Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Di vierdte Abhandlung.

Der Schauplatz verändert sich in des Augustus Gezelt.

Augustus. Dercetaeus. Der Trabanten Hauptmann.

Augustus.
Was ist di Heimligkeit / di du uns wilst entdecken?

Dercetaeus.
Herr / disen scharfen Dolch und seine Purper-Flecken.

Augustus.
Durch weßen Hand und Blutt ist diser Stahl benutzt?

Dercetaeus.
Herr / Fürst Anton hat ihn ihm selbst ans Hertz gesätzt.

Augustus.
Was hett' ihn noch zur Zeit zu solcher That bewogen?

Dercetaeus.
Ich habe selbst den Dolch ihm aus der Brust gezogen.Ich habe selbst den Dolch ihm aus der Brust gezogen. Als Antonius ihm den Dolch in di Brust gestossen / und halb todt zur Cleopatra getragen ward / ertappte einer seiner Trabanten Dercetaeus den bluttigen Dolch / flohe zum Augusto, entdeckte selbten und erzehlte zum ersten des Antonii Unfall. Plutarch. d. 1. p. 459.

Augustus.
Den du gewiß zuvor ihm hast hineingesteckt.

Dercetaeus.
Der Himmel wolle nicht: daß mich solch Mord befleck't.

Augustus.
Man weiß was Sklaven sich oft mördrisch unterwunden.

Dercetaeus.
Ich weiß wi hoch ein Knecht dem Herren sei verbunden;
Wi weit ein böser Mensch durch Laster kommen kan.
Nein! Dercetaeen klebt kein solches Brandmal an.
Der Schatten folgt dem Licht / di Pein dem Ubelthäter.
Man lib't Verrätherei; doch haßt man den Verräther.
Es sucht di Rache zwar oft ihres Feindes Blutt /
Doch ist si dem / der es ihr lifert / nicht stets gutt.
Anton hat selbst den Stahl ihm durch das Hertz getriben /
Dem ich biß in den Todt aufrichtig treu verbliben:
Auch wolt' ich noch nicht itzt des Keysers Treuer sein /
Vergrübe Nacht und Todt nicht meinen Herren ein.
Nun aber Fürst Anton nicht mehr mein Herr ist bliben /
Trag ich den Mohren auch zu dinen kein beliben:
Der ich in Rom erzeug't / noch so viel Römisch kan:
Es stehe mir kein Herr als nur ein Römer an.
Und weil man sich doch auch verlib't ins Feindes Tugend /
So wil ich keinem sonst aufopfern Geist und Jugend /
Als dem an Rath und That unsterblichen August.
Schweb't nun ein Tropffen Blutt ein Athem in der Brust /
Der falsch und untreu ist / so mag das Schwefel-Blitzen /
Den kohl-pech schwartzen Brunn der Adern mir zerritzen.
Wo nun der Keyser mich zum Sklaven würdig schätzt /
Hat mein verwegen Fuß hir glücklich angesetzt.

Augustus.
Darf sich der Keiser wol auf deine Worte gründen?

Dercetaeus.
Man wird di Glutt eh' kalt / als mich hier falsch befinden.

Augustus.
Wenn hat Anton an sich so grimme That vollbracht?

Dercetaeus.
Vor keiner Stunde nicht / es war schon Mitternacht.

Augustus.
Wi bistu so gar bald durch Wach und Pforten kommen?

Dercetaeus.
Wol! denn ich hatte vor das Losungs-Wort vernommen.

Augustus.
Was meinstu? welch ein Sturm hab' ihn in Grund gejagt?

Dercetaeus.
Weil man Cleopatren ihm fälschlich todt gesagt.

Augustus.
Uns tauret / daß der Mann durch ein solch Weib sol fallen.
Der Libe Gifft ist doch das giftigst' unter allen;
Wi manchen hohen Sinn hat doch di Pest verzehrt /
Wi manche Länder hat di Glutt in Rauch verkehrt!
Vermaledeites Weib / sei tausend mal verfluchet!
Wir woll'n entschuldigt sein. Augustus hat versuchet /
Was zu versuchen war. Doch er schlug alles aus.
Wer sich nicht leschen läst / der siht sein brennend Haus /
Gar billich in der Asch'. Jedoch / der Unfall zwinget
Uns bittre Thränen ab.Jedoch der Unfall zwinget uns bittre Thränen ab. Also hat auch Julius Caesar / als man seines Feindes des grossen Pompeji Haupt zu ihn bracht / geweinet. Woher gehöret der schöne Orth aus dem Lucano.

