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15. Im Meteorenschwarm

»Schade, daß wir uns so rasch vom Mars entfernen«, sagte Schultze bedauernd: »Es wäre äußerst interessant und lehrreich gewesen, bei Tageslicht aus nächster Nähe die Veränderungen zu beobachten, die das Erdbeben auf der Oberfläche des Planeten hervorgerufen hat.«

»Wir haben keine Eile«, entgegnete Flitmore, »da wir ja nun in Sicherheit sind, und es ist uns ein leichtes, über Nacht in der Marsatmosphäre zu verweilen. Ich übernehme die erste Nachtwache und werde den Strom alle zehn Minuten unterbrechen, so daß wir wieder sinken; Herr Friedung soll es in der zweiten Wache ebenso machen und Sie, Professor, übernehmen die Morgenwache und vollführen das gleiche Manöver; nur müssen Heinz und Sie wohl aufpassen, daß Sie den Strom nicht allzulange unterbrechen, damit uns nicht etwa eine unsanfte, vielleicht gefährliche Landung begegnet.«

Die beiden versprachen alle Vorsicht und bewiesen sie hernach auch, so daß die Sannah beim Anbruch des Morgens sich nur wenige Kilometer über der Marsoberfläche befand.

Es war ein überraschendes Bild, das sich nun unsern Freunden bot: der Meeresgrund hatte sich gehoben und das bisherige Festland, das sich gesenkt hatte, war vom Meer bedeckt, wenigstens zum größten Teile.

Nun zeigte sich aber deutlich, daß ähnliche Katastrophen den unseligen Mars schon früher heimgesucht hatten, denn das neue, dem Meeresgrund entstiegene Festland war mit Städten und Dörfern aus buntem Gestein übersät, die aus dem Schlamm hervorleuchteten, der sich in ihren Gassen und um sie her abgesetzt hatte.

»Nun begreife ich erst, wie die ganze Marsbevölkerung nach und nach zugrunde gehen konnte!« sagte Schultze. »Noch eine oder zwei so gewaltige Verheerungen, und auch das Tierleben wird auf dem Planeten erloschen sein bis auf das Seegetier und die gräßlichen Sumpfwürmer. Höchstens die Vögel mögen noch dem Verderben entgehen.«

Nun wurde die Marsbahn endgültig verlassen und Flitmore schlug vor, nach dem Jupiter, dem Koloß unter den Planeten, zu fahren und dann dem Saturn einen Besuch abzustatten, ehe die Rückreise nach der Erde angetreten werde.

Damit waren alle einverstanden.

Zunächst wurde jetzt daran gegangen, die einzelnen Zimmer den Schwerpunktverhältnissen der Sannah anzupassen, denn ihre Rotation hatte wieder begonnen und es galt allerlei Möbel und Gerätschaften in den Zimmern, die auf einen andern Schwerpunkt eingerichtet waren, von den Wänden oder der Decke zu lösen und sie am Fußboden festzuschrauben.

Kurz darauf geriet die Sannah in einen Meteorenschwarm.

Flitmore hatte behufs Verlangsamung der Fahrt den Fliehstrom abgestellt, als ein Gepolter losging; anfangs waren es nur einzelne kleine Meteoriten, die die Umhüllung des Schiffes trafen, bald aber prasselte es auf sie hernieder wie ein regelrechtes Hagelwetter. Beschädigt wurde die solide Hülle nicht, denn die Meteore waren wohl auch nicht größer als Hagelkörner; um aber jeglicher Gefahr aus dem Wege zu gehen, ließ der Lord rasch wieder den Strom durch die Sannah kreisen und alsbald bewährte sich die Wirkung der Fliehkraft, denn die Meteore wichen dem Weltschiff von ferne aus infolge der abstoßenden Wirkung, die sie auf alle der Schwerkraft unterworfenen Körper ausübte.

Flitmore lud die Reisegesellschaft ein, sich in ein auf der Nachtseite gelegenes Zimmer zu begeben: »Ich denke, daß wir auf der Schattenseite ein herrliches Schauspiel von leuchtenden Sternschnuppen und Meteoren genießen werden«, meinte er.

»Sie vergessen«, warf Schultze ein, »daß die Meteoriten nur beim Eintritt in die Atmosphäre aufleuchten, infolge der Reibung mit derselben.«

Der Lord lächelte: »Ich vergesse nichts: schauen wir leuchtende Meteore, so ist dies ein neuer Beweis für meine Theorie, daß eben der ganze Weltraum mit verdünnter Luft erfüllt ist.«

»Aber müßte dann nicht auch die Erde in Glut geraten?« fragte Heinz.

