Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Di dritte Abhandlung.

Der Schauplatz stellet vor eine Königliche Todten-Grufft.

Cleopatra. Charmium.

Cleopatra.
Vertraute Charmium / dis ist di Lebens-Höle;
Dis ist der wahre Port der Angst-bedrängten Seele!
Erschrick für Topf' und Asch' und Todten-Beinen nicht /
Und / daß di Schlange sich durch kahle Schedel flicht;
Nicht fürchte: daß allhier di Würmer Nahrung zihen.
Auß dieser Grufft solln mir di Wolfahrts-Eeren blühen;
In dieser Nacht sol mir der Morgenstern aufgehn;
Daß / wo wir itzt mit Ach und Weh umbdüstert stehn /
Uns sol der lichte Strahl gewünschter Lust erquicken.
Vertraute Charmium / nur muttig! wir erblicken /
Di Morgen-röthe schon / di Uns den Tag sag't an!

Charmium.
Bestürtzte Königin! ist dis di Lebens-Bahn?
Der Hafen der Gefahr / der Ancker unsers hoffen?
Stehn bei den Todten uns di Gnadens-Pforten offen?
Ist dis das Paradis / der Garten reiner Lust?
Wil sie den zarten Leib / di Alabaster-Brust
Der Adern Purper-Oel den Schatten-Geistern weihen?
Sol uns der schwartze Sarch von Furcht und Angst befreyen?
So ist ihr neuer Weg / den sie so hoch gerühmt /
Mit keinen Rosen nicht / nein! mit Napell beblüm't.

Cleopatra.
Nein / libes Haupt / nein nein! di Wolcke gibt zuweile
Dem einen nutzbar Licht / dem andern Donner-Keile.
Für euserste Gefahr muß euserst' Artzney sein.
Du sih'st / das Wasser dringt zu allen Seiten ein /
Der zehnde Sturm fehl't nur noch uns in Grund zu sencken.
Itzt itzt ists hohe Zeit das Ruder recht zu lencken!
August lig't uns am Bortt: Er suchet seinen Thron
Zu gründen auf den Grauß des mächtigen Anton.
Wird dieser Sturm-Wind nun di feste Zeder fällen /
Muß nöthig dieser Fall mich schwachen Ast erschellen.
Drumb ist mein letzter Rath: daß man sich des entbricht /
Dem das Verhängnüß schon sein letztes Urtheil spricht.
Zwar wünschen wir ihn wol uns noch vermählt zuschauen /
Durch unser Gutt und Blutt ihm seinen Thron zu bauen;
Allein' umbsonste wird der Bezoar verbraucht /
Wenn das entflammte Gifft schon in dem Hertzen raucht.
Man spar' an Todten nur di teuren Perlen-Träncke.
Hier ist des Keysers Brief / der gibt uns zum Geschäncke
Das Leben / da man ihm den Fürsten todt gewehrt.
Dis / Charmium / dis ists / was unsern Geist beschwert.

Charmium.
Princessin / hohe Seel' / und Spigel kluger Sinnen /
Wer / wenn das Schiff zerbricht / den Wellen kan entrinnen /
Thut thöricht / wenn er sich mit andern stürtzt in's Meer.
Wo aber sucht sie Hilff' aus dieser Grufft hier her?

Cleopatra.
Einfält'ge! wagestu dich den Anton zu tödten /
Den blancken Reben-Safft mit Giffte zuberöthen?
Wollstu dich Stahl und Dolch zu brauchen untersteh'n?
Nein / Charmium / nein nein! man muß behuttsam gehn.
Dis ist ein klüger Rath: du weist / verlibter Leben
Pflegt mehr in frembder Seel' / als in sich selbst zu schweben /
Auch weistu: daß / da nur di Lib' ist ungeschminckt /
Di Brust des Piramus in Thysbens Spitze sinckt:
So auch / da wir uns hier ein falsches Grabmal bauen /
Traun wir uns den Anton selbst-händig todt zu schauen:
Wir trau'n uns kühnlich zu durch unser Lilgen-Brust /
Durch den benelckten Mund zu zwingen den August.

Charmium.
Ihr Götter! könt ihr wol so heissen Brand entzünden /
Den ein verschmitztes Weib nicht wisse zuverbinden?

