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4. Der Nugget-Arzt

Nach einer kleinen Weile hub einer der Zuhörer an:

»Habt eine traurige Geschichte erzählt, Mann. Glaube aber doch, Euch einen Trost geben zu können: der Kanada-Bill hat bereits seinen Lohn empfangen und sein böses Leben abgeschlossen.«

» All devils, was sagt Ihr da?«

»Ja, der Kanada-Bill ist tot, hat geendet in der Mission Santa Lucia bei Sacramento.«

»An was? Doch nicht an einer Krankheit? Einen solchen Tod hätte der Halunke nicht verdient.«

»Oh, so billig ist er nicht weggekommen. Er hat sein Ende einem Manne zu verdanken, dessen Namen wir alle kennen: Old Firehand.«

»Was? Old Firehand hat ihm das Handwerk gelegt? Wie ist das geschehen, Sir?«

»Das ist eine spannende Geschichte, die ich eigentlich hätte veröffentlichen sollen. Ich bin nämlich Schriftsteller, Mesch'schurs; es ist eigentlich von einem Bücherschreiber nicht klug, etwas mündlich zu erzählen, was er durch die Presse veröffentlichen will; das werdet ihr einsehen, Gents. Aber da wir heute so schön beim Erzählen sind und ich hier bei euch auch schon mancherlei Stoff für meine Feder geholt habe, will ich nicht grausam sein und euch berichten, was ich weiß.«

Er setzte sich zurecht und begann im Ton eines geübten und gewandten Erzählers:

»Es war im Hafen von Sacramento, in dem sich ein Bild von den lebhaftesten Farbentönen entwickelte. Die Menge, die sich geschäftig über den Kai ergoß oder lungernd umhertrieb, schien nicht aus den Bewohnern eines besonderen Distrikts oder gar einer einzelnen Stadt zu bestehen, sondern glich eher einem Karneval, der die Vertreter aller Nationen für kurze Zeit vereinigt hat.

Hier stand eine Gruppe magerer Yankees in dem unvermeidlichen schwarzen Frack, den hohen Zylinderhut weit nach hinten auf den Kopf gedrückt, die Hände in den Taschen, und goldene Ketten, Tuchnadeln, Hemdknöpfchen und Uhrgehänge eingehakt. Dazwischen drängte sich ein kleiner Schwarm Chinesen herum in ihren blauen Kattunjacken und weiten, weißen Hosen, die langen Zöpfe wohl gepflegt und geflochten. Südseeinsulaner waren da, die scheu, verlegen und verwundert auf dem fremden Boden einhergingen und, wenn ihnen etwas nach ihren Begriffen gar zu Absonderliches in die Augen sprang, die Köpfe leise flüsternd zusammensteckten. Mexikaner stolzierten umher mit ihren an der Seite bis oben hin aufgeschlitzten und mit silbernen Knöpfen besetzten Samthosen und den kurzen, ebenso verzierten Jacken, den breitrandigen Wachstuchhut auf dem Kopf. Kalifornier mit ihren langen, in den prachtvollsten Farben gewebten Ponchos, die ihnen fast bis an die Knöchel herabreichten; schwarze Ladies und Gentlemen, nach tausend Wohlgerüchen duftend und in dem überzeugendsten Putz steckend; ernste Indsmen, die mit würdevollem Schritt durch die Menge stiegen; gemütliche Deutsche, Engländer mit Kotelettenbärten und riesigen Zwickern auf der Nase; bewegliche, kleine Franzosen, zankend, erzählend, rufend und aufs lebhafteste mit den Armen fuchtelnd; rothaarige Irländer, nach Aguardiente »Feuerwasser« = Schnaps. duftend; Chilenen in ihren kurzen Ponchos; Trapper, Squatter, Backwoodsmen in ihren ledernen Jagdhemden, die lange Büchse noch auf der Schulter, wie sie gerade über das Felsengebirge gekommen waren; Mestizen und Mulatten in allen Farbenstufen und Schattierungen, und dazwischen die aus den Minen oft mit schweren Beuteln von Gold zurückgekehrten Goldwäscher in phantastischen Kostümen, in ihren Kleidern auf das entsetzlichste abgerissen, mit geflickten Hosen, Röcken, Westen und Jacken, mit zerrissenen Stiefeln, aus denen die nackten, strumpflosen Zehen hervorblickten, und Hüten, die monatelang am Tage der Sonne und dem Regen getrotzt und dann des Nachts als Kopfkissen gedient hatten. Und in den kleinen Gruppen standen dabei die Eingeborenen des Landes, die eigentlichen, rechtmäßigen Herren des Bodens und doch vielleicht die einzigen vollständigen Besitzlosen in der ganzen Masse, die ihr Leben jetzt durch Tagelohn kärglich fristen mußten.

Und dieser bunten Völkermischung schlossen sich allerlei achtunggebietende glänzende Gestalten an: amerikanische und englische Seeleute mit breiten Schultern, riesigen Fäusten und herausforderndem Blick, und eine Anzahl spanischer Marineoffiziere, die in ihren blitzenden, goldgestickten Uniformen von San Francisco herbeigekommen waren, um sich einmal das geschäftige Treiben in der Nähe der Golddistrikte anzusehen.

Man hätte sagen können: »Wer zählt die Völker, nennt die Namen?«

Und was hatte all diese Bestandteile einer vielgestaltigen anthropologischen Mischung herbeigetrieben? Nichts andres als – das Gold.

Die Ansiedlung von Oberkalifornien, die im Jahre 1768 von Mexiko aus geschah, hatte das Land unter die weltlich-geistliche Herrschaft der Missionäre gebracht. Die Jesuiten waren treffliche Volkswirtschaftler und errichteten an vielen geeigneten Orten Klöster und Missionen zur Ausübung ihrer Propaganda.

Als die Herrschaft der Priester durch die mexikanische Zentralregierung im Jahre 1823 gestürzt wurde, weigerten sich die Missionäre zum großen Teil, diese Regierung anzuerkennen, und verließen das Land. Die wenigen, die blieben, hatten ihren Einfluß verloren, fristeten ein kümmerliches Leben und verschwanden nach und nach auch.

Nicht weit von Sacramento lag ein mehrere Stockwerke hohes, mächtiges Gebäude, das einen großen Hof umschloß; seine nach der Stadt zu gelegene Seite wurde von der altertümlichen, aus ungebrannten Backsteinen aufgeführten Kirche begrenzt.

Dieses Gebäude war die Mission ›Santa Lucia‹, deren ganze, kasernenartige Räumlichkeiten in der letzten Zeit nur von zwei Personen bewohnt waren: einem alten, ehrwürdigen Geistlichen und einem Deutschen, der eigentlich Karl Werner hieß, von denen, die mit ihm verkehrten, aber nach seinem Vornamen nicht anders als Sennor Carlos genannt wurde und das Faktotum des Pfarrers war.

Da wurden die Goldfelder Kaliforniens entdeckt, und die Nachricht von den in den Bergen liegenden fabelhaften Schätzen rief eine Einwanderung hervor, die zunächst aus dem benachbarten Mexiko und den Vereinigten Staaten ihre Scharen herübersandte, bald aber das Land mit den Kindern aller Weltteile überschwemmte. Den zunächst herbeieilenden Abkömmlingen der alten spanischen Konquistadoren folgten Sandwich-Insulaner, dann Australier und Europäer, und selbst chinesische Kulis schwärmten herüber, um ihren Teil von dem Gold zu holen und reiche Leute zu werden.