»Sie ist geschützt durch ihre atmosphärische Hülle, die sie vor der Reibung mit den Stoffen des Raums bewahrt, und die Lufthülle selber bleibt deshalb vor zu starker Reibung bewahrt, weil sie einen Teil der Weltatmosphäre mit sich fortreißt und diese Bewegung mit der zunehmenden Höhe nur immer schwächer wird, so daß die Reibung der Erdatmosphäre mit der Weltatmosphäre an keinem Punkte stark auftreten kann, da jede neue Schicht nur um sehr wenig geringere Bewegung aufweist als die darunter liegende.«

Mochte dem sein, wie ihm wollte, jedenfalls war es Tatsache, daß man ganze Schwärme von kleineren und größeren Meteoren zu sehen bekam: ein entzückendes Feuerwerk.

»Sie haben ja recht behalten, Lord«, gestand Schultze nun ein: »Aber rätselhaft bleibt es mir, warum, wenn doch offenbar die Reibung an der dünnen Weltatmosphäre genügt, um die Meteore zu entzünden, die irdischen Sternschnuppen erst dann zum Leuchten kommen, wenn sie in die Erdatmosphäre eintreten?«

Sannah im Meteorenschwarm

»Die Sache ist sehr einfach: weil sie eben zuvor keiner oder doch nur einer geringen Reibung ausgesetzt sind. Sehen Sie, ich erkläre mir den Vorgang so: die Meteorenschwärme haben ja wohl ihre Eigenbewegung, aber wahrscheinlich teilt die Weltatmosphäre in ihrer Bahn diese Bewegung, möglicherweise hat auch jeder noch so kleine Meteor seine eigene Lufthülle, die es aus der Raumatmosphäre an sich zieht; dadurch wird die Reibung aufgehoben oder auf ein geringes Maß beschränkt.

Gerät aber die Erde in einen solchen Meteorenschwarm, so läßt die Anziehungskraft der Erde die Meteore mit rasender Geschwindigkeit stürzen; beim Eintritt in die dichtere Erdatmosphäre werden sie ihrer Lufthülle plötzlich beraubt, der Widerstand der Luft streift sie ihnen gleichsam ab, und nun entsteht die Reibung, die sie in plötzliche Glut versetzt.

Wenn wir nun hier leuchtende Meteore sehen, so ist der Fall allerdings insofern ein anderer, als keine dichtere Atmosphäre das Aufglühen veranlaßt, jedenfalls aber ein ungemein beschleunigter Sturz. Diese Meteore müssen in die Anziehungssphäre eines Planeten, vielleicht des Jupiter, geraten sein und stürzen nun mit solch rasender Geschwindigkeit durch den Raum ihm zu, daß der Widerstand der verhältnismäßig ruhenden Weltatmosphäre sie ihrer Lufthülle beraubt, falls wir eine solche annehmen wollen, jedenfalls aber ihre Reibung an der Weltatmosphäre stark genug wird, sie in Weißglut zu versetzen.«

John Rieger lauschte mit offenem Munde diesen großartigen Ausführungen seines Herrn, die ihm um so mehr Ehrfurcht einflößten, als er nicht das mindeste davon begriff.

Aber bildungsdurstig, wie er stets war, wandte er sich an Professor Schultze, der es besser verstand, sich seinem Verständnis anzupassen.

»Mit untertänigst gnädigstem Verlaub, Herr Professor«, hob er an: »Sie reden da so viel äußerst Belehrendes von den Motoren oder Sternschuppen; aber wenn Sie einmal die gütigste Liebenswürdigkeit hätten, mich genauestens aufzuklären, was diese leuchtenden Motoren von Grund aus sind, so wäre ich Ihnen vorzugsweise verbunden.«

»Sehr gern, mein Freund!« erwiderte der Professor bereitwilligst: »Wie du ganz richtig bemerkt hast, sind Meteore und Sternschnuppen im Grunde dasselbe. Es sind kleinere oder größere Körper, die im Weltraum sich befinden. Wenn nun die Erde in ihre Nähe kommt, werden sie von ihr angezogen und sie stürzen mit größerer oder kleinerer Geschwindigkeit in die Lufthülle der Erde. Je rascher sie hineinstürzen, desto mehr erhitzen sie sich, aber um so mehr verlieren sie auch an Fallkraft, so daß sie weiter unten nicht schneller stürzen als diejenigen, die von Anfang an langsamer fielen.

