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Sechstes Kapitel

»Worin kann ich Ihnen dienen?« sagte Don Rodrigo, sich aufrecht in das Zimmer pflanzend. So lauteten die Worte; aber die Art, wie sie gesprochen wurden, wollte klar besagen: Siehe zu, vor wem du stehst, miß deine Worte ab und spute dich.

Um unserem Bruder Cristoforo Mut zu machen, gab es kein sicheres und leichteres Mittel, als ihn mit übermütigen Blicken anzureden. Er, der unschlüssig dastand, nach Worten suchte und die Kügelchen des Rosenkranzes, den er am Gürtel trug, zwischen den Fingern hinlaufen ließ, als ob er an einem von ihnen den Eingang zu seiner Rede zu finden hoffte, fühlte bei diesem Auftreten Don Rodrigos gleich, wie ihm mehr Dinge, als er zu sagen nötig hatte, auf die Lippen kamen. Da er aber alsbald bedachte, wie wichtig es sei, seine Sache, oder was noch weit mehr war, die Sache anderer nicht zu verderben, so zügelte und milderte er die Worte, die ihm in den Sinn gekommen waren und sprach mit bedächtiger Demut: »Ich komme, Ihnen eine Handlung der Gerechtigkeit vorzuschlagen, Sie um eine Barmherzigkeit anzuflehen. Gewisse schlechte Menschen haben sich des Namens Ihrer Gnaden bedient, einen armen Pfarrer zu ängstigen und von der Erfüllung seiner Pflicht abwendig zu machen und zwei Unschuldige zu unterdrücken. Sie können sie mit einem Worte beschämen, alles wieder in Ordnung bringen und diejenigen wieder aufrichten, denen so groß Unrecht geschehen ist. Sie können es; und Gewissen, Ehre ... da Sie es können ...«

»Sie werden von meinem Gewissen mit mir sprechen, wann es mir gut dünkt, Sie deshalb in Anspruch zu nehmen. Was meine Ehre betrifft, so sei Ihnen zu wissen, daß deren Wächter ich und ich allein bin und daß ich einen jeden, der sich unterfängt, diese Sorge mit mir zu teilen, für einen vermessenen Beleidiger derselben ansehe.«

Durch diese Worte gewarnt, daß der Herr die seinigen auf das übelste auszulegen suchte, um die Unterredung in einen Wortwechsel zu verkehren und ihn gar nicht zur Sache kommen zu lassen, machte Bruder Cristoforo sich um so mehr Duldsamkeit zur Pflicht, beschloß, alles hinzunehmen, was der andere für gut befände ihm zu sagen und erwiderte alsobald mit unterwürfigem Tone: »Wenn ich etwas gesagt habe, das Ihnen mißfällt, so ist dies gewiß völlig gegen meine Absicht geschehen. Weisen Sie mich nur zurecht, schelten Sie mich aus, wenn ich nicht zu sprechen verstehe, wie es schicklich ist; aber geruhen Sie mich anzuhören. Um des Himmels willen, bei dem Gotte, vor dessen Angesicht wir alle treten müssen ...« Und indem er dies sagte, hatte er den kleinen Schädel, der an seinem Rosenkränze hing, zur Hand genommen und hielt ihn seinem staunenden Zuhörer vor Augen; »beharren Sie nicht dabei, eine so leichte, den Armen gebührende Gerechtigkeit zu versagen. Bedenken Sie, daß Gottes Auge immer auf sie gerichtet ist und daß ihre Verwünschungen dort oben vernommen werden. Die Unschuld ist mächtig vor seinem ...«

»Ei, Pater,« unterbrach ihn Don Rodrigo auffahrend, »die Achtung, die ich vor Ihrem Kleide habe, ist groß; wenn aber irgend etwas sie mich vergessen machen könnte, so wäre es, wenn ich es jemand tragen sähe, der sich erkühnte, als Spion in mein Haus zu kommen.«

Dieses Wort setzte die Wangen des Mönches in Flamme; aber mit der Miene dessen, der eine bittere Arzenei verschluckt, erwiderte er: »Sie glauben nicht, daß ein solcher Beiname mir zukommt. Sie fühlen in Ihrem Herzen, daß die Handlung, die ich jetzt hier begehe, weder eine geringschätzige noch gemeine ist. Hören Sie mich an, Herr Don Rodrigo; und wolle der Himmel nicht, daß ein Tag komme, wo Sie bereuen, mich nicht gehört zu haben. Setzen Sie Ihren Ruhm nicht hintan ... welchen Ruhm, Herr Don Rodrigo! Welchen Ruhm vor den Menschen! Und vor Gott! Sie vermögen viel hienieden; aber ...«

»Wissen Sie,« sprach mit Grimm, aber nicht ohne einigen Schauder, ihm in die Rede fallend, Don Rodrigo, »wissen Sie, daß, wenn mir die Grille ankommt, eine Predigt zu hören, ich recht wohl in die Kirche gehen kann, wie andere tun? Aber in meinem Hause! Oh!« und er fuhr mit einem gezwungenen höhnischen Lächeln fort: »Sie machen mehr aus mir, als ich bin. Den Prediger im Hause! den haben nur Fürsten.«

