Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3. Der Brandstifter

Wieder machte der Erzähler eine Pause, tat einen tiefen Zug aus seinem Glas, das ihm inzwischen wieder gefüllt worden war, sah seine Zuhörer einen nach dem andern an, nickte und fuhr dann fort:

»Wißt ihr, Gentlemen, was ein gutes, schnelles und ausdauerndes Pferd für den Präriemann zu bedeuten hat? Nehmt dem Luftschiffer seinen Ballon und dem Seemann sein Schiff, und beide haben aufgehört, zu sein. Ebenso ist auch ein Savannenjäger ohne Pferd undenkbar. Und welch ein Unterschied besteht ebensowohl unter den Schiffen als auch unter den Pferden! Pshaw, ich will euch darüber keine Rede halten; aber wenn ich euch sage, daß ich eines der besten Pferde der weiten Steppe jahrelang zwischen den Leggins gehabt habe, so werdet ihr wissen, was ich meine. Ich habe es gehalten wie mich selbst, ja weit besser noch; wir hatten einander nicht nur ein- oder etlichemal das Leben zu verdanken, und als es endlich unter der Kugel eines roten Halunken stürzte, habe ich es begraben und den Skalp seines Mörders dazu gelegt, wie es sich schickt für einen Westmann.

Und von wem ich es hatte, fragt ihr? Von wem anders als von dem ›schwarzen Panther‹ damals in Smoky-Hill! Es befand sich unter den eingefangenen Tieren, hatte eine dunkle Pantherdecke auf dem Rücken und die Mähne voll eingeflochtener Adlerfedern, Beweis genug, daß es das Tier des Häuptlings gewesen war. Ich bestieg es und bemerkte, daß es die feinste indianische Dressur hatte, die ich jemals gefunden habe. Darum konnte ich mich nicht wieder von ihm trennen, brachte es auf das Floß, wo ich ihm einen guten und trockenen Stand herrichtete, und nahm es dann, als wir den Mississippi erreichten und ich mich von Lincoln trennte, unter den Sattel. Da hat es sich so bewährt, daß mich alle Welt um den »Arrow« Pfeil. beneidete, wie ich den Hengst nannte.

Ich ging nach Texas, trieb mich einige Jahre in Neu-Mexiko, Kolorado und Nebraska umher und ritt dann sogar nach Dakota hinaus, um mich ein wenig mit den Sioux herumzuschlagen, von denen selbst der schlaueste Trapper noch Klugheit lernen kann.

Da kam ich an den Black-Hills mit einigen Jägern zusammen, von denen ich eine sehr frohe Nachricht erhielt. Als wir nämlich abends um das Feuer lagen und uns ein saftiges Stück Büffellende brieten, kam das Gespräch auf dies und jenes. Da meinte einer der Männer:

»Kennt ihr die Hochebene, die sich von Yankton am Missouri rechts vom Flusse grad nach Norden zieht und sich dann in die Hudsons-Bai-Länder steil hinunterwirft? Man nennt sie das côteau du Missouri

»Warum sollte man das côteau nicht kennen? Freilich wagt sich niemand gern hinauf in die finstern, steilen Bluffs und Schluchten, wo Redman, Bär und Luchs die Herrschaft führen und man nichts erjagen kann als einen elenden Skunks oder eine Wildkatze, die keinen Nutzen bringt.«

»Und dennoch bin ich droben gewesen und habe etwas gefunden, was ich dort nicht gesucht hätte, nämlich eine der schönsten Ansiedlungen, die es in den Vereinigten Staaten gibt.«

»Wie? Da droben? Auf dem wilden côteau

»Ja, dort oben; wie sie hinaufgekommen ist, das geht mich nichts an. Ich habe drei Tage daselbst geweilt und habe eine Gastfreundschaft genossen, wie selten einer. Man hat mich gehalten wie den Präsidenten selbst.«

»Wie hieß er denn, Euer gastlicher Wirt?«

»Guy Willmers. Nicht wahr, ein ganz absonderlicher Name? Aber der Mann selbst ist schöner, ein Mulatte zwar, aber ein Kerl wie ein Bild. Und seine Frau, die er Betty nennt, stammt aus Germany drüben. Ihr Vater, ein Master Hammer, hat drunten am Arkansas gewohnt und viel Herzeleid erfahren. Die Bushheaders haben ihm eine Tochter ermordet und – – –«

Ich sprang empor.

