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Constantinus
Der äußere Kampf um die Befreiung vom Gottglauben begann erst und konnte erst beginnen, als dieser Glaube in harten Worten festgelegt war, wie ein Reichsgesetz, als ein sogenanntes Dogma. Bei den Griechen und Römern waren Leute genug verfolgt worden, die die Religion des Landes oder der Stadt durch Spott oder durch Einführung neuer Kulte störten; doch keine kirchliche oder weltliche Behörde wollte oder durfte verhindern, daß Naturforschung und Philosophie (bescheidener ausgedrückt: ein bißchen Naturbeobachtung und sehr viel Nachdenken) die Götter der Volksreligion kindisch oder unsittlich fand. Eine solche Kritik wandte sich eigentlich nur – schon in sehr früher Zeit, bei Pythagoras, und oft sehr heftig – gegen die Dichter, gegen Homeros und Hesiodos, die Götterbildner; erst mit dem Emporkommen der christlichen Kirchenmacht berief sich die neue Mythologie nicht mehr auf Dichterworte, sondern auf das Wort Gottes, die Deutung der dunkeln Gottesworte nicht mehr auf die Orakel, bei denen es anerkanntermaßen menschlich zuging, sondern auf Eingebungen des heiligen Geistes, der ja eine der drei Personen des neuen Einen Gottes war. Der römische Kaiser, der der christlichen Kirche eine solche Stellung im Staate einräumte, Constantinus, hat so eine der größten Revolutionen der Weltgeschichte in Bewegung gesetzt und den Beweis geliefert, daß Revolutionen nicht immer dem Fortschreiten der menschlichen Kultur dienen. Es ist kein Zufall, daß dieser Kaiser, der den Staat zuerst auf eine Konfession gründete und an einem europäischen Hofe zuerst den Verwandtenmord einführte, sich auch in die Kodifizierung der neuen Konfession einmischte; denn dadurch unterschied sich ja der neue Kirchenglaube von dem alten Volksglauben, daß er auf die Paragraphen eines Katechismus verpflichtete, die dann, wie andere Paragraphen, in eine sprachliche Form gebracht werden mußten. Wohl ist es aber vielleicht ein Zufall der sogenannten Weltgeschichte, daß dieser selbe Constantinus, der aus politischen Gründen den neuen Glauben erst duldete, dann begünstigte, wieder aus politischen Gründen seine Residenz nach der neuen Hauptstadt verlegte und so den römischen Bischöfen volle Freiheit verschaffte, ihre lokale Macht zu der Weltmacht des Papsttums zu entwickeln. Die constantinische Schenkung, durch welche die römischen Bischöfe in den Besitz eines Kirchenstaates gelangten, gründete sich bekanntlich auf eine Fälschung; in Wahrheit machte Constantinus aber dadurch, daß er den Sitz der Regierung nach dem Bosporus verlegte, den Bischof von Rom zum Herrn von Rom. Die Verlegung der Hauptstadt war die wahre constantinische Schenkung.
Man sagt gewöhnlich, Constantinus habe das Christentum zur Staatsreligion erhoben; Bewunderer wie Schmäher dieses Ereignisses gebrauchen den gleichen Ausdruck, der ungenau und irreführend ist. »Das Christentum« ist ein abstrakter Begriff, der dem Kaiser nicht viele Regimenter zugeführt hätte; die Sache wird wohl so gewesen sein, daß Constantinus konkrete Männer, lebendige Menschen, eben die Anhänger des neuen Glaubens, brauchte und darum die im Werden begriffene christliche Kirche, die Gemeinschaft der Christen, also keinen ganz abstrakten Begriff mehr in seine politischen Berechnungen einbezog. Rätselhaft scheint mir dabei nur – und diese Frage ist bisher meines Wissens niemals gestellt, geschweige denn beantwortet worden –, wie es gekommen sein mag, daß es bereits im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts im römischen Heere, ohne allgemeine Wehrpflicht, so viele Anhänger des neuen Glaubens gab, der friedlich war, dessen Reich nicht von dieser Welt war. Viel begreiflicher scheint es mir, daß Julianos ein Menschenalter später die Mithras-Religion zur Staatsreligion machen wollte; Julianos hatte persönliche und staatsmännische Gründe, die neue christliche Kirche zu hassen und fand die Mithras-Religion unter seinen Soldaten weit verbreitet. Wie dem auch sei: die Machthaber hatten nur das Bedürfnis, sich durch eine Macht zu verstärken; Kaiser Constantinus schloß ein Bündnis, nicht mit dem Christentum, sondern mit der neuen christlichen Kirche. Und weil diese keine Religion war, sondern bald eine Macht, darum konnte ihr der Kaiser gar nicht die Rolle einer Staatsreligion überweisen, sondern nur die ganz andere Rolle einer Staatskirche. Es handelt sich mir bei dieser Unterscheidung nicht um einen Wortstreit. Das verhängnisvolle Ereignis bestand eben darin, daß etwas ganz Unerhörtes, eine organisierte Kirche, ein Staat im Staate, mit Rechten ausgestattet wurde; leitete der Kaiser seine Herrschaftsansprüche nur mittelbar von Gott ab, das Haupt der Kirche aber seine Ansprüche unmittelbar von Gott, so waren alle furchtbaren Kämpfe der Zukunft schon aus der Anerkennung der christlichen Kirche vorauszusagen. War die Bibel wirklich Gottes Wort, deuteten die Konzilien die Bibel wirklich unter dem Beistande des heiligen Geistes, war der römische Bischof wirklich unfehlbar, so war kein Zweifel möglich: der Kaiser hatte dem Papste zu gehorchen.