»Und der Gott, der den Fürsten von dem Worte Rechenschaft abfordert, das er ihnen in ihren Hofburgen zu vernehmen gibt, der Ihnen jetzt seine Barmherzigkeit bewährt, indem er einen unwürdigen, elenden seiner Diener, aber einen seiner Diener entsendet, für eine Unschuldige fürzubitten ...«

»Kurz und gut, Pater,« sprach Don Rodrigo, indem er sich anschickte fortzugehen, »ich weiß nicht, was Sie sagen wollen; ich begreife nichts weiter, als daß es irgendeine Dirne geben muß, an der Ihnen viel gelegen ist. Wenden Sie sich mit Ihren Vertraulichkeiten an wen es Ihnen beliebt und nehmen Sie sich nicht heraus, einem Edelmanne länger beschwerlich zu fallen.«

Sowie Don Rodrigo sich in Bewegung gesetzt hatte, war auch der Mönch aufgebrochen und ehrerbietig vor ihn getreten; indem er, die Hände wie bittweise und wie um ihn zur Stelle aufzuhalten erhoben, ferner antwortete: »Es ist mir an ihr gelegen, das ist wahr, aber nicht mehr als an Ihnen. Zwei Seelen sind es, an denen beiden mir mehr als an meinem Blute liegt. Don Rodrigo! ich vermag nichts anderes für Sie zu tun als Gott zu bitten; aber ich werde es von ganzem Herzen tun. Sagen Sie nicht nein zu mir; wollen Sie nicht eine arme Unschuldige in Angst und Schrecken erhalten. Ein Wort von Ihnen kann alles tun.«

»Wohlan,« sprach Don Rodrigo, »da Sie denn glauben, daß ich für diese Person viel tun kann; da Ihnen diese Person denn so sehr am Herzen liegt ...«

»Wohlan!« wiederholte ängstlich Pater Cristoforo, dem Haltung und Gebärde Don Rodrigos nicht gestatteten, sich der Hoffnung zu überlassen, die diese Worte zu verkünden schienen.

»Wohlan, so rate ich ihr, sich hierher in meinen Schutz zu begeben. Es soll ihr nichts abgehen und niemand sich erdreisten sie zu beunruhigen, oder ich bin kein Kavalier.«

Bei einem solchen Vorschlage brach die bisher nur mühsam gezügelte Entrüstung des Bruders los. All die schönen Vorsätze zu Klugheit und Geduld verschwanden: der alte Mensch war mit dem neuen einverstanden, und in solchen Fällen galt Bruder Cristoforo in der Tat für zwei.

»Euer Schutz!« rief er aus, trat zwei Schritte zurück und ruhte nun stolz auf dem rechten Fuße, indem er die rechte Hand in die Hüfte stemmte, die linke mit ausgestrecktem Zeigefinger gegen Don Rodrigo erhob und ihm mit zwei entflammten Augen fest und gerade ins Antlitz schaute: »Euer Schutz! Es ist schon recht, daß Ihr so mit mir gesprochen, einen solchen Vorschlag mit getan habt. Ihr habt das Maß gefüllt und ich fürchte Euch nicht mehr.«

»Wie sprichst du, Mönch?«

»Ich spreche, wie man mit einem spricht, der von Gott verlassen ist und nicht mehr Furcht einflößen kann. Euer Schutz! Ich wußte wohl, daß die Unschuldige unter Gottes Schutz steht; aber Ihr, Ihr lasset mich das jetzt mit einer solchen Sicherheit empfinden, daß ich kein Bedenken mehr zu haben brauche, mit Euch von ihr zu reden. Lucia, sage ich; seht, wie mit erhobener Stirn, wie mit unbeweglichen Augen, ich diesen Namen ausspreche.«

»Wie! in diesem Hause ...«

»Ich trage Mitleid mit diesem Hause; Fluch schwebt darüber. Ihr werdet sehen, ob die göttliche Gerechtigkeit sich an ein paar Steine und ein paar Mordgesellen kehrt. Ihr habt gemeint, Gott habe eine Kreatur nach seinem Ebenbilde geschaffen, um Euch das Ergötzen zu machen, sie zu quälen! Ihr habt gemeint, Gott würde sie nicht zu verteidigen wissen! Ihr habt seine Mahnung verschmäht! Ihr habt Euch gerichtet. Pharaos Herz war verhärtet wie das Eurige und Gott hat es zu brechen gewußt. Lucia ist sicher vor Euch; ich sage es Euch, ich armer Mönch, und was Euch betrifft, so hört wohl, was ich Euch verspreche. Es wird ein Tag kommen ...«