»Guy Willmers –? Ein Mulatte –? Fred Hammer – nicht wahr, Fred hieß der Mann?«

»Ja, Fred Hammer, eine lange, breitschulterige Gestalt mit schneeweißem Kopf- und Barthaar. Aber, was ist mit Euch? Kennt Ihr vielleicht diese Leute?«

»Ob ich sie kenne? Besser als euch alle! Fred Hammer wohnte neben uns, und Mary, seine älteste Tochter, war meine Braut; sie wurde mir von den Bushheaders geraubt und, als wir die Bande verfolgten, mit meinem Vater von dem Kanada-Bill erschossen.«

»Das stimmt, das stimmt! So seid Ihr also der Tim Kroner, von dem mir Willmers so viel Gutes erzählt hat?«

»Der bin ich! Ich ging dann in die Prärie und fand, als ich nach Jahren einmal zurückkehrte, fremde Leute auf der Stelle.«

»Fred Hammer hat gut verkauft und später ein Geschäft in St. Louis gehabt. Guy Willmers ist für ihn gereist und dabei einmal auf das côteau gekommen, wo er sich niedergelassen hat. Seine Verwandten sind ihm nach und nach dahin gefolgt. Freunde kamen hinzu und das Settlement war entstanden. Ihr müßt sie besuchen, Master Kroner, und werdet damit eine heillose Freude anrichten, das kann ich Euch versichern!«

» Zounds, ich will gespießt und gebraten werden wie dieses Stück Büffellende, wenn ich nicht gleich morgen früh aufbreche! Ich habe die Black-Hills satt und will einmal hinauf zu den Redmen, Luchsen und Bären.«

»Vorher aber müßt Ihr die Geschichte von den Bushheaders erzählen. Der Kanada-Bill soll kürzlich in Des Moines gewesen sein und zwölftausend Dollars im › Three carde monte‹ gewonnen haben. Ein ganz verteufeltes Spiel, wie mir scheint, viel schlimmer noch als das gewöhnliche Monte, das man in Mexiko und da herum treibt.«

»Mich kostet es viel mehr als einen ganzen Berg voll silberne Dollars. Und wie das zugegangen ist, nun, well, Ihr sollt es hören!«

Ich erzählte die Geschichte, und dann wickelten wir uns in unsre Decken, stellten die erste Wache aus und machten die Augen zu. Aber ich konnte keine Ruhe finden. Der Gedanke an Fred Hammer, Betty und Guy Willmers ging mir im Kopf herum; die alten Bilder waren in neuer Frische wieder erwacht, und als endlich doch ein kleiner Schlummer über mich kam, träumte ich vom fernen Arkansas, von den beiden kleinen Farmen, von Vater und Mutter, von Mary, die vor mir stand in der ganzen Schönheit und Güte, wie ich sie früher gesehen hatte. Auch der Kanada-Bill war dabei; er wollte mich erwürgen, und als er nach mir faßte, erwachte ich.

»Tim Kroner, Ihr habt die letzte Wache. Die Zeit ist da, wie mir scheint!«

Es war der alte Fallensteller gewesen, der meinen Arm ergriffen hatte; aber, ich sag's euch, ich hätte viel darum gegeben, wenn ich wirklich den William Jones vor mir gehabt hätte!

Ich hatte mir, um früh zum Aufbruch gerüstet zu sein, mit Vorbedacht die letzte Wache geben lassen. Als sie vorüber war und ich die Leute weckte, erkundigte ich mich bei dem Trapper nach dem Weg, den ich einzuschlagen hatte.

»Ihr reitet immer gradaus nach Osten zum Missouri, geht da, wo der Green-Fork einmündet, über das Wasser und haltet Euch dann am rechten Ufer stromauf. Das côteau tritt in hohen Vorgebirgen, die wie riesenhafte Kanzeln aussehen und leicht zu zählen sind, an das Tal des Flusses heran. Zwischen der vierten und fünften Kanzel steigt Ihr empor und durchschneidet nach Norden zu einen zwei Tagereisen langen Urwald; dann kommt eine weite Büffelgrasprärie, durch die Ihr in derselben Richtung geht, vielleicht vier Tage lang, bis Ihr auf einen kleinen Fluß stoßt, an dessen Ufern Willmers wohnt.«

»Was für Redmen gibt es in der Gegend?«

»Sioux, meist vom Stamm der Ogellallah. Das schlimmste Volk, das ich kenne. Doch kommen sie nur zur Zeit der Frühlings- und Herbstwanderung der Büffel hinauf. Jetzt ist es Hochsommer, und Ihr seid vielleicht vor ihnen sicher. Sie werden sich zwischen den Platte-River und Niobrara zurückgezogen haben.«

»Ich danke Euch und werde Euch, wenn wir uns irgendwo wiederfinden sollten, von diesem Ritt erzählen.«

