Daniel Casper von Lohenstein
Cleopatra
Daniel Casper von Lohenstein

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Archibius.
Sagt was ihr woll't / und pocht: darauf der pochen kan /
Den ein verzweiflend Feind greifft im gedrangen an /
Ihr windet uns hierdurch den Stahl nicht auß den Händen;
Wer klug ist / läst sich nicht der Feinde Rath verbländen;
Der auf den Orth / wo er hinzühlt / den Rücken kehrtDer auf den Orth / wo er hinzielt / den Rücken kehrt. Welcherley gestalt auf frembder Rathschläge in Staats-Sachen nicht zu fußen / führt sehr nachdencklich aus Monsieur de Silhon en son Ministre d'Estat disc. 9. & 14. Alwo dessen daselbst befindliche Worte sich hieher sehr wol schicken: Les habiles gens croyent d'ordinaire le contraire & cherchent la verité des Intentions dans la partie contradictoire des paroles. Di Uhrsache stehet vorher: qu'ils tournent le dos au lieu, où ils veulent aborder, comefont ceux qui navigent, & bien que les lignes droites soiet les plus courtes, qu'ils ayment mieux les obliques, pour pervenir à leur fin, & au but, qu'ils se proposent. /
Nicht anders / als ein Schiff an's Ufer rücks-werts fährt.
Zwar durch gerade Fahrt wird wol der Weg verkürtzet;
Der aber / der den Mast nicht gern' in Schiff-bruch stürtzet /
Verfährt behuttsamer / streicht Kreitz-weis hin und her /
Länck't oft wol hinter sich / versucht durch's Bley das Meer /
Dafern er Felsen merckt. So könnt auch ihr euch schicken.
Wir aber müssen euch was den Compaß verrücken.

Proculejus.
Den? der euch leutet hin wo Sonn' und Glück erwacht?

Archibius.
Nein! der Magnet zeucht uns in's Unglücks Mitternacht.

Proculejus.
Ihr werdet euren Schluß zu spät zu spät bereuen.
Woll't aber ihr gleichwol auch diesen nicht befreyen /
Den doch Anton vorhin zu liefern uns versprach?

Archibius.
Mein't ihr den Artabaz? Er ist schon im Gemach.
Ziht di Tapeten weg. Hier wird er euch gewehret.

Proculejus.
Hilf Himmel? was ist dis? wie? daß kein Blitz herfähret /
Der di verdammte Stadt zermalmt in Asche legt!
Daß Glutt und Schwefel nicht das Land von Lastern fegt!
Welch rasen komm't euch an? seid ihr von Sinnen kommen?
Wie? hat Tisiphone in euch den Sitz genommen?
Zerbirst der Abgrund nicht / und schluckt euch Mörder ein /
Die von Kind-auf gesäug't von Drachen-Eyter sein.
Wie? träumt mir? seh' ich recht? ist's Artabazens Leiche?
Ha! du beschimpffter Strumpf! bestürtzter Mond' entweiche /
Daß dieser Greuel nicht dein reines Silber fleckt!
Wo habt / ihr Mörder / hin / des Königs Kopf gesteckt?

Archibius.
Ihr Römer / di ihr nie kein Fürsten-Blutt verspritzet /
Di ihr kein Wasser trübt / seit ihr so sehr erhitzet:
Daß ihr verräthrisch Blutt am Pflaster kleben seh't?
Verlang't ihr / daß sein Kopff werd' an den Strumpf geneh't.
Müß't ihr das ander Theil auß Meden wider holen.

Proculejus.
Hilf Himmel! hat Anton di Unthat anbefohlen?
Wol! hönet / wüttet / würtzt di Straffen euch nur wol!
Wißt: daß des Keisers Schwerd dis redlich rechen sol.

Der Schauplatz bildet ab das lustige Gebirge des Berges Ida in Phrygien.

Der Reyen ist das Gerichte des Paris.

Mercurius. Paris. Juno. Pallas. Venus.

Mercurius.
        Edelster Schäffer / und Außbund der Hirten /
        Welchen di Themis mit Nectar gesäugt /
Schaue von Palmen von Oel-Zweig und Mirten
        Wird dir ein Krantz umb di Schläffe gebeugt.
    Jupiters Töchter und Ehgemahl müssen
    Deinen gekröneten Hirten-Stab küssen.
Eh sich dein Purper den Hürden vermählet /
        Hat des Verhängnüsses stählerner Schluß /
Dich zu dem Richter der Götter erwählet /
        Schaue dis Kleinod der Schönheit! dis muß
    Dein unparteiisches Urtheil verleihen
    Der / di di schönste leb't unter den Dreyen.