San Francisco war der Hauptsammelpunkt der Fremden, von wo aus sie weiter nach Norden oder in das Innere des Landes gingen. Sacramento war einer der hervorragendsten Nebenpunkte.

Die Zahl der Menschen wuchs von Tag zu Tag, und da die einsetzenden Regen ein Lagern im Freien nicht gestatteten, aber auch nicht jeder ein Zelt oder eine sonstige Wohnung mit sich führte, so wurde alles, was zur Herberge dienen konnte, in Anspruch genommen.

Auch die alte Mission ›Santa Lucia‹ erlitt ein solches Schicksal, das mit ihrer ursprünglichen Bestimmung so wenig Aehnlichkeit hatte.

Ein Franzose aus dem Elsaß errichtete unten in einem der Flügel eine Brauerei, mauerte einen riesigen Kessel ein und fing an, ein Getränk zu kochen, das er mit Verwegenheit Bier nannte. In der vorderen Flanke, gerade neben der Kirche, setzte sich ein Amerikaner fest und errichtete eine Gastwirtschaft, wobei er es für außerordentlich zweckmäßig fand, einen Teil des Kirchenschiffes in einen Tanzsaal umzuwandeln, in dem allwöchentlich einige »Reels«, »Hornpipers« oder »Fandangos« abgehalten werden konnten. Dadurch wurde ein unternehmender Irishman aufmerksam gemacht, an die andre Seite der Kirche eine Branntweinkneipe setzen zu lassen.

Von dem untern Teile des andern Seitenflügels nahm ein Engländer Besitz, der sich mit einem schlauen New-Hampshireman vereinigte, Chinesen herbeizuschaffen, ein Geschäft, bei dem sich die beiden Gentlemen, wie sich bald zeigte, sehr gut standen. So ging es fort, und nicht lange dauerte es, so war die alte Mission außer dem obersten Bodenraum des einen Flügels vollständig in Anspruch genommen.

Der alte Pfarrer konnte nichts dagegen tun. Anfangs hatte er, nicht imstande, Gewalt anzuwenden, eine Anzahl Prozesse angestrengt, um die Lästigen aus dem frommen Hause abzuhalten; aber nur zu bald sollte er die traurigen Folgen kennen lernen, denn er fiel dadurch einer ganzen Schar von Geiern in die Hände, die alle Zahlung von ihm wollten, ohne daß sie aber das geringste für ihn ausgerichtet hätten.

Dadurch wurde ihm die »Santa Lucia« verleidet, und eines schönen Morgens war er spurlos verschwunden. Es hatte auch niemand Lust, nach ihm zu forschen, und so blieb von den ursprünglichen Bewohnern nur Sennor Carlos zurück, der mit seiner Frau und Anita, seiner Tochter, ein paar kleine Stuben des Erdgeschosses neben der Brauerei bewohnte.

Aber auch der Bodenraum sollte einen Besitzer finden. Angeblich von Buenos-Aires war ein Mann nach Sacramento gekommen, der aus Cincinnati stammte und sich Doktor White titulierte; ob er in Wirklichkeit Arzt sei, danach wurde er von niemand gefragt. Er wollte in Sacramento ein Hospital gründen, fand aber keinen geeigneten Platz dazu und kam nun zur Mission geritten, wo er die Dachräume, da er keinen Menschen fand, dem er sie abmieten konnte, einfach mit Beschlag belegte. Er war ein praktischer Mann, der recht gut wußte, daß in diesem Lande das Recht des gegenwärtig Besitzenden nur schwer anzutasten war.

Schon am nächsten Tag traf eine Anzahl von Maultieren mit wollenen Decken und Matratzen ein, hinter denen eine Schar von Mexikanern die nötigen eisernen Bettstellen herbeitrug. Noch vor Abend standen zwanzig Betten dort oben unter dem alten, schadhaften Ziegeldach auf dem offenen Boden, durch den der oft stürmische Wind nach allen Richtungen hin seinen Durchzug hatte und auf dem es zur Regenzeit eine ganz heillose Ueberschwemmung gab. Das war nun das Hospital, das seiner unglücklichen Patienten harrte.

Diese stellten sich auch nur zu bald ein.

So gesund das Klima in Kalifornien an und für sich auch ist, in den Minen gibt es doch stets der Kranken mehr als genug. Die wilde, unregelmäßige Lebensart trägt ebensoviel wie die schwere, für Tausende ungewohnte Arbeit und die vielen Regengüsse dazu bei, viele, besonders hitzige Fieber zum Ausbruch zu bringen, die für den Betroffenen aus Mangel an Pflege und ärztlicher Behandlung nur zu oft einen schlimmen und tödlichen Ausgang nehmen.

Da waren diejenigen noch glücklich zu preisen, die von der Krankheit nicht allein und in der Wildnis befallen wurden, sondern Freunde fanden, die sie aus den Bergen und Schluchten wieder in den Bereich der Zivilisation und ordentlichen Pflege brachten. Die meisten freilich fanden bei den Minen nichts als sechs Fuß Erde über sich und einen armen Ring von Steinen um das enge Grab. Viele starben unterwegs oder lebten gerade lange genug, um mit dem letzten brechenden Blick eine menschliche Niederlassung zu erfassen, und nur wenigen gelang es, wieder hergestellt zu werden, um mit gekräftigtem Körper ihre Arbeit aufs neue beginnen zu können.

Eines aber büßte jeder Kranke sicher ein: das mitgebrachte Gold.

In damaliger Zeit wurde die Arznei geradezu mit Gold aufgewogen, und ein tüchtiger Arzt hatte seine einträglichste Mine in den Krankheiten seiner Patienten. Wie viele Quacksalber gab es, die dies zu benutzen verstanden und bei denen vielleicht mancher Kranke nur deshalb starb, weil er Gold besaß, das er im Falle der Genesung wieder mitgenommen hätte! – – –

Die Anhöhe zur Mission hinauf schritt ein kräftig gebauter Jüngling, dessen lichtem Haar, regelmäßigen Gesichtszügen und von Gesundheit roten Wangen man die germanische Abstammung sofort ansah, obwohl er die bequeme mexikanische Kleidung trug.

An den Mezquitebüschen, die die Mission umzogen, blieb er stehen und wandte sich nach Westen.

Der Abend nahte, und die Sonne tauchte ihre schimmernden Gluten in die strahlende Flut; vor ihm lag die Stadt, von funkelndem Licht übergossen, und die Fenster des alten Gemäuers warfen ihren blitzenden Widerschein in die Ferne hinaus.

Er ließ sich auf den weichen Rasen nieder und versank so tief in den Anblick, daß er die leichten Schritte nicht vernahm, die sich ihm von seitwärts her näherten.

Ein kleines Händchen legte sich auf seine Schulter, und ein Köpfchen bog sich zu ihm herab. Er hörte die Worte:

»Willkommen auf der Mission, Sennor! Warum seid Ihr so lange Zeit nicht hier bei uns gewesen?«

»Ich war in San Francisco, Sennorita, wo ich allerlei Geschäfte hatte,« antwortete er.