Die Erhitzung mag mehrere tausend Grad betragen dabei kommen sie zum Leuchten und schmelzen an der Oberfläche, wogegen sie im Innern ziemlich kalt bleiben. Wenn sie die Erde erreichen, sind sie durchaus nicht besonders heiß, was eben daher kommen mag, daß ihr Sturz je tiefer desto langsamer wird.

Die meisten aber kommen gar nicht bis zur Erde herab, weil sie hoch oben schon so heiß werden, daß sie sich in Gase auflösen: Das sind dann Sternschnuppen. Gelangen sie jedoch bis zur Erde, so sind es Meteore. So nennt man sie aber auch, wenn sie besonders groß und hell erscheinen; übertreffen sie an Glanz die hellsten Sterne, so heißt man sie Boliden; verbreiten sie einen ganz außerordentlichen, oft taghellen Glanz, so bezeichnet man sie als Feuerkugeln; solche treten aber nur sehr selten und immer vereinzelt auf, während Sternschnuppen und Meteore in ganzen Schwärmen vorkommen.

Natürlich willst du nun wissen, woher diese Dinge eigentlich stammen. Manche behaupten, Meteoriten d. h. kleine Meteore, kämen vom Mond. Sicher aber ist daß die Sternschnuppen und Meteorenschwärme von Kometen herrühren. Erstens einmal sind ihre Bahnen denen der Kometen durchaus ähnlich; zweitens aber hat man schon beobachtet, daß Kometen, die der Sonne oder dem Jupiter zu nahe kamen, sich in Meteorschwärme aufgelöst haben.

Dafür ist besonders der berühmte Bielakomet ein lehrreiches Beispiel. Dieser kam 1846 dem Jupiter zu nahe und zersprang dadurch in zwei Stücke, die 1852 zu richtiger Zeit wiederkehrten, aber 1858, als sie wieder erscheinen sollten, nirgends zu finden waren. Seither hat man ihn nicht wieder gesehen; als jedoch die Erde 1872 und 1885 seine Bahn kreuzte, geriet sie in einen Meteorschwarm, der als prächtiger Sternschnuppenhagel das Auge entzückte. Das waren die Überreste des stolzen Kometen. Diesen Meteorenschwarm nannte man die Leoniden, weil er aus dem Sternbild des Löwen zu kommen schien; zuletzt ist auch dieser Meteorschwarm verschwunden.«

»Das leuchtet mir spezifisch ein«, sagte John befriedigt, »daß die Motore von den Kometen herkommen; denn man nennt doch die Kometen ›Haarsterne‹, weil sie sozusagen eine goldene Mähne haben. Aber aus solchen goldenen, leuchtenden Haarverhältnissen dürften vermutungsweise auch goldene, leuchtende Schuppen fallen, und das sind dann die so richtig benannten Sternschuppen.«

Alle lächelten über diese gelungene, echt volkstümliche Wortableitung; der Professor aber sagte lachend:

»Brav, mein Sohn! Bleibe nur bei dieser Erklärung, so behältst du alles am besten inne; denn Schuppen oder Schnuppen sind im Grunde Schnuppe und Schuppen können zwar lästig sein, aber so ein hartnäckiger Schnuppen ist doch noch weit unangenehmer. Aber noch weißt du nicht, aus was für Stoffen die Meteore eigentlich bestehen. Sie enthalten allerlei: Kieselsäure, Magnesia, Eisen, Nickel, Kupfer, Wasserstoff, Sauerstoff, auch Kohlenstoff und zweifellos organische Bestandteile, das heißt Spuren von Pflanzen oder lebenden Wesen, die uns Kunde geben, daß auch andere Welten solche besitzen, wie wir jetzt ja auf dem Mars mit eigenen Augen sehen; manchmal findet man sogar Diamanten im Innern eines Meteorsteins. Meistens sind es größere oder kleinere Eisenblöcke.«

»Ja«, mischte sich der Lord in die Auseinandersetzung: »und drei solche hat der berühmte Nordpolforscher Peary gestohlen!«

»Gestohlen?« fragte Heinz erstaunt.

»Jawohl. Dieser Peary fand bei den Eskimos eiserne Werkzeuge. Überrascht hievon, erkundigte er sich, woher das Eisen stamme. Man antwortete ihm stets: ›Vom Eisenberg!‹ Wo sich aber dieser rätselhafte Eisenberg befand, wußten nur die ältesten Männer des Stammes und diese verrieten ihr Geheimnis nicht.