Don Rodrigo hatte bis jetzt, ohne Worte zu finden, ganz befangen von Wut und Verwunderung dagestanden; aber als er eine Prophezeiung anstimmen hörte, gesellte sich eine ferne geheimnisvolle Angst zu dem Zorne. Er erfaßte rasch in der Luft die drohende Hand und rief, die Stimme erhebend, um die des Unglückspropheten zum Schweigen zu bringen: »Aus meinen Augen, frecher Bauer, verkappter Taugenichts.«

Diese so deutlichen Worte beschwichtigten den Pater Cristoforo augenblicklich. Mit dem Gedanken an Schmach und Hohn war in seinem Innern der an Erduldung und Schweigen so eng und seit so langer Zeit verbunden, daß bei dieser Begrüßung jeder Anflug von Entrüstung und Begeisterung von ihm wich und ihm kein anderer Entschluß verblieb als der, geruhig anzuhören, was Don Rodrigo belieben würde hinzuzufügen. Nachdem er also die Hand sanft aus den Klauen des Edelmannes zurückgezogen, senkte er das Haupt und stand regungslos da, wie, wenn inmitten eines Wetters der Wind sich legt, ein alter Baum seine Äste wieder in ihre natürliche Lage bringt und den Hagel auf= nimmt, wie ihn der Himmel sendet.

»Gemeiner Bursche!« fuhr Don Rodrigo fort; »du behandelst mich wie deinesgleichen. Aber danke dem Rocke, der dir die Landstreicherschultern bedeckt und dich vor den Liebkosungen errettet, die man deinesgleichen antut, wenn man sie reden lehrt. Mach dich für diesmal aus dem Staube und wir wollen sehen!«

Indem er so sprach, deutete er mit dem Finger gebieterisch und verächtlich auf eine Tür, der gegenüber, durch die sie eingetreten waren; Bruder Cristoforo neigte das Haupt, indem er Don Rodrigo das Schlachtfeld überließ, das dieser mit hastigen Schritten durchmaß.

Nachdem der Mönch die Tür hinter sich zugemacht hatte, sah er in dem Nebenzimmer, in das er getreten, einen Menschen leise an der Wand entlang schleichen, wie, um nicht von dem Zimmer der Unterredung aus wahrgenommen zu werden und erkannte den alten Diener, der ihn an dem äußeren Tore in Empfang genommen hatte. Derselbe war schon seit vierzig Jahren in dem Hause, und zwar, noch ehe Don Rodrigo geboren ward, daselbst in des Vaters Dienst getreten, der ein ganz anderer Mann gewesen war. Als dieser starb, gab der neue Herr der gesamten Dienerschaft den Laufpaß, indem er sich andere Gesellschaft wählte, behielt jedoch noch diesen Diener, teils weil er schon bejahrt war, bei, teils weil er, wenn auch nach Gemüt und Sitte völlig von ihm verschieden, dies Gebrechen nichtsdestoweniger mit zweien Eigenschaften wieder gut machte: einem hohen Begriffe von der Würde des Hauses, und einer großen Übung in Förmlichkeiten, von denen er besser als jeder andere die ältesten Überlieferungen und geringsten Umstände kannte. Angesichts seines Herrn würde der arme Alte niemals gewagt haben, seine Mißbilligung dessen, was er den ganzen Tag über sah, zu verstehen, geschweige denn zu vernehmen zu geben; kaum daß ihm einmal ein Ausruf, ein Vorwurf halblaut gegen seine Dienstgenossen entfuhr, die sich darüber lustig machten und ihm wohl die Zunge lösten, indem sie ihn verleiteten, eine Predigt zu halten und das Lob der alten Art in diesem Hause zu leben, wieder abzusingen. Seine Rügen kamen dem Gebieter nicht anders als mitsamt der Kunde von dem Spott j« Ohren, der damit getrieben worden; und solchergestalt regten sie auch ihn viel mehr zur Geringschätzung als Ahndung derselben auf. An Tagen der Einladung und des Empfangens wurde indessen der Greis eine ernsthafte und gewichtige Person.

Pater Cristoforo sah ihn im Vorbeigehen an, grüßte ihn und verfolgte seinen Weg; der Alte aber näherte sich ihm geheimnisvoll, legte den Zeigefinger auf den Mund und gab ihm darauf mit diesem Zeigefinger einen einladenden Wink, mit ihm in einen finsteren Gang zu treten. Sobald er ihn dort hineingeführt, sagte er heimlich zu ihm: »Pater, ich habe alles gehört und habe mit Ihnen zu sprechen.«

»Sagt auf der Stelle an, guter Mann.«

»Hier nicht. Wehe, wenn der Herr sich versähe ... aber ich werde viel erfahren können und zusehen, morgen nach dem Kloster zu kommen.«

»Gibt es irgendeinen Anschlag?«

»Daß etwas im Werke, ist gewiß; so viel habe ich schon merken können; jetzt werde ich aber aufpassen und alles herauskriegen. Lassen Sie mich machen. Ich muß Dinge mit ansehen und hören ... Wunderdinge! Ich bin in einem Hause! ... Aber ich möchte meine Seele gern erretten ...«