»Und wo Ihr den Sennor Carlos mitsamt seiner armen, kleinen Anita vollständig vergessen habt!«

»Vergessen? Per dios, nein, und tausendmal nein! Anita, wie könnte ich jemals Euer vergessen?«

Sie ließ sich ohne Ziererei an seiner Seite nieder. »Habt Ihr wirklich an mich gedacht, Sennor Eduardo?«

»Bitte, Anita, sprecht meinen Namen deutsch aus; ich höre ihn dann so gern aus Eurem Munde. Und fragt nicht erst, ob ich an Euch denke! Wer hat sich meiner angenommen, als ich, durch böse Menschen um Hab und Gut gebracht, hier ankam, als Euer Vater? Und wer hat dann, als mich die Entbehrung und die erlittenen Strapazen auf das Krankenlager warfen, mich gepflegt wie einen Sohn oder einen Bruder? Ihr und Eure Mutter! Und wen habe ich hier im fremden Lande, zu dem ich gehen und mir Rats erholen kann, als Euch? Anita, ich werde Euch nie vergessen!«

»Ist das wahr, Eduard?«

»Ja,« antwortete er einfach, indem er ihre Hand ergriff und ihr voll und offen in die Augen blickte.

»Auch dann nicht, wenn Ihr wieder in die Heimat kommt?«

»Auch dann nicht! Ich habe Euch ja gesagt, Anita, daß ich nicht ohne Euch in die Heimat zurückkehren werde; habt Ihr das vergessen?«

»Nein,« antwortete sie.

»Oder leuchtet jetzt die Sonne Eurer Teilnahme für einen andern?«

»Für einen andern? Wer sollte das sein?«

»Es ist der Arzt da droben, der Doktor White.«

»Der –?« fragte sie gedehnt. »Wer möchte wohl die Sonne dieses dürren Master Chinarindo sein! Wenigstens meinetwegen könnte er im Dunkeln bleiben, so lange es ihm gefällt!«

»Anita, ist das wahr?« rief der junge Mann.

»Warum möchtet Ihr meinen Worten keinen Glauben schenken?«

»Weil ich weiß, daß er Euch nachgeht auf Schritt und Tritt und bei Euren Eltern gern gesehen ist.«

»Daß er mir nachgeht, kann ich nicht leugnen; aber daß ich ihm ausweiche, so viel nur möglich, ist ebenso sicher. Auch das ist wahr, daß ihm Vater nicht gram ist; er hat ihm viel von einem großen Vermögen vorgeschwatzt und will mit uns hinüber in die Heimat, nach Deutschland gehen, wenn er genug erworben hat.«

»Nach Deutschland? Will denn Euer Vater hinüber in die Heimat?«

»Ja. Seit die Mission zur Kaserne für jedermann geworden ist, gefällt es ihm nicht mehr. Aber wir sind arm und Vater ist zu alt, um noch so viel zu erwerben, daß wir fortkönnten, und da – –«

»Und da – –?«

»Und da denkt er, daß ein wohlhabender Schwiegersohn ihm diesen Wunsch erfüllen könne.«

Eduard schwieg eine Weile. Dann fragte er: »Würde Euer Vater Eure Hand dem Doktor geben?«

»Ja. Doch ich mag ihn nicht leiden, und die Mutter auch nicht.«

»Aber mich könntet Ihr wohl leiden?«

Sie nickte. Er ergriff jetzt auch ihre andre Hand und sagte:

»Mir ist immer so gewesen, als ob wir zusammengehörten für das ganze Leben. Du bist so fromm, so gut, und ich möchte immer, immer bei dir sein. Darf ich das deiner Mutter sagen, die den Arzt da oben nicht leiden kann?«

»Ja.«

»Jetzt gleich?«

»Jetzt gleich!«

»So komm!«

Er erhob sich, und sie folgte ihm. Sie gingen miteinander durch das Tor und schritten über den Hof weg der Tür zu, die zur Wohnung Werners führte. Vom Flur aus vernahmen sie eine harte, spitze Stimme, die in eindringlichem Ton sprach.

»Der Doktor ist drin,« meinte Anita.

»Komm; wir treten in die Küche und warten, bis er sich entfernt hat!«

Sie taten es und vernahmen nun jedes Wort des zwischen White und den Eltern geführten Gesprächs.

» Damn it, Master Carlos, meint Ihr etwa, daß ich den Beutel nicht offen zu halten verstehe?« fragte jener. »Die Medizin ist mehr wert als das beste Placement droben bei den Miners, und sobald ich genug habe, gehen wir fort von hier nach New York oder Philadelphia und von da noch weiter, wohin Ihr wollt. Ist's Euch recht?«

»Hm, recht wär's mir schon, wenn ich nur auch wüßte, daß Ihr Wort haltet!«

»Teufel! Haltet Ihr mich für einen Lügner?«

»Nein. Ihr habt mir noch keine Veranlassung dazu gegeben. Aber das alte Kalifornien ist in neuerer Zeit sehr dazu angetan, einen mißtrauisch oder wenigstens vorsichtig zu machen.«

»So will ich Euch Sicherheit geben! Ich kann ohne Frau mein Geschäft nicht länger mehr fortsetzen, und Eure Tochter hat ein verteufelt einnehmendes Gesicht, so daß ich glaube, ich bin ihr gut über alle Maßen. Gebt sie mir zum Weibe, und ich versichere Euch, ich mache sie zu meinem Buchhalter und übergebe ihr sogar die Kasse. Ist Euch das nicht genug?«

»Hm, ja. Aber habt Ihr denn schon mit dem Mädchen gesprochen?«

»Nein, scheint mir auch nicht nötig zu sein. Der Doktor White ist schon der Mann, ein Mädchen zu bekommen, wenn er sie überhaupt haben will, und gegen Euern Willen wird sie auf keinen Fall schwimmen können.«

»Das ist wohl wahr, aber ich denke, daß sie bei so einer wichtigen Sache ihren Willen ebensogut haben muß wie ich den meinen, und so gern ich ja sage; wenn sie dagegen ist, so unterbleibt's. Also sprecht vorher mit ihr, Doktor, und kommt dann wieder!«

»Soll gleich geschehen; habe nicht viel Zeit zu solchen Sachen übrig, habe einundzwanzig Patienten oben liegen, die mir viel zu schaffen machen. Wo ist sie?«

»Weiß nicht; vielleicht draußen vor dem Tor.«

»Schön! Muß sie finden; werde nach ihr suchen.«

Er wandte sich nach der Tür, blieb aber überrascht stehen, denn vor ihm standen Anita und Eduard, die in diesem Augenblick aus der Küche getreten waren.

»Hier ist sie, die Ihr sucht, Master Doktor,« meinte der junge Mann, »und die Angelegenheit, die Ihr mit ihr besprechen wollt, wird nicht viel Zeit wegnehmen.«

»Wieso, wie meint Ihr das, Sennor Eduardo?« fragte White, der seinen Nebenbuhler wohl kannte, da er ihn fast täglich bei Anitas Eltern getroffen hatte.

»Ich meine, daß Ihr zu spät kommt, da ich soeben mit Anita einig geworden bin. Sie hat keine Lust, Frau Doktorin zu werden, und will es lieber einmal mit mir versuchen.«

»Ist das wahr, Anita?« Werner erhob sich vor Ueberraschung und warf die ausgeglimmte Zigarette aus der Hand.

