Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Antonius. Eteocles. Dercetaeus. Diomedes. Etliche Trabanten.

Eteocles.
Ihr grimmen Götter ihr / ist dis das Grundgesätze:
Daß hoher Fürsten Blutt stets kaltes Eisen nätze!
Daß Sonnen heller Glantz meist wäßricht untergeh'
Und hoher Thürme Ruhm stets auf dem Falle steh'!

Dercetaeus.
Es ist nicht weinens Zeit wenn Thau und Ancker sincket!
Man muß / wenn in der Flutt der Steuer Mann ertrincket /
Umb Schutz-Herrn sinnen für / umb Hülffe sich bemühn.
Laßt uns den scharffen Dolch aus Brust und Wunde zihn /
Und durch dis Opffer uns den grimmen Feind versöhnen.
Man folgt dem Strome nach der nicht ist abzulehnen.
Ist dis der Dolch? der sich mit dessen Blutte netz't /
Auf welchen Rom umbsonst viel tausend hat gewetzt.

Diomedes.
Erwünschte Post! es ist Cleopatra bei leben!
Last mir den Fürsten doch alsbald Gehöre geben.

Eteocles.
Gehöre / Diomed / Gehör' und Sinn ist hin.

Diomedes.
Glaubt sicher / glaub't es lebt Egyptens Königin.

Eteocles.
Si mag ja / aber er nichts von Gehöre wissen.

Diomedes.
Wolt ihr der Freuden-Post des Fürsten Ohr verschlissen?

Eteocles.
Schaustu nicht / daß der Todt den Fürsten dir verschleust?

Diomedes.
Ach Jammer! welche Wolck' ist / di dis Leid ausgeust?

Eteocles.
Er selbst als er den Todt Cleopatrens vernommen /
Ist durch Verzweifelung auf disen Irrthum kommen.

Diomedes.
Verrücktes Trauerspiel! O grimmer Parzen Schluß!
Ach! daß der grosse Fürst so bluttig fallen muß!
Wi aber? ist niemand der nach der Wunde fühlet?
Der Narden auf ihn wag't / und ihn durch Eßig kühlet?
Stock-blinde! schaffet Wein und Wunden-Balsam her.
Wi? ist dis Zimmer itzt von eitel Bisam leer /
Daß sonsten voll Zibeth und voller Ambra schwimmet?
Eilt / bringt Schlag-Balsam / Wein / zerbeitzte PerlenZerbeitzte Perlen. Unter den Kostbarkeiten Caligulae werden auch von Sveton. in Calig. c. 37. gerühmet pretiosissimae Margaritae aceto liquefactae. Wiewol derogleichen kostbare Perlen-Träncke Horat. l. 2. Serm. auch einem Comedianten des Aesopi Sohne zueignet. / Zimmet /
Granat-Korallen-Safft / wascht ihm di Wunden aus.
Bestreichet Schläff' und Pulß: es hopff't noch Hertz und Mauß;

Eteocles.
Er athmet / er bewegt di was erwärmten Glider.

Diomedes.
Er rührt den Matten Mund.

Antonius.         Wer gibt den Geist mir wider?

Diomedes.
Mein Fürst! er schöpfte Luft: Cleopatra lebt noch /

Antonius.
Cleopatra?

Diomedes.         So ist's.

Antonius.                 Spart falsche Tröstung doch.

Diomedes.
Ich wünsche mir den Todt da si nicht noch wird leben.

Antonius.
Wer hat durch falsche Post uns denn den Todt gegeben?

Diomedes.
Herr / zwar di Fürstin lag durchs Gifft gleich als schon todt:
Nach dehm man aber ihr bei so bestürtzter Noth /
Durch starcken Mithridat und kräftiges Gewässer /
Als bald zu hülffe kam / ward der Prinzessin besser /
Und si erholet sich von Schwachheit allgemach.

