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55. Zurück zur Erde!

Lord Flitmore stellte die Fliehkraft und Parallelkraft vollständig ab.

Die Eigengeschwindigkeit der Sannah war noch so ungeheuer, daß die Anziehungskraft der nahen Sonne nicht genügte, um sie in ihrem Laufe aufzuhalten, noch weniger natürlich die Anziehungskraft Merkurs.

Es war daher zu befürchten, daß das Weltschiff das irdische Sonnensystem wieder verlassen könnte; doch hoffte der Lord, dadurch, daß er alle Triebkräfte abstellte, so viel zu erreichen, daß die Anziehung durch die Sonne und das ganze Planetensystem die Fahrgeschwindigkeit derart hemme, daß sie bei der Kreuzung der Erdbahn soweit verringert sein könnte, um ein Sinken der Sannah auf die Erde zu ermöglichen.

Leider war dies jedoch nicht der Fall; auch war die Erde auf ihrer Bahn viel zu weit von der Stelle entfernt, wo unsre Freunde diese Bahn durchschnitten, um eine Einwirkung auf das Fahrzeug ausüben zu können.

Erst die Nähe des Mars zeigte die gewünschte Wirkung: die Fahrt verlangsamte sich merklich.

Dennoch ging es auch über die Marsbahn hinaus dem Jupiter zu.

Als Flitmore merkte, daß nun die Eigengeschwindigkeit der Sannah so weit geschwächt war, daß dieser mächtigste der Planeten sie anzog, stellte er die Fliehkraft wieder ein mit dem Erfolg, daß das Weltschiff nun, von Jupiter abgestoßen, zurückgeschleudert wurde.

Wieder ging es am Mars vorbei und auch hier wirkte die Fliehkraft in der Weise, daß die Sannah im Bogen an dem Planeten vorbeieilte und sich wieder der Erdbahn näherte. Diesmal trat auch der günstige Umstand ein, daß die Erde in Verfolgung ihrer Bahn auf die Stelle zueilte, an welcher unsre Freunde diese schneiden mußten.

»Jetzt oder nie!« sagte Flitmore und unterbrach aufs neue den Zentrifugalstrom, damit die Erde womöglich das Weltschiff zu sich herabzwingen möge.

Heliastra betrachtete mit freudiger Neugier die im Sonnenglanze leuchtende Weltkugel, das Land ihrer Sehnsucht, ihrer erbarmenden Liebe.

In schräger Richtung stürzte die Sannah abwärts, der heimatlichen Erde zu, und man konnte bereits mit bloßem Auge die Meere und Küsten, Gebirge und größeren Flüsse unterscheiden.

Heinz begab sich mit seiner holden Gattin auf die Oberfläche des Fahrzeugs hinaus und sie sahen auf die Kugel hinab, die sich zu ihren Füßen ausdehnte. Um besser Ausschau halten zu können, stiegen sie, sich an der Rampe festhaltend, hinab und setzten sich in eine Art Beobachtungskorb, den Flitmore neuerdings für solche Zwecke neben dem Eingang zum Südpolzimmer angebracht hatte.

»Was sind das für hohe Berge?« fragte Heliastra. »Und wie kommt es, daß ihre Gipfel so weiß erscheinen wie Milch und blitzen wie Diamanten?«

»Das ist das Himalayagebirge, die höchste Bergkette unsrer Erde; seine Spitzen sind bedeckt mit ewigem Schnee und Eis, denn in solchen Höhen ist es bei uns sehr kalt, so daß das Wasser und die Niederschläge fest werden und diese dir unbekannten Kristalle bilden, die wir Eis und Schnee nennen.«

»Oh, wie schön blau leuchten eure Meere!« rief Heliastra entzückt. »Ganz wie bei uns! Und wie wunderbar grün sind alle diese Länder. Habt ihr keine so schrecklichen Wüsten wie unser Planet?«

