliches Urteil. Josefa hatte es verdient, dennoch antwortete er:

»Auch ich erkläre, daß sie den Tod verdient hat, aber ich werde meine Einwilligung zu einer solchen Grausamkeit nicht geben.« – »Mein Bruder tut unrecht, sie zu beschützen«, entgegnete Bärenherz. »Will er sie erschießen lassen? Eine Kugel wäre eine Belohnung für sie.« – »Es bleibt bei dem, was ich gesprochen habe«, erklärte Büffelstirn. – »Trotzdem ich meine Einwilligung versage?« fragte Sternau. – »Ja, trotzdem! Mein Bruder hat eine Stimme, wir aber überstimmen ihn, er wird sich in unseren Willen schicken müssen.« – »Nach den Gesetzen der Prärie und der roten Männer ist das richtig. Aber ich habe zu bemerken, daß ich ein größeres Recht als alle anderen auf dieses Mädchen habe.« – »Unser Recht ist ebenso groß!« erklärte Büffelstirn. – »Nein. Meine Brüder kennen die Geschichte der Familie Rodriganda. Es gibt da Geheimnisse, die aufzuklären sind, und Josefa Cortejo kann mir allein Auskunft geben. Es darf ihr nichts geschehen, bevor sie mir nicht alles gestanden hat. Das fordere ich ganz bestimmt.« – »Mein Bruder hat recht«, sagte auch Bärenherz. »Aber er braucht ja nicht zu säumen. Hier steht sie, er kann fragen, und dann mag sie sterben.«

Josefa hatte bisher kein Wort gesprochen. Sie hielt die Augen nicht niedergeschlagen, sondern trotzig in die Ecke gerichtet. Sie war sich in diesem Augenblick bewußt, daß ihr Leben für Sternau einen viel zu großen Wert habe, als daß er in ihren Tod willigen könne.

Sie sagte sich, so lange sie nicht gestehe, müsse er sie leben lassen; darum nahm sie sich vor, diesen Vorteil sich um keinen Preis entwinden zu lassen.

Sternau zeigte auf einen Stuhl.

»Setzt Euch, Señorita«, sagte er zu ihr. »Ich habe mit Euch zu sprechen!«

Josefa tat, als ob sie Sternaus Worte gar nicht gehört habe.

»Gut, Ihr werdet auch im Stehen reden können«, meinte er. »Ihr seid mit den Verhältnissen der Familie Rodriganda gut bekannt?«

Josefa antwortete nicht.

»Ich fragte, ob Ihr die Verhältnisse der Familie Rodriganda kennt!«

Sie schwieg auch jetzt noch. Da zog Sternau die Brauen finster zusammen und sagte:

»Ich sehe ein, daß man mit Euch anders verfahren muß. Ihr zwingt mich, Euch auf gewaltsame Weise zur Sprache zu verhelfen, die Euch abhanden gekommen zu sein scheint. Wollt Ihr reden?«

Josefa schwieg noch immer. Da rief Sternau zornig: »Antonio, führe sie hinab und gib ihr zwanzig Hiebe, aber ebenso fest wie diejenigen, die Señor Arbellez erhalten hat.«

Der Vaquero schmunzelte.

»Das soll sehr gewissenhaft besorgt werden, Señor«, antwortete er. »Soll ich sie wiederbringen?« – »Natürlich!« – »Schön! Vorwärts, Señorita! Ihr sollt nicht zu kurz kommen.«

Damit faßte der Vaquero Josefa am Arm, um sie zur Tür hinauszuführen. Als Josefa merkte, daß es ernst war, gab sie endlich ihren Trotz auf.

