Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Canidius.
Wenn Tacht und Oel entgeht den loderndhellen Flammen /
So zeucht der letzte Strahl die gantze Glutt zusammen:
Wenn sich der Sonne Rad sänckt in die düstre See /
So siht man: daß sie erst mit Blutte nidergeh;
Wenn Seele Sinn und Geist auß Marck und Adern stertzen /
So fängt der Tod erst an zu kämpfen mit dem Hertzen:
So mag / wenn Stadt und Reich mehr keinen Athem hat /
Di Sonne dieses Reichs das Hertze dieser Stadt
Der grosse Fürst Anton mit letzten Tugends-Strahlen
Der Freiheit einen Sarch / ihm sein Begräbnüß mahlen.

Hauptleut.
Der letzten Meinung fällt Soldat und Bürger bei.

Antonius.
Daß Bürger und Soldat treu- und behertzter sei /
So läß't ihm auch Anton der meisten Schluß beliben.
Uns hat der schärfste Sturm oft in den Port getriben:
Da oft ein sanfter West lägt Thurm und Fels in graus.
Man sprenge durch di Stadt bei Rath und Pöfel auß:
Rom hette selber sich aufs Keisers Hals verschworen /
Phraates schick' uns Volck / und Juba seine Mohren /
Es hab Abißinen den Harnisch angelegt /
Der stoltze Rhein den Schaum für unser Heil bewegt.
Daß Caelius den Port / Canidius di Wälle /
Archibius di Burg in sichre Waffen stelle.

Antonius. Cleopatra. Ein Hauptman.

Cleopatra.
Mein Fürst! mein Haupt! mein Hertz!

Antonius.         Mein Schatz! mein süsses Licht!
Wie! daß das Thränen-Saltz ihr auß den Augen bricht?
Daß sich ihr Hertze muß mit holen Seufzern kühlen?
Wie / daß die Brüste so mit kurtzem Athem spielen?
Was wird durch diese Wolck' uns für ein Blitz gebracht?

Cleopatra.
Mein Trost / mein Auffenthalt / als nach durchküster Nacht
Di Sonn' auß Thetis Bett' / ich auß deß Fürsten Armen
Di satten Glider hob / fiel ich umb das Erbarmen
Der Götter über uns zu suchen / fürs Altar /
Wo man dem Apis reicht di heil'gen Opffer dar.
Ich streute Weyrauch auf; es wolte keiner brennen;
Der Abgott wolte nicht di besten Früchte kennenDer Abgott wolte nicht di besten Früchte kennen. Wenn der Ochse Apis das vorgereckte Futter nicht annehmen wollte war es ein böses Zeichen. Ideo cum a Germanico Imperatore pabulum oblatum renuisset, funestum Omen & indubiam necem, quae paulo post secuta est, praenunciavit. /
Mit welchen iemals ihn di Vorwelt hat gespeist;
Ja / wie ein wilder Nord / der durch di Hölen reist;
So fing sein Ebenbild erschrecklich anzubrüllenSo fieng sein Ebenbild erschrecklich anzubrillen. Von denen Wunder-Zeichen so vorhergegangen ehe Augustus sich Egiptens bemächtigt / erzehlet dieses Xiphilin. ex Dion. lib. 51. p. m. 64. 65. Αίγυπτος μὲν ούτως εδουλώθη, ώς που καὶ τὸ δαιμόνιον εναργέστατα προϋπέδειξεν. υ̃σετε γὰρ ουκ όπως ύδατι ένθα μηδὲ εψέκασέ ποτε, αλλὰ καὶ αίματι καί τις δράκων υπερμεγέθης εξαίφνης σφίσιν οφθεὶς αμήχανον όσον εξεσύρισε. κα'ν τούτω καὶ αστέρες κομη̃ται εωρω̃ντο, καὶ νεκρω̃ν είδωλα εφαντάζετο, τά τε αγάλματα εσκυθρώπασε, καὶ ο ’Άπις ολοφυρτικόν τι εμυκήσατο καὶ εδάκρυσε. Also ist Egypten unterthänig gemacht worden / welches di Götter vorher klärlich angezeigt hatten. Denn an dieselbigen Orthe / da vorhin kein Tropfen Wasser war hingefallen / ist ein Regen von Wasser und Blutt geflossen. Uber dis hat ein überaus grosser Drache / so bald er von Egiptiern gesehn worden / alsbald wunderlich gezischet. Es sind auch Comet-Sterne gesehen worden. Es sind gleichfalls erschienen Bilder verstorbener Menschen / und der Götter Bildnüsse sind traurig gewesen. Endlich hat Apis sehr und erbärmlich geheulet / und Thränen vergossen. /
Biß endlich Thränen ihm auß dem Gesichte fiellen /
Der voll von kalter Furcht mit beben fast verging /
Und auf den Boden sanck. Nach solcher Angst umbfing
Den güldnen Opffer-Tisch ein unversähnes Zittern
Als man der Isis BildAls man der Isis Bild. Isis war des Flusses Inachus Tochter / welche Jupiter wegen der schelsichtigen Juno in eine Kalbe verwandelt / sie aber hernach zu voriger gestalt bracht / so hernach den Osiris oder Serapis geheyrathet / und wegen ihrer Wolthaten von den Egyptiern für eine Göttin verehret worden. Lucan. lib. 8.

