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47. Im Reiche des Friedens

Heute ist der siebte Tag«, sagte Gabokol eines Morgens. »Wollt ihr nicht heute mit uns zum erstenmal die Stadt besuchen? Es ist bei uns von jeher eine Vorschrift, daß wir uns am siebten Tage versammeln, um Gott zu loben, ihn anzubeten und von seinem Willen und unsrer ewigen Bestimmung zu hören, was der Priester des Ewigen uns verkündigt. Wir lassen an diesem Tage alle Arbeit ruhen und sind fröhlich miteinander.«

»Ja, es ist der schönste Tag«, fügte Bleodila hinzu.

»Merkwürdig!« rief Mietje. »Auch wir pflegen den siebten Tag als Gottes heiligen Tag zu feiern.«

»Das ist herrlich!« meinte Bleodila. »Und wir sehen daraus wieder, daß ihr unsern Gott als den euren erkennt.«

So begaben sich alle einträchtig hinab in das Tal.

Der Versammlungsraum befand sich am äußersten Ende der Stadt, das heißt, es war das nächste Gebäude und war vor allen andern durch seine Höhe, Ausdehnung und Herrlichkeit ausgezeichnet. Statt der rauhen Felswände, wie die meisten Wohngebäude sie aufwiesen, sah man hier glänzend polierten Marmor und Säulen von durchsichtigen Edelsteinen, die meist von den Monden Edens herabgeholt worden waren, wie Gabokol erklärte.

Die ganze Einwohnerschaft der Stadt versammelte sich hier: würdige Greise mit edlen Zügen, trotz ihres oft vielhundertjährigen Alters runzellos und von vollendeter Schönheit, Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen, Knaben und Mädchen, ja ganz kleine Kinder schwebten herein und alle leuchteten in verklärter Freude.

Das Erscheinen der Fremdlinge von einem entfernten Planeten erregte Aufsehen, namentlich bei der Jugend; doch selbst die kleinsten Kinder zeigten keine aufdringliche Neugier.

Immerhin waren zu Anfang Tausende von Blicken auf die Ankömmlinge gerichtet; denn alle hatten zwar schon von den seltsamen Gästen gehört, aber nur ganz wenige hatten sie geschaut bei zufälligen Begegnungen auf deren einsamen Spaziergängen, und Besuche im Hause Gabokols hatte man aus zarter Rücksicht in den letzten Tagen absichtlich vermieden, um abzuwarten, bis die irdischen Besucher selber den Anfang machten, sich unter den Leuten zu zeigen.

Sobald jedoch der Priester an den Altar trat, erfüllte ungeteilte Andacht alle Gemüter und nun erscholl tausendstimmiger Gesang von einer Reinheit und Musik, daß es unsren Freunden war, als hörten sie das Lob der himmlischen Heerscharen.

Dann wurde ein gemeinsames Gebet gesprochen, worauf der Priester von der Herrlichkeit und Güte des Schöpfers redete und von dem Dank und den Pflichten seiner Geschöpfe.

Noch mehrmals erscholl der Orgel- und Glockenton der überwältigenden Gesänge.

Heinz konnte sich nicht versagen, ein Loblied, das ihm besonders gefiel, in deutschen Versen niederzuschreiben. Seine allerdings schwache Übersetzung, die in unserer viel ärmeren Sprache weder der Gedankenkraft noch der Klangfülle des Urtextes gerecht werden konnte, lautete folgendermaßen:

Gott, Du Herr der Ewigkeiten,
Wer mag Deinen Ruhm verbreiten?
Wer mag preisen Deine Stärke,
Wer kann fassen Deine Werke?
Wunder schufst Du allerorten
Mit des Geistes Lebensworten,
Und vor Deiner Allmacht Zeugen
Muß der kühnste Geist sich beugen.

Was Du willst, das muß entstehen,
Was Du schiltst, das muß vergehen;
Aus dem Nichts riefst Du das Leben,
Hast dem Staube Geist gegeben;
Und Du hältest in den Gleisen
Welten, die um Welten kreisen:
Aus den unbegrenzten Fernen
Leuchtet uns ein Meer von Sternen.

Licht aus unerschöpftem Lichte
Strahlt von Deinem Angesichte,
Leuchtet aus der Sonnen Gluten,
Fleußt aus ungehemmten Fluten
Auf die Werke Deiner Liebe,
Weckt des Lebens reiche Triebe:
In dem All ist keine Stätte,
Die nicht ihre Wunder hätte.

Oh, daß ich in neuen Weisen
Deine Größe könnte preisen!
Oh, daß all mein Reden wäre
Nur ein Lob zu Deiner Ehre!
Meine Werke von Dir zeugten,
Meine Sinne Dir sich beugten!
Mach mich frei von eitlen Dingen,
Nur von Dir allein zu singen!

Als der erhebende Gottesdienst zu Ende war, trat der greise Priester geradewegs auf unsre Freunde zu und sprach:

»Wir haben gehört, daß ihr Fremdlinge einer fernen Gotteswelt den ewigen Schöpfer kennt und anbetet gleich uns. Das ist uns eine hohe Freude! Nun wäre es dieser ganzen Gemeinde ein besonderes Fest und gewiß dem Allgütigen angenehm, wenn in diesem Heiligtum zum erstenmale in fremder Zunge von Gottesgeschöpfen eines weltfernen Planeten Gottes Lob erklänge; darum, wenn ihr uns erfreuen wollt, eines eurer frommen Lieder zu singen, so wären wir euch dankbar.«

»Eine feste Burg!« sagte Flitmore kurz zu seinen Begleitern.