»Ja, Vater. Oder ist es dir nicht recht so?«

»Recht? O, recht würde es mir schon sein, denn ich habe den Jungen selber lieb; aber was tut ihr mit der bloßen Liebe in einem Land, wo Weg und Steg mit blanken Dollars bepflastert sind? Sennor Eduardo ist noch jung; er kann es noch zu etwas bringen, wenn er sich nicht vorzeitig an ein Mädchen hängt. Der Doktor aber weiß schon längst, was er hat; das ist der Unterschied, Anita! er will mit nach Deutschland gehen und – –«

»Eduard geht auch mit,« unterbrach ihn das Mädchen; »er will – –«

»Kann er denn? Es gehört mehr dazu als der gute Wille.«

»Sennor Carlos,« meinte Eduard jetzt, »es ist jetzt nicht der Augenblick, uns in der richtigen Weise auszusprechen. Aber sagt mir einmal aufrichtig: würdet Ihr mir Anita geben, wenn ich weniger arm wäre als jetzt?«

»Ja.«

»Und wie viel müßte ich haben?«

»Hm, das ist schwer zu sagen! Je mehr, desto besser; wenigstens aber müßte es zulangen, um die Heimat erreichen und dort ein Gütchen oder so etwas kaufen zu können.«

»Und werdet Ihr mir Zeit geben, so viel zu erwerben?«

»Zeit? Wie lange meint Ihr denn?«

»Sechs Monate!«

»Hm, das ist nicht übermäßig lang. Was sagt Ihr dazu, Doktor?«

» Damn it, das klingt grad wie ein trockenes, regelrechtes Geschäft; erlaubt, daß ich beitrete!«

»Das sollt Ihr!«

»So will ich Euch einen Vorschlag machen, Master Carlos!«

»Welchen?«

»Ihr wollt doch wohl hinauf nach den Minen, Master Eduardo?« fragte er höhnisch, sich zu dem jungen Mann wendend.

»So ist es.«

» Well, Sir; wir geben Euch sechs Monate Zeit. Kommt Ihr bis dahin mit dreitausend Dollars zurück, so ist Miß Anita Euer, und ich sage kein Wort dagegen. Kommt Ihr aber nicht, oder mit weniger, so ist die Miß mein. Seid Ihr einverstanden, Master Carlos?«

»Vollständig, vorausgesetzt, daß Eure Verhältnisse so sind, wie Ihr sie mir beschrieben habt!«

»Sie sind so. Also wir sind einig. Good bye; ich muß zu meinen Fieberkranken.« – – –

Es vergingen Monate und wieder stieg ein junger Mann die Anhöhe nach der Mission hinauf und wandte sich am Mezquitegebüsch nach der hinter ihm liegenden Landschaft um. Es war nicht Eduard, obgleich die ausbedungenen sechs Monate bis auf einige Tage vergangen waren, sondern ein andrer.

Nachdem er sein Auge an dem sich ihm bietenden Panorama gesättigt hatte, ging er durch das Tor über den Hof und traf unter dem Eingang des Seitenflügels mit Anita zusammen. Er fragte sie:

»Könnt Ihr mir vielleicht sagen, Sennorita, ob hier der Doktor White zu finden ist?«

»Er wohnt hier. Steigt hinauf bis unter das Dach; dann seid Ihr in seinem Hospital, wo Ihr ihn sicher treffen werdet.«

Er folgte der Weisung und stieg höher und immer höher empor, bis er auf den Bodenraum gelangte, wo er zwei Reihen Betten erblickte, zwischen denen sich die Gestalt des Doktors bewegte. Der Raum war ein an und für sich nicht sehr heller, und da es draußen bereits zu dunkeln begann, so ließen sich die Gegenstände nicht genau unterscheiden.

White bemerkte den Fremden und trat herbei. »Was wollt Ihr, Sennor?« fragte er.

Der Gefragte horchte bei dem Klang dieser Stimme auf und fragte gespannt: »Ihr seid Master White, der Doktor, Sir?«

»Ja.«

»Ich bin Pharmazeut, habe mein Glück in Kalifornien aus der Erde graben wollen, aber nichts gefunden, und bin dann zum Vermittlungsamt gegangen, um mir ein Placement zu suchen. Dort wurde mir gesagt, daß Ihr einen Krankenwärter braucht, und so bin ich zu Euch hinaufgestiegen, um zu sehen, ob die Stelle noch offen ist.«

»Sie ist noch unbesetzt. In welchem Ort und welcher Offizin habt Ihr gearbeitet?«

»Hm,« antwortete der Fremde bedächtig, indem er rasch über die ersten Namen hinwegging, auf den letzten aber eine hörbar absichtliche Betonung legte. »In New York, Pittsburg, Cincinnati und zuletzt in Norfolk, Nordkarolina, bei Master Cleveland.«

»In Norfolk bei Master Clev – – –«

Er trat rasch näher, um das Gesicht des Fremden besser sehen zu können, und fuhr dann erschrocken zurück:

»Bei allen Teufeln, der verdammte Deutsch – – wollte sagen, Master Gromann, der mit mir zu gleicher Zeit dort – – aber kommt doch einmal mit hinunter in meine Wohnung, Sir! Es freut mich wirklich unendlich, in dieser entlegenen Gegend so unerwartet einen Kollegen zu finden, der mit mir an einem und demselben Platz tätig war!«

Er konnte das sehr zweideutige Lächeln in den Zügen des andern nicht sehen und stieg eine Treppe tiefer, wo er ein Zimmer betrat und Licht machte. Der kleine Raum bildete augenscheinlich Wohn- und Schlafzimmer zu gleicher Zeit.

»So, setzt Euch nieder und erzählt! Wie ist es in Norfolk gegangen, nachdem ich fort war? Ich hatte einen kleinen Zwist mit dem Prinzipal, weshalb ich im Aerger ohne Kündigung fortging. Ich hoffe, es geht dem alten Master Cleveland gut!«

»Gut? Es hat überhaupt bei ihm aufgehört, zu gehen. Als Ihr fort wart, hatte sich unbegreiflicherweise auch die Kasse mit sämtlichen Wertpapieren, die in besonderer Verwahrung lagen, entfernt. Der Mann war dadurch ruiniert und hat sich nicht darüber wegsetzen können. Er ist tot.«

»Ist's möglich! Was Ihr sagt! Hm, der Alte hat niemals so recht fest gestanden und niemand in seine Verhältnisse blicken lassen. Ich glaube daher sehr, daß die Entfernung der Kasse nur ein kleiner Kunstgriff von ihm selbst gewesen ist. Daß ich mich hier als Arzt niedergelassen habe, darf Euch nicht wundern. Es fragt hier kein Mensch nach dem Diplom, und die Sache ernährt ihren Mann. Also Ihr kommt nach der Stelle?«

»Ja; aber sagt mir, Dare, wie Ihr zu den Mitteln kamt, eine solche Anstalt zu gründen, und warum Ihr nicht Euren richtigen Namen beibehieltet!«

»Hm, die Mittel habe ich mir droben in den Minen geholt, und der Name wurde umgeändert, weil White gelehrter klingt als Dare. Aber um wieder auf die Stelle zu kommen, so sollt Ihr sie haben, vorausgesetzt, daß Ihr mir keine Veranlassung zur Klage gebt. Arbeitet Ihr Euch gut ein, so ist es sogar möglich, daß Ihr meine rechte Hand und vielleicht sogar mein Teilhaber werdet.«

»Habt Ihr Wohnung für mich?«

»Es wird sich wohl Rat schaffen lassen. Also schlagt Ihr ein?«

»Natürlich!«

»Topp!«

»Sollt Euch nicht über mich zu beklagen haben. Bin auch genugsam herumgeworfen worden, so daß mir nicht viel daran liegt, an die Vergangenheit zu denken.«

Gromann wurde angestellt und nach und nach in die verschiedenen Geheimnisse der Hospitalverwaltung eingeweiht. Der Doktor war gezwungen gewesen, ihn anzustellen, beruhigte sich aber bei der Beobachtung, daß sein Assistent selbst solche Vorkommnisse ganz an ihrem Platz fand, die der Oeffentlichkeit vorsichtig entzogen werden mußten.