Nos in Templa tuam Romana recepimus Isim.

sich sahe gantz zersplittern;
Serapis silbern Haupt fiel von sich selbst entzwey.

Antonius.
O / daß der Himmel uns nicht ewig ab-hold sei!

Cleopatra.
Man sahe durch den Hoff di todten Geister irren
Den Crocodil bethränt / di heilgen Schlangen girren /
Als ein gantz frembder Drach' in ihren Tempel kam
Und zwischen Dampf und Rauch mit zischen Abschid nam.
Der hochgeweih'te FischDer hochgeweihte Fisch. Das ist Oxyrinchus, den di Egyptier abgöttisch verehrten. Strabo. lib. 17. verlohr di Silber-Schopffen /
Di nie bewölckte Luft / auß der kein Wasser-Tropffen
Nie raan / zerfloß in Blutt. Es kam kein süsser Thon
Auß Memnons Marmel-SeulEs kam kein süsser Thon aus Memnons Marmel-Seul. Di Beschaffenheit dieser Wunder-Seule beschreibt nebst andern Egyptischen Wunder-Wercken Tacitus lib. 2. Annal. cap. 61. Caeterum Germanicus aliis quoque; miraculis intendit animum, quorum praecipua fuere Memnonis saxea effigies, ubi radiis solis icta est, vocalem sonum reddens: disjectasque; inter & vix pervias arenas instar Montium eductae Pyramides certamine & opibus Regum: lacusque: effossa humo, superfluentis Nili receptacula: atque; alibi angustiae & profunda altitudo, nullis inquirentium spatiis penetrabilis. Von dieser Seule meldet M. Claude Duret en le Thresor de l'Historie des Langves chap. 40. p. m. 1370. daß sie dem Könige Memnon zu Ehren sey gesetzt / bey aufgehender Sonnen von dem Teuffel daraus geantwortet worden / bei unsers Erlösers Geburt aber verstummet sey. Dessen Worte / weil sie so gemein nicht sind / ich hieher setze: A Tuthemosis succeda Amenophis second du nom, que d'aucuns appellent Men-non & Mena, qui fut celuy qui feit l'Edit contre les Hebrieux touchant le massacre des Enfans masles, à quoy pourveut la sagesse des sages femmes, qui recevoient les Enfens. A cestuy les Egyptiens dresserent une statue, qui fut appellée la Pierre parlant, à causse que dedans ceste Idole le Diable rendoit response tous les matins à Soleil levant: & dura cela jusques à la venue de Iesus Christ au monde. / ob Titans Fackel schon
Auf dieses Wunder-Bild di glüend-heissen Strahlen
Mit tausend Funcken warff. Di rundgeperlten Schalen
Mit den di Pristerschaft den durch unschuldig Blutt
Entweihten Nil versöhnt / zersprangen in der Flutt /
Als der sonst sanfte Fluß mit ungeheurem schäumen
An dem durchborten Rand' und außgerißnen Bäumen
Den grausen Zorn außliß / uns aber sagte wahr:
Egyptens Untergang / und Ende sei nun dar.

Antonius.
Getrost! di Opffer sind ein Port bei solchen Wettern.

Cleopatra.
Di Opffer werden ja verschmäht von unsern Göttern.

Antonius.
Di Andacht ist der Blitz / der durch di Wolcken bricht.

Cleopatra.
Ach! das Verhängnüß beugt sich durch di Andacht nicht.

Antonius.
Di Götter wollen mehr als einmal sein gebethen.

Cleopatra.
Gott hört den nicht / den er wil in den Abgrund treten.