Cleopatra.
Wol an! du kanst hierbey uns gleichfals hülfbar sein;
Geh / Libste / laß' ein Theil deß Frauen-Zimmers ein.
Diß Schau-Spiel muß in sich was mehr Personen schlüssen.
Sonst wirstu dich schon auch nach noth zustellen wissen.
Nebst diesem laß' ich dir alleine dis zu thun:
Daß / wenn mein schlaffend Leib wird als entseelet ruh'n /
Anton den falschen Todt als wahrhafft stracks erfahre;
Geh hin! dein und mein Heil wächst auß der Todten-Baare.

Cleopatra. Charmium. Iras. Cyllenie und andere der Cleopatra Frauen-Zimmer.

Cleopatra.
Auf auf! Cleopatra / ermunter Witz und Sinn!
Auf! segel' in di See mit schwartzen Flacken hin!
Willkommen edle Schaar / ihr Schwestern unsers Glückes /
Kommt / würdig't noch einmal mich eures letzten blickes;
Kommt drückt mir sterbenden di Starren Augen zu!
Wein't ihr? mißgönnt mir nicht di süsse Todten-Ruh.

Iras.
Wil ihre Majestät uns so verweiset lassen?
Sol diser zarte Leib in frischer Blüth' erblassen?
Sol diser Adern Kwäll / der Glider Helffen-Bein /
Der Lippen ihr Rubin der Schlangen Speise sein?
Sol ihrer Brüste Milch di faulen Würmer säugen?
Solln dise Sonnen Molch' und grüne Nattern zeugen?
Der Himmel lasse nicht so herben Schmertz uns schaun!

Cleopatra.
Ja / Schwestern / ja! kommt / helft mir Sarch und Baare baun.

Cyllenie.
Wil si / Princessin / selbst sich auf ihr Grabmal heben?

Cleopatra.
Pfläg't nicht der Seiden-Wurm ihm selbst sein Grab zu weben?
Der kluge Schwan singt selbst behertzt sein Sterbe-Lied.
Ihr rühmet: daß an mir Gestalt und Alter blüht;
Di Schönheit ist ein Rauch / di Jugend ist ein Schatten.
Eh' als di Knospen uns sind kommen recht zu statten /
Frist schon der Zeiten-Wurm di welcke Blume weg.
Wieviel gibts Wespen nicht / di theil's uns Schand und Fleck
Auf unsre Lilgen schmirn / theils unsre Süssigkeiten
Durch ihr vergältes Maul zu Giffte zu bereiten:
Den ausgesaugten Safft in garstig Eyter kehrn;
Mit unsrer Libes-Milch nur ihre Wollust nehrn.
Du weist es / Charmium / worauf mein Eifer zihlet.
Hat Julius nicht nur mit uns di Brunst gekühlet?
Der Keuschheit Purper blüth' entfärbt mit schnöder Lust?
Dis / libste Schwestern / nag't noch itzo Marck und Brust.
Geht euer absehn denn auf meinen Stand und Würde?
Mein itzig Beispiel lehrt: der Stand sei Last und Bürde;
Daß keine Distel so wi Seid' und Purper stech';
Und daß ein Zepter eh' als schwirrend Glaß zerbrech.
Als ich den ersten blick des Tages kaum empfangen /
Hat mich das Elend schon an seine Brust gehangen;
Mir minder Mutter-Milch als Wermuth eingeflöß't.
Eh' als durchs lallen mir di Zunge ward gelößt /
Must ich der Eltern Todt des Brudern Haß empfinden
Und / was sich Drachen nicht auf Drachen unterwinden /
Mein Kristallinen Glas mit Giffte schaun befleckt /
Seh'n auf der Schwester Hals das grimme Schwerd entdeck't.
Ist auch gleich im Anton mir einig Licht erschinen:
Di Hochzeit Fackel muß oft auch zu Grabe dinen.
Der Krocodil beweint den den er fressen wil /
Und di Sirene regt beim Strudel Seiten-spiel:
So lib-kost' auch das Glück' uns / wenn's uns wil vergraben.
Behertzigt / was wir nicht zeither erlitten haben /
Seit uns bey Actium Gelück' und Sieg verließ /
Und unser Königreich in frembde Banden stieß.
Mein Athem-loser Geist mein abgemergelt Hertze
Fäll't nun ohnmächtig hin / und ist so herbem Schmertze /
Nicht mächtig zu bestehn. Dis Leben ist nicht wehrt:
Daß es di Seele stets mit Thränen-Saltze nähr't.
Dis fehlt mir ja nur noch / von seinem Zucker-Thaue:
Daß ich di Kinder nicht der Römer-Sklaven schaue;
Nein! dis zu schaun bin ich zu edel vom Geblütt'
An Tugend viel zu groß / zu Hertzhafft im Gemütt'.
Entschleuß dich / hoher Geist / wi du dir vorgenommen /
Durch den behertzten Tod den Fässeln vorzukommen;
Vollbring' es hoher Geist! Ein rühmlich Todt ist mehr /
Als tausend Jahre wehrt. Gebt / Libste / nicht so sehr
Di Kleinmuth an den Tag. Laßt Thrän' und Seufzer schwinden.