Antonius.
O süsse Freuden-Post! ihr Götter gebet nach:
Daß ich noch einmal nur / eh' ich di Augen schlüsse /
Cleopatren mein Licht / si meine Sonne küsse.
Gewehrt / ihr Götter / nur noch dise bitte mir!
Trabanten traget uns unsäumbar hin zu ihr.

Der Schauplatz stellet abermals für di Königliche Todten-Grufft.

Cleopatra. Charmium. Iras. Cyllenie. Das Frauen-Zimmer. Anton. di Trabanten.

Cleopatra.
Wird uns nun auch der Weg zu Gifft' und Grufft verschnitten?
Muß das Verhängnüß denn noch auf mich todte wütten.
Nu euer Vorwitz uns schier dreimal sterben heist /
Weil schon zum andern mal mein einverleibter Geist /
Im sterbenden Anton des Todes Schatten küsset.
Geht / weil ihr doch kein Heil für meine Wunde wisset /
Geht eilt dem Fürsten nur mit Stärckungs-Säften zu:
Mir bring't nur Gift: daß mans in mein Geträncke thu'.
Ein Sklave mag den Kopf in Fesseln ihm zerdrücken;
Und ihr dürft mir den Todt den Port der Noth verstrücken?

Iras.
Man trägt / Prinzessin / gleich den Fürsten zu ihr her.

Cleopatra.
Sind alle Wolcken denn itzt alles Blitzes leer?
Sind keine Scillen nicht in diser See zufinden?
Und kan kein Dolch kein Gift des Lebens mich entbinden?
O Himmel! daß dis Leid wir nimals dörffen schaun;
Hieß unsre bange Furcht uns dis Begräbnüs baun?
Ach! aber was uns hat den Anblick soll'n verhütten /
Dis hat di tiefste Wund' ihm in das Hertz geschnitten!
Ach Gott! si bringen ihn! mein Fürst / mein Haupt / mein Licht!
Lebt er / erblickt er uns? besinnet er sich nicht?
Welch Sturmwind schmettert uns auf dise Schifbruchs Klippen /
Er athmet / er blickt auf / er rührt di blassen Lippen /
Das Wort erstirbt im Mund / es bricht der Angstschweiß für.

Antonius.
Mein Schatz!

Cleopatra.         Mein Fürst?

Antonius.                 Mein Licht!

Cleopatra.                         Mein Haupt?

Antonius.                                 Si drücke mir /
Di starren Augen zu / nun si mein Geist gesegnet.
Wenn diser letzte Trost noch meiner Angst begegnet:
Daß ihre Schoß mir kan mein Sterbe-Küssen sein /
So schift Anton mit Lust in Todt und Hafen ein.

Cleopatra.
Ach! sol Cleopatra deß Fürsten Tod erleben?
Sol der gesalbte Leib ihm eine Baar abgeben?
Ihr Götter gebet nicht so herben Unfall zu!
Gift / Dolch / und Messer her!

Antonius.         Si gebe sich zu ruh.
Si weiger' uns mein Schatz nicht unser letztes bitten.

Cleopatra.
Kan keine Schlange mehr kein tödtlich Gift ausbrütten?
Lebt mehr kein Scorpion der uns entseelen kan?
Eilt / macht Kriststall und Wein mit giftgern Molchen an.

Antonius.
Wil si durch neuen Schmertz mich todten zweifach tödten?

Cleopatra.
Eh' uns di Untreu schwärtzt / sol uns der Bluttschaum röthen.

Antonius.
Gedult und Zeit verleiht gelinder Hülff und Rath.

Cleopatra.
Sagt / was Cleopatra noch gutts zu hoffen hat?

Antonius.
Viel / nun mein Sterben nur des Keysers Blutt-durst stillet.

Cleopatra.
Glaubt: daß der Zorn-Sturm mehr von mir als ihm herquillet:
Zu dem was fromt di Gunst des Keysers endlich mir?
Nun er / mein Haupt / mein Schatz hin ist / so schätzen wir!
Thron / Kron und Reich für nichts / für Nebel Dunst und Schatten /
Ich mag mit derer ach nicht mehr den Geist abmatten.
Genung / Cleopatra kan sterbend sanffte ruh'n /
Nun si dem Keyser nur darf keinen Fußfäll thun.