Non primo Caesar damnavit munera visu,
Avertitque; Oculos, Vultus dum crederet, haesit,
Utque; fidem vidit sceleris, tutumque; putavit
Jam bonus esse socer: lacrymas non sponte cadentes
Effudit, gemitusque; expressis pectore laeto;
Non aliter manifesta putans abscondere mentis
Gaudia, quam lacrymis – – – – – – – – – – – –
Anton dein Kleinmuth bringet
Dich selbst umb Geist und Reich / und dein verzweifelnd Stich
Beraubt des Wolthuns uns / des Lebens aber dich.
Hat das Verhängnüs denn uns nicht den Ruhm wolln gönnen;
Daß wir zwar sighaft sein / doch auch vergeben können
Jedoch der Schmertz muß nicht verspilen Glück' und Zeit /
Ein Augenblick versäumt Sieg und Gelegenheit.
Stracks / Hauptmann! lasset sich di Läger fertig machen.
Den aber / laß't in deß aufs fleissigste bewachen.

Augustus. Proculejus. Corn. Gallus. Trabanten Hauptmann.

Hauptmann.
Hochmächtig-grosser Fürst / ein Hauptmann des Anton /
Such't ängstiglich Verhör.

Augustus.         Sehr wol! wir wissen schon
Den Vorschmack seiner Angst. Er wird zum Kreutze krichen.
Beruft di Räthe bald. Wiviel ist Nacht verstrichen?

Hauptmann.
Es sind noch ungefähr zwei Stunden bis an Tag.

Augustus.
Sagt dem Canidius: daß er uns sehen mag.

Hauptmann.
Gewafnet?

Augustus.         Nehm't ihn an als andere Gesandten /
Durch der Trompetenschall begleitet von Trabanten.
Gleich recht! ihr stell't euch ein zu rechtgewünschter Zeit.

Gallus.
Wir sind ins Keysers Dienst bei Tag und Nacht bereit.

Augustus.
Des Feindes Hochmuth fällt. Wir solln Gehöre geben.

Proculejus.
Der Keyser wolle stets glückhaft und Siegreich leben.

Augustus.
Was meint ihr? was für Blutt hat disen Dolch befleckt /

Gallus.
Was gilt's; er hat dem Feind' in seiner Brust gesteckt.

Augustus.
Du trifst's / Anton hat ihm hirdurch den Geist benommen.

Proculejus.
Hilf Himmel! wi ist der ins Keysers Hände kommen?

Augustus.
Durch den / der ihn ihm selbst gerückt aus seiner Brust.

Proculejus.
Glück zu! solch Fall erhöht und solch Verlust gibt Lust.

Gallus.
Man sol obs Feindes Fall sich spigeln nicht erfreuen.

Proculejus.
Es würd' Anton wol nicht des Keysers Todt bereuen.

Gallus.
Man fragt nicht nach dem Thun / nur nach dem Sollen viel.

Proculejus.
Des Feindes Knochen sind der Siger Kurtzweil-Spiel.

Gallus.
Doch / Caesars Thrän' ist auf Pompejens Kopff geronnen.

Proculejus.
Das Auge wölckt sich oft; im Hertzen scheinen Sonnen.

Gallus.
Meinstu daß Julius di Weh'muth hab' erticht?

Proculejus.
Wer sich nicht anstelln kanWer sich nicht anstell'n kan. Ludwig der Eilfte König in Franckreich hat seinen Sohn Carolum VIII. mehr nicht lernen lassen / als diese Lateinische Wortte. Qui nescit dissimulare, nescit regnare. M. Serre en l'Inventaire de France. part. 2. en Charles VIII. pag. 478. / der taug zum herrschen nicht.

Augustus.
Wi solln wir denn des Feinds Gesandschaft itzt empfangen?

Proculejus.
Es werd / itz't auch mit ihm was spöttlich umbgegangen.

Gallus.
Was spöttisch? wi warumb?

Proculejus.         Ist dis wol fragens Noth?
Weil er verächtlich hielt den / der ihm Gnad anboth.

Gallus.
Wi hengstu hier nicht auch den Mantel nach dem Winde?

Proculejus.
Was nützt es hier?

Augustus.         Daß man den Feind uns mehr verbinde.

Proculejus.
Den / der durch's Hauptes Fall und uns schon kraftlooß ligt.

