Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Di fünfte Abhandlung.

Der Schauplatz bildet ab di Königliche Todten-Gruft.

Cleopatra. Charmium. Iras. des Anton. Leiche auf einem erhobenen Grabe.

Cleopatra.
Wer auf das leichte Rad des blinden Glückes trau't /
Auf seiner Tugend Grund nicht schlechte Thürme baut /
Di Fürsten diser Welt der Erde Götter nennet /
Wer viel weiß ausser sich / sich in sich selbst nicht kennet /
Wer sich auf's Zepters Glas / des Thrones Grund-Eiß stützt;
Der komm' und lern' allhier / wi der so schwanckend sitzt /
Der auf dem Gipffel steht. Der Ausbund aller Helden /
Anton / den Sud und Ost wird stets unsterblich melden /
Für dem Po Phrat und Nil oft auf den Knien lag /
Verfäll't nicht nur schlecht hin durch einen Donnerschlag:
Er kan hier kaum ein Grab durch unsre Bitt' erlangen.
Wol! laß't uns zum Ade den edlen Leib umbfangen!
Kommt / liebste Schwestern / kommt / bringt ihm durch eure Hand
Ein Opffer wahrer Treu / ein letztes Liebes-Pfand.
Schränck't umb di Todten-Grufft di traurigen Zipressen /
Ja / daß di Würmer nicht di edlen Glider fressen /
So balsamet den Leib mit kräftgen Wässern ein /
Bringt Mirrhen / Aloe / geschärften Kräuter-Wein /
Und frischen Ceder-SafftUnd frischen Ceder-Safft. Von dieser Einbalsamirung der Leichen schreibst Plinius lib. c. 11. Primus sudor aquae fluit canali, hoc in Syria Cedrium vocatur, cui tanta vis est, ut in Aegypto Corpora hominum defunctorum eo perfusa serventur. Er lib. 24. c. 5. Cedri succus, ex ea quomodo fieret diximus magni ad lumina usus, ni capiti dolorem inferret, defuncta Corpora incorrupta aevis servat, viventia corrumpit, mira differentia, cum Vitam aufferat spirantibus, defunctisque; pro vita sit. zu der erblasten Leiche.
Daß man mit kräft'ger Salb' ihm Schläff' und Haupt bestreichche /
Steckt ewig-brennend Oel in güldnen Ampeln an.
Es werde Weyrauch stets auf frische Glutt gethan.
Bekräntzet mit Rubin und Lorbern Stirn' und Haare /
Legt Harnisch / Helm und Schild ihm auf di Todten-Baare /
Bestreut mit Rosmarin den sanften Grabe-Stein /
Und grabt sein redend Lob in stumme Marmel ein:
»Hier lig't Egiptens Heil / di Freiheit Rom's umbfangen.
»Denn beider Wolfahrt ist mit dem Anton vergangen.
Wolan! di letzte Pflicht ist nun / Gott lob / vollbracht.
Nimm hin den letzten Kuß! mein Hertze gutte Nacht!
Es ist vollbracht! doch ach! was ist noch zu vollbringen?
Cleopatra sol itzt nun auch groß-müttig ringen /
Cleopatra sol itzt noch einmal durch den Tod
Sich dem Anton vermähln / entflihn der grimmen Noth /
Di ob dem Haupte schweb't / ja durch ihr Blutt entdecken:
Daß knecht'sche Geister nicht in disen Adern stecken.

Iras.
Auf was Verzweifelung / erlauchte Königin /
Auf was für Strudel treibt der Schmertz si wider hin?
Wil sie denn dem Anton sich selbst zum Opffer geben?
Ihr Todt bring't uns in Sarch; den Todten nicht in's Leben.

Charmium.
Cleopatra / mein Haupt. Si schätze tummen Ruhm /
Und eigen-händgen Todt nicht für ein Heiligthum.
Ein Knecht läßt leicht sein Blutt auf's Herren Holtzstoß rinnen /
Umb: daß er einmal kan der Sklaverei entrinnen:
Was aber treibt hirzu di freien Seelen an?
Das gantze Schiff versinckt mit einem Steuer-Mann /
Das grosse Reich durch Si.

Cleopatra.         Ach klein-muths-volle Hertzen!
Ihr wißt den Ursprung nicht so ungeheurer Schmertzen.