»Schön! Grüßt die braven Leute von mir, denen ich ihr Glück von Herzen gönne!«

Ich nahm Abschied von der Gesellschaft, bestieg meinen Arrow und wandte mich dem Osten zu. Der Mann hatte mich richtig gewiesen. Am Green-Fork schwamm ich über den Missouri und sah die einzelnen hohen, runden Bergmassen, zwischen denen tief geklüftete, wirre Täler zur Höhe führten. Als ich den vierten Riesen hinter mir hatte, bog ich rechts ein. Die Schlucht war so von herabgestürzten Felsblöcken, Steingeröll und umgestürzten, halb faulen und von allerlei Schlinggewächsen überwucherten Baumstämmen angefüllt, daß ich meine Mühe und Not hatte, mit dem Pferd vorwärts zu kommen, und ich dankte es meinem guten Tomahawk, mit dem ich mir den Weg hauen mußte, daß ich endlich die hohe Ebene erreichte.

Hier befand ich mich mitten im prächtigsten Urwald, der keine Spur von Unterholz zeigte, so daß ich schnell vorwärts kam. Ich brauchte mit meinem wackern Arrow nicht ganz zwei Tagereisen, um die Prärie zu erreichen, vor der ich erst Halt machte, um mich mit Dürrfleisch zu versehen; denn ich wußte nicht, ob ich auf der Savanne ein jagbares Wild antreffen würde.

Als dies geschehen war, ging es frisch dem Norden zu. Der erste Tag verging ohne ein besonderes Ereignis, der zweite ebenso. Am dritten Morgen hatte ich mich nicht gar zu früh aus der Decke gewickelt und stand eben im Begriff, Arrow den Sattel aufzulegen, als ich in der Ferne einen Reiter bemerkte, der auf meiner Fährte dahergeritten kam.

Wer konnte der Mann sein, der Gründe hatte, diese abgelegene Savanne zu durchreisen? Ich lockerte, mehr aus alter Gewohnheit als aus gebotener Vorsicht, Messer und Revolver und erwartete ihn im Sattel. So war ich auf alle Fälle gerüstet.

Je näher er kam, desto deutlicher konnte ich die Einzelheiten seiner hohen, breiten Figur unterscheiden. Er ritt einen sehr langbeinigen Klepper, der einen außerordentlich großen Kopf, aber einen desto kleineren und höchst ärmlich behaarten Schwanzstummel hatte; doch vollführte das Tier einen Schritt, vor dem man alle Achtung haben mußte. Auf dem Kopf trug er einen Filzhut mit unendlich breiter Krempe; der Leib steckte in einem engen Lederkoller, dessen einfacher Schnitt keine Bewegung hemmte, und die Beine in einem Paar Aufschlagstiefel, die bis an den Leib herangezogen waren. Ueber die Schulter hing die Doppelbüchse und an dem Gürtel der Pulver-, Schrot- und Mehlbeutel; ein Revolver hing neben dem Bowiemesser, und außerdem waren dort zwei sonderbare Gegenstände angebracht, die sich später als eiserne Handschellen erwiesen.

Das Gesicht konnte ich wegen der breiten Hutkrempe nicht erkennen. Ich ließ ihn bis innerhalb Schußweite herankommen und erhob dann die Büchse.

»Stopp, Master! Was tut Ihr hier in dieser Gegend?«

Er hielt das Pferd an und lachte.

» Heigh-day, ist das ein Spaß! Tim Kroner, alter Waschbär, wollt Ihr mich etwa erschießen?«

»Alle Wetter, diese Stimme sollte ich kennen,« erwiderte ich, indem ich das Gewehr sinken ließ. »Aber der verfluchte Hut ist mir im Wege. Abraham Lincoln, seid Ihr es wirklich, der hier auf solch einem Ziegenbock in den Morgen hineinreitet?«

»Freilich bin ich es, wenn Ihr nichts dagegen habt. Darf ich jetzt hin zu Euch?«

»Kommt her und sagt, was Ihr hier treibt!«

»Erst muß ich wissen, was Euch auf Eurem Arrow in diese schöne Gegend führt!«

»Ich will einen Bekannten suchen.«

»Einen Bekannten? Wer ist es?«

»Ratet!«

»Ah, vielleicht Guy Willmers, der da vorne in einem Bluff wohnt?«

» Good lack, Ihr kennt ihn?«

»Persönlich nicht, aber Ihr habt mir ja den Namen von Fred Hammers Schwiegersohn in Smoky-Hill genannt.«

»So habt Ihr gewußt, daß Fred Hammer nach dem côteau du Missouri gezogen ist?«

»Nein. Ich weiß, daß ein Fred Hammer hier wohnt; doch daß es der unsrige ist, ahnte ich erst, als Ihr von einem Bekannten spracht, denn da fiel mir auch der Name Guy Willmers wieder ein.«