Antonius.
Furcht kehr't ein zitternd Laub in einen Donnerschlag.

Cleopatra.
Ach! daß bei solchem Sturm' er ichtwas hoffen mag!

Antonius.
Der Himmel / der uns oft erlößt hat / heist 's uns hoffen.

Cleopatra.
Wer oftmals wird gefehlt / wird endlich doch getroffen.

Antonius.
Gott heilet Angst durch Angst! di Aertze Gifft durch Gifft.

Cleopatra.
Ach! daß der lichte Blitz denn nur di Cedern trift!

Antonius.
Es treffe Fall und Blitz di Cedern unser Ehren;
Nichts wird den Lorber-Krantz der Tugend uns vermehren.
Der Muth erwarb den Thron; der Zufall raff' ihn weg:
Es brennt das Ungelück uns keinen Ehren-Fleck.
Gedult und Hoffnung ist di Salbe dieses Brandes.
Prinzeß / Sie nehm' in acht di Würden ihres Standes /
Und faß' im tiefstem fall' ihr diesen Muth in Sinn:
Sie sterb' Egyptenlands gebohrne Königin.
So steh't und fällt Anton. Oft zeucht das Ungelücke
Das schon gezückte Beil von Hals und Kopff zurücke /
Wenn es di Tugend siht mit starren Augen an:
Daß sie mehr / als sie drückt / behertzt erdulden kan.

Hauptmann.
Mein Fürst!

Cleopatra.         ach Gott!

Antonius.                 Was ists?

Hauptmann.                         August sucht für Gesandten
Geleits-Brief und Verhör.

Antonius.         Der Hauptman der Trabanten
Empfange / di er schickt. Gebt ihm / was er begehrt.
Di Botschafft werd' aufs Schloß mit höchster Pracht gewehrt.
Rufft den geheimen Rath in innern Saal zu sammen.

Der Schauplatz bildet ab den geheimen Verhör-Saal.
Proculejus. Antonius. Sosius. Canidius. Caelius.

Proculejus.
Di Nachwelt / grosser Held / wird ewig uns verdammen:
Daß das so grosse RomDaß das so grosse Rom. Auf diese Art beklaget fast die Bürgerlichen Kriege Horat. Epod. lib. Od. 16.

Altera jam teritur bellis civilibus aetas,
Suis & ipsa Roma viribus ruit:
Quam neque; finitimi valuerunt perdere Marsi,
Minacis aut Etrusca Porsenae manus,
Aemula nec Virtus Capuae, nec Spartacus acer,
Novisque rebus infidelis Allobrox,
Nec fera caerulea domuit Germania pube,
Parentibusque; abominatus Hannibal.
/ daß nie kein Feind verletzt /
Ihm selbst di Kling' an Hals / den Dolch ans Hertze sätzt.
Verzagte Porsena für eines Römers TugendVerzagte Porsena für eines Römers Tugend. Nemlich für dem Mutius Scaevola / der / als er nicht ihn den König; sondern seinen Schreiber aus Irrthum getroffen / ihm selbst die Hand wegbrennte / und dardurch den Porsena zum Abzuge von Rom bewegte. Livius d. 2. l. 12. c. 7. Florus lib. 1. c. 10. /
Erlag der SpartacusErlag der Spartacus. Diesen Krieg beschreibt Appian. de bell. civil. l. 1. p. 423. Florus lib. 3. c. 10. durch di behertzte Jugend /
Fiel Hannibals Gewalt durch unsrer Eltern Arm /
Darumb: daß Rom ihm selbst den Dolch stoß' in den Darm?
Das Capitol ward nie von Galliern bestritten;
Jüngst hat's vom Sylla selbstJüngst hat's vom Sylla selbst. Hieher gehöret der Ort ex Flori lib. 3. cap. 2. Sylla incendio viam fecit arcemque; Capitolii quae Poenos quoque; Gallos etiam Senones evaserat, quasi captivam victor insedit. In selbigem bürgerlichen Kriege haben auch Marius und Cinna gewüttet. den Schiffbruch erst erlitten /
Wer zweifelt / daß di Frucht di Mutter selber frist;
Der schau deß Marius / deß Cinna böse List
Und wildes wütten an. Den grimmen Catilinen
Muß warmes Menschen-BluttDen grimmen Catilinen muß warmes Menschen-Blutt. Hiervon schreibt Salustius. de bell. Catilin. c. 22. p. m. 17. Fuere ea tempestate, qui dicerent, Catilinam, oratione habita, cum ad jusjurandum populares sceleris sui adigeret, humani Corporis sangvinem vino permixtum in pateris circumtulisse; inde cum post exsecrationem omnes degustavissent, sicuti in solemnibus sacris fieri consvevit, aperuisse Consilium suum und Florus lib. 4. cap. 1. Additum est pignus Conjurationis sangvis humanus: quem circumlatum pateris bibere: summum nefas, nisi amplius esset, propter quod biberunt. Von derogleichen Art fester verbindungen meldet Tacitus lib. 12. Annal. c. 47. Mos est Regibus, quotiens in societatem coeant, implicare dextras, pollicesque; inter se vincire, nodoque; praestringere: mox ubi sangvis in artus extremos effuderit, levi ictu cruorem eliciunt atque; invicem lambunt. Id foedus arcanum habetur, quasi mutuo cruore sacratum. Besiehe hierüber Lipsium ad d. l. Taciti 12, 47. 3. Freinsheim. ad d. l. Flori. litt. g. für Malvasiere dienen /
Das di verfluchte Schaar zu stärcken ihren Band
Zu stürtzen in den Grund ihr güldnes Vaterland
Auß den Kristallen trinckt. Es bleib' anitzt vergässen:
Was deß Pompejus Brand für Römer hat gefrässen;
Wieviel der jüngste Krieg hat Bürger-Blut verzehrt /
Seit dem Antonius das rach-begier'ge Schwerdt
Auf den August gezück't. Und / ob di FreundschaftsWunden
Zwar minder / als ein Glas / stets haben Pflaster funden;
So beut August ihm doch Vertrag und Frieden an.
Weil Er diß bluttge Spiel nicht ferner schauen kan.