»Gott segne Euch!« und indem der Mönch diese Worte leise aussprach, legte er die Hand auf das Haupt des Dieners, der, wiewohl älter als er, demütig, in der Stellung eines Sohnes vor ihm stand. »Gott wird es Euch vergelten,« fuhr der Mönch fort; »versäumt nicht, morgen zu kommen.«

»Ich werde kommen,« erwiderte der Diener; »gehen Sie aber gleich und ... um des Himmels willen ... verraten Sie mich nicht.« Bei diesen Worten umherblickend, trat er am anderen Ende des Ganges in ein Gemach, das sich nach dem Hofe zu öffnete und rief, da er das Feld rein fand, den guten Pater hinaus, dessen Angesicht auf das letzte Wort deutlicher antwortete, als irgendeine Beteuerung hätte tun können. Der Alte wies nach dem Ausgange und er entfernte sich, ohne noch einen Laut von sich zu geben.

Der Diener hatte an der Tür seines Herrn gehorcht. Hatte er recht getan? Und tat Bruder Cristoforo recht, ihn darum zu loben? Nach den gewöhnlicheren und anerkannteren Regeln ist es etwas sehr Unehrbares; aber konnte dieser Fall nicht für eine Ausnahme angesehen werden? Und gibt es Ausnahmen von so anerkannten Regeln?

Das sind Fragen, die der Leser sich selbst lösen mag, wenn er Lust dazu hat. Wir sind nicht gesonnen, Urteile abzugeben; es genügt uns, daß wir Tatsachen zu erzählen haben.

Als Bruder Cristoforo auf die Straße gekommen war und der Höhle den Rücken zugekehrt hatte, atmete er freier auf und eilte den Abhang hinunter, von dem, was er gehört, und von dem, was er gesagt hatte, ganz erhitzt im Gesicht, ganz bewegt und erschrocken, wie ein jeder sich vorstellen kann. Das so unerwartete Anerbieten des Dieners war ihm jedoch eine große Herzstärkung gewesen; es schien ihm, als habe der Himmel ihm ein ersichtliches Zeichen seines Schutzes gegeben. Das ist ein Faden, dachte er, ein Faden, den die Vorsehung mir in die Hand legt. Und in diesem Hause selbst! Und ohne daß ich mir einfallen ließ, danach zu suchen! – Dies erwägend, schlug er die Augen zum Abendhimmel auf, sah die Sonne, die beinahe schon den Gipfel des Berges berührte, sich zum Untergange neigen und dachte, daß nur wenig mehr vom Tage übrigbliebe. Obschon er also fühlte, daß seine Beine schwer und von den mannigfachen Anstrengungen dieses Tages ermattet waren, beschleunigte er seine Schritte nichtsdestoweniger, um seinen Schützlingen was auch immer für Nachricht bringen und dann noch vor Nacht in das Kloster gelangen zu können; denn dies war eine der unbedingtesten und am strengsten gehaltenen Vorschriften des Gesetzbuches der Kapuziner.

Währenddessen waren in Luciens Häuschen Anschläge aufs Tapet gebracht und ermessen worden, von denen es uns zukommt, den Leser zu unterrichten. Nach dem Abgange des Mönches waren die drei Zurückgebliebenen einige Zeit in Stillschweigen verharrt; Lucia das Mittagsmahl betrübt zurichtend, Renzo sich alle Augenblicke unschlüssig anschickend, sich dem Anblicke der so schwer Bekümmerten zu entziehen, und doch unfähig, von ihr zu scheiden; Agnes anscheinend sehr beflissen, ihre Haspel zu drehen; in der Tat aber einem Gedanken nachhängend, mit dem sie, als er ihr spruchreif schien, das Stillschweigen folgendermaßen brach:

»Hört, Kinder, wenn ihr im Notfall beherzt und schlau sein wollt, wenn ihr eurer Mutter vertraut« – über dies »eurer« bebte Lucia zusammen – »so mache ich mich anheischig, euch aus der Klemme besser und schneller vielleicht als Pater Cristoforo zu helfen, wenn er auch immerhin der Mann sein mag, der er ist.«

Lucia stutzte und sah sie mit einer Miene an, die mehr Verwunderung als Vertrauen in ein so glänzendes Versprechen ausdrückte, und Renzo sagte rasch: »Beherzt? Schlau? sprecht, sprecht, was geschehen kann.«

»Ist es nicht wahr?« fuhr Agnes fort, »wenn ihr verheiratet wäret, so hättet Ihr schon etwas Rechtes gewonnen und es ließe sich dann für alles übrige leichtere Abhilfe finden?«