» Well, also zu ihnen will ich. Und Ihr?«

»Auch zu ihnen.«

»Was –? Auch –? Was wollt Ihr dort?«

»Das ist ein Geheimnis, doch Euch kann ich es sagen. Aber nehmt die Zügel und kommt vorwärts! Seht mich einmal an. Für was haltet Ihr mich?«

»Hm, für den tüchtigsten Kerl zwischen Neuschottland und Kalifornien.«

»Das ist eine sehr überflüssige Antwort. Ich meine das Gewerbe?«

»Laßt raten, wen Ihr wollt, nur mich nicht! Ich schlage lieber einen Büffel nieder, als daß ich ein Rätsel auseinander schieße.«

»Nun, seht Ihr nichts an mir, was sonst wohl nicht zu einer Trapperausrüstung gehört?«

»Ja, hier die beiden Mausefallen. Ich glaube gar, Ihr seid Policeman geworden!«

»So eigentlich nicht; aber wenn es Euch recht ist, so könnt Ihr mich für einen Lawyer halten, der bereits einen kleinen Namen hat. Ihr habt mich am alten Kansas mit dem Gesetzbuch und bei der Rede getroffen; das war meine Universität, und, schaut, ich habe sie nicht umsonst besucht! Schon Anno 1836 ließ ich mich in Springfield als Lawyer nieder.«

»Ein Lawyer also! Ja, ich hab's gewußt, daß Ihr einen guten Weg emporsteigen würdet, und glaube, Ihr werdet auch auf dem jetzigen Punkt nicht lange stehen bleiben. Doch was hat der Lawyer mit Eurem Ritt zu tun?«

»Sehr viel! Der Westmann mit seinem scharfen Spürsinn steckt noch im Lawyer, und da ist es mir einige Male gelungen, ganz besonders abgefeimten Verbrechern, die selbst dem geschultesten Policeman gewachsen waren, das Handwerk zu legen. Nun hat sich da unten in Illinois und Iowa ein ausgefeimter Loafer den Spaß gemacht, verschiedene Geld- und Verwaltungsgrößen gehörig an der Nase zu führen, und weil ihn kein Detektiv bisher zu fangen vermochte, ist mir der schöne Auftrag geworden, ihn zu suchen und ihn womöglich lebendig der Gerechtigkeit zu überliefern. Dieses ›womöglich‹ gibt mir die Erlaubnis, nach Befinden Gebrauch von der Waffe zu machen.«

»Wie heißt der Kerl?«

»Er trägt einige Dutzende von Namen, von denen man nicht weiß, welcher der richtige ist. Seinen letzten Geniestreich, die Fälschung bedeutender Wechsel, hat er in Des Moines ausgeführt. Von da schien seine Spur nach dem côteau zu gehen und ich vermute, daß er sich zu Guy Willmers gewendet hat.«

» Heigh-ho, das sollte ihm nicht gut bekommen! Ich hoffe, wenn er dort zu finden ist, werde ich ein Wörtchen mit ihm sprechen. Der Kanada-Bill wird's doch nicht sein?«

»Nein. Warum?«

»Weil dieser zuletzt in Des Moines gesehen wurde, wo er zwölftausend Dollars gewonnen haben soll.«

»Ich weiß es. Er ist von dort spurlos verschwunden und wird, wie immer, an einem andern Ort wieder auftauchen, wo man ihn am wenigsten vermutet. Er ist ein ganz gefährlicher Mensch, und zwar besonders deshalb, weil man ihm das Spiel nicht verbieten kann und er seine andern Streiche in einer Weise vollführt, daß man keine Handhabe findet. Es sollte mich wundern, wenn wir ihm nicht begegneten, denn so oft wir beide uns getroffen haben, ist er es gewesen, mit dem wir es zu tun hatten.«

Der Ritt wurde nun in Gemeinschaft fortgesetzt. Wir hatten noch ein Nachtlager hinter uns zu legen und mußten dann dem Flusse nahe sein.

Es war allerdings vor uns nichts zu sehen als die weite, ebene Prärie, doch nach einiger Zeit bemerkten wir einen Dunststreifen, der sich von Ost nach West über die Savanne zog; wir kamen ihm schnell näher, und als wir ihn erreichten, hielten wir auch am Ufer des Flusses, an dem sich eine lange Reihe von Häusern hinzog. Oben, einige hundert Pferdelängen vom Wasser entfernt, stand neben umfangreichen Scheunen ein auffallend schönes Wohngebäude; weiter unten sah ich hart am Wasser eine Anzahl kleiner Häuschen, die jedenfalls als Arbeiterwohnungen dienten. Wo das Auge nur hinblickte, waren Sauberkeit und Wohlstand wahrzunehmen.