Um die Neuheit der Sachlage zu begreifen, muß man sich nur darüber ganz klar werden, daß es im Altertume eine Kirche in diesem Sinne nicht gegeben hatte. Wenn wir nämlich, wie hergebracht, bei dem Begriffe Altertum zunächst nur an das religiöse Leben der Griechen und Römer denken wollen; bei einigen Völkern Asiens und in Ägypten mag es ja schon etwas wie eine Kirche mit einer herrschsüchtigen Priesterschaft gegeben haben, aber solche Einrichtungen hatten keinen geschichtlichen Zusammenhang mit dem, was jetzt seit dem Siege des Christentums sich herausbildete. Für die neue Staatskirche gab es ein einziges Vorbild wie für die neue Religion selbst: die sogenannte Theokratie bei den Juden. Aus der Vorstellung von einer Theokratie, aus dem Glauben, daß des Gottes ausgesprochener Wille das Gesetz des Staates sei, können alle Erscheinungen des Mittelalters abgeleitet werden; weil der Gott aus unbekannten Gründen nicht mehr persönlich regiert, haben die Menschen der Statthalterschaft des Gottes blindlings zu gehorchen, der Kirche und ihren Priestern; Ungehorsam gegen die Priester wird so zu einem todeswürdigen Verbrechen der Majestätsbeleidigung, und jeder Zweifel an dem Worte oder gar an dem Dasein des Gottes ist noch ruchloser als Ungehorsam; Ketzerei und Gottesleugnung werden von da an von Amts wegen verfolgt, um so blutiger, je größer die Macht geworden ist, die die Staatskirche zu verteidigen hat. Wir haben gesehen, daß auch die Volksreligion der Griechen konservativ genug an den alten Bräuchen hing; aber einen herrschenden Priesterstand, eine selbständige Staatskirche, ein Wort Gottes hatte es nicht gegeben, bevor Constantinus einen christlichen Staat im römischen Reiche anerkannte.
Für solche Leistung hat Constantinus von der dankbaren Kirche den Titel eines Heiligen erhalten, und christliche Schreiber nennen ihn den Großen; unbekümmert darum, daß die Staatskirche erst unter seinen Nachfolgern zu einer Wirklichkeit wurde und daß er selbst durchaus kein guter Christ war. Soll er doch, mehrfach ein Mörder, die Taufe erst auf dem Sterbebette erhalten haben. Zeit seines Lebens war er ein Staatsmann gewesen, der sich zu keiner bestimmten Religion bekannte, aber manchem Aberglauben huldigte. Constantinus war noch kein Christ, da ihm (312) das Wunder des Christus-Monogramms den Sieg über seinen Gegenkaiser gewinnen half, er war auch noch kein Christ, da er (325) auf dem Konzil von Nicäa entscheidend in die Kodifizierung der christlichen Mythologie eingriff. Das Zeitalter war noch so heidnisch, die Christen waren, wenigstens was die bessere Gesellschaft betrifft, noch so sehr in der Minderzahl, daß Constantinus nach seinem Tode (337) wie andere Kaiser für einen Gott erklärt wurde. Vor seiner Vergottung, bis an sein Ende, übte er das Amt eines Pontifex maximus aus, d. h. eines Papstes der Heiden, und war vorurteilslos genug, auch in dieser Stellung den alten Glauben zu schädigen. Will man, was immer bedenklich ist, die gesamte Politik des Kaisers Constantinus auf einen einzigen Grundsatz bringen, so wird man wohl sagen können: er fand das Reich zerrissen zwischen den beiden Richtungen, die man als heidnischen Polytheismus und als christlichen Monotheismus zu bezeichnen pflegt; er wollte im Reichsinteresse die Einheit wieder herstellen und hatte den Instinkt, daß die Zukunft den Christen gehören werde; und dadurch, daß er auch zwischen den christlichen Sekten rücksichtslos und ohne eigene Überzeugung auf Einigung drang, legte er ahnungslos den Grund zu einer einheitlich geleiteten Staatskirche, die denn auch die Obmacht über den Staat beanspruchte.