Gallus.
Der Leib wird nur durch's Schwerdt / der Geist durch Gunst besigt.
Gesätzt: daß dise Nacht den vollen Sieg uns gönte /
Da doch di Stadt noch wol viel Bürger fressen könte /
Da Caesar einen mehr als tausend Mohren schätzt:
Glaubstu / man hett' alsdenn hier festen Fuß gesetzt?
Nein! Rom wird nimmermehr den grossen Nil recht zwingen.
Wirds di Gemütter nicht auf seine Seite bringen.
Dis muß di Sanftmuth thun / di Tiranney thut's nicht.

Proculejus.
Du weist: daß Afrika stets Treu und Glauben bricht.
An Völckern / di ans Joch zu Sklaven sind gebohren /
Ist ein gelinder Zaum des Regiments verlohren.
Der Kapzaum bändigt nur ein wild und kollernd Pferd;
Der Ernst dis Volck / wenn man recht durch den Sinn ihm fähr't.

Gallus.
Ernst / Haß / und Furcht wird wol kein taurend Bündnüs schlissen /

Proculejus.
Si hassen; wenn si nur den Herrscher fürchten müssen.

Gallus.
Nimmt man der Schlang' ihr Gift / verkreucht und beugt si sich /
Krigt si denn frische Kraft / so gibt si stich auf stich.

Augustus.
Last anfangs uns den Feind mit linden Fingern streichen.
Hülft's nicht / so häuft man denn Schwerd / Flamme / Mord und Leichen.

Canidius. Augustus. Corn. Gallus. Proculeius. Ptolomaeus. Alexander. Di Trabanten.

Canidius.
Der Himmel / grosser Fürst / kämpf't nun mehr selbst für dich;
Der nie gebeugte Nil bückt für der Tiber sich /
Egypten weichet Rom / Cleopatra dem Keyser.
Der Götter Rath verkehrt dir di Zipressen-Reiser /
Des sterbenden Anton in einen Lorber-Krantz.
Der Mohren Capitol legt nunmehr Kron und Glantz /
Dir / ander Jupiter / freiwillig zu den Füssen:
Nun dises Reiches Sonn' Antonius hat müssen /
So bluttig untergehn. Doch / wi di Abend-Röth' /
In dem si in das Meer bepurpert untergeht /
Ein helles Morgen-Licht der Sonnen uns bedeutet:
So: da Anton so roth sein Grabmal zubereitet /
Hof't nach so trüben Sturm Egipten Sonnen-schein /
Und wünscht: es mög' August itzt seine Sonne sein.
Si selbst Cleopatra di Keyserin der Mohren /
Hat bei so hartem Fall nicht allen Rath verlohren;
Si andre Zinthie geht weit dem Monden für /
Nun si / O Sonne / borg't ihr fruchtbar Licht von dir.
Wi / wenn ein Palinur in stürmer Flutt vertirbet /
Das Schiffs-Volck also bald umb neue sich bewirbet:
So machts Cleopatra; vergeh't ihr Steuer-Mann /
So trägt si dem August das Steuer-Ruder an.
Des Alexanders Stadt steh't itzt dem Keiser offen:
Und ob zwar kein Vertrag ist zwischen uns getroffen /
So traut di Fürstin doch dem Keiser so viel zu:
Er suche sonsten nichts als di gemeine Ruh' /
Als seiner Tugend Ruhm / Cleopatrens vergnügen.
Wird Caesar nebst dem Feind' auch so sich selbst besigen /
Di Rechte dises Reichs / den Purper nicht versehrn /
So wird er lebend schon di Zahl der Götter mehrn.
Gantz Afrika wird ihn ohn allen zwang anbethen /
Das rothe Meer / daß nie kein Römisch Fuß betreten /
Wird dem Octavian freiwillig dinstbar sein /
Und Madagascar wird das Elephanten Bein /
Di Mohnden-Insel Gold / der Tiger edle Steine /
Den Juliern verehr'n: Augustus wird alleine /
Sich für den Herrn der WeltSich für den Herrn der Welt. Ob wol di Römischen Keiser anfänglich gar den Nahmen eines Herren anzunehmen sich geweigert / dahero Tacit. lib. 2. Ann. c. 87. von Tiberio meldet: Neque; tamen ob ea Parentis Patriae delatum & antea Vocabulum adsumsit: acerbeque; increpuit eos, qui divinas Occupationes ipsumque; Dominum dixerant. Welches auch vorher Augustus gethan / qui Domini appellationem, ut maledicturn & opprobrium semper exhorruit. Sveton. in Octav. c. 23. So haben sie sich doch hernachmals selbst Herren der Welt genennet. Dahero Antonius in l. 9. ff. de L. Rhodia von sich schreibt: εγὼ μὲν του̃ κόσμου κύριος. Ego quidem Mundi Dominus & c. durchaus verehret schaun /
Wird er des Reiches Grund auf Gunst und Sanftmuth baun.
Dis hofft Cleopatra / sie öfnet Port und Pforte;
Auch / daß der Keiser nicht nur auf so blosse Worte /
Der Stadt sich dörffe traun / so schwur si beim Altar /
Der Isis ihm di Treu' / und schickt dis libste Paar /
An statt der Geissel ihm. Dis sind di libsten Kinder
Des mächtigen Anton / di für dem Uberwinder
Den Fußfall willig thu'n. Augustus wird dis Pfand
Nicht hoffentlich verschmähn. Geht küst des Keisers Hand;
Versöhnt des Siegers Schwerdt durch euer kindlich bitten.
Schau't / umb was Rom zeither halb fruchtlos hat gestritten /
Dis krig't Augustus itzt vollkommen ohne Schwerd.
Doch ist der Keiser auch nur solcher Sklaven wehrt.
Es ist besigter Ruhm durch tapffre Faust erligen /
Es stirbt der Hector nicht durch des Achilles Sigen;
Der Scipio nimmt nicht den Ruhm dem Hannibal:
Sein steh'n und fallen bleibt Carthagens Stand und Fall.Sein steh'n und fallen bleib't Carthagens Stand und Fall. Mit dem Hector und Hannibal ist Troja und Carthago gestanden und gefallen. Dahero Senec. in Troad. v. 123.