» Good-lack, hier ist's!« sagte Lincoln; er schnallte die Handschellen vom Gürtel los und fuhr fort:

»Ich will die Armspangen nun unter die Decke nehmen. Es ist nicht notwendig, daß sie verraten, weshalb ich komme.«

Als wir das Haus erreichten, trat ein Arbeiter aus der Tür.

» Godday, Mann! Ist hier der Ort, wo ein Master Willmers wohnt?« fragte Lincoln.

» Yes, Master. Geht nur hinein. Die Gent's und Ladies sitzen soeben beim Essen!«

Wir pflockten die Pferde an und traten ein. Im Speisesaale saßen Fred Hammer, Guy Willmers und Betty; ich erkannte sie sofort wieder. Zwei junge Ladies, die dabei waren, mußten die Töchter sein, zwischen denen ein mir fremder Gentleman saß. Willmers erhob sich.

»Nur näher, Mesch'schurs! Was bringt ihr uns?« fragte er.

»Einen ganzen Kürbis Trapperausdruck für »sehr viel«. voll Grüße von einem gewissen Tim Kroner, wenn ihr den Mann vielleicht kennt.« antwortete ich.

»Von unserm Tim? Das ist – – heigh-ho, du bist's ja selber, alter Bär! Beinahe hätte ich dich nicht wieder erkannt. Die Prärie hat dir einen Bart gemacht, daß nur die Nasenspitze zu erkennen ist. Welcome tausendmal! Hier, gib auch den andern deine Hand!«

Na, das wurde ein Empfang, mit dem ich herzlich zufrieden sein konnte! Ich wurde beinahe erdrückt und fand kaum Zeit, an meinen Gefährten zu denken:

»Und hier habe ich euch einen mitgebracht, den ihr auch noch kennen müßt. Oder habt ihr Abraham Lincoln vergessen, der uns damals hinter den Bushheaders herführte?«

»Abraham Lincoln? Wahrhaftig, er ist's! Willkommen, Sir, und nehmt es nicht übel, daß wir nicht sofort an Euch dachten! Ihr habt Euch um ein weniges verändert, seit wir uns nicht sahen.«

Wir mußten uns, so wie wir da standen, mit zur Tafel setzen, und erst jetzt wurde des fremden Mannes Erwähnung getan.

»Hier ist unser Sir David Holman, der uns seit einer Woche mit seinem Besuch beehrt,« wurde er uns von Willmers vorgestellt. »Später kann ich euch auch Master Belfort zeigen, der ins Tal gegangen ist, um bei der Einfuhr der Ernte zuzusehen. Ein feiner Gentleman, sage ich euch, voll Erfahrung und Geschicklichkeit, wie selten einer. Er versteht, mit der Karte die ganze Hölle herbeizuzaubern.«

Es entspann sich eine sehr lebhafte Unterhaltung, und es wunderte mich, daß Lincoln dabei so auffallend einsilbig blieb. Warum warf er zuweilen, wenn Master Holman es nicht bemerkte, einen so scharfen, forschenden Blick auf ihn? War dies der Mann, den er suchte?

Da ging die Tür auf, und ich konnte nicht anders, ich mußte aufspringen und den Eintretenden mit stieren Augen betrachten. Das dunkle Haar und der dichte, schwarze Vollbart machten mich irre, vielleicht auch die Kleidung, die der eines wohlhabenden Gentleman glich; aber ich hätte schwören mögen, daß – – doch ich kam nicht dazu meinen Gedanken Worte zu geben; Guy Willmers erhob sich.

»Hier kommt Master Belfort, den ich euch hiermit vorstelle, Gentlemen! Er ist – – –«

»Master Belfort?« sagte Lincoln. »Ich meine, der Mann kann ebenso gut Fred Flater oder William Jones heißen, wenn er nur zugibt, der Kanada-Bill zu sein!«

»Der Kanada-Bill?« fragte Fred Hammer, indem er nach dem ersten besten Messer griff und sich erhob.

»Nehmt Eure Zunge in acht, Sir!« meinte Jones; denn er war es wirklich; ich erkannte ihn auch jetzt an der Stimme. »Einen Gentleman beleidigt man nicht ungestraft.«

»Das ist richtig,« antwortete Lincoln, »doch bin ich gewiß, keinen Gentleman beleidigt zu haben. Wie viel Klettenwurzeln und Höllenstein habt Ihr verbraucht, um Euer Haar schwarz zu färben? Ich gebe Euch den guten Rat, bei späterer Gelegenheit einen Bleikamm zu gebrauchen, dann werden auch die Haarwurzeln schwarz, die bei Euch vollständig hell geblieben sind. Master Willmers, Ihr sagtet, daß er mit der Karte zu zaubern verstehe. Hat er Euch nicht ein wenig › Three carde monte‹ gezeigt?«