»Wer bezweifelt das?« sagte Renzo; »verheiratet, wie wir wären ... Die Sonne geht ja allenthalben unter und auf, und zwei Schritte von hier auf Bergamasker Gebiete wird mit offenen Armen aufgenommen, wer in Seide arbeitet. Ihr wißt, wie oftmals Bortolo, mein Vetter, mich hat angehen lassen, dorthin zu kommen und bei ihm zu bleiben, ich würde mein Glück machen, wie er seines gemacht hat, und wenn ich noch nicht auf ihn gehört habe, so ist es ... was sonst, als weil mein Herz hier war. Als Mann und Frau zieht man insgesamt dahin, richtet sich die Wirtschaft ein, lebt in Ruhe und Frieden vor den Klauen des Schurken, von der Versuchung fern, einen dummen Streich zu machen. Ist das nicht wahr, Lucia?«

»Ja« sagte Lucia; »aber wie? ...«

»Wie ich gesagt habe,« erwiderte Agnes: »Beherzt und schlau, und die Sache ist leicht.«

»Leicht! sagten die, denen die Sache so ungemein und schmerzlich schwer geworden war, beide auf einmal.

»Leicht, wenn man sie anzugreifen weiß,« versetzte Agnes. »Hört mir wohl zu, ich will sehen, ob ich sie euch begreiflich machen kann. Ich habe Leute, die Bescheid wissen, sagen hören und auch selbst so einen Fall gesehen, daß der Pfarrer wohl zu einer Trauung erforderlich, daß er aber gar nicht willfährig zu sein braucht; es genügt, daß er dabei ist.«

»Wie verhält sich die Sache?« fragte Renzo.

»Merkt auf und ihr werdet hören. Man muß zwei wohleinverstandene und flinke Zeugen haben. Man geht zum Pfarrer, es kommt darauf an, daß man ihn unversehens ertappt, daß er nicht Zeit habe, zu entwischen. Der Mann sagt: Herr Pfarrer, das ist meine Frau; die Frau sagt: Herr Pfarrer, das ist mein Mann. Es ist nötig, daß es der Pfarrer hört, daß es die Zeugen hören; und die Heirat ist so fix und fertig und gilt für so heilig und unverbrüchlich, als wenn sie der Papst geschlossen hätte. Sind die Worte einmal gesagt, so mag der Pfarrer schreien, toben, einen Teufelslärm machen; es hilft alles nichts, ihr seid Mann und Frau.«

»Ist es möglich!« rief Lucia aus.

»Wie?« sprach Agnes; »stellt ihr euch vor, daß ich in den dreißig Jahren, die ich vor euch auf der Welt gewesen bin, nichts gelernt haben werde? Die Sache ist so, wie ich euch sage: Beweis, eine Freundin von mir, die einen gegen den Willen der Eltern nehmen wollte, machte es so und setzte ihre Absicht durch. Der Pfarrer merkte etwas davon und war auf seiner Hut, aber die beiden Teufel wußten es fein anzustellen, überrumpelten ihn im rechten Augenblick, sprachen die Worte, waren Mann und Frau; wiewohl es die Ärmste schon drei Tage darauf bereute.«

Die Sache verhielt sich in der Tat so, wie Agnes sie vorgestellt hatte; auf diese Weise geschlossene Ehen wurden damals bis herab auf unsere Tage für gültig gehalten. Abgesehen aber, daß zu einem solchen Hilfsmittel nur derjenige seine Zuflucht nahm, der auf dem gewöhnlichen Wege Hindernisse angetroffen hatte, oder abgewiesen worden war, so trugen die Pfarrer große Sorge, jene gezwungene Mitwirkung zu vermeiden; und wenn einer von ihnen dennoch von einem solchen von Zeugen begleiteten Paare überrascht wurde, versuchte er alles Mögliche, sich von ihm wie Proteus aus den Händen derer loszumachen, die ihn gewaltsam nötigen wollten, wahrzusagen.

»Wenn es wahr wäre, Lucia!« sagte Renzo, und heftete seine Augen mit dem Ausdruck flehender Erwartung auf sie.

»Wie? wenn es wahr wäre!« wiederholte Agnes. »Auch Ihr glaubt, daß ich fasele. Ich mache mir um Euretwillen Sorge, und Ihr glaubt mir nicht? Gut, gut, zieht Euch aus der Klemme wie Ihr könnt; ich wasche mir die Hände.«

»Ach, nein! verlaßt uns nicht,« sprach Renzo. »Ich rede so, weil mir die Sache gar zu schön deucht. Ich bin in Euren Händen, ich sehe Euch wie meine rechte Mutter an.«

Diese Worte zerteilten Agnes' augenblicklichen Verdruß und sie vergaß darüber einen Vorsatz, der in Wahrheit nur in Worten bestanden hatte.

»Weshalb denn aber, Mutter,« sagte Lucia mit ihrem schüchternen Wesen, »weshalb ist das Pater Cristoforo nicht eingefallen?«

»Eingefallen?« erwiderte Agnes; »meinst du, es werde ihm nicht eingefallen sein? Er wird vielmehr nicht davon reden wollen.«

»Warum?« fragten die jungen Leute alle beide auf einmal.