Und ohne sich zu besinnen stimmten sie den Choral an. Es schien ihnen, als seien ihre Stimmen zu Strömen gewachsen, so brauste das Lied aus wenigen Kehlen durch die Hallen dahin, und der Gesang bewährte seinen heiligen Zauber auch in dieser höheren Welt, denn unter lautloser Stille lauschten ihm die Tausende mit Andacht und sichtlicher Ergriffenheit.

Als nun die ganze Gemeinde das Gotteshaus verließ, machten unsre Freunde in Begleitung ihrer Wirte Besuche bei mehreren den letztern befreundeten Familien und folgten zuletzt der Einladung des Provinzfürsten zum Mittagsmahl.

Hierauf machten sie einen Ausflug vor die Stadt und bewunderten die prächtigen Kulturen: die wogenden Getreidefelder mit ihren durchsichtigen Goldähren, die Gemüse- und Nutzpflanzungen, die Viehweiden.

In Scharen schwebten die festlich gekleideten Edeniten in der Umgegend umher und es war ein himmlischer Anblick, sie so leicht dahingleiten zu sehen, umflossen von ihren spinnwebzarten Gewändern, die in allen Regenbogenfarben leuchteten. Noch höheren Genuß bereitete es, diese vollkommenen Gestalten und diese von Schönheit, Anmut und Herzensfreundlichkeit strahlenden Gesichter zu bewundern. Und doch mußte sich Heinz sagen, so reizende Mädchen und Jungfrauen sich darunter befanden, das heißt solche von besonders hervorragender Anmut und Schönheit, denn reizend waren eigentlich alle Edeniten zu nennen, so fand sich doch keine, die Heliastra an bezaubernder Lieblichkeit gleich gekommen wäre, sie blieb die Perle Edens.

Da und dort spielte die Jugend unter Silberlachen und Scherzen; das war ein Wirbeln und Hüpfen, Fliehen und Haschen auf der Erde und in den Lüften, und die Spiele waren alle so sinnig und voll der spannendsten Zwischenfälle, daß man stundenlang mit dem lebhaftesten Interesse dem bunten Treiben zusehen konnte.

Als dann abends der Rosenmond aufglänzte, wurde in einem großen, herrlichen Parke vor der Stadt ein Fest zu Ehren der fremden Gäste gehalten.

Die ganze Stadt, jung und alt, beteiligte sich daran.

Während des köstlichen Gastmahls hielt der Fürst eine Ansprache, in welcher er die Bedeutung des Ereignisses hervorhob, daß zum erstenmale ein Verkehr und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Bewohnern entfernter Planeten angebahnt worden seien. Er rühmte das Genie dieser Erdenbürger, die solches zustande gebracht, ihren Mut, der das Unerhörte gewagt habe, und die göttliche Güte, die sie beschützte und geleitete auf einer Fahrt durch unendliche Welträume.

Heinz, als derjenige, der allein die Sprache Edens bereits vollkommen beherrschte, erwiderte in glänzender Rede, und Gabokol und die Seinen, vor allem Heliastra, bewunderten die Gewandtheit seiner Ausführungen und den Glanz seiner Bilder, sowie den edlen Flug seiner Phantasie und den Geist seiner Gedanken.

Sie waren ordentlich stolz auf ihre Gäste, und als jubelnder Beifall den jungen Redner lohnte, erhob sich Heliastra begeistert und mit tränenschimmernden Augen und drückte einen Kuß ihrer Rosenlippen auf des Freundes Mund, das höchste Zeichen der Anerkennung, das ein Edenite zu spenden vermochte.

Der erneute Beifall und Jubel, der dieser Tat folgte, zeigte deutlich, daß das ganze Volk sich dieser Huldigung anschloß.

Heinz fühlte sich wie im Traum, umflossen von rosigem Mondlicht, geehrt und beglückt durch die Anerkennung von Wesen, die er mit Recht für hoch über sich stehend ansah, vor allem aber durch die verwirrende Gunstbezeugung des holdseligsten aller Geschöpfe, saß er da, wie verklärt.

Heliastra las ihm die Gedanken aus den Augen und nahm ihn bei der Hand.

»Komm!« sagte sie, »wir wollen eine Weile die Einsamkeit aufsuchen, ich sehe, deine Seele verlangt nach Stille.«

Heinz ließ sich von ihr führen.

Sie traten durch ein Gebüsch an die Ufer eines stillen Sees, der im rosigen Schein der Mondnacht magisch leuchtete.

Bunte Schwäne, Enten und Wildgänse plätscherten in seinen friedlichen Fluten; Reiher, Flamingos, Ibisse, Pfauen und Pelikane belebten in ihrem strahlenden Flaumkleide die Ufer, lauter Vögel, die zwar den entsprechenden irdischen Arten ähnlich waren, doch in Formen und Farben weit vollkommener und entzückender erschienen als diese.

Riesenechsen, eine Art Krokodile, mit perlmutterschimmernden Schuppen lagen am Strand oder lugten aus dem rosenschimmernden Spiegel.

Heinz folgte dem Beispiel seiner Gefährtin, die diese prächtigen Eidechsen zärtlich streichelte; hier hatten auch diese gewaltigen Amphibien nichts Feindseliges noch Schreckhaftes; man sah es ihren sanften Augen schon an, wie fromm und friedlich sie waren.

Heinz und Heliastra am See

Der rosa Mond versank hinter dem Horizont und sein blauer Gefährte löste ihn ab.

Da schlang Heliastra den zarten Arm um ihres Gefährten Hals und sagte: »Komm, laß uns nun wieder zu den Freunden zurückkehren; die Stunde der Heimkehr naht, und morgen wollen wir ja die große Reise nach der Hauptstadt des Landes antreten.«

Sie kehrten in den Kreis der festlichen Menge zurück und bald darauf erfolgte der allgemeine Aufbruch unter herzlichen Abschiedszurufen.


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