Die politische Absicht des Kaisers, den Einheitsstaat über oder (wie es durch Jahrhunderte schien) unter einer Einheitskirche auszubauen, gelang bekanntlich nicht völlig; der Einheitsbewegung stellte sich immer wieder eine Trennungsbewegung gegenüber, die dann zuerst zum morgenländischen und später zum abendländischen Schisma führte, zwischendurch und bis auf die Gegenwart zu unzähligen Ketzereien, die verfolgt wurden, und endlich zu Sektenbildungen, die geduldet werden mußten. Das Ideal der Kircheneinheit, eine katholische Kirche im buchstäblichen Sinne, war niemals Wirklichkeit. Die Heiden, z. B. die Griechen, konnten noch des Glaubens sein, eine gemeinsame Religion zu besitzen, weil diese Religion ungeschrieben war, undogmatisch; die Christen legten ihrer Religion etwa seit dem Anfang des 4. Jahrhunderts geschriebene Dogmen zugrunde, und sofort begann auch der Streit über die Bedeutung der geschriebenen Sätze. Mit einer vorurteilslos geschichtlichen Untersuchung dieser Wortkämpfe hat die Disziplin der Dogmengeschichte erst seit wenigen Jahrzehnten Ernst gemacht.
Kirchenväter
Nicht an die Person des Kaisers Constantinus, wohl aber an seine Zeit und an die Begründung einer christlichen Staatskirche ist die Erscheinung anzuknüpfen, die wiederum unmöglich in die heidnische Zeit der Griechen und Römer hineingedacht werden kann, die Erscheinung von Schriftstellern, die metaphysische Fragen unter dem Zwange von religiösen Dogmen erörtern: die Erscheinung der sogenannten Kirchenväter. Man muß diese Männer eigentlich zu den Philosophen rechnen – wie sie es selber taten –, indem man den Begriff der Philosophie unziemlich erweitert; manche Kirchenväter, wie Tertullianus, der Afrikaner, haßten und verachteten zwar die griechische Philosophie und bedienten sich der philosophischen Waffen nur, um den Feinden des Christentums antworten zu können, aber insofern alle aufgeworfenen Fragen übernatürlicher Art waren, handelte es sich gewissermaßen doch um Philosophie. Nun ist allerdings christliche oder kirchliche Philosophie ein ebensolches Unding wie etwa katholische Mathematik; die griechischen Philosophen waren ohne Ausnahme frei gewesen von irgendwelchen Rücksichten auf irgendein Dogma, mochten auch ihre Naturbeobachtungen primitiv sein, ihre Logik sophistisch, ihre Sprache unbewußt bildhaft; die Kirchenväter, die besonders seit dem Konzil von Nicäa zahlreich werden, waren entweder die sophistischen Advokaten des strengen geschriebenen Dogmas oder sie waren doch gezwungen, falls sie nämlich ketzerische Neigungen hatten, das übernatürliche Dogma zu untersuchen, anstatt der Natur. Es ist also gar nicht so ungehörig, wie Theologen gemeint haben, wenn ältere Darstellungen der antiken Philosophie die griechischen und lateinischen Kirchenväter gar nicht behandelten; in ihren Schriften lebt etwas, was trotz der griechischen oder lateinischen Sprache nicht hellenischer, nicht römischer Geist ist.
Der katholische Standpunkt ist wieder einmal der konsequentere, auch in der Patristik; Väter der Kirche, d. h. Erzeuger der Kirchenlehre, sind ihm nur diejenigen Geistlichen der ersten Jahrhunderte, die von der späteren Orthodoxie als gut kirchlich anerkannt wurden; die Legende sorgte dafür, daß allen diesen Kirchenvätern ein gottseliges Leben nachgerühmt wurde; die Reihe dieser Kirchenväter wurde dann bis tief ins Mittelalter und bis in die Neuzeit weitergeführt; die nachwirksamsten Kirchenväter wurden zu besonderer Auszeichnung Kirchenlehrer genannt ( doctores ecclesiae), zuletzt Franz von Sales im Jahre 1877; als Heiliger schon 1665 anerkannt. Die Protestanten betrieben die Patristik und die Patrologie (man unterscheidet ja recht pedantisch zwischen diesen beiden Disziplinen) sehr eifrig, doch nur aus dogmatischen Gründen; wie die meisten Ketzer wollten die Protestanten zu einem vermeintlichen Urchristentum zurückkehren und suchten Hilfe irgendwo bei den Kirchenvätern. Es war gar nicht vernünftig, just etwa bei denen des 4. Jahrhunderts stehenzubleiben und nicht auf das dritte oder zweite Jahrhundert oder auf die Bibel selbst zurückzugehen. Dogmengeschichte und Bibelkritik, vorurteilslose Würdigung auch der ketzerischen Kirchenschriftsteller der alten Zeit führte dann zur Selbstzersetzung des Protestantismus, zur Unchristlichkeit; doch die Loslösung vom Gottglauben konnte sich auf die Kirchenväter niemals berufen. Wirklich hatten die Vorläufer der Atheisten, die Bekämpfer des Teufels- und Gespensterglaubens, vielfach die orthodoxen wie die ketzerischen Kirchenväter als Feinde zu betrachten.