»Weil ... weil, wenn ihr es wissen wollt, die Geistlichen sagen, es sei eigentlich eine Sache, die nicht ganz wohlgetan.«

»Wie kann es sein, daß daran nicht wohlgetan, was doch gutgeheißen wird, wenn es geschehen ist?« sagte Renzo.

»Was wollt ihr, daß ich euch sage?« entgegnete Agnes. »Sie haben das Gesetz gemacht, wie es ihnen gefallen hat; und wir armen Leute können nicht alles verstehen. Und dann, wie viele Dinge ... Seht; es ist gleich als wenn ihr einem Christenmenschen einen Schlag versetzt; es ist nicht wohl daran getan, aber habt ihr ihn einmal ihm verreicht, so kann ihn sogar der Papst ihm nicht wieder abnehmen.«

»Wenn es eine Sache, die nicht wohlgetan,« sagte Lucia, »so muß man sie unterlassen.«

»Was!« meinte Agnes, »will ich dir etwa einen Rat gegen die Gottesfurcht geben? Wenn es gegen den Willen deiner Eltern wäre, um einen über Hals und Kopf zu kriegen ... aber da ich es zufrieden bin, und da es des Burschen wegen ist, und da es ein Schurke ist, der die ganze Verwirrung anrichtet, und da der Herr Pfarrer ...«

»Es ist klar wie die Sonne,« sagte Renzo.

»Man muß dem Pater Cristoforo nichts davon sagen, ehe man es tut,« fuhr Agnes fort; aber ist es erst getan und gut abgelaufen, was denkst du, daß der Pater dir da sagen kann? – Ach, Tochter! das ist eine schlimme Übereilung; nun du hast sie begangen. – Die Geistlichen müssen so reden. Aber glaube nur, daß auch er damit in seinem Herzen zufrieden sein wird.«

Lucia wußte zwar auf diese Rede nichts zu antworten, indessen schien sie ihr doch nicht recht einzuleuchten; Renzo aber sagte ganz ermutigt: »Wenn es so ist, so ist die Sache abgemacht.«

»Gemach,« sagte Agnes. »Und die Zeugen? Und wie stellt man es an, daß man den Herrn Pfarrer ertappt, der sich seit zwei Tagen zu Hause verkrochen hat? Und wie zwingt man ihn, Stich zu halten? Denn wie schwerfällig er auch von Natur ist, ich sage euch, sobald er euch solchergestalt angezogen kommen sieht, wird er so flüchtig wie eine Katze werden und ausreißen wie der Teufel vor dem Weihwasser.«

»Ich hab's gefunden, ich hab's,« sagte Renzo, schlug mit der Faust auf den Tisch, daß das zum Mittagsmahl hingestellte Geschirr in die Höhe sprang und setzte seinen Einfall weiter auseinander, den Agnes durchweg billigte.

»Das ist eine verworrene Sache,« sagte Lucia, »darin geht es nicht rein her. Bisher sind wir aufrichtig zu Werke gegangen, halten wir auch ferner an Treue und Glauben fest, so wird uns Gott helfen: Pater Cristoforo hat es gesagt. Ziehen wir ihn zu Rate.«

»Laß dich von dem leiten, der es versteht,« sagte Agnes mit ernster Miene. »Was brauchen wir uns erst Rats zu holen? Gott spricht: Hilf dir, so werde ich dir auch helfen. Dem Pater erzählen wir alles, wenn's vorbei ist.«

»Lucia,« sagte Renzo, »willst du jetzt von mir lassen? Haben wir nicht in allem wie gute Christen getan? Sollten wir nicht schon Mann und Frau sein? Hatte uns der Pfarrer nicht selbst Tag und Stunde angegeben? Und wessen ist die Schuld, wenn wir uns jetzt mit ein wenig Verstand helfen müssen? Nein, du wirst es nicht an dir fehlen lassen. Ich gehe und bringe gleich Antwort.« Er grüßte Lucia mit flehentlicher Gebärde, Agnes mit der Miene des Einverständnisses und entfernte sich eilig.

Unglück, pflegt man zu sagen, gibt Verstand, und so hatte Renzo, der auf dem von ihm seither durchlaufenen geraden und ebenen Lebenspfade durchaus keine Gelegenheit gefunden, den seinigen viel zu schärfen, in diesem Falle etwas ersonnen, das einem Rechtsgelehrten Ehre gemacht haben würde. Er ging, wie er sich vorgenommen hatte, geradeswegs nach dem nahegelegenen Häuschen eines gewissen Tonio und fand ihn in der Küche, wie er, ein Knie quer über die Fußbank des Herdes gelegt und in der Rechten den Rand eines in heiße Asche gestellten Topfes haltend, mit krummer Teigrolle eine kleine graue Polenta von türkischem Korn umrührte. Die Mutter, ein Bruder, die Frau Tonios saßen am Tisch, und drei oder vier kleine Kinder standen ringsumher und erwarteten, die Augen auf den Topf geheftet, auf den Augenblick, daß er umgestürzt würde. Es herrschte aber nicht jene Heiterkeit vor, die doch der Anblick des Mittagbrotes demjenigen zu geben pflegt, der es sich mit Arbeit verdient hat. Die Größe der Polenta stand im Verhältnis zu der Zeit, nicht zu der Zahl und guten Eßlust der Tischgenossen, und ein jeder von ihnen schaute mit einem scheelen Blick gierigen Verlangens auf die gemeinsame Speise. Während Renzo die Familie begrüßte, schüttete Tonio die Polenta auf das buchene Hackebrett aus, das bereit stand, sie aufzunehmen, und sie schien ein kleiner Mond in einem großen Hofe von Dünsten zu sein. Nichtsdestoweniger sagten die Frauen höflich zu Renzo: »Wollt Ihr mit zulangen?« eine Artigkeit, die der lombardische Landmann nimmer unterläßt, dem zu erweisen, der ihn beim Essen betrifft, wäre dieser selbst ein soeben von der Tafel aufgestandener reicher Prasser und zehrte er noch vom letzten Bissen.