Iras.
Ach! Königin / wer kan den Trieb der Libe binden?

Cleopatra.
Wo Furcht und Wehmuth herrscht / da ist di Libe blind.

Cyllenie.
So schlägt sie Reich und Mann und Kinder in den Wind?

Cleopatra.
Reich / Mann und Kinder sein der Götter Schutz ergeben.

Cyllenie.
Sie werden ohne sie verweis't und hülf-loß leben /

Cleopatra.
Der ligt schon in der Grufft / der sich auf Menschen stützt.

Cyllenie.
Der umbgefallne Baum lehrt was sein Schatten nützt.

Cleopatra.
Setzt mir nicht ferner zu mit den unfruchtbarn Thränen!
Helfft mir vielmehr den Weg in disen Garten Bähnen /
Da ich mein Leben kan der Nachwelt pfropfen ein.
Knüpf't in mein krauses Haar di Diamanten ein /
Bekräntzt mein Himmlisch Haupt mit Rosen und Narzissen /
Last meinen nackten Hals di Muschel-Töchter küssen /
Den Armen legt Schmaragd den Achseln Purper an /
Beblümt den hohen Sarch mit Klee und TulipanDi Alten pflegten di Särche mit Blumen zubestreuen und zubekräntzen. Daher Augustus beim Virgilio lib. 6. v. 883. Manibus date Lilia plenis, Purpureos spargam flores. Und Juvenal. Satyr. 8. Di majoru umbris tenuem & sine pondere terram, Spirantesque; crocos & in urna perpetuum Ver & c. Tibull. lib. 11. Eleg. 4. Annua constructo Serta dabit Tumulo. Die Grichen aber pflegten sonderlich di Särche mit Eppich zu umbflechten. Plutarch in Sympos. /
Hüll't auf das Leichentuch von Karmesinen Sammet;
Macht: daß der Ampeln Gold mit Jer'chons Balsam flammet.
Streut Weyrauch auf die Glutt / und Feilgen umb di Baar' /
Eylt / flechtet Roßmarin und Eppich umb's Altar /
Beräuchert / füllt den Sarch mit Aloen und Mirrhen:
Bringt Bisam in Rubin / Zibeth in Gold-Geschirren /
Versöhnt durch Opffer-Blutt di blassen Geister mir.
Wolan! ist alles recht? ist was ich wünsch' / allhier?
So komm' O süsser Todt O libstes Wolgefallen!
Kommt und erquicket mich vergiftete Kristallen!
Ich küsse Gifft und Glas!

Charmium.         Hilf Himmel! haltet an!

Cleopatra.
Laß mich!

Iras.         Princessin halt!

Cleopatra.                 Zähm't / euren thörchten Wahn!

Cyllenie.
Princessin / denckt zu rück'.

Cleopatra.         Umbsonst! ihr wehr't vergebens.

Charmium.
Ach Gott! was sehen wir?

Cleopatra.         O Nectar unsers Lebens!
O Labsal unsrer Seel'! O zucker-süsses Gifft!
Wol disem! der durch dich so trüber Noth entschifft!
Der in dein Todten-Bild sein einigs Heil vermummt!
Wol disem!

Charmium.         Si erblast.

Iras.                         Prinzessin!

Charmium.                         Sie verstummet.

Cyllenie.
Si röchelt!

Charmium.         Si erstirbt.