Auf späteren Reisen erwarb sich Peary nach und nach das Vertrauen der Eskimos in so hohem Grade, daß sie endlich seinem Drängen nachgaben und ihn zu dem rätselhaften Eisenberg führten, der aus drei gewaltigen Meteoren bestand. Die Eskimos hatten ihnen Namen gegeben: ›Die Zehn‹, ›Das Weib‹ und ›Den Hund‹ nannten sie diese Eisenklötze, die für sie ein ganz unschätzbares Kleinod waren, das einzige Eisen in den arktischen Regionen! Aufs gemeinste hat Peary das ihm entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht. Unter großen Schwierigkeiten ließ er die drei Meteore, ja alle drei, heimlich an Bord schaffen und beraubte so die armen Eskimos, die wahrhaft hart genug ums Dasein zu kämpfen haben, ihres kostbarsten Schatzes, den sie so lange unter strengstem Geheimnis gehütet hatten. In New York erhielt er 200 000 Mark für seinen Raub. Ob er wohl das Sündengeld mit gutem Gewissen eingesackt hat?«

»Das ist allerdings ein Schurkenstreich erster Güte!« eiferte Schultze empört: »In meinen Augen hat Peary seinen Ruhm damit aufs schmählichste befleckt.«

»Und sehen Sie, so ist unsere europäische und amerikanische Christenmoral«, fuhr der Lord fort: »Jedermann weiß, was dieser Peary da verübt, und doch feiert man ihn, ja man bewundert noch die Kühnheit und List, mit der er die Eskimos hintergangen und bestohlen hat. Hätte er einem Amerikaner solche Wertgegenstände geraubt, so käme er dafür ins Zuchthaus.«

»Ja, ja! Aber so arme Eskimos bestehlen, das ist ja wohl etwas anderes, eine Heldentat!« fügte Schultze grimmig bei.

Als der Professor seine Empörung über die Schuftigkeit eines berühmten Mannes einigermaßen überwunden hatte, fühlte er sich bewogen, John noch eine besonders interessante Mitteilung über die Meteoriten zu machen:

»Du siehst«, sagte er, »es fallen zu Zeiten recht stattliche Eisenblöcke vom Himmel; manchmal geht ein ganzer Hagel von Meteoren nieder. Vom Jahr 823 wird berichtet, daß in Sachsen durch einen solchen Meteorhagel Menschen und Vieh erschlagen und 35 Dörfer vom Feuer verzehrt worden sind. Der berühmte Arzt und Chemiker Avicenna beschreibt genau Meteoritenfälle, die um 1010 in Ägypten, Persien und anderwärts niedergingen. Am 1. Oktober 1304 fielen bei Friedburg an der Saale feurige Steine wie Hagel und richteten großen Schaden an. Am 7. November 1942 fiel bei Ensisheim ein 260 Pfund schweres Meteor, von dem ein Stück noch heute in der dortigen Kirche hängt. Am 4. September 1511 ereignete sich bei Crema ein ungeheurer Steinregen, der die Sonne verfinsterte. Es stürzten etwa 1200 Meteore herab, darunter solche von 260 und 120 Pfund; sie erschlugen Vögel, Vieh und Fische, auch einen Mönch.

Und ähnliche Fälle kamen noch zu Dutzenden in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien vor, wobei mehrfach Menschen ums Leben kamen. Eine ganze Anzahl derselben wurde ausführlich beschrieben, oft von einwandfreien Gelehrten und Professoren; sogar wissenschaftliche Kommissionen untersuchten die Aerolithen, und trotzdem wollte die Wissenschaft nicht daran glauben; ja, die französische Akademie der Wissenschaften erklärte es feierlich für einen Blödsinn, wenn man behaupte, es könnten Steine vom Himmel fallen. Allerdings wurde sie durch einen alsbald erfolgenden großartigen Steinregen in Frankreich gründlich blamiert; aber man sieht daraus, wie zäh die Zweifelsucht beschränkter Köpfe ist, die sich für Leuchten der Welt halten. Es ist heute nicht anders, es gibt jetzt noch genug Vertreter dieser wissenschaftlichen Beschränktheit, die vor den augenfälligsten Tatsachen wie der Vogel Strauß den weisheitgeschwollenen Kopf in den Sand stecken, sobald ihnen etwas über den Horizont geht: solche Kleingeister spötteln heute über die Wünschelrute, das Hellsehen, die Weissagungen der Propheten und wollen gar die Geschichtlichkeit eines Jesus leugnen, genau wie jene Akademiker an keine Meteoriten glauben wollten; es ist die Sorte, die nie ausstirbt und gegen welche Götter selbst vergebens kämpfen!«