Iras.
Di trüben Wolcken sind des Jammers ja vorbei.
Man spürt wi günstig ihr der milde Keiser sei;
Wi er Cleopatren als eine Göttin ehre /
Nicht unsrer Götter Recht / nicht unsre Stadt versehre.
Dis alles wol nicht uns zu libe; nein / nur ihr.
Kurtz: Er zeucht allbereit der Livien sie für.

Cleopatra.
Einfält'ger Aberwitz! dis sind di güldnen Schlingen /
Durch welche man den Feind muß in den Keficht bringen.
Der Himmel der uns libt / hat uns zu Trost entdeckt:
Welch einen Fall-Strick uns Augustus hat gesteckt.

Charmium.
Hilf Himmel! hört es denn nun nimmer auf zuwettern?

Cleopatra.
Ja / das verfluchte Rom pflegt diese zuvergöttern /
Di es mit Schimpf und Schmach in Abgrund stürtzen wil.
Verdammter Rache Lust! vermaledeites Spiel!
August hat Marck und Bein und Blutt uns ausgesogen /
Den väterlichen Thron durch schlimmes Recht entzogen /
Des Ptolomaeus Schatz durch Schelm-Stück an sich bracht /
Doch ruht sein Ehrgeitz nicht. Er ist nun auch bedacht /
Nach Rom ins Sigs-Gepräng zum Schau-Spiel uns zuführen.
Dis ist es / was wir nur noch haben zuverlihren.
Doch nein! di Angel fehlt di ob dem Wirbel schwebt.
Ein Fürst stirbt muttigEin Fürst stirbt muttig. Senec. Troad. v. 157.

– – – – – – – Felix Priamus!
Felix quisquis bello moriens
Omnia secum consumta videt.
           
Sveton. in Tiber. c. 62.
der sein Reich nicht überlebt.
Es ist ein täglich Todt kein grimmer Ach auf Erden /
Als wenn / der / der geherrscht sol andern dinstbar werden.

Iras.
Prinzeß / vielleicht rührt nur ihr Kummer aus Verdacht.

Cleopatra.
Verdacht ja mehr denn viel! gebt auf di Thaten acht /
Ob er als unser Freind und Schutzherr hier gebahre?
Ob sein Bedienungs-Schein nicht Sklavisch uns verwahre?
Ob man uns aus der Burg di Ausfarth nicht verwehrt?
Di Stadt als Feind besätzt / das Schatz- und Rüst-Haus leert?
Das Heer in Dinste zeucht / di Bürger ihm vereydet;
Auf einen Augenblick uns Macht und Treu' abschneidet?
So schöne Früchte trägt uns sein versprechen ein.
Zu dem / wem wollte nicht auch höchst verdächtig sein?
Daß unser Todt-Feind sich so bald verlibt anstellet.
Wenn di kohl-schwartze Luft sich unversehns erhellet /
Gebihrt di schwangre Nacht der Wolcken Blitz und Keil:
So ist dem Keiser nur sein Liebes-Kosen feil /
Umb unsern Untergang. Di sich zu sehr verbinden /
Di lassen selten Treu und Wahrheit bei sich finden.
Man lobt uns ja den Traum der Ehren-Seulen ein /
Di / wi man schwermmt / zu Rom uns solln gewidmet sein /
Doch stehn si schwerlich sonst wo / als aufs Keisers Zungen.
Wir werden nicht nach Rom geladen / nein gezwungen:
Da Ehr' und Liebe doch nichts nicht zu zwingen pflegt.
Ja / was wird dis und das hier so genau erwegt?
Hier läs't des Keisers Brieff / den wir für wenig Stunden /
Im Zimmer deß Anton zur Nachricht haben funden.

Charmium.
Gerechte Götter! wird nicht bald durch Blitz verzehrt /
Ein solch zwei-züngicht Mund / ein solch zwei-schneidend Schwerdt?
August hiß sie di Faust ins Libsten Blutte röthen /
Hier wil er: daß Anton Cleopatren sol tödten:
Sagt auch noch beiden Heil für Mord- und Todschlag zu.