»Ja, und ein schönes Geld abgenommen,« antwortete Fred Hammer. »Ich bin alt und meine Augen sind schwach geworden, sonst müßte ich ihn sofort erkannt haben; jetzt aber ist kein Zweifel mehr, daß ich Marys Mörder vor mir habe, und, by god, er soll seine Bezahlung auf der Stelle erhalten!«

»Wollt Ihr Euern Gast erstechen, Fred Hammer?« fragte der Kanada-Bill. »Könnt Ihr mir nachweisen, daß ich es wirklich gewesen bin, der Eure Tochter erschossen hat?«

»Und meinen Vater auch!« fiel ich ein. »Nein, nachweisen nicht, aber beschwören können wir es. Und ebenso, daß Ihr in Smoky-Hill sechzig aufgezählt bekamt und dann die Indsmen brachtet.«

»Ich? Die Sechzig kann ich nicht wegleugnen,« lachte er grimmig, »und ich werde eines schönen Tages ihretwegen mit Euch abrechnen; aber beweist mir einmal das von den Rothäuten! Könnt Ihr es?«

»Wir, nämlich ich und Master Lincoln hier, standen hart bei Euch, als Ihr mit dem ›schwarzen Panther‹ den Schuß seines Sohnes beobachtetet und Euern Plan bespracht, und wir standen an der Lichtung, als Ihr die Indsmen geführt brachtet, Ihr mit dem Häuptling voran. Wir teilten natürlich dem Colonel Euer Vorhaben mit und machten dann mit Feuerwerk Eure Pferde locker. Das war ein Hauptstreich! Nicht, Master Jones?«

Er erfuhr diese Tatsachen jetzt zum ersten Mal; seine Augen funkelten, und seine Hände ballten sich zusammen; aber er sah, daß er sich beherrschen müsse.

»Habt ihr mich wirklich so deutlich erkannt, daß ihr mir so etwas sagen dürft, Mesch'schurs?« zischte er.

Jetzt trat Lincoln hart an ihn heran.

»Will Euch sagen, Mann, daß wir mit Euch schnell verfahren könnten. Ihr wißt ja wohl, daß Master Lynch ein strenger Gesell ist. Aber Ihr seid Gast in diesem Hause, und ich will ehrlich gestehen, daß wir bei Smoky-Hill wohl Eure Stimme erkannt und dann Eure Gestalt gesehen, Euch aber nicht so deutlich wahrgenommen haben, daß wir Euch mit gutem Gewissen eine Kugel geben könnten. Wir sind freie Bürger der Vereinigten Staaten und richten nur nach vollständigem Beweis! Das Geld, das Ihr diesen Gentlemen hier abgenommen habt, werden sie wohl nicht zurückverlangen: dazu steht ihnen der Kanada-Bill zu niedrig, und darum will ich Euch meinen Bescheid sagen: Ihr verlaßt sofort diesen Ort, und zwar binnen zehn Minuten; in der elften aber beginnt meine Büchse zu sprechen; darauf könnt Ihr Euch verlassen!«

»Seid Ihr vielleicht Herr und Besitzer des Hauses hier?« fragte jetzt David Holman. »Ihr könnt Master Jones nichts beweisen, und unser Spiel ist ein ehrliches gewesen.«

»Allerdings bin ich es nicht, Gem'man, aber doch etwas, vor dem man Achtung zu haben pflegt. Und wenn ich diesem Mann meinen Bescheid sage, so weiß ich ganz genau, was ich tue.«

»So laßt dieses etwas einmal sehen, Sir!«

»Hier ist es!«

Er zog ein Papier aus der Tasche, reichte es ihm und gab mir einen Wink, den ich sofort verstand. Ich ging hinaus und holte die Handschellen unter der Pferdedecke hervor. Als ich eintrat, sah ich Holman bleich in das Papier starren.

»Nun, Master Holman oder Rayer oder Pancroft oder Agston, wie gefällt Euch dieses Dekret?« fragte Lincoln. »In Iowa und Illinois, besonders aber in Des Moines hat man großes Verlangen nach einem Menschen, der diese schönen Namen führt. Es ist wirklich schade, daß Euch der linke kleine Finger fehlt; seine Abwesenheit hat Euch verraten. Ich werde unsern Freund Willmers von zwei Gästen befreien, die nicht an eine so anständige Stelle gehören!«

»Stopp, Sir, so weit sind wir noch nicht!« rief Holman.

Er warf einen forschenden Blick nach Tür und Fenster.