»Sachte, sachte, Professorchen«, lachte Münchhausen: »Sie sind auch nicht immer gläubig und haben sich schon manchmal mit Ihren Zweifeln verrannt.«

»Gebe ich zu! Aber hernach sehe ich es ehrlich ein und hülle mich nicht in Eigensinn und überlegenes Lächeln.«

»Am meisten«, nahm der Lord das Wort, »belustigen mich die Gelehrten, die aus erhabenem wissenschaftlichen Wirklichkeitssinn jede Möglichkeit leugnen, ein Mensch könne Zukünftiges vorhersagen. Aus dieser vorgefaßten Meinung heraus geben sie sich unendliche Mühe, mit einem fabelhaften Aufwand von Phantasie und Mangel an Logik die prophetischen Weissagungen der Bibel wegzuerklären, und dann erzittern sie, wenn sie zu dreizehnt am Tische sitzen, weil das ein kommendes Unglück bedeuten soll, oder wenn ihnen eine schwarze Katze über den Weg läuft: ja, eine Zahl und eine Katze halten sie für Propheten und den prophetischen Geist begreifen sie nicht! Nirgends sieht man es so deutlich bewiesen: Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden!«

»So ist es immer«, sagte der Kapitän mit ungewohntem Ernst: »Ich habe es mein ganzes Leben lang beobachtet: wer die ewigen Wahrheiten nicht glauben will, verliert die Fähigkeit des klaren Denkens, hält Phantasien für Beweise und glaubt den kläglichsten Blödsinn.«

»Allerdings«, sagte Flitmore: »Dabei merkt aber der Ärmste gar nicht, daß auch seine vermeintliche Weisheit nur Glaube ist, wenn auch ein unvernünftiger; vielmehr glaubt und behauptet er, auf dem Boden unfehlbarer wissenschaftlicher Ergebnisse zu stehen.«

»Wer an ›unfehlbare wissenschaftliche Ergebnisse‹ überhaupt glauben kann«, schloß Schultze, »dem ist schon nicht zu helfen: er leidet an einem Verstandes- oder Willensfehler. Ein gebildeter Mensch, der zu klarem Denken fähig ist, muß einsehen, daß es wohl Ergebnisse der Beobachtung gibt, aber niemals zweifellose Ergebnisse der Wissenschaft. Wobei zu bemerken ist, daß auch die reinen Beobachtungsergebnisse, selbst wenn sie Jahrzehnte hindurch von den verschiedensten Beobachtern bestätigt werden, durchaus keine Gewähr der Richtigkeit bieten, wie schon die berühmten Marskanäle beweisen.«

John Rieger konnte diesen Erörterungen nicht recht folgen; er hatte aber noch eine Frage betreffend der Meteore auf dem Herzen, die er jetzt anbrachte, als die Herren schwiegen: »Sie haben so viele Vorkommnisse von Steinregen benannt, Herr Professor, aber alle aus alter Zeit. Heutzutage dürfte wohl so etwas überhaupt nicht mehr vorkommen in unserm aufgeklärten Zeitalter?«

»Da sehe einmal einer den Zweifler!« polterte Schultze lachend: »Also auch du bist noch nicht überzeugt, mein Sohn Brutus, daß die Meteorfälle auf Erden Tatsache sind? Höre: auch heutzutage kommen sie häufig vor. So ist zum Beispiel bei Mugello in der Nähe von Florenz am 3. Februar 1910 ein Hagel von Meteoriten in glühendem Zustand niedergegangen, die Straßen, Felder und Weinberge bedeckten und die Kulturen vielfach zerstörten. Nach diesem Feuerregen zerriß plötzlich der Dunstschleier und es zeigte sich ein Komet von strahlendem Glanze.«

»Und das ist wirklich und wahrhaftig geschehen?«

»Wirklich und wahrhaftig: es stand in allen Zeitungen und ist so gut bezeugt, daß ein gebildeter Mensch es glauben muß.«

»Ja, dann glaube ich es natürlich selbstverständlich auch«, sagte Rieger selbstbewußt.


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