Columen patriae, mora fatorum
Tu praesidium Phrygibus fessis
Tu murus eras; humerisque, tuis
Stetit illa decem fulta perannos,
Tecum cecidit, summusque; dies
Hectoris idem Patriaeque; fuit.

Dis ist auch unser Trost. Wil nun des Keisers Gütte /
Besigen dises Reichs treuhertziges Gemütte /
Und unsre Königin als Sieger nicht verschmähn /
So wünscht si den August in ihrer Burg zusehn;
Zu küssen seine Hand / für ihm ihr Knie zu beugen.

Augustus.
Uns jammert des Anton! di Götter mögen's zeugen /
Es ist uns hertzlich leid; daß der so tapffre Held /
Der bessern Glückes werth / so unglückselig fällt.
Glaubt: daß wir selbst di Thrän in dis sein Blutt vermischet /
Als der verfluchte Dolch uns hat dis Leid erfrischet.

Canidius.
Hilf Gott! wo kömbt der Dolch hier schon zum Keiser her!

Gallus.
Welch Fürstliches Gemach ist von Verräthern leer?

Proculejus.
Dis lehr't euch / daß August all euer Ohnmacht wisse;
Wi sich di Königin aus Noth ergeben müsse.

Canidius.
Wir haben / sichert euch / noch nicht so grosse Noth.

Proculejus.
So bald das Haupt abfällt / sind alle Glider todt.

Augustus.
Es sei dem / wi ihm sei / di Gunst / ihr selbst mußt's sagen /
Di wir oft dem Anton vergebens angetragen /
Der mehr durch eigne Schuld als unsre Waffen ligt /
Di werde nun vollauf den Erben zugefügt.
Laßt di Cleopatra bald unsre Gnade wissen /
Und daß der Keiser selbst ihr wünscht di Hand zu küssen:
Ja / weil wir auf ihr Wort zu trauen schlüßig sein /
So liefert ihr nur auch di Geissel wider ein.
Doch / weil man nicht allzeit dem Pöfel sicher trauet /
Wi si und Julius schon einmal hat geschauetWie sie und Julius schon einmal hat geschauet. Als Julius Caesar die Cleopatra wider ihren Bruder Ptolomaeum ins Königreich einsetzte / ward er unversehens von diesem und demselben / di den grossen Pompejum umbbracht / im Königlichen Schlosse umbsessen / aus welcher grossen Gefahr er sich mit geringer Hülffe durch Brand und schwimmen errettete. Florus. lib. 4. cap. 2. n. 58. Hirtius de Bell. Alexandr. /
Als daß ergrimmte Volck durch kläglich-teuren Brand /
Und wütend-tollen Grimm nach beider Leben stand:
Wird es di Königin für keinen Argwohn schätzen /
Dafern man Burg und Port mit Volcke wird besetzen.


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