Cleopatra.
Nun urtheilt: ob man dem August wol unrecht thu;
Wenn wir uns wenig gutt's aus seinen Wercken schlüssen?
Wi? oder wollet ihr mehr Grund und Zeugnüs wissen?
Schaut / bitt ich / schaut / nemmt hin des Dolabellen HandNem't hin des Dolabellen Hand. Plutarchus in Vita Antonii p. m. 462. berichtet: daß damals unter Augusti Freunden ein junger Römer Cornelius Dolabella gewest / welcher sich in Cleopatren verlibt / und daher ihr heimlich zu wissen gemacht: daß der Keiser in drey Tagen nach Syrien sich aufmachen / sie aber mit den Kindern in Italien schicken wolle. /
Di diser redlichste der Römer uns gesandt.

Charmium.
Was gibt di treue Faust uns heimlich zu verstehen?

Iras.
Dis: daß August nach Rom durch Sirien wil gehen:
Und daß das Orlog-Schiff schon Segelfertig steh /
Das auch mit Widerwilln Cleopatren zur See
Sol nach Cajeta führn: bis si in Band und Strikken /
Wenn Caesar ein wird zihn sein Sigs-Fest helffe schmücken.

Charmium.
Ihr blinden Sterblichen / fall't nun der Meinung bei:
Daß es ein schlipfrich Ding umb frembde Gnade sei!
Daß der nicht weißlich thut der Worte sich läst bländen /
Weil er ein Glied noch regt / das Heft gibt aus den Händen.

Cleopatra.
Einfältge Charmium! nach schon geschehner That /
Lehrt oft der Ausschlag viel / was kein verschmitzter Rath
Vermag vorher zu sehn. Auch ist nicht zu vermeiden /
Was di Geburts-Gestirn und Götter uns bescheiden.
Zu dem ist unsre Schuld geringer als di Pein?
Wir schenckten dem Anton nicht süß're Wermuth ein.
Was weigern wir uns denn selbst-eignes Gift zu trincken?
Auf! wir sehn den Anton schon unser Seele wincken!
Auf! auf Cleopatra! Gebrauche Gift und Schwerd.
Gold wird durch Glutt / ein Geist durch Glück' und Todt bewehr't.

Iras.
Ihr grimmen Götter ihr! was ehrt man eure Bilder?
Was opffert man euch viel? wenn kein Gebeth euch milder /
Kein' Andacht sanfter macht? wenn ihr dem Sieg verleiht /
Der eure Tempel schimpft / der eu'r Altär' entweiht.

Cleopatra.
Es ist itzt auser Zeit den Feind und Göttern fluchen.
Last uns si nun vielmehr umb Gnad' und Hülff' ansuchen.
Di einer Sterbenden den Tod noch leidlich macht.
Ja wol! es werd' uns Zeug zum schreiben hergebracht.
Wünscht ihr di letzte Schrifft an den August zu lesen?

Charmium.
»Herr / nunmehr ist nebst dir Cleopatra genesen /
»Du hast mein Reich / mein Geist der Freiheit Thron erreicht /
»Nun knecht'sche Lebens-Lust / der güldnen Baare weicht.
Doch hat di Sterbende dich noch umb was zu bitten:
Es werd' uns beim Anton zu ruhen nicht verschnitten.
»Man gönnt leibeigner Schaar'; auch Würmern Erd' und Sand.
»Schärfft denn auf unser Blutt und Kinder seine Hand /
»Nicht den blutt-fetten Stahl / verschont er si der Ketten;
»So wird August mit Ruhm Egiptens Stuhl betretten /
»So wird sein Stamm und Haus stets blüh'n und sighaft sein:
»Doch schleust der Sarch auch nicht Cleopatren gantz ein.

Cleopatra.
Ihr hört den jüngsten Wunsch. Reicht her ihn zuverschlissen;
Stellt den dem Hauptman zu / der ihn bereit wird wissen /
Dem Keiser zuzustelln.

Iras.         Hilf Himmel! Gib nicht zu:
Daß unser Hertz und Haupt vor uns im Grabe ruh.
Wenn alle Glider todt / siht man das Hertz erst sterben /
Auf Charmium! laß uns hier sterbend Ruhm erwerben!