Ketzer
Eine ganz vorurteilslose Dogmengeschichte müßte durch die Kraft der Tatsachen zu dem wunderlichen Ergebnisse kommen, daß die meisten Kirchenväter, Männer wie Augustinus nicht ausgenommen, Ketzer waren, wenn man so ungeschichtlich sein will, ihre Bestrebungen um die Lehrsätze und um die Einrichtung der Kirche mit dem theologischen und kirchlichen System einer späteren Orthodoxie zu vergleichen; wir aber haben es, auch wenn wir die Geschichte des Atheismus zu einer Geschichte aller antichristlichen Richtungen erweitern, nicht mit der Ketzerei zu tun, die allgemein und fast immer ein Versuch inbrünstiger Christen war, den nach ihrer Meinung durch die orthodoxe Kirche gefährdeten Glauben zu retten. Weil aber die Kirche im Kampfe um ihre Macht schlau und rücksichtslos genug war, solche Ketzer oder Reformatoren für Gottesfeinde und Teufelsgenossen auszugeben, um sie nach dem bestehenden Rechte verfolgen zu können, weil im Laufe der Zeit viele Freidenker es für ratsam hielten, sich zum Scheine an Ketzer anzuschließen, vielleicht in der Hoffnung, bei den Kirchenfeinden den Boden für ihre Unchristlichkeit besser vorbereitet zu finden, darum müssen wir gleich beim Eintritte in die geschichtliche Darstellung die Grenzen zwischen Unglauben und Ketzerei genauer ziehen, als dies von kirchlich gerichteten Geschichtschreibern geschehen ist und geschehen konnte. Auf die Grenzen zwischen Unglauben und Ketzerei kommt es mir an, nicht auf den Unterschied zwischen der Kirche und den Ketzern. Für diesen zweiten Gesichtspunkt würde es sich empfehlen, die prachtvolle alte »Kirchen- und Ketzerhistorie« von Arnold nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft neu bearbeitet herauszugeben, zum Erweise des Satzes: alle Ketzer sind bessere Christen gewesen als irgendwelche Anhänger einer orthodoxen Kirche. Meine Absicht ist viel bescheidener; ich will ja gerade die Ketzer, weil sie die besseren Christen und die leidenschaftlicheren Gottesverehrer waren, aus meinem Berichte ausschließen und nur diejenigen Menschen und Gruppen zu den Aufklärern rechnen, deren Lehren – bewußt oder unbewußt – zum Niedergange des Christenglaubens oder des Gottglaubens beitrugen. Natürlich auch diejenigen nicht vergessen, die eine Ketzerei bewußter oder unbewußter heuchelten, nur um ihre Abkehr von der rechtgläubigen Kirche ohne das Gefühl und ohne die Gefahr der Vereinsamung zu bekennen. Man wird die Gründe, die mich hier zum Übergehen, dort zum Hervorheben eines Ketzers veranlaßten, in jedem einzelnen Falle besser verstehen, wenn ich vorher an zwei großen Beispielen aus den ersten christlichen Jahrhunderten die Linie gezeigt habe, an welcher sich die Wege des inbrünstigen Glaubens und der glaubensfeindlichen Dogmenkritik trennen: an den Pelagianern und an den Manichäern. Ich will nicht leugnen, daß ich beide Beispiele nach langem Suchen mit einer lehrhaften Nebenabsicht gewählt habe; die Pelagianer führen nach einer unterirdischen Arbeit von Jahrhunderten zu der Ketzerei der Socinianer, deren Bedeutung für den Geisteskampf des 17. und 18. Jahrhunderts wir noch kennen lernen werden; und die Manichäer, die von der römischen Kirche für noch ärger gehalten wurden als irgendwelche Ketzer, sind mit ihrem Prinzip eines bösen Gegengottes in die Kirche eingedrungen und haben den Teufelswahn schaffen helfen, durch den der Volksglaube und durch dessen Förderung die Kirche des Mittelalters sich so fürchterlich von den Mythenvorstellungen des Altertums unterscheidet. Die Pelagianer und die Manichäer waren der Kirche, so wie sie sich zu entwickeln Anstalt machte, sehr gefährlich geworden; die Kirche konnte sich gegenüber den Pelagianern zunächst auf keinen allgemeinen Lehrsatz berufen und besaß über die gar nicht christlichen Manichäer ursprünglich gar keine Rechte; um sich aber für die Gefahr zu rächen, die ihr drohte, belegte sie die einen wie die anderen widerrechtlich mit dem Ketzernamen und ließ es an Beschimpfung und Verleumdung nicht fehlen.
So ungefähr ein gelehrtes Schimpfwort ist der Name der Pelagianer innerhalb der theologischen Fakultät noch lange geblieben; zu einem Schimpfworte der Volkssprache wurde er nur darum nicht, weil die Ketzerei durch neuere Ketzersekten abgelöst worden war. Wie man die Katholiken von protestantischer Seite noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts als Socinianer verdächtig zu machen suchte, so schleuderten einander Lutheraner und Reformierte die Bezeichnung »Pelagianer« ins Gesicht. Nichts ist für einen Theologen unbeweisbar, und so konnte der streng lutherische Prediger Edzard den Reformierten nachweisen, sie wären Pelagianer, – weil sie (darauf läuft es wahrhaftig hinaus) von den guten Werken mehr hielten als die Lutheraner.