White hatte jetzt mehr Muße und benutzte diese zu häufigen Besuchen bei Sennor Carlos, in dessen Vertrauen er sich mit schlauer Berechnung einzuarbeiten wußte. Der Vater berücksichtigte auch nicht im mindesten, daß der Arzt viele Jahre älter war als seine Tochter, und ein Wesen und Auftreten besaß, das jedermann abstoßen mußte.

Endlich waren die sechs Monate vergangen, ohne daß Eduard sich sehen ließ. Daß weder eine briefliche Nachricht noch sonst ein Lebenszeichen von ihm gekommen war, hatte Anita wenig beunruhigt; sie wußte, daß die Postverbindung mit den Minen eine äußerst unvollkommene war und fast in Privathänden ruhte, so daß man auf den richtigen Empfang eines Briefes nie rechnen konnte. Es kam sogar häufig vor, daß Leute, die mit der Besorgung von Briefen und Geldsendungen beauftragt waren, entweder unterwegs überfallen, beraubt und totgeschlagen wurden oder ein Schiff suchten und mit den ihnen anvertrauten Geldern durchgingen.

Heut nun war der letzte Abend, und Eduard kam noch immer nicht. Das Mädchen wurde von einer fürchterlichen Unruhe hin- und hergetrieben. Auch dem Doktor ging es so. Bis jetzt hatte er alle Aussichten für sich, aber sein Nebenbuhler konnte jeden Augenblick noch kommen, und das – das mußte verhütet werden. Er übergab die Patienten dem Assistenten und verließ die Mission.

Die Kranken konnten mit der Anstellung Gromanns, der den Hilflosen als ein rettender Engel erschienen war, sehr zufrieden sein. Indem er dem Doktor sich gegenüber vollständig gehorsam und willenlos zeigte, handelte er hinter dessen Rücken ganz nach eigenem Ermessen und hatte die Ueberzeugung, daß ihm mancher Patient, der von White dem Tod geweiht war, das Leben und Eigentum zu verdanken haben werde. – – –«

Der Erzähler ließ eine Kunstpause eintreten, während der er sich eine neue Zigarre ansteckte. Dann nahm er den Faden wieder auf:

»Also ich habe Euch berichtet, daß Doktor White die Kranken seinem Assistenten übergeben habe und fortgegangen sei. Die Unruhe ließ ihn nicht bleiben, denn obgleich es bereits der Abend des letzten Tages und die sechsmonatliche Frist bis auf wenige Stunden verstrichen war, konnte sein Nebenbuhler doch noch kommen. Es trieb ihn also von der Mission fort nach der Stadt und nach dem Bahnhof, wo er den bald fälligen letzten Abendzug, der aus den Minen kam, erwarten wollte.

Es dauerte auch nicht lange, so kam er, und wer stieg aus? Mister Eduard, der sich also doch noch zur rechten Zeit einstellte. Als er schon vor dem Wagen stand, drehte er sich noch einmal um und grüßte hinein, als ob er sich von jemandem verabschiede; dann schritt er fort. White ging kurz entschlossen auf ihn zu und sagte zu ihm:

»Wahrhaftig, da kommt Ihr doch noch angefahren! Schon glaubten wir, Ihr würdet die Frist nicht innehalten. Die Hauptsache ist nun, ob Ihr auch glücklich gewesen seid und Gold gefunden habt.«

»Ich war glücklich, über alles Erwarten glücklich,« lautete die frohe Antwort.

»Habt Ihr dreitausend Dollars?«

»Mehr, noch viel mehr!«

»Das ist kaum zu glauben! Andre arbeiten jahrelang in den Diggins und setzen die Gesundheit und das Leben daran, ohne etwas zu finden; Ihr aber geht nur auf einige Monate hin und kommt gesund und reich zurück! Doch, das ist nun nicht zu ändern, und ich muß zurücktreten. Geht Ihr gleich von hier nach der Mission?«

»Ja.«

»Ich auch. Wir gehen also miteinander. Kommt!«

Sie entfernten sich, ohne daß White auf den Mann achtete, mit dem Eduard noch zuletzt gesprochen hatte und der inzwischen auch ausgestiegen war. Eduard hatte Sehnsucht, zu Anita zu kommen und sie von der Sorge zu befreien, die sie gewiß um ihn hatte; darum ging er sehr schnell. Doch hatte er vorerst noch einige Besorgungen in der Stadt zu machen, die sehr aufhielten, und als sie diese hinter sich hatten, war es bereits dunkel um sie her. White konnte somit, ohne daß sein Begleiter es bemerkte, einen Revolver aus der Tasche ziehen und die Sicherung daran zurückschieben.

»Also glücklich seid Ihr gewesen?« sagte er. »Wer hätte das gedacht! Nun habe ich freilich das Nachsehen, denn Ihr habt mich aus dem Felde geschlagen. Habt Ihr allein in den Minen gearbeitet, oder hattet Ihr Kollegen?«

»Allein.«

»Was? Ihr versteht doch nichts von der Sache! Da ist es freilich ein großes Glück, ein ganz außerordentlicher Zufall, daß Ihr gleich auf eine Stelle geraten seid, wo Ihr einen solchen Fund machtet.«

»Es war kein Glück und kein Zufall, denn die Stelle wurde mir gezeigt.«

»Gezeigt? Unmöglich! Es wird niemals einem Digger einfallen, einem andern eine Fundstelle zu verraten.«

»Der es tat, war kein Digger, kein Goldgräber.«

»Was denn?«

»Er war ein Indianer.«

»Wirklich? Dann ist es recht verwunderlich. Ja, es gibt Indianer, die wissen, wo Gold liegt; aber es fällt ihnen nicht ein, dies einem Weißen zu sagen.«

»Dieser Indianer brauchte kein Gold; er war ein großer und berühmter Häuptling der Apatschen.«

»Wie hieß er?«

»Intschu-tschuna.«

»Alle Teufel! Intschu-tschuna! Wie seid Ihr denn mit diesem zusammengekommen?«

»Durch einen weißen Jäger, einen Freund von ihm, mit dem er sich in den Diggins befand.«

»Wie hieß dieser?«

»Old Firehand.«

»Ah – – – –!«

Der arglose Eduard bemerkte gar nicht, welchen Eindruck diese beiden Namen auf White machten; er fuhr ganz unbefangen fort:

»Ich traf diesen Old Firehand zufällig. Er fragte mich nach meinen Verhältnissen, denn er mochte sehen, daß ich kein Digger sei und nicht in die Minen paßte. Ich erzählte ihm alles aufrichtig und natürlich auch, daß ich gekommen sei, um mir in sechs Monaten dreitausend Dollars zu erarbeiten. Erst lachte er darüber; dann wurde er ernst und sagte mir, daß er mir einen Mann bringen wolle, der mir wahrscheinlich einen guten Rat geben könne. Am nächsten Tag kam er mit Intschu-tschuna, der mich ansah, als ob er mir durch und durch blicken wolle. Dann nickte er seinem weißen Bruder still zu, und ich mußte mit ihnen gehen. Wir wanderten und stiegen fast den ganzen Tag umher, wobei Intschu-tschuna überall die Beschaffenheit des Bodens, der Erddecke untersuchte. Endlich, es war schon fast Abend, blieb er an einer Stelle stehen und sagte:

