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14. Spielereien

Zu den ungefährlichen Ornamenten der Freudschen Lehre gehört die Entdeckung, daß sich niemand verspricht oder vergreift, daß niemand etwas vergißt oder verlegt, der nicht durch eine Verdrängung dazu gezwungen wurde. Es gibt weder Zufall noch höhere Fügung. Diese Beobachtung ist so populär geworden wie die Motive bei Wagner, die auch jedem Unmusikalischen ins Ohr fallen, so daß er sie auf der Straße pfeift. Wer etwas auf sich hält, entschuldigt sich heute nicht mehr für ein Versehen, sondern stolziert damit herum, indem er sich als »Freudscher Fall« brüstet. Auch hier wird eine Schwäche zur Folge interessanter Differenzierungen erhoben.

Als einer Dame der Name Jung entfällt, deutet Freud dieses aufregende Faktum: die Dame sei schon neununddreißig Jahre gewesen, habe ihren Gatten verloren und keine Aussicht, sich wieder zu verheiraten: »Grund genug, der Erinnerung an alles, was an Jugend und Alter gemahnt, auszuweichen.« Ähnlich wie in der »Fledermaus«, wo der stotternde Advokat sagt: »Ich bin nicht blind, ich heiße nur Blind!« Dort, wo wir Naturmenschen etwas vergessen, etwa einen Schirm oder ein Billett, deutet Freud: » In allen Fällen erwies sich das Vergessen als begründet durch ein Unlustmotiv.«

Warum singen oder pfeifen die Menschen so gern im Bade? Vorschnell erwidert man vielleicht: weil sie sich wohl und behaglich fühlen. Die typische Antwort eines gesunden Kleinbürgers, der ewig Oberflächen- statt Tiefenpsychologie treibt! Hier die amtliche Deutung: » Wasser bedeutet stets das Mutterwasser, in dem der Fötus im Leibe der Mutter schwimmt.« Wer also ins Wasser steigt, wird neu geboren und hat zugleich den Wunsch, in den Mutterleib zurückzukehren. Da das Kind nach der Geburt schreit, bedeutet das Singen im Bade den Wunsch zur Rückkehr: unbewußt sexuelles Verlangen nach der Mutter.

Nach dieser aqua-vocal-föto-uteralen Analyse kehren wir zum Versprechen und Vergessen zurück.

Wenn Freud in seinem Traumbuch aus Versehen schreibt, Zeus habe seinen Vater entmannt, während er Zeus' Vater, Chronos, meint, der seinen Vater Uranus entmannte, so liegt nicht etwa eine jener Verwechslungen vor, denen wir gewöhnliche Sterbliche im Verkehr mit Unsterblichen ausgesetzt sind. Freuds Deutung: er hätte seinen um zwanzig Jahre älteren Halbbruder in England besucht und nachgedacht: wie, wenn ich dessen Sohn wäre! Der Bruder hätte ihn auch ermahnt, nicht zu vergessen, daß er eigentlich nicht der zweiten, sondern der dritten Generation nach dem Vater angehöre. Im Eindruck dieses Gespräches habe Freud später die Umstände der Wiener Familie Freud auf die der Familie Uranus übertragen und deshalb den Irrtum drucken lassen. Man sieht, man sollte sich nicht mit den Göttern beschäftigen, wenn man Familienangelegenheiten in England zu ordnen hat.

Natürlich kommt uns Freud als Traumdeuter vor, wenn er in seinem Urelement, dem Sexus, schwimmt und dabei das Folgende ausbrütet: Freud gab seit längerer Zeit täglich einer neunzigjährigen Dame Augenwasser und zugleich eine Morphiumspritze. Als er die beiden Fläschchen eines Tages in Gedanken verwechselte und zuerst erschrak, sah er bald, daß das Morphium den Augen nicht schaden konnte. In der Selbstanalyse fällt ihm nachher die Phrase ein, »sich an der Alten vergreifen«. Warum wohl? Am Abend vorher hatte ihm ein junger Mann erzählt, er habe von seinem sexuellen Verkehr mit seiner Mutter geträumt. Da Freud im Anschluß hieran die Ödipus-Fabel im Kopfe analysiert habe, »vergriff ich mich dann bei oder an der Alten«.

Eine Dame sagte Freud, sie wollte ihre zwölf Finger maniküren lassen. Freuds Deutung: diese Frau wünschte den Tod ihres Onkels, den sie beerben will. Der Zwölfte ist sein Geburtstag. Sie hat das Datum vergessen, weil sie sich den Onkel nicht gern lebend vorstellt. Jetzt ist die Patientin überrascht, wehrt diese Deutung ab und gibt eine andere Erklärung: in ihrer Familie seien zwölf Finger vorgekommen. In ihrem Unbewußten wandelt sie diesen Wunsch um und überträgt ihn auf den Onkel, der am Zwölften Geburtstag hat. – Warum aber, um Gottes willen, ruft man aus, hat Freud nicht die Zwölf-Finger-Tradition als Grund akzeptiert? »So leicht sollen wir es nicht haben«, erwiderte Freud an anderer Stelle.

Auch in einem zweiten Falle wird manikürt, er ist noch komischer: Eine junge Frau erzählt Freud, sie habe sich gestern beim Nagelschneiden ins Fleisch geschnitten, während sie das feine Häutchen im Nagelbett abtragen wollte. Gibt es bei Freud nach diesen Worten noch ein Entrinnen? Die junge Frau ist verloren, denn nun kommt sogar heraus, daß es am Ringfinger geschehen ist und gar am Hochzeitstage. Wie sich doch sexuelle Vorahnungen immer bestätigen! Denn dadurch ist natürlich » der Verletzung des feinen Häutchens ein ganz bestimmter, leicht zu erratender Sinn verliehen«. Und nun erzählt sie gar zugleich von einem Traum, der auf die Ungeschicklichkeit ihres Mannes hinweist. Warum aber an der linken Hand? fragt sich Freud nachdenklich. Weil man die Ringe meist an der Linken trägt? O nein, der Sinn ist viel tiefer! »Ihr Mann ist Jurist, Doktor der Rechte, während sie im geheimen einen Arzt geliebt hat, der also sozusagen Doktor der Linken war. Eine Ehe zur linken Hand hat auch eine bestimmte Bedeutung.«

Es folgt, eine hübsche Frau soll einen Arzt, besonders einen Nervenarzt nicht als Gatten an der Rechten, sondern als Liebhaber an der linken Hand führen, jedoch vermeiden, diese ihre Linke am Hochzeitstage narzißtisch selbst zu maniküren.


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