»Ich denke, wir sind so weit. Und wenn Ihr es nicht glauben wollt, so seht Euch einmal diese Juwelen an, die ich Euch jetzt anlegen werde!«

Er nahm mir die Handschellen ab, und ich griff zum Revolver. Auch Holman fuhr nach seiner Tasche.

»Weg mit der Hand, oder ich schieße!« drohte ich ihm.

»Seht Ihr's, daß wir soweit sind?« lachte Lincoln. »Gebt die Hände ruhig her, denn ich sage Euch: Ihr habt meine Vollmacht gelesen, die Euch mir vollständig in die Hände gibt. Ich zähle bis drei. Habt Ihr dann die Eisen noch nicht an den Händen, so schmeckt Ihr die Kugel. Tim, drücke los bei drei!«

Er trat zu ihm hin und öffnete die Schellen.

»Eins – – zwei – –!«

Holman sah, daß es Ernst war; er hielt die Hände hin und ließ sich fesseln. Dann wandte sich Lincoln zu William Jones.

»Fünf Minuten sind vorüber; Ihr habt nur noch die andern fünf. Ich spaße nicht. Macht Euch von dannen!«

Fred Hammer hatte noch immer sein Messer in der Hand. Er legte Jones die Faust drohend auf die Schulter und sagte:

»Vorwärts, Mann! Ich werde dafür sorgen, daß Ihr ohne Mühe und Störung weiter kommt.«

Er schob ihn zur Tür hinaus, und wenige Augenblicke später sahen wir den Kanada-Bill fortreiten.

»Habt Ihr nicht einen festen Raum,« wandte sich jetzt Lincoln an Willmers, »in dem wir unsern guten Mister Holman aufbewahren können?«

»Ein sehr gutes und sicheres Behältnis. Kommt!«

Die drei gingen ab, und ich hatte nun sehr zu tun, Betty und den beiden kleinen Ladies den Vorgang, der so unerwartet über sie gekommen war, zu erklären. Als wir alle wieder beisammen saßen, ergossen sich Hammer und Willmers in Dankeserklärungen gegen Lincoln, die dieser nach Kräften von sich wies. Er wollte schon am nächsten Morgen wieder fort, stieß aber auf allgemeinen Widerspruch.

»Ihr müßtet mit Eurem Gefangenen den weiten beschwerlichen und gefährlichen Ritt über das côteau hinunter nach Iowa machen,« erklärte ihm Willmers. »Wartet noch einige Tage, so gehen hier drei Kähne den Fluß hinunter in den Missouri, und Ihr könnt in aller Bequemlichkeit mitfahren. Bis Yankton und Dacota seid Ihr schnell und habt dann nur die kurze Strecke bis hinüber nach Des Moines zurückzulegen. Ihr bleibt also hier. Euer Gefangener ist Euch sicher.«

Lincoln sah das Vorteilhafte des Anerbietens ein und gab nach.

Der Abend kam. Wir hatten unsere Pferde losgepflockt und ließen sie frei grasen gehen. In den Stall durften wir sie nicht bringen; sie waren die Freiheit gewöhnt und hätten sich in dem engen Raum Schaden getan. Die Ladies und Gents außer mir saßen plaudernd im Wohnzimmer; ich schritt am Flusse abwärts, weil ich nach den Pferden sehen wollte. Es war sehr dunkel, so daß ich die Wogen kaum von dem festen Boden unterscheiden konnte. Sinnend schaute ich in das strömende Wasser, über das jetzt ein Lichtstrahl dahinhuschte. Er blinkte durch die zerrissenen Bretterwände einer der mit Heu und Getreide gefüllten Scheunen. Da hörte ich Schritte. Eine Gestalt huschte an mir vorüber, noch eine. Die Finsternis verhinderte mich, genau zu sehen, aber es war mir, als hätte ich Jones und Holman unterschieden.

Sie waren in der Dunkelheit verschwunden, ehe ich ihnen zu folgen vermochte. Ich eilte, so schnell ich konnte, zurück, trat in das Wohnzimmer und fragte Lincoln:

»Ist Holman noch fest, Abraham?«

»Warum? Vor einer halben Stunde war ich bei ihm.«

»Ich glaube, ihn und Jones draußen gesehen zu haben. Schnell, wollen schauen, ob er noch vorhanden ist!«

Wir eilten hinaus. Die eisernen Riegel vor der festen Tür des Gewölbes, in dem man den Gefangenen untergebracht hatte, waren vorgeschoben. Es wurde geöffnet; er war fort.