Pelagianer
Die Pelagianer werden von den rechtgläubigen Geschichtschreibern des Atheismus fast immer den Naturalisten zugerechnet, d. h. nach dem Sprachgebrauche des 18. Jahrhunderts den Rationalisten oder den Deisten, welche in ihrer Naturreligion der Vernunft folgten. Der gelehrte und eigentlich nicht unduldsame Walch führt sie unter den subtileren Naturalisten an und vergleicht sie einmal (Religionsstreitigkeiten außer der lutherischen Kirche V, S. 661) nicht uneben mit den modernen Juden, welche so hochmütig sind, bloß mit ihren natürlichen Kräften Gutes wirken zu wollen. »Pelagianer«, seit Ende des 16. Jahrhunderts auch »Semipelagianer«, wurde zu einem Schimpfwort, durch welches die katholische, nachher auch die protestantische Kirche diejenigen der Verachtung und der Verfolgung preisgab, die dem menschlichen Willen mehr oder weniger Bedeutung neben der sogenannten göttlichen Gnadenwahl zugestanden. Ich habe eben versprochen, daß ich nur die Geschichte der Befreiung von der Religion geben will, die Geschichte der Aufklärer, nicht aber die Geschichte der Ketzer, die sich wohl gegen die Kirche empörten, aber dabei der Überzeugung waren, fast immer mit Recht, auf dem Boden der ursprünglicheren Religion zu stehen, eines freilich willkürlich datierten Urchristentums. Bei Pelagius liegt die Sache noch anders. Er vertrat dem Augustinismus gegenüber ganz gewiß den alten Glauben und zugleich eine natürlichere Religion; man müßte ihn einen Aufklärer nennen, wenn er seine Gedanken auch nur 100 Jahre später vorgetragen hätte, als nämlich die Kirche schon augustinisch geworden war. In der Zeit jedoch, da Pelagius verurteilt wurde, genau vor anderthalb Jahrtausenden, war seine Lehre beinahe katholisch oder allgemein, und der Augustinismus, der zufällig zu einer Ketzerei hätte gemacht werden können, war die Neuerung. Pelagius darf hier trotzdem nicht unerwähnt bleiben, weil er sehr stark nachwirkte und die späteren Pelagianer wirklich den Eindruck von Aufklärern machen mußten, wenn sie – wenn ich so sagen darf – einen vernünftigen Gott lehrten, welcher seine Gnade nicht nach Laune oder nach einem unerforschlichen Ratschlusse, sondern nach dem Verdienste der Menschen austeilte. Wir haben es mit einem ähnlichen Treppenwitz der Kulturgeschichte zu tun wie bei Arius; beide waren sie fromme Männer nach dem verhältnismäßig einfachen Glauben ihrer Zeit und erregten so gewaltiges Aufsehen nur dadurch, daß sie sich neuen und ganz unbegreiflichen Dogmen widersetzten; als dann diese Unbegreiflichkeiten zum festen Bestande der Kirche geworden waren, machten die späten Anhänger von Arius wie von Pelagius den Eindruck von Ketzern und, wenn sich hinter ihrer Rückkehr zum alten Glauben der Wunsch nach Befreiung vom Supranaturalismus verbarg, von Rationalisten oder Aufklärern. Der Zusammenhang erscheint noch enger, wenn man sich erinnert, daß die Socinianer, als sie die Lehre des Arius wieder aufs Tapet brachten, von den Rechtgläubigen gern Pelagianer genannt wurden.
Pelagius kam also in den Ruf der Ketzerei erst, als der glühende Gedankenschwung des Afrikaners Augustinus an ihm einen entschiedenen Gegner fand. Pelagius, zur Zeit des Kampfes wahrscheinlich schon ein Greis, war von Geburt Brite oder Ire; er lebte in Rom und hatte da den Ruf eines besonders frommen, ja asketischen Mannes. Seine Meinung, daß die Erbsünde den freien Willen des Menschen nicht aufhebe, daß der Mensch einen natürlichen Hang zur Vollkommenheit habe, konnte um so weniger verletzen, als er fest im Glauben an Christus stand. Selbst eine gewisse Abneigung gegen die Kindertaufe, die ihm später zum Hauptvorwurfe gemacht wurde, konnte in einer Zeit kein Anstoß sein, in welcher gewöhnlich erst Erwachsene getauft wurden.