»Hier muß mein junger Bruder graben, aber allein, mit keinem andern; da wird er Nuggets und goldenen Sand finden.«

Ich löste mir den betreffenden Klaim und grub. Intschu-tschuna hatte recht gehabt; ich fand Nuggets. Ich mußte mich zwar sehr vor den andern Diggers in acht nehmen und meinen Fund verheimlichen, denn das ist meist räuberisches Gesindel, und es wäre mir vielleicht auch noch übel ergangen, wenn nicht in den letzten Tagen Old Firehand wiedergekommen wäre, um sich nach meinen Erfolgen zu erkundigen.«

»War er wieder mit Intschu-tschuna zusammen?«

»Nein; er hatte sich für einige Zeit von ihm getrennt, um erst nach Sacramento und dann nach San Francisco zu gehen. Er blieb bei mir, bis ich die Minen verließ, und sorgte dafür, daß mir kein Digger nahe kam. Dann fuhr er mit mir hierher.«

»So ist er mit Euch hier angekommen?«

»Natürlich! Wir saßen miteinander in einem Wagen.«

»Als Ihr ausgestiegen waret, spracht Ihr noch einmal in den Wagen hinein, wohl mit ihm?«

»Ja. Er stieg nicht gleich mit mir aus, weil er noch mit einem andern Reisegefährten zu reden hatte. Ich sagte ihm guten Abend und bat ihn, Wort zu halten.«

»Welches Wort?«

»Er hat mir versprochen, mich morgen auf der Mission zu besuchen.«

»Teufel! Ist's wahr?«

»Ja,« antwortete Eduard, der nicht sah, in welcher Aufregung sich der Doktor jetzt befand. Diesem gelang es nur mit Mühe sich zu beherrschen; hastig erkundigte er sich:

»Könnt Ihr denn auch beweisen, daß Ihr die dreitausend Dollars habt? Die müßt Ihr natürlich gleich heut abend vorzeigen können!«

»Das kann ich. Ich habe den ganzen Goldstaub in gute Papiere umgetauscht, die ich bei mir trage.«

Da blieb White stehen, zog den Hahn des Revolvers leise auf und sagte:

»Wißt Ihr, Euer Glück, Old Firehand und Intschu-tschuna getroffen zu haben, ist groß; noch größer, noch viel, viel größer aber ist Eure Dummheit, mir das alles zu erzählen!«

»Dummheit? Warum?«

»Weil Ihr nun das Mädchen nicht bekommt und auch das Geld nicht behaltet. Ihr werdet das sogleich erfahren.«

Im nächsten Augenblick krachte sein Schuß, und Eduard stürzte zu Boden, wo er liegen blieb, ohne sich zu rühren. White hob ihn auf, trug ihn ein Stück vom Weg abseits und warf ihn dort nieder. Er wollte ihn einstweilen liegen lassen, um ihn später in der Nacht irgendwo einzuscharren; vor allen Dingen mußte er ihm die Taschen leeren. Eben als er damit beginnen wollte, hörte er Schritte, die sich rasch näherten; er huschte fort, um sich nicht sehen zu lassen. Der Tote lag gut, und er konnte ihm das Geld später auch noch nehmen. Er ging gar nicht erst in seine Wohnung, sondern gleich zu Werner, um dort Punkt zwölf Uhr seine Ansprüche geltend zu machen. – – –

Inzwischen war Old Firehand vom Bahnhof in die Stadt gegangen. Er hatte sich ein Gasthaus gesucht und auch eine gute Unterkunft gefunden. Doch litt es ihn nicht auf seinem Zimmer; daher schlenderte er ein wenig durch die Straßen. Dabei dachte er an Eduard, dem er für den nächsten Tag seinen Besuch versprochen hatte, und er erkundigte sich sogleich nach dem Weg zur Mission. Man wies ihn zurecht, und ganz unwillkürlich verließ er die Stadt und wandte sich der Gegend von »Santa Lucia« zu. Schon dunkelte es.

Es war ein herrlicher Abend. In Gedanken versunken ging Old Firehand langsam dahin. Ringsum herrschte die Stille der Wildnis; nur von fern her klang der Lärm der Stadt herüber. Da plötzlich zerriß ein jäher Knall den Frieden der Nacht – ein Schuß. Grad hatte Old Firehand umkehren wollen; nun eilte er rasch vorwärts, auf die Stelle zu, wo der Schuß gefallen war. Hier blieb er stehen und lauschte. Es war ihm, als ob sich jemand leise entferne. Er suchte, ob jemand getroffen sei und vielleicht an der Erde liege, aber er fand niemand. Da aber hörte er von der Seite her einen klagenden Ton. Er ging der Richtung dieses Tones nach und fand Eduard, der sich halb aufgerichtet hatte und die Hände auf die Gegend des Herzens drückte.

»Ihr seid es?« fragte er erschrocken, da er ihn trotz der Dunkelheit erkannte.

»Ja,« antwortete Eduard leise.

»Seid Ihr getroffen?«

»Ja. – Ins – Herz, grad ins – Herz.«

Das Sprechen fiel ihm schwer; der Atem fehlte ihm.

»Ins Herz? Das ist nicht möglich!« sagte Old Firehand. »Wenn man Euch ins Herz getroffen hätte, wäret Ihr tot. Bleibt still! Ich werde Euch untersuchen.«

Er öffnete ihm den Rock, die Weste, das Hemd – keine Spur von Blut, von einer Wunde! Er suchte weiter, kam an die Brusttasche, befühlte diese und erklärte dann erfreut:

»Gott sei Dank! Ihr habt in dieser Tasche den großen Beutel mit Nuggets, wodurch die Kugel aufgefangen wurde. Hier fühle ich das kleine Loch im Tuch. Der Schuß hat Euch umgeworfen und den Atem genommen; aber die Kugel ist in den Nuggets stecken geblieben. Wohnt nicht der Arzt, Euer Nebenbuhler, da in der Mission?«

»Ja.«

»Zu dem werde ich Euch führen oder tragen. Er wird Euch – – –«

»Um Gottes willen, nein!«

»Warum nicht?«

»Der ist es ja, der auf mich geschossen hat.«

»Ah! War dies der Mann, mit dem Ihr gegangen seid? Und wie heißt er? Oder vielmehr, wie heißt er jetzt?«

»White, Doktor White.«

»Ein Doktor, ein Arzt! Welch verschiedene Laufbahnen dieser Schurke doch schon eingeschlagen hat; es soll aber seine letzte sein. Dieses Mal werde ich ihm das Handwerk für immer legen!«

»Kennt Ihr ihn denn?«

»Nur zu gut! Aber das ist jetzt Nebensache. Hauptsache ist, wie Ihr Euch befindet.«

»Es ist mir leichter; ich habe wieder Atem.«

»Und schmerzt die Brust?«

»Nicht sehr.«

»So wollen wir versuchen, ob Ihr aufstehen und gehen könnt. Stützt Euch auf mich!«

Der Versuch gelang; es ging langsam, aber es ging. Unterwegs erzählte Eduard das Gespräch, das er mit White gehabt hatte. In der Nähe der Mission angekommen, mußte er sich seitwärts an einer versteckten Stelle niedersetzen. Old Firehand ließ sich Bauart und Einteilung des Hospitals beschreiben und ging dann in das Haus, um White aufzusuchen. Die Wohnung war verschlossen; da stieg er die schlecht erleuchteten Treppen bis zum Bodenraum hinauf, dessen Tür er öffnete, ohne anzuklopfen. Hier standen die Betten der Patienten, und an einem kleinen Tischchen saß der Assistent. Dieser stand auf, nicht wenig erstaunt über den späten Besuch. Und als er diesen gar genauer betrachtete, da wollte er beinahe erschrecken.

»Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier?« fragte er.

»Ich suche Doktor White.«

»Der ist nicht hier. Er wird unten bei Sennor Werner sein.«

»Und wer seid Ihr?«

»Ich heiße Gromann und bin der Assistent.«

»So kommt einmal her, Mr. Gromann. Ich muß Euer Gesicht sehen.«

Er zog ihn zum Licht, betrachtete ihn und sagte, indem seine ernsten Züge einen milden Ausdruck annahmen:

»Ihr scheint kein Halunke zu sein.«

»Bin auch keiner, sondern stets ein ehrlicher Mensch gewesen. Wie aber kommt Ihr zu Eurem befremdlichen Verhalten und diesen sonderbaren Worten, Sir?«

»Das will ich Euch sagen. Ist Euch vielleicht der Name Old Firehand bekannt?«

»Ja.«

»Dieser Mann bin ich. – Aber sagt einmal, was haltet Ihr von Eurem Prinzipal, dem Doktor White?«

»Ich weiß nicht, Sir, was Ihr mit Eurer eigentümlichen Frage bezweckt!«

»Nun – – er hat soeben erst einen Mordversuch begangen.«

» Zounds! Was sagt Ihr da?! Wißt Ihr das genau? Sprecht! Wo? An wem? ...

»Geduld, Sir! Ihr sollt alles hören! Doch vorerst ...«

»Vorerst hört mich! Es ist eigentlich ein Geheimnis; doch Euch darf ich es sagen. Ich bin nämlich Detektiv.«

»Geheimpolizist? Als Assistent dieses Doktor White?«

»Grad als dieser! Kennt Ihr den Kanada-Bill?«

»Habe dann und wann von ihm gehört, war einer der größten Halunken weit und breit. Jetzt ist er schon lange verschwunden.«

»Nun, der sogenannte Doktor White scheint der Kanada-Bill zu sein. Sollt alles hören. – Aber zuvor, Sir, teilt mir erst mit, was Ihr von dem Mordversuch wißt!«

Old Firehand erzählte ihm die Sache, und da hielt denn auch Gromann nicht länger hinter dem Berg und sagte:

»Da muß ich aufrichtig mit Euch sein. Ich war früher Pharmazeut und als solcher bei Mr. Cleveland in Norfolk, Nordkarolina, beschäftigt. Da trat bei ihm ein gewisser Dare ein, der angestellt wurde, weil er gute Zeugnisse besaß, die aber, wie wir uns später überzeugten, gefälscht waren. Bald stellte es sich heraus, daß er von der Pharmazie fast weniger als ein Anfänger verstand; es gab sehr ernste Auftritte zwischen ihm und dem Prinzipal, und dann verschwand er plötzlich und mit ihm der Inhalt der Kasse mit dem ganzen Vermögen Clevelands. Ich liebte meinen Prinzipal; er war mein Wohltäter gewesen. Der Verlust richtete ihn vollständig zugrunde; die Polizei fand keine Spur von dem Verbrecher, und so nahm ich mir vor, ihm persönlich nachzuspüren. Indem ich nach ihm suchte, kam ich auf die Fährte anderer Personen, die ebenso wie er gesucht und nun durch mich der Gerechtigkeit überliefert wurden. Das verschaffte mir einen guten Ruf bei der Polizei, und ich wurde als Detektiv verpflichtet. Nun standen mir weit mehr Mittel verschiedenster Art zu Gebote, mit deren Hilfe es mir gelang, einen Anhalt zu gewinnen. Auf diesem fußte ich weiter, bis ich endlich eine sichere Spur entdeckte, die mich hierher führte.«

»Zu White?«

»Ja. Er ist jener Dare.«

»Er muß Euch aber doch erkannt haben!«

»Gewiß; aber ich machte ihm die Sache so einleuchtend, daß er mich anstellte, natürlich nur, um mich zum Schweigen zu bringen. Nun bin ich als Assistent bei ihm, aber meines Lebens keinen Augenblick sicher; denn ich muß zu jeder Stunde gewärtig sein, daß er mich auf irgend eine Weise aus dem Wege räumt, um einen Zeugen seiner Vergangenheit zu beseitigen. Welche Vorsicht und Aufmerksamkeit das meinerseits erfordert, könnt Ihr Euch kaum denken!«

»Warum macht Ihr ihn nicht unschädlich?«

»Auf welche Weise könnte ich das tun?«

»Indem Ihr ihn verhaftet.«

»Das kann ich nicht, weil ich keinen Beweis gegen ihn habe. Ich weiß, daß er das Vermögen Clevelands gestohlen hat, aber überführen kann ich ihn nicht. Ich habe ihn Tag und Nacht beobachtet, habe alle seine Geheimnisse zu ergründen versucht, habe in jedem Winkel, in jeder Ecke, die mir zugänglich war, nachgeforscht; dabei habe ich aber nur herausgebracht, daß er einst als Kanada-Bill bekannt war.«

»In jeder Ecke, die Euch zugänglich war – – das ist die Sache! Er wird sich hüten, Euch seine Geheimnisse zugänglich zu machen. Bei diesem Halunken kommt Ihr mit aller Eurer List nicht weiter; bei ihm kann man einen Knoten nicht aufknüpfen, sondern man muß ihn zerhauen, und das werden wir heute tun. Hoffentlich kann ich dabei auf Eure Hilfe rechnen?«

»Oh, selbstverständlich, wenn Ihr meine geringe Hilfe brauchen könnt!«

»Hat er Schränke, Kästen, in die Ihr noch nicht gekommen seid?«

»Jawohl, in seiner Privatwohnung unten.«

»Die wird er uns einmal öffnen müssen! Könnt Ihr jetzt vielleicht hier abkommen?«

»Ja. Wir haben augenblicklich keinen schweren Patienten.«

»So steigt mit mir herunter!«

Sie gingen die Treppen hinab und kamen zu der Stelle, wo Eduard wartete. Dieser erhielt von Old Firehand Anweisung, wie er sich zu verhalten hatte, und dann begaben sie sich nach dem Erdgeschoß, wo Werner wohnte. Es war grad um Mitternacht.