Antonius.
Mein Schatz si lasse sich dis Irrlicht nicht verführen.
Und da mein Elend ihr nicht kan di Sinnen rühren /
Da auch kein Kind ihr nicht das Mutter-Hertze bricht.
So quäle si mich doch auch nach dem Tode nicht.
Denn / wird sie mir den Trost / ihr nicht das Leben gönnen /
Werd ich auch in der Gruft nicht sicher ruhen können /
Der schwere Staub wird mir zermalmen mein Gebein /
Mein Grab wird öd und leer / mein Sarch entweihet sein.
Mein von Furcht blasser Geist mein von Angst Zitternd Schatten /
Wird sich umb Mitter-Nacht mit mehr Gespänsten gatten /
Und durch di wüste Burg mit schrecken irre gehn
Zu schaun: in was für Noth Volck / Reich und Kinder stehn.
Wird aber sie mein Licht / mir Sarch und Leiche schmücken /
Di Augen-Lider mir ersterbenden zu drücken /
Den Cörper balsamen auf Ptolomeisch ein
So wird mein Leib erquickt / mein Geist beruhigt sein.

Cleopatra.
Ach! was für Elend wird mir ärmsten noch begegnen!

Antonius.
Di milde Sonne schein't nach dem betrübten regnen.
Mein Schatz! mein Geist wird schwach; mein Abschid ist nicht weit.
Es ist das Testament zu machen hohe Zeit.
Nicht ich; ihr Mutter-Hertz befihlt ihr schon di Kinder /
Weicht dem Verhängnüsse / geb't nach dem Uberwinder.
Augustus sol nebst ihr ihr Neben-Vormund sein.
So gutte Zuversicht wig't oft den Löwen ein /
Der doch auf unser Brust schon Klau und Zähne wetzet.
Mein Leib werd auf di Glutt auf RömischMein Leib werd' auf die Glutt auf Römisch. Allerhand Arten / wohin di Todten gethan worden / erzehlet Cicero lib. 1. Tuscul. quaest. ad fin. Condiunt Aegyptii mortuos & eos domi servant. Persae etiam cera circumlitos condiunt, ut quam maxime permaneant diuturna Corpora: Magorum mos est, non humare Corpora suorum, nisi a feris sint antea laniata: in Hircania plebs publicos alit canes, optimates domesticos. Nobile autem genus canum illud scimus esse, sed pro sua facultate parat, a quibus lanietur. Hieher gehöret auch / was von der Poppaeae Begräbnüsse Tacitus l. 16. Ann. c. 6. ungewöhnliches erzehlt: Corpus non igni abolitum, sed Regum externorum consvetudine, differtum odoribus conditur. Tumuloque; Juliorum infertur. nicht gesätzet /
Sätzt ihn nur in di Gruft der Ptolomeer bei.
Der Dercetae sei loß und Diomedes frei.
All andres steht bei ihr. Dis ist mein letzter Wülle.
Daß auch mein Schatz gewis den letzten Schluß erfülle /
Besigel ihn ihr Mund durch ihren letzten Kuß.

Cleopatra.
Ach! daß dis libe Band nichts gutts verknüpffen muß!

Antonius.
Gebt mir noch einmal WeinGeb't mir noch einmal Wein. Daß / als Antonius / nachdem er sich den Dolch in di Brust gestochen / und in der Cleopatra Schooß zu sterben zu ihr getragen ward / er ihr / sich mit dem Keiser wo möglich zuvereinigen / besonders sich dem Proculeio zuvertrauen gerathen / wie auch: daß er entweder aus Durst / oder: daß er desto eh sterbe / Wein begehrt / und gebraucht; erzehlt Plutarch. d. 1. p. 459. . Ich sterb.