»Ich danke euch,« versetzte Renzo, »ich kam nur, um Tonio ein Wörtchen zu sagen; und wenn du willst, Tonio, so können wir, um deine Weibsleute nicht zu stören, nach dem Wirtshause gehen, um zu essen und miteinander zu reden.«

Der Vorschlag war Tonio ebenso angenehm als unerwartet; und die Frauen sahen nicht ungern, daß ein Mitesser, und zwar der furchtbarste, der Polenta, entzogen wurde. Der Eingeladene hielt sich nicht weiter mit Fragen auf und entfernte sich mit Renzo.

Im Wirtshause des Dorfes angelangt, setzten sie sich in völliger Einsamkeit ganz gemächlich nieder (denn von diesem Orte der Lust hatte das Elend alle Besucher entwöhnt), ließen sich das wenige bringen, was es gab, und tranken ein Maß Wein, worauf Renzo geheimnisvoll zu Tonio sagte: »Wenn du mir einen kleinen Dienst leisten willst, so will ich dir einen großen leisten.«

»Sprich, sprich, gebiete über mich,« erwiderte Tonio und schenkte ein. »Ich könnte heute ins Feuer für dich gehen.«

»Du bist dem Herrn Pfarrer, als Pacht für sein Feld, das du voriges Jahr bebautest, fünfundzwanzig Lire schuldig.«

»Ach, Renzo, Renzo! Du vergällst mir die Wohltat. Was erinnerst du mich daran? Du hast mir alle gute Laune verdorben.«

»Wenn ich der Schuld gegen dich erwähne,« sagte Renzo, »so geschieht es, weil ich dir, wenn du willst, anzugeben gedenke, wie sie zu bezahlen ist.«

»Sprichst du im Ernste, Renzo?«

»Im Ernst. Eh! würdest du so zufrieden sein?«

»Zufrieden? Mein Seel, ob ich zufrieden sein würde! Wenn's auch nur darum wäre, das Winken mit dem Kopfe und die Gesichter nicht mehr zu sehen, die der Herr Pfarrer mir allemal schneidet, wenn wir uns begegnen. Und dann immer: ›Tonio, denkst du daran! Tonio, wann sprechen wir uns in der Sache?‹ Ja, es geht so weit, daß, wenn er beim Predigen mich mit den Augen anglotzt, ich mich ordentlich fürchte, er werde mir da vor aller Welt zurufen: ›die fünfundzwanzig Lire!‹ Verwünscht wären doch die fünfundzwanzig Lire! Und dann müßte er mir auch die goldene Halskette meiner Frau wieder herausgeben, und ich könnte so viel Polenta daraus machen. Aber ...«

»Aber, aber, wenn du mir ein kleines Dienstchen leisten willst, so liegen die fünfundzwanzig Lire da.«

»Sag an.«

»Aber ...!« sagte Renzo und legte den Zeigefinger quer über die Lippen.

»Braucht's dessen noch? Du kennst mich.«

»Der Herr Pfarrer schützt gewisse nichtssagende Gründe vor, um meine Trauung auf die lange Bank zu schieben, und ich möchte gern zur Sache kommen. Da sagen sie mir nun für gewiß, daß, wenn ein Paar Brautleute mit zwei Zeugen vor ihn hintreten, und ich spreche: ›das ist meine Frau,‹ und Lucia: ›das ist mein Mann,‹ die Heirat so gut wie geschlossen ist. Hast du mich verstanden?«

»Du willst, ich soll als Zeuge mitgehen?«

»Ganz recht.«

»Und du wirst für mich die fünfundzwanzig Lire zahlen?«

»Das denke ich zu tun.«

»Ein Schelm, wer's nicht hält.«

»Man muß aber noch einen Zeugen haben.«

»Ich habe ihn. Der arme Kauz, mein Bruder Gervaso, tut, was ich ihm sage. Du hältst ihn einmal im Trinken frei?«

»Und im Essen,« erwiderte Renzo. »Wir nehmen ihn mit hierher, daß er sich mit uns lustig macht. Wird er sich aber auch gut anstellen?«

»Ich werde ihn schon zustutzen; du weißt ja wohl, ich habe auch sein Teil Gehirn mit weggekriegt.«

»Morgen ...«

»Gut.«

»Gegen Abend ...«

»Vortrefflich.«

»Aber ...!« sagte Renzo, den Zeigefinger nochmals an die Lippen haltend.