Iras.                         Prinzeß' besinnt euch doch!

Cyllenie.
Reiss't ihr di Kleider auf!

Iras.         fühlt / schlägt der Pulß ihr noch:

Cyllenie.
Princessin!

Charmium.         Si ist hin! di Augen sind gebrochen!

Iras.
Man fühlt di Seele noch im engen Hertzen kochen.

Cyllenie.
Di Brust ist noch nicht kalt / bringt Essig / Narden Wein!

Charmium.
Weckt / thörchte / Todten auf!

Iras.         O Jammer-reiche Pein!
Ist Geist und Athem hin?

Charmium.         Si ist / si ist verblichen.

Cyllenie.
Di Himmel-hohe Seel' ist aus der Welt entwichen!

Iras.
Ich bebe voller Furcht / der Angst-Schweiß bricht mir aus!

Cyllenie.
Bestürtztes Vaterland! in Grund gestürtztes Haus!

Iras.
Ach Gott! wer wird den Fall dem Fürsten offenbaren?

Charmium.
Der Fürste muß den Todt aufs minste doch erfahren.

Iras.
Ich mag so herber Post nicht erster Bothe sein.

Charmium.
Cyllenie / geht rufft wen von Trabanten ein.

Iras.
Ihr Götter! hab't ihr denn Egyptens gar vergässen /
Und unser; denen man wird disen Fall' zu mässen?
Kan keine trübe Wolck' uns hier vorbey nicht gehn?
Muß Ptolomaeus Stul Fall über Fall ausstehn?
Wer wird Cleopatren satt zu bejammern wissen?
Laß mich nur noch einmal zu gutter letzte küssen /
Entseelte Königin! nun Göttin! disen Mund /
Durch dessen libreitz selbst di Götter worden wund.

Eteocles. Etliche andere des Antonius Trabanten. Charmium. Iras. Cyllenie, und das andre Frauen-Zimmer.

Eteocles.
Welch Blitz rührt meinen Kopf? wo bin ich hingeleitet?
Wem hat man Sarch und Grufft und Grabmal zubereitet?
Wi? bin ich bei Vernunfft? träumt mir? bin ich bei Sinn'?
Ist dis Egypten Land's erblaste Königin?

Charmium.
Ach Leider! ja si ists! di Pallas unsrer Jahre /
Das Wunder der Natur ligt auf der Todten-Baare.
Di Sonne dises Reichs versanck' ins todte Meer.

Eteocles.
Ach Götter! ach! wo rührt so schwerer Unfall her?

Iras.
Sie hat durch Gift ihr selbst das Lebens-Garn verschnitten.

Eteocles.
Hilf Himmel! kontet ihr solch Unglück nicht verhütten /

Charmium.
Wer darf den Königen Gesätze mahlen vor?

Eteocles.
Auch dise geben oft dem Rath' ein offen Ohr.

Iras.
Wir suchten / doch umbsonst das Gifft ihr auszuwinden.

Eteocles.
Di Ausflucht kan euch nicht von Schuld und Straff' entbinden /

Charmium.
Was das Verhängnüs schleust ruht nicht in unser Macht.

Eteocles.
Was mein't ihr? daß si hab' auf disen Schluß gebracht?

Charmium.
Nicht's wi si vorgab sonst als ihr Verdruß zu leben!
Als di bestürtzte Zeit di täglich's ach umbgeben /
Und di von dem August andreuende Gefahr.

Eteocles.
Wi? daß ihr grosser Muth itzt erst so zaghaft war?

Charmium.
Ein Schiff / wi steif es ist / läßt di erbosten Wellen
Nach unerlastem Sturm sich endlich doch zerschellen.

Eteocles.
Weh dem / der oft das Schiff verwahrlost ohne Noth!
Ich eile dem Anton den jammer-reichen Todt /
Der grossen Königin umbständlich zuerzählen.
In deß lass't dennoch nichts an Fleiß' und Mitteln fehlen /
Schaff't kostbar Zimmet-Oel und kräfftig Wasser her /
Bestreichet Schläff' und Pulß: schaut' / ob ihr ungefähr /
Den kalt-erstarrten Leib mit reiben mög't erquicken.

Iras.
Der Himmel wolle mehr uns Hülff' als Hofnung schicken.


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