»Der Kanada-Bill ist zurückgekehrt und hat ihn befreit!« rief Lincoln. »Wir müssen – –«

»Laßt sie, Sir!« fiel ihm Willmers in die Rede. »Morgen früh werden wir ihre Spuren finden und ihrer Fährte folgen. Sie sind uns sicher.«

Wir traten wieder ins Freie. Eine blendende Helle fesselte unsere Blicke. Wo vorhin der Lichtstrahl hin und her huschte, züngelten Flammen gen Himmel. Mit unheimlicher Geschwindigkeit fraß das Feuer. Zwischen schwelendem Qualm und roter Glut lohten da und dort brennende Garbenbündel auf. Wir eilten näher.

Da erblickte ich eine Gestalt, die dagestanden hatte, um das Feuer zu beobachten, aber sofort davonrannte, als sie mich bemerkte. Diese Flucht kam mir verdächtig vor, und ich lief nach. Je näher ich dem Mann kam, desto deutlicher sah ich, daß er durch irgend etwas im Laufen gehindert wurde; seine Arme bewegten sich nicht. Ich verdoppelte meine Schnelligkeit, erreichte ihn und erkannte Holman, dessen Hände noch in den Schellen steckten. Ich faßte ihn, warf ihn nieder und kniete auf ihn; er versuchte, sich zu wehren. Der Handschellen wegen konnte sein Widerstand von keiner Bedeutung sein. Ich riß ihm das Tuch vom Hals und band ihm damit die Füße zusammen. Er knirschte vor Wut mit den Zähnen und funkelte mich mit grimmigen Augen an, ließ aber kein einziges Wort vernehmen. »Guten Abend, Master!« sagte ich. »Euer Spaziergang hat nicht lange gedauert. Wollt Ihr mir wohl mitteilen, wo William Jones steckt?«

Er antwortete nicht.

»Gut! So werden wir versuchen, ihn ohne Euch zu finden.«

Ich nahm ihn beim Kragen und schleifte ihn nach dem Wohnhaus zurück, wo er sofort wieder eingesperrt wurde. Dann zerstreuten wir Männer uns, um nach Jones zu suchen. Aber alle Mühe war vergebens; wir fanden ihn nicht; er war entkommen.

Inzwischen waren die Arbeiter herbeigeeilt. Es gelang ihnen, das Feuer einzudämmen, und schließlich erlosch es aus Mangel an Nahrung. Allzuviel geschadet hat es nicht, wenigstens nicht so viel, wie Jones und Holman beabsichtigt haben mochten.

Holman wurde, als die Kähne nach dem Missouri gingen, von Lincoln fortgeschafft. Das gab einen Abschied, der mir nicht wenig zu schaffen machte, denn der brave Abraham war mir gewaltig an das Herz gewachsen. Ich durfte nicht mit. Fred Hammer und Guy Willmers meinten, das ginge nicht, und die Ladies baten so schön, daß ich nicht anders konnte; ich mußte bleiben.

Später erfuhren wir, daß Holman für die Lebenszeit in die Zelle gekommen ist.

Abraham Lincoln ist nicht beim Lawyer stehen geblieben, sondern hat es bis zum Höchsten gebracht, was ein braver self-man werden kann; er ist Präsident der Vereinigten Staaten geworden und hat leider für das, was er Gutes tat und wollte, einen Schuß bekommen; Fluch dem Schurken, der ihn abfeuerte!

Und ich? Man ließ mir keine Ruhe, ich mußte bei Willmers mein Wigwam aufschlagen. Arrow ist damit nicht zufrieden gewesen, und auch ich habe zuweilen ein so heilloses Zwicken in den Gliedern bekommen, daß ich zu Büchse und Tomahawk gegriffen habe und auf einen Monat oder zwei hinausgeritten bin in die Savanne und die Woodlands, wo ich den Büffeln oder Indsmen zeigen konnte, daß Tim Kroner noch keine Lust habe, die schöne Prärie mit den ewigen Jagdgründen zu vertauschen. Zwischen Longs Peak und den Spanish Peaks ist mein Jagdrevier, und dort habe ich mir den Namen geholt, mit dem ihr mich vorhin genannt habt, nämlich, der »Kolorado-Mann«, Mesch'schurs.

Den Kanada-Bill habe ich seither nicht wieder gesehen. Vor einiger Zeit hörte ich einmal, er habe sich am unteren Mississippi blicken lassen und dort mit dem › Three carde monte‹ ein schönes Geld verdient. Ueber dreißig Jahre sind seit unserer letzten Begegnung vergangen, doch hoffe ich, daß er noch lebt und mir einmal in die Hände fällt. Dann ist ihm meine Kugel sicher.« – – –

Der »Kolorado-Mann« hatte geendet. Nachdenklich betrachtete er seine alte Büchse, die vom Kolben bis zum Laufteil mit zahlreichen Einschnitten, Kerben und sonstigen für Uneingeweihte rätselhaften Zeichen versehen war.


 << zurück weiter >>