Antonius.
Der Himmel geb' es nach! ihr Götter last's geschehen!
Daß Rom sich ohne Blutt / uns ohne Zanck mag sehen!
Daß einmal dem August der Völcker herbes Weh
Daß Blut-Bad unsrer Stadt noch zu Gemütte geh /
Daß er deß Reiches Fall / der Länder Brand erwege
An Eyd und Bündnüß denck'. Octavianus lege
Di schuld ja nur auf mich! es weiß es Gott und Welt:
Daß Rom nicht vom Anton / nein / durch den Keiser fällt.
Wieviel hat Lepidus ihm nicht mit Glimpf' enthangen?
Mein Brief hat Stahl und Bley zur Antworts-Schrifft empfangen /
Wie! daß man / eh' ich todt / mein Testament erbricht?Wie / daß man eh ich todt mein Testament erbricht? Antonius warff dem Augusto vor: daß er den Lepidus seines dritten Theils entsetzet; daß er dessen und des Sexti Pompeji Kriegs-Volck für sich all eine behalten / insonderheit aber': daß er den Antonium zu Rom verhaßt zumachen / sein bei den Vestalischen Jungfrauen beigelegtes Testament eröffnet. Hingegen klagte Augustus über den Antonium: daß er Egyptenland ohne Loos behielte; daß er den Sextum Pompejum, den er begnadigt / tödten lassen / daß er den König in Armenien Artabazes oder Artavasdes in Ketten gelegt / daß er seine Schwester di Octaviam (welche doch ihren Bruder ihrethalben nicht Krieg zu führen abgemahnet) verstossen und sich mit Cleopatren verehlicht; daß er dis / was dem Römischen Reiche zustünde / ihr und ihren Kindern zugeeignet; diese Könige der Könige / der Cleopatre und des Iulii Caesaris Sohn Caesarion genennet / besihe hiervon Xiphilin. ex Dion. lib. 50. p. m. 58. 59. Plutarch. in vit. Anton. p. m. 442. 443. 445. Sueton. in Octav. c. 17.
Jedoch / di Unschuld darf der Nebel-Kappen nicht.
Augustus hat den Stahl auf unsre Brust geschliffen /
Eh ich für unser Heil Papier und Tint' ergriffen;
Man hat das Völcker-Recht vergässen gegen mich /
Den Krieg nicht angesagt / biß daß ich Schwerd und Strich
Auf meiner Haut empfand. Jedoch ich wil's verschmertzen.
Di Warheit dient hier mehr zu einer Zwitrachts-Kertzen
Als zur Vereinigung. Man nimmt mit beider Hand
Den Friedens Vorschlag an. Schlag't uns für diesen Brand
Ein thulich Mittel vor.


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