»Wüsten haben wir auch; siehst du diese rötlichen und grauen Flecken rechts und links hinter den Gebirgszügen? Das sind die mongolische Wüste im großen Chinesischen Reich und die Steppen des Sirdarja im südwestlichen Sibirien. Und dort hinten in weiter Ferne könntest du die Eiswüsten der Nordpolarländer glitzern sehen, wenn wir uns auf der andern Seite befänden. Aber allerdings besteht euer Weltkörper, bis auf den paradiesischen mittleren Gürtel, aus einer einzigen öden, kahlen Felswüste, die ausgedehnter ist als die ganze Oberfläche unserer Erde. Darin haben wir doch etwas vor euch voraus, unsere Wüsten erstrecken sich auf verhältnismäßig kleine Gebiete.«

»Da arbeitet ihr gewiß auch emsig an ihrer Fruchtbarmachung wie wir?«

»Durch Erbohrung von Quellen wird allerdings einiges in dieser Richtung versucht, doch sind wir weit davon entfernt, so Gewaltiges zu leisten, wie deine Brüder dort oben.«

Heliastra sah nach dem südlichen Himmel.

»Ich sehe meine Heimat!« sagte sie. »Ein kleiner Stern. Ich sehe auch ihren Rosenmond, ein winziges Pünktchen! Wenn du meine Augen hättest, könntest du sie auch erblicken. Wie weit, wie weit sind wir von dort. Aber Gottes Welt umfaßt unsere Erde, die ihr Eden nanntet, wie die eure; es ist doch ein einziges großes Gottesreich und da reist man von einem Land zum andern.«

»Hast du kein Heimweh?« fragte Heinz teilnahmvoll.

»Heimweh bei dir?« fragte das Elfenkind zurück, und lachend strahlten ihn die Blauaugen an. »Nein! Bei dir wird immer meine Heimat sein, und wie freue ich mich doch auf die Welt, wo ich soviel mehr tun kann in helfender und tröstender Liebe, als es in unserm schmerzlosen Lande möglich wäre.«

»Du bist ein Engel!« rief Heinz und küßte die Anschmiegende beseeligt.

»Was ist dort für eine große Insel?« fragte die Holde nun wieder.

»Das ist Australien«, erklärte ihr Gatte. »Siehst du, auch dort kannst du eine ausgedehnte Wüste erkennen; da wäre ich selbst einmal beinahe verdurstet und elend ums Leben gekommen, wenn mich nicht Gott im letzten Augenblick zum rettenden Wasser hätte gelangen lassen.«

»Du Ärmster«, sagte Heliastra und ihre Augen leuchteten ihn an voll himmlischen Mitleids.

»Und das große Land dort drüben ist Afrika«, fuhr Heinz fort. »Dort leben meine Brüder und meine Schwester Sannah. Aber schau, vor uns tauchen die Eisgebirge des Südpols auf! Wir kommen der Erde immer näher. Ich fürchte, wir landen im Eismeer!«

Das war allerdings zu besorgen; denn dorthin führte ihr schräger Sturz die Sannah.

»Herein!« rief Flitmore durch die Luke den beiden zu. »Der Aufenthalt dort draußen wird gefährlich. Ich muß von jetzt ab abwechselnd meinen Fliehstrom ein- und ausschalten, auch mit der Parallelkraft arbeiten, damit wir uns einen günstigen Landungsplatz aussuchen können, und da könntet ihr einmal aus eurem Mastkorb geschleudert werden.«

Gehorsam begab sich das junge Ehepaar hinein ins Südpolzimmer und die Luke wurde geschlossen.

Auf der Erde wurde es Abend. Die Heimkehrenden nahmen eine letzte Nachtmahlzeit in der Sannah zu sich, dann beorderte sie Flitmore zur Ruhe.

Er selber wollte diese Nacht wachen und die Landung bei günstiger Gelegenheit bewerkstelligen. Er hatte dabei einen besonderen Plan, eine Überraschung für alle; wie er hoffte, eine freudige Überraschung auch für andere Erdenwesen, die ihm lieb waren.


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