Paris.
        Himmel! wo bin ich? ich werde zum Steine!
        Säh' ich auf Ida drei Sonnen aufgehn?
Da doch den Himmel umbzirckelt nur eine.
        Säh' ich ein Klee-Blatt der Götter hier stehn?
    Werd' ich von ihnen erkiset zum Richter
    Über di Himmlischen Sternen-Gesichter?
Was sich di Götter zu schlichten nicht trauen /
        Sol ich einfältiger Schäfer verstehn?
Kan doch mein Aug' in di Sonne nicht schauen;
        Weniger wird sich's zu Göttern erhöhn.
    Könt' ich nur aber zwey Aepfel noch haben
    Wolt' ich iedwede mit einem begaben.

Juno. Pallas. Venus.
        Schäffer / im Kriegen sig't einer alleine.
        Tulipen gleichen der Rosen sich nicht /
Demant ist König der Edelgesteine;
        Sonnen verbländen der Sternen ihr Licht.
    Diesem nach mustu nur Jupiters willen
    Durch den erwünscheten Endspruch erfüllen.

Paris.
        Wol! denn des Jupiters ernstes begehren
        Schlagen di Sterblichen sträflich in Wind;
Kan er doch albere Sinnen verklären:
        Daß sie zum göttlichen fähiger sind.
    Nähert euch also mir / schönste Göttinnen /
    Wollet ihr Sigs-Krantz und Apfel gewinnen.

Juno.
        Himmel und Erde muß Weyrauch anzünden
        Mir / der nicht Zierde / nicht Herrligkeit fehlt.
Wehre was schöners an andern zu finden /
        Hette mich Jupiter ihm nicht vermählt.
    Wilstu nun Jupitern Irrthum's nicht zeihen /
    Mustu mir schönsten den Vorzug verleihen.

Pallas.
        Hoffart und Wollust sind Seuchen der Jugend.
        Diese sind euer geschmincketer Schein.
Ich aber bin di vergötternde Tugend /
        Welche di Thaten den Sternen gräb't ein.
    Wilstu nun ewigen Nach-ruhm erlangen /
    Muß ich als Schönste den Apfel empfangen.

Venus.
        Kronen sind dörnricht / di Waffen gefährlich.
        Aber mein Paradis schwimmet voll Lust.
Meine verlibete Krige sind herrlich /
        Tödten di Sorgen / beseelen di Brust.
    Jene mag Zepter und Harnisch erheben;
    Dieses Gold werde mir Schönsten gegeben.

Paris.
        Rosen des Himmels / Gestirne der Erden /
        Momus find't an euch nicht einigen Fleck.
Doch / di nach Würden entschieden wil werden /
        Lege di euserste Zirath hinweg.
    Wenn man vom Glase Kristallen wil scheiden /
    Sondert man Farben und Schmincke von beiden.

Juno. Pallas.
        Wagstu dich unser entblössete Glider
        Mit den verweßlichen Augen zusehn?

Venus.
        Schaue! di Göttin der Schönheit wirff't nider
        Dieses / wordurch sich di andern aufblähn.

Juno. Pallas.
        Fürchte nicht an uns vermummete Flecken /
        Sihe / wir wollen uns gleichfalls entdecken.

Pallas.
        Schädliche Mutter verbländender Tücke /
        Lege den zaubernden Gürttel von dir.Lege den zaubernden Gürtel von dir. Di Poeten haben der Venus einen wunderlichen Gürtel angedichtet. Von welchem Homerus Iliad. ζ. dis erzehlet:

’Απὸ στήθεσφιν ελύσατο κεστὸν ιμάντα
Ποικίλον ένθα δὲ οι θελκτήρια πάντα τέτυκτο
’Ένθ' ένι μὲν φιλότης, εν δ' ίμερος εν δ' οαριστὺς
Πάρφασις, ήτ' έκλεψε νόον πύκα περ' φρονεόντων.
Sie schnürte von der Brust den bundten Gürtel loos;
Der in sich alle Lust und Liebes-reitz verschloß /
Begihrde / Zauberei / Beredsamkeit / Verlangen
Di auch der klugen Hertz betrüglich können fangen.

Venus.
        Wol! wol! blau-augichte PallasBlau-äugichte Pallas. Also wird sie vom Homero hin und wider γλαυκω̃πις genennet / dahero auch von ihr das Schloß zu Athen γλαυκώπιον genennet ward. Beydes von der Venus Gürtel und der Pallas Augen führet also auch ein der Sinn-reiche Marino, nel Canto. 2. dell' Adone. Ottav. 123.

Horsù (Palla soggiunse) ecco mi svesto,
Mà prima che scinte habbian le gonne eimanti,
Fà tu Pastor, eh' ella deponga il cesto,
Se non vuoi pur, che per Magia t'incanti.
Replicò l'altra. Io non ripugno à questo.
Mà tu, che di beltà vineer ti vanti
Perche non lasci il tuo guerriero elmetto?
E lo spaventi con feroce aspetto?
    Forse che'n te si noti e si riprenda
Degli ocehi glauchi il torvo lume hai scorno?
/ nicht rücke
        Deinem Helm deinem Gesichte so für.