»Was soll ich von den Rodrigandas wissen«, sagte sie mürrisch. – »Ah! Jetzt ist die Sprache wieder da! Für dieses Mal will ich daher das von mir diktierte Rezept noch nicht in Anwendung bringen. Stellt aber meine Nachsicht nicht zum zweiten Male auf die Probe; es würde Euch nur schlecht bekommen! Also Ihr wißt nichts über die Verhältnisse der Rodrigandas?« – »Nur so viel, wie ich als Tochter eines Mannes weiß, der bei den Rodrigandas angestellt ist.« – »Nun, was ist das?« – »Was wollt Ihr erfahren?« – »Ich will kein langes Verhör anstellen, sondern mich kurz fassen. Ihr wißt, daß Alfonzo nicht der Sohn des Grafen Rodriganda ist.« – »Was soll er sonst sein?« – »Der Sohn eines anderen, Eures Onkels Cortejo.« – »Das ist lächerlich!«

Josefa schlug bei diesen Worten wirklich eine helle, höhnische Lache auf.

»Ihr werdet nicht lange lachen, Señorita. Ich sagte bereits, daß ich kein umfangreiches Verhör anstellen will. Ihr habt einfach zu wählen, zwischen dem Tode und einem offenen Geständnis.«

Sternau sah Josefa einen Augenblick erwartungsvoll an. Ihre Miene zeigte, daß ihre Zuversicht erschüttert war, aber dennoch fiel es ihr nicht ein, die Mahnung Sternaus zu beherzigen.

»Ich habe nichts zu bereuen und keine Bekenntnisse abzulegen.«

Nach diesen in trotzigem Ton gesprochenen Worten wandte sie sich ab, um anzudeuten, daß man nicht weiter in sie zu dringen brauche.

»Ganz, wie Ihr wollt, Señorita«, entgegnete Sternau. »Ihr mögt noch auf Rettung hoffen, aber die Erfüllung dieser Hoffnung ist eine Unmöglichkeit. Da Ihr selbst nichts tut, um das Euch drohende Schicksal von Euch abzuwenden, so dürft Ihr auch von mir nichts erwarten.«

Nun machte auch Büffelstirn eine Bewegung der Ungeduld.

»Wozu diese vielen Worte? Dieses Weib ist ja gar nicht wert, die Stimme eines Menschen zu hören.« – »Du hast recht«, antwortete Sternau. »Man schaffe sie fort! Ihr Anblick ist mir widerlich; er erregt in mir Grauen und Abscheu.« – »Wohin?« fragte der Vaquero. – »Schließt sie in den Keller ein, in dem Ihr selbst gesteckt habt. Zwei Männer mögen Wache halten. Sie haften mir mit ihrem Kopf dafür, daß die Gefangene nicht entkommt.« – »Das soll besorgt werden, Señor. Sie mag das Logis kennenlernen, das sie uns angewiesen hat. Soll sie auch hungern und dürsten?« – »Natürlich.« – »So kommt, meine schöne Señorita!«

Antonio legte die Hand an Josefa, um sie fortzuschaffen. Sie schüttelte jedoch mit einer schnellen Bewegung diese Hand von sich ab und sagte entrüstet:

»Wie, einsperren lassen wollt Ihr mich, Señor Sternau, mich, eine Donna? Mich, die Tochter eines Cortejo?« – »Nennt Euch um Gottes willen nicht Donna! Ihr seid ein Scheusal und die Tochter des größten Schurken, den ich kenne. Führe sie ab, Antonio!« – »Ich gehe nicht mit!«

Josefa stampfte mit dem Fuß, machte Miene, trotz ihrer gefesselten Hände sich zur Wehr zu setzen, und als Antonio dennoch die Hand ausstreckte, um sie anzufassen, spuckte sie ihm ins Gesicht und rief:

»Packe dich, Mensch, wie darfst du es wagen, mich anzurühren!«

Das war dem braven Vaquero denn doch zu viel. Er holte aus und gab Josefa eine Ohrfeige, die so kräftig war, daß die Getroffene zu Boden stürzte.

»Was? Anspucken willst du mich, Kanaille?« rief er wütend. »Das sollst du nicht zum zweiten Male wagen.«

Damit riß er sie empor und schaffte sie aus dem Zimmer. Die Ohrfeige hatte Josefa so eingeschüchtert, daß ihr alle Lust zum Widerstand vergangen war.


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