Der Streit wurde offenbar durch persönliche Gegensätze verschärft, über die wir freilich keine zuverlässigen Nachrichten haben. Der seit seiner Kindheit ehrgeizige, als Bischof herrschsüchtige Augustinus verfolgte den unbotmäßigen Pelagius mit einem Hasse, der aus dem Gegensatze zwischen der feurigen Inbrunst des Afrikaners und der ruhigen Nüchternheit des Nordländers allein nicht zu erklären ist. Erst als Pelagius mit seinen Genossen nach Nordafrika kam und der berühmte Bischof von Hippo vielleicht jetzt erst erfuhr, wie allgemein verbreitet die vernunftgemäßen Anschauungen des Pelagius in Italien waren, mag Augustinus, der sich bereits und mit Recht als den Begründer einer neuen Kirche fühlte, in Pelagius den Hauptfeind erblickt haben. Wir erfahren, daß Augustinus 415 den im Orient überaus angesehenen Hieronymus gegen den Pelagius verhetzte; wir erfahren, daß Pelagius die Autorität des Augustinus ablehnte mit den verächtlichen Worten: Wer ist denn Augustinus für mich? Eine Synode nach der anderen wurde gegen Pelagius und seine Anhänger aufgeboten; ohne rechten Erfolg. Da ließ sich Augustinus 416 dazu herbei, den Bischof von Rom, der damals noch nicht anerkanntes Haupt der Kirche und noch nicht unfehlbar war, um eine Entscheidung anzugehen. Der Bischof von Rom war politisch genug, die Unterwerfung der mächtigen Afrikaner mit einer Entscheidung zu ihren Gunsten zu beantworten. Augustinus begrüßte das zwar nicht wörtlich mit der legendären Formel » Roma locuta, causa finita«, aber doch mit einer ähnlichen Redensart, die den Primat Roms anzuerkennen schien. Nun gab es aber wenige Monate später einen neuen Bischof von Rom, angeblich jüdischer Abstammung, der wiederum für Pelagius und gegen die Afrikaner Partei nahm, zunächst wenigstens. Die Afrikaner jedoch hatten es verstanden, den Kaiser für sich zu gewinnen, wie 100 Jahre vorher die Gegner des Arius. Auf einem Konzil zu Karthago wurde Pelagius 418 zum Ketzer gemacht und fast gleichzeitig vom Kaiser aus Rom verwiesen. Die Sätze des Konzils von Karthago sind eindeutig, soweit sie erklären, Adam sei erst durch die Erbsünde sterblich geworden und schon das Kind müsse der Erbsünde wegen getauft werden; die Begriffe »Gnade« und »Rechtfertigung« waren aber damals noch so fließend, daß es ein Fehler wäre, mit den Definitionen der Folgezeit an diese Canones heranzutreten, mit denen Augustinus 418 endgültig siegreich blieb. Rom unterwarf sich im Dogma dem Augustinus. Es gehört nicht hierher und soll darum nur kurz erwähnt werden, daß die härtesten Folgerungen aus der Prädestinationslehre des Augustinus erst später und nur von Calvin gezogen wurden; die katholische und die lutherische Kirche behaupteten immer, in Augustinus den größten Kirchenvater zu sehen, aber beide hüteten sich, den Gott so unmenschlich darzustellen. Für die Reformierten blieben darum Katholiken wie Lutheraner im Verdachte des Semipelagianismus.
Die rationalistische Lehre des Pelagius wurde nicht so bald ausgerottet; noch war die Kirche nicht stark und einheitlich genug, um mit Feuer und Schwert gegen Ketzer vorgehen zu können. Die pelagianischen Bischöfe Italiens wurden verbannt oder fügten sich; doch zu gleicher Zeit wurde der Pelagianismus und der Protest gegen den Augustinismus erst in ein System gebracht. Diese rationalere, im Verhältnis zur Prädestinationslehre menschlichere Religion behielt in der englischen und französischen Kirche eine rührige Anhängerschaft und führte in Frankreich zu Beginn des 6. Jahrhunderts zu neuen Streitigkeiten. Es entwickelte sich da ein halber Pelagianismus, der die Aussicht auf die Seligkeit nicht allein von der Gnade abhängig machen wollte. Der Ausdruck »Semipelagianer« scheint aber erst nach dem Tridentinum aufgekommen zu sein.