Cleopatra.
Vertrautste / nein ihr irrt. Da ihr uns redlich libt /
Da ihr uns hertzlich meint / bestürtzte / so verschibt
Das euch noch ferne Ziel; euch und auch uns zu gutte.
Wenn man di Hand bespritzt mit hoher Häupter BlutteMit hoher Häupter Blutte. Dis ist die Politische Lehr beim Strada de Bell. Belg. dec. 1. lib. 7. p. m. 316. Dum plectuntur Capita, blande Corpus haberi & consopiri debet, ne, si se commoveat, agitatione sui facile ictus a capite declinetur. /
Schläft man mit linder Hand di untern Glieder ein.
Westhalben solt' auf euch Augustus grimmig sein?
Ja / da ihr euch so weit di Kleinmuth last verleiten /
Wer wird uns Gruft und Sarch nach Würden zubereiten?
Glaubt / wer für Schmertzen stirbt / liebt so di Todte nicht /
Als der der Sterbenden den letzten Dienst verricht!

Charmium.
Ist denn kein Mittel nicht zuflihen Tod und Banden?

Cleopatra.
Der Schluß bleibt fest. Hier ist di Artznei schon vorhanden?

Charmium.
Worzu hat si hieher den Feigen-Korb versteckt?

Cleopatra.
Der uns miß-gönnte Todt wird durch dis Laub verdeckt.
Schaut ihr di gelbe Schlang' an diesem Honig saugen?
Schaut wi ihr Schwantz hier spielt / wie flammen ihr di Augen?
Si schärff't auf unsern Arm schon Zunge Gift und Zahn.

Iras.
Mein Geist erschüttert sich! Ist dis di sanfte Bahn /
Zum Sterben durch den Wurm? durch ein solch Ungeheuer?

Cleopatra.
Der Schlange brennend Gift ist kein solch' rasend Feuer /
Als Caesars Ehren-sucht. Man sucht bei Nattern Rath;
Bei Drachen; wenn man nicht bei Menschen zuflucht hat.

Charmium.
Ihr Götter! sol der Molch den Lilgen-Arm vergiften.

Cleopatra.
Ja! unsrer hohen Seel des Cörpers Pforten lüfften.
Komm' angenehmes Thier! komm komm und flechte dich
Umb diesen nackten Arm! vermähle durch den Stich /
Der Adern warmem Quell dein züngelnd-tödtend küssen.
Wi? wilstu nur dein Maul durch Feigen-Safft versüssen?
Ist unsre Marmel-Haut nicht Stich und Giftes wehrt /
Das di Verdammten oft eh' als ein Blitz verzehrt?Das die Verdammten oft eh' als ein Blitz verzehrt. Es ist fast aller Geschichtschreiber einhellige Meinung: daß / als Cleopatra gesehen: daß sie den August durch di Liebe nicht so / wie di andern / fangen könte / und er sie nach Rom schicken wolte / habe sie ihr in einem Korbe unter grossen Feigen eine Schlange / so von den Lateinern Aspis genennt wird / zu tragen / hernach sich selbte in einen Arm stechen lassen; massen Augustus auch hernachmals zwei Merckmale der Stiche / als auch von der Cleopatra Zimmer gegen der See eine Spure einer krichenden Schlangen gefunden. Plutarch. d. 1. p. 463. 464. wiewol auch unterschiedene der Meinung sind: daß sie sich mit einer vergifteten Har-Nadel in den Arm gestochen. Xiphilin. ex Dion. lib. 51. p. m. 63. Sonst berichtet Wolf Franzius in hist. Anim. l. 4. c. 2. Daß dieser Schlange Stich nur als ein kaum sichtbarer Nadel-Stich sei / aber tödlich und unheilbar / also daß ein Mensch geschwind hierauf sterbe / massen denn Cleopatra zuvorher mit fleiß an den Verdammten allerhand Arten des Todes versuchet / und diese für di leichteste und geschwindeste erfunden auch erkiset. Ja er meldet; daß ob zwar diese Schlange sehr giftig und schädlich sei / sie dennoch in Egypten also gekirret werde: daß di Kinder darmit in Gebauern spielen / und zu den lockenden kommen. Wider dis sol eine kräftige Artzney Essig sein / massen Plin. lib. 23. cap. 1. erzehlet: daß einer / der Essig getragen / sei derogestalt gestochen worden / habe aber nichts gefühlet / bis er den Eßig von sich gethan.
Sol mir zur Straff' itzt auch den Schlangen Gift gebrechen?
Stich! stich! wir sind gewehrt. Nun fühln wir Gift und stechen.
Kommt / Liebste / nemmt von uns den letzten Kuß noch an.
Wir beben / wir erstarr'n / es ist umb uns gethan.


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