Sie gingen über den Hof und von dem Flur aus in die Küche, wo Eduard damals mit Anita gelauscht hatte. Auch heut war diese leer. Werner saß mit Frau, Tochter und White in der Stube. Eben sagte der letztere:

»Jetzt, Sennor Carlos, ist es grad zwölf; die sechs Monate sind vorüber, und Eduard ist noch nicht da. Ich erinnere Euch an Euer Wort und hoffe, daß Ihr es halten werdet.«

»Ich halte es,« antwortete Werner, »und gebe Euch meine Einwilligung, wenn Ihr mir beweist, daß Ihr wirklich so wohlhabend seid, wie Ihr gesagt habt.«

»Ich habe mich vorbereitet, diesen Beweis anzutreten. Hier seht Euch diese Papiere an! Die Summen, die da verzeichnet stehen, habe ich auf der Bank hinterlegt. Genügen sie Euch?«

Man hörte Papiere rascheln, und dann rief Werner aus:

»Sennor Doktor, das ist ja viel mehr, als ich erwarten konnte! Ihr seid ein reicher Mann!«

»Oh, ich könnte Euch beweisen, daß ich noch mehr habe; dies mag aber genügen. Und damit Ihr seht, was für einen aufmerksamen Gatten Eure Anita an mir haben wird, will ich Euch diesen Schmuck zeigen, den ich ihr schon bei der Verlobung schenken werde. Es sind lauter Edelsteine.«

Man hörte Kästen öffnen, und dann erklangen Werners Ausrufe des Erstaunens und der Bewunderung. Da trat Gromann an die Küchentür, die ein wenig aufstand, und sah in das Zimmer. Kaum hatte er einen Blick hineingeworfen, so fuhr er zurück und flüsterte Old Firehand zu:

»Hört, Sir, ich habe jetzt, was ich brauche. Dieser Schmuck ist Mr. Cleveland gestohlen worden. Er gehörte seiner verstorbenen Frau und wurde nach ihrem Tod im Geldschrank aufbewahrt. Dann verschwand er mit Dare und dem Geld.«

Jetzt fragte White drin:

»Nun, Sennor Carlos, habe ich Euch überzeugt?«

»Ja, Sennor. Komm her, Anita, und gib dem Doktor deine Hand!«

Die Lauscher horchten gespannt, was Anita sagen würde.

»Ich gebe sie ihm nicht!« sagte sie in sehr entschlossenem Ton.

»Du weißt, daß er mein Versprechen hat!«

»Das deinige, ja; aber von mir hat er kein Versprechen erhalten.«

»Versprechen ist Versprechen!« rief White. »Ich denke doch, daß jede Tochter ihrem Vater Gehorsam schuldet! Eduard ist nicht gekommen; wahrscheinlich ist er in den Minen verdorben und gestorben, und – – –«

Er kam nicht weiter in seiner Rede, denn Eduard trat in das Zimmer, und sagte:

»Ich bin gekommen, wie Ihr seht. An Euch, Sennor White, liegt es freilich nicht, daß ich noch lebe und nicht gestorben bin!«

Anita flog mit einem Freudenruf auf ihn zu. White aber starrte ihn erschrocken wie einen Toten an, der plötzlich aus dem Grabe steigt. Da öffnete sich die Küchentür wieder, und Gromann kam herein. Er trat an den Tisch, griff nach den Kästen und sagte:

»Dieser Schmuck ist Mr. Cleveland gestohlen worden; ich beschlagnahme ihn.«

»Beschlagnahmen?« fuhr White auf. »Ich möchte den sehen, der den Mut hat, sich an meinem wohlerworbenen Eigentum zu vergreifen!«

»Das tue ich, weil es nicht wohlerworben ist. Ich bin Detektiv und erkläre Euch, daß Ihr mein Gefangener seid, Mr. Dare, der sich hier White nennt!«

Und abermals wurde die Tür geöffnet. Old Firehand kam herein und sagte:

»Auch Dare ist sein richtiger Name nicht. Er hat schon hundert Namen getragen und seinen ursprünglichen wohl darüber vergessen; sein berühmtester oder berüchtigtster aber ist Kanada-Bill.«

»Wer seid Ihr und was – – –«

»Man pflegt mich Old Firehand zu nennen!«

Jetzt wurde der Schreck des angeblichen Doktors gradezu zum Entsetzen; sein Gesicht erbleichte bis zur Farbe des Papiers, und seine Gestalt wankte, so daß er sich mit den Händen auf den Tisch stützen mußte.

»Old – – Fi – – re – – hand!« kam es dabei bebend über seine blutleeren Lippen.

»Ja, Old Firehand! Jetzt wißt Ihr wohl, daß fürder kein Entrinnen ist! Eure Taten schreien zum Himmel auf, und es wäre besser, Ihr hättet die Kugel, die diesen jungen Mann hier töten sollte, ins eigene Herz gejagt; da wäret Ihr dem Strang entgangen, dem ich Euch ausliefern werde. Eure verbrecherische Laufbahn ist jetzt zu Ende!«

Die Wirkung dieser Worte riß die Gestalt des Kanada-Bill aus ihrer zusammengesunkenen Haltung empor. Seine Wangen färbten sich wieder, und seine Augen blitzten. Er griff mit der Hand in die Tasche und schrie:

»Meint Ihr? Noch ist es nicht so weit!«

»Es ist so weit, und selbst Euer Revolver kann Euch nicht retten. Heraus mit der Hand aus der Tasche!«

»Ja, heraus!«

Er hob die Hand, in welcher der Revolver blitzte, und richtete ihn auf Old Firehand. Der Schuß krachte; Old Firehand machte eine blitzschnelle Bewegung zur Seite; die Kugel ging vorüber, und fast in demselben Augenblick traf seine Faust den Kanada-Bill mit solcher Wucht auf den Kopf, daß er zu Boden krachte und mehrere Stühle mit sich niederriß.

Werner saß vor Schreck lautlos; seine Frau aber schrie laut auf.

»Still!« gebot der Jäger. »Er ist gefällt und wird keinem Menschen mehr schaden. Gebt einige Schnüre her, um ihn zu binden, und schickt dann nach der Polizei! Die wird sich über einen solchen Fang freuen.«

Er hob den Revolver auf, der dem Kanada-Bill entfallen war, und dann wurde der Bewußtlose gefesselt. Nun ging es ans Fragen, Antworten und Erklären, und als sich die Polizei einstellte, wurde die Wohnung des Verbrechers untersucht. Mit Hilfe der Schlüssel, die er bei sich hatte, konnte man alles öffnen, und da fanden sich denn so viel Beweise seiner Tat, daß er der Todesstrafe nicht entgehen konnte. Vor allen Dingen gab es viel Goldstaub und Nuggets, die er seinen kranken Diggers im ›Hospital‹ abgenommen hatte, wenn sie von ihm aus dem Leben ›gedoktort‹ worden waren. Auch die ganze Summe, die er Mr. Cleveland abgenommen hatte, war vorhanden und durch seine Aufzeichnungen nachweisbar. Der Verhaftete kam während der Durchsuchung seiner Wohnung nicht wieder zu sich und wurde in diesem bewußtlosen Zustand fortgeschafft. Als er dann später in der Haft erwachte, begann er zu schreien und zu wüten. Der Fausthieb Old Firehands hatte sein Gehirn in der Weise erschüttert, daß er nicht wieder richtig zur Besinnung kam. Er kämpfte Tag und Nacht mit den Gestalten derer, an denen er sich vergangen hatte, und wurde dabei so gefährlich, daß ihn nur die Zwangsjacke bändigen konnte. Die Tobsucht ließ nicht von ihm, bis sie ihn in schäumendem Ringen tot niederwarf.

So, ich bin mit meiner Geschichte fertig, und nun wißt ihr, Mesch'schurs, wo und wie der Kanada-Bill geendet hat.« – – –

Lange saßen die Zuhörer unter dem Eindruck der Erzählung still da; unwillkürlich hatten sich aller Augen auf den Kolorado-Mann gerichtet. Der hatte seinen Bowiekneif gezogen, und mit wuchtiger Hand schnitt er in den Kolben seiner alten Büchse zwei sich kreuzende Kerben. –


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