Manichäer
Wer sich eingehend mit der Religionsgeschichte des Abendlandes beschäftigt hat und sich von Redensarten nicht täuschen läßt – wie daß der Sieg des Christentums im Plane einer göttlichen Vorsehung lag und überflüssigerweise auch noch eine historisch-logische Notwendigkeit war –, der weiß, daß just ungefähr zu der Zeit, da der Christenglaube Staatsreligion wurde, eine ganz andere Religion die besten Aussichten hatte, die Volksreligion des Abendlandes zu werden: der Manichäismus. Noch günstiger als für den Mithrasdienst, den der Kaiser Julianos gegen das Christentum ausspielte, standen die Sachen zu Anfang des 4. Jahrhunderts für die Lehren des Mani, der nicht ein christlicher Ketzer war, sondern ein selbständiger Religionsstifter wie Mohammed; nur daß Mani beim Judentum so gut wie keine Anleihen machte, beim Christentum viel weniger als der Begründer des Islam. Mit seiner Moral der Keuschheit und seiner ebenso billigen Philosophie breitete sich der Manichäismus von Babylonien nach Westen aus und drang über Nordafrika bis nach Spanien und Frankreich vor; als der zwanzigjährige Augustinus (wahrscheinlich im Jahre 373) sich die Hörner abgelaufen hatte, glaubte er in der Bibelkritik der Manichäer eine wissenschaftliche und in ihrer geschlechtlichen Enthaltsamkeit eine sittliche Befriedigung zu finden; er wurde ein einfacher Genosse ( auditor) der Manichäer und hielt es neun Jahre in dieser bescheidenen Stellung aus, ohne ein Führer der Partei zu werden, die an die Keuschheit ihrer Oberhäupter strengere Anforderungen stellte, als an die der Genossen. Es ist bekannt, wenn auch vielleicht immer noch nicht genügend anerkannt, daß Augustinus in dem Sinne, in welchem Paulus der eigentliche Stifter des Christglaubens war, der Stifter der christlichen Religion oder doch der christlichen Theologie geworden ist; man kann es sich recht gut ausmalen, daß der Manichäismus anstatt des Christentums die Welt erobert hätte, wenn der heißblütige Bischof von Hippo nicht abtrünnig geworden wäre, wenn er seine afrikanische Glut und Rhetorik sowie seine kirchenfürstliche Herrschsucht für den Manichäismus eingesetzt hätte. Wäre die Welt manichäisch geworden anstatt christlich, so wären freilich die Menschen Menschen geblieben und die sogenannte Weltgeschichte hätte unter anderen Schlagworten einen ähnlichen Lauf nehmen können wie den, den sie tatsächlich genommen hat. Der Unterschied wäre um so geringer, als ein Grundgedanke des Manichäismus, der Glaube an ein böses Prinzip, zu einem wesentlichen Bestandteil der christlichen Volksreligion wurde; nur daß das böse Prinzip im Manichäismus nicht ohne eine gewisse Philosophie auftrat, so seicht und falsch diese Philosophie auch sein mochte, daß dagegen das böse Prinzip im Christentum, von der Kirche geduldet und anerkannt, aber von der Theologie niemals widerspruchslos herausgearbeitet, im Volke zu dem grauenhaften Teufelswahne emporwuchs, der der Religion des Mittelalters ihre Färbung gab. Solange man an die Macht des Teufels glaubte, war das Christentum ein Zweigöttersystem. Die Leugnung des Teufels, der Adiabolismus, war eine Vorstufe des Atheismus. Wir müssen uns also, wollen wir die Geschichte des Abfalls von Gott richtig verstehen, die Geschichte der Aufklärung, auch die Geschichte des Teufels zu Hilfe nehmen; und für die Geschichte des Teufels ist die Ausbreitung des Manichäismus im Abendlande von Wichtigkeit. Ich fühle mich aber nicht verpflichtet, auf die oft knifflichen Fragen der Maniforschung einzugehen; genug daran, daß wir uns von der Persönlichkeit und von der Lehre des Mani eine bessere Vorstellung machen können, seitdem die Erschließung morgenländischer Quellen die Unwahrhaftigkeit und Gehässigkeit der früher allein bekannten christlichen Quellenschriften sichtbar gemacht hat. Pierre Bayle und Gottfried Arnold kannten das entscheidende Buch, den arabischen Fihrist, noch nicht, ahnten aber schon die Wahrheit.
Mani
Mani (der Name ist ja auch in anderen Formen überliefert) war seiner Abstammung nach ein Perser, wurde aber in Babylonien geboren, im Jahre 215 oder 216; schon sein Vater scheint in einer religiösen Bewegung eine Rolle gespielt zu haben; Mani wurde in einer Ketzerei, vielleicht der der Mandäer, erzogen und soll sehr früh den Trieb zum Religionsstifter gefühlt haben, im zwölften oder im vierundzwanzigsten Lebensjahre. Öffentlich trat er in seinem achtundzwanzigsten Jahre auf, als ein Gesandter des wahren Gottes, als der letzte Prophet nach Buddha, Zarathustra und Jesus, als der von Jesus verheißene Paraklet. Fast könnte man meinen, Mani sei nicht sein Eigenname gewesen, sondern ein Berufsname; wie Gautama der Buddha hieß und Jesus der Christus. Er fand Gunst und Anhängerschaft am Hofe des Perserkönigs, muß aber bald wieder in Ungnade gefallen sein. Er wurde im Jahre 276 oder 277 gekreuzigt, nach der schon damals in Scheußlichkeiten schwelgenden christlichen Überlieferung überdies noch lebendig geschunden. Als ein Apostel des Teufels.