»Pah! ...« versetzte Tonio, bog den Kopf nach der rechten Schulter hin und erhob die linke Hand mit einer Miene, die besagte: Du tust mir unrecht.

»Aber wenn deine Frau dich fragt, die dich doch ohne Zweifel fragen wird ...«

»Lügen bin ich meiner Frau schuldig, und so viele, so viele, daß ich nicht weiß, ob ich die Rechnung werde jemals wett machen können. Es wird mir schon eine Windbeutelei einfallen, ihr das Herz damit zu beruhigen.«

»Morgen früh,« sagte Renzo, »besprechen wir die Sache weiter, damit sie ohne Anstoß abläuft.«

Damit verließen sie das Wirtshaus und Tonio machte sich auf den Weg nach Hause, indem er auf ein Märchen sann, das er seiner Frau aufbände, Renzo aber, um von der genommenen Rücksprache Rechenschaft abzulegen.

Mittlerweile hatte sich Agnes vergebens abgemüht, die Tochter zu überreden. Diese setzte jedem ihrer Gründe bald das eine, bald das andere Glied ihres Dilemmas entgegen: entweder ist die Sache unrecht und darf nicht getan werden oder sie ist es nicht, und warum sollte man sie dann nicht dem Pater Cristoforo zu wissen tun?

Renzo kam jetzt ganz frohlockend an, stattete seinen Bericht ab und schloß mit einem »Ahn!« welche mailändische Ausrufung bedeutet: bin ich oder bin ich nicht ein ganzer Kerl? Konnte man es sich besser ausdenken? Würde euch das eingefallen sein? und hunderterlei Ähnliches.

Lucia schüttelte sanft den Kopf; aber die beiden Eifernden achteten eben nicht darauf, so wie man mit einem Kinde zu tun pflegt, an dem man verzweifelt, ihm das Vernünftige einer Sache begreiflich zu machen und das man nachher mit Bitten und mit seinem Ansehen zu dem bewegt, was man von ihm verlangt.

»Das ist gut,« sagte Agnes; »das ist gut; aber ... Ihr habt nicht an alles gedacht.«

»Was fehlt noch?« antwortete Renzo.

»Und Perpetua? Ihr habt nicht an Perpetua gedacht. Die läßt wohl Tonio und seinen Bruder ein; aber euch! euch beide! Bedenkt! Sie wird angewiesen sein, euch entfernter zu halten als einen Jungen von einem Birnbaum, der voll reifer Früchte hängt.«

»Was ist da zu tun?« sprach Renzo nachdenklich.

»Seht Ihr wohl? daran hab' ich gedacht. Ich werde mit Euch gehen, und ich habe ein Geheimnis, wie ich sie anlocke und dermaßen berücke, daß sie Euch nicht gewahr wird, und so könnt Ihr hineinkommen. Ich werde sie abrufen und ihr eine Saite anschlagen ... Ihr sollt schon sehen.«

»Gott segne Euch!« rief Renzo aus; »ich habe es immer gesagt, daß Ihr in allem unsere Hilfe seid.«

»Das hilft aber alles nichts,« sagte Agnes, »wenn sich die da nicht bereden läßt, die hartnäckig behauptet, daß es Sünde sei.«

Renzo bot nun auch seine Beredsamkeit auf; aber Lucia ließ sich nicht irre machen.

»Ich weiß nicht, was ich auf eure Gründe entgegnen soll,« sagte sie, »aber ich sehe, um es so zu vollbringen, wie ihr angebt, muß man sich mit arger Verstellung, mit Lug und Trug forthelfen. Ach, Renzo! wir haben so nicht angefangen. Ich will dein Weib werden,« – und sie vermochte auf keine Weise dieses Wort auszusprechen und diese Gesinnung kundzugeben, ohne im ganzen Gesicht zu erglühen – »ich will dein Weib werden, aber auf dem geraden Wege, in der Furcht Gottes, am Altar. Lassen wir den da oben machen. Meinst du nicht, daß er, um uns zu helfen, besser, als wir mit allen solchen Schlichen imstande sind, das Ende finden werde? Und warum vor dem Pater Cristoforo ein Geheimnis haben!«

Der Streit dauerte noch immer fort und schien noch nicht zu enden, als ein eiliger Sandalentritt und das Rauschen eines Gewandes, ähnlich dem, das wiederholte Windstöße in ein schlaffes Segel erregen, den Pater Cristoforo ankündigten. Man schwieg, und Agnes hatte kaum die Zeit, Lucia ins Ohr zu raunen: »Hüte dich wohl, ihm etwas zu sagen.«


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