Cleopatra.         Ach! er vergeht!
Geist / Puls und Wärmbd ist hin / der Brun der Adern steht
In todtes Eiß verkehrt. Mein Fürst / mein Haupt / mein Licht!

Iras.
Wer hilft uns Aesten nun / nun unser Stamm zerbricht?

Cyllenie.
Ach wer steht ferner vor dem Haupt-entblösten Reiche?

Charmium.
Weh! unsre Königin erstarrt aufs Fürsten Leiche!
Tragt di ohnmächtige weg in ihr Schlaffgemach.
Di gegen wart gibt stets zu sehr der Wehmuth nach.

Reyen der Parcen.

Clotho, Lachesis. Atropos.

Alle drey.
    Ihr schnödes Volck der Sterbligkeit /
Wi daß ihr so sehr alber seit?
Wenn ihr di Zeit- und Glückes-Flucht /
Durch euren Witz zu hemmen sucht.
Glaubt: daß ihr Sinn / und Hand hirumb vergebens schärf't /
Und ohne Frucht und Grund in Trübsand Ancker wärfft.

Lachesis.
    Durch euren Witz ist nichts gethan.
Denn Clotho legt den Rocken an;
Di / was / und wiviel ihr belibt
Zu eurem Lebens Fadem gibt.
Wi der Verhängnüs-Schluß euch gram ist oder hold /
Gebraucht si euch darzu Flachs / Seide / Silber / Gold.

Atropos.
    Was Tag und Nacht mit euch beginnt /
Dis ist / was Lachesis euch spinnt.
Schaut wi ihr eisern Wirtel schwirrt /
Wi ihre Faust das Garn verwirr't /
Es nütz't und schadet euch der Sterne kräftig Lauff /
Nach dem di Parce Garn dreh't auf di Spindel auff.

Clotho.
    Wenn Lachesis den Lebens-Drat
Aufs köstlichste gesponnen hat /
So steht es meiner Schwester frei /
Zu reissen Garn und Geist entzwei.
Gleich wi di Ros' oft stirb't eh' sich di Knosp' aufmacht /
So mach't euch Atrapos aus Mittag Mitternacht.

Alle drei.
    Der Jugend Glutt / des Alters Eiß /
Der Wollust Dunst / der Tugend Preiß /
Der Purper und ein Hären Kleid
Der Zepter und ein Grabescheid /
Gib't euch kein neues Recht / uns keinen Ordnungs-Zwang /
Wir theil'n nach willkühr aus Geburth / Blüth' / Untergang.

Clotho.
    Cleopatrens versponnen Gold /
Wehrt länger nicht als ich gewolt.
Das Silber des Anton wird Bley /
Eh' es der Unfall reis't entzwei.
Eh' man di Hand dreh't umb / der blick vom Auge fährt /
Hab' ich di Seid in Strick / Scarlat in Stro verkehrt.

Lachesis.
    Ich spaan am Nilus dem Anton /
Das Gold zum Purper und zur Kron /
Und Seide zu der blinden Lust /
Aus eines geilen Weibes Brust.
Doch / wi des Seiden-Wurms Gespinste wird sein Grab /
So gibt dis Garn ihm auch den Sterbe-Kittel ab.

Atropos.
    Der Nil sei Zeuge meiner Macht /
Di itzt auf seine Götter kracht:
Des Fürsten Faden trenn't ein Dolch /
Cleopatrens zerbeist' ein Molch.
So bald di Uhr auslauft fäll't auch mein Fallbeil ein /
Und solte / der da fällt / gleich selbst sein Hencker sein.

Alle drei.
    Jedoch sind wir nicht scheltens wehrt /
Daß unser Blitzen euch verzehrt;
Weil doch der Donner / der euch stürtz't /
Euch oft ein langes ach verkürtzt.
Wenn edle Freiheit sol in knechtsche Ketten gehn /
Muß euch der Todt beim Sturm für einen Hafen stehn.


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