Der Dualismus, den der Mani in seinem Weltgedichte lehrte, mag zu dieser Bezeichnung Veranlassung gegeben haben; aber sein böses, finsteres Prinzip war viel schöner, viel heidnischer oder menschlicher als der spätere christliche Teufel. Nicht so gleichwertig und auch nicht ganz so persönlich wie im Parsismus die gute und die böse Gottheit, standen bei Mani das Reich des Lichts und das Reich der Finsternis einander gegenüber. Dichterisch großartiger als etwa bei Hesiodos, aber auch orientalisch wüster, sicherlich symbolisch tiefer als in dem ersten Buche Mosis, entwickelt sich aus der Verbindung von Licht und Finsternis ein seltsames Geschlecht von Göttern und Halbgöttern: der Urteufel Iblis ( diabolos) und der erhabene Urmensch. Erst aus der Vermischung dieser beiden Gestalten entsteht die sichtbare Welt, die wieder eine Verwirrung von Licht und Finsternis ist. Das Menschenleben ist ein Streben nach Erlösung durch das Licht. Für diese Erlösung wurde von späteren Manichäern die Heilsbotschaft von Jesu umgedeutet. Auch die biblische Geschichte von den ersten Menschen in ein seltsam sittliches Märchen verwandelt. Das Ende der Welt ist die Befreiung des Lichtes von der Finsternis.
Die Sittenlehre des Mani bringt Vorschriften, die ungefähr auch sonst sittlich heißen. Unter der Bezeichnung dreier Siegel werden unreine Worte und Handlungen, unreine Gedanken und unreine Speisen verboten. Darum heißen die Manichäer die Reinen, die Katharisten, woraus dann im 12. Jahrhundert der Name der Katharer oder Ketzer entstand. Von dem großen Haufen der Manichäer, von den Genossen oder auditores, wurde weder eine strenge Askese, noch irgendwelche Heiligkeit verlangt. Aus dem einfachen Kult der Manichäer scheint die Einrichtung der Fasten und Gebete in den Islam übergegangen zu sein.
Wie später im Koran, so wurde auch in den Schriften des Mani von Jesus mit unbedingter Hochachtung geredet; er wäre ein Bote des Lichtgottes, aber doch mehr ein Schein, als ein wirklicher Mensch. Dagegen waren die jüdischen Propheten und Moses selbst für den Mani Teufel oder Werkzeuge des Teufels.
Will man, was niemals ganz stimmt, die Lehre des Mani in unserer Sprache ausdrücken, so zeigt seine Botschaft eher den Charakter einer Welterklärung, also einer Philosophie im antiken Sinne, als einer Religion. Er lehrt einen Dualismus des Urguten und des Urbösen, aber dieser Dualismus ist nicht der von Geist und Körper, sondern eigentlich doppelt materialistisch. Über die beiden quälendsten Fragen der Zeit dachte der Mani kühner, wenn auch nicht tiefer, als die in Augustinus verkörperte christliche Theologie: das Verhältnis zwischen der Notwendigkeit des Weltlaufs und der menschlichen Verantwortung erklärte er nicht mit unauflösbar wirren Sätzen über Vorherbestimmung und Willensfreiheit, sondern mit einem scheinbar leicht zu beobachtenden Kampfe zwischen dem guten und dem bösen Prinzip; und das böse Prinzip war ihm nicht wie dem Zarathustra und dem christlichen Volksglauben zugleich ein Geschöpf Gottes und ein fast allmächtiger Gegengott, sondern immerhin mehr ein bildlicher Ausdruck für die lichtfeindliche Finsternis. Die ungeheuerliche Steigerung des Teufelswahns im Abendlande knüpft dennoch an das böse Prinzip des Mani an, doch nicht durch die Schuld der Manichäer, sondern durch die der christlichen Theologen; als diese in blödem Aberglauben die Heidengötter als Teufel oder Dämonen hingestellt hatten, legten sie den Grund zu dem Teufelsaberglauben; als sie aber im 12. Jahrhundert, weniger aus Dummheit als aus bewußt fälschender Bosheit, die Katharer oder Ketzer als Teufelsanbeter und gefährliche Zauberer der Wut des Volkes preisgaben, da begann für ein halbes Jahrtausend die Zeit, in welcher das Christentum beinahe mehr noch Teufelsfurcht (Deisidämonie) als Gottesfurcht war. Darum wurde Adeisidämonie oder Befreiung von der Teufelsfurcht wirklich eine notwendige Vorstufe des Atheismus.
So gehört zwar nicht die ursprüngliche Lehre des Mani, wohl aber der Ausrottungsfeldzug gegen die tausend Jahre späteren letzten Manichäer in die Geschichte des Teufelswahns. Die Ausbreitung des Manichäismus im Orient kümmert uns hier nicht. Nach dem Westen gelangte die neue Religion über Syrien zumeist in das prokonsularische Afrika. Weil die Manichäer im Abendlande christliche Schlagworte aufgenommen hatten, galten sie hier für eine christliche Sekte und wurden als Christen verfolgt, dann geduldet und endlich als christliche Ketzer neuerdings und unerbittlich verfolgt. Augustinus hat den Manichäer Faustus »widerlegt«, den viel niedriger stehenden Manichäer Felix »bekehrt«. Vernichtet wurde der Manichäismus noch lange nicht. Seine Anhänger lebten bis ins 6. Jahrhundert hinein unter dem Namen Priscillianer in Spanien und Frankreich und wurden dann wieder im 12. Jahrhundert das Ziel der großen mörderischen Verfolgung, unter dem Namen der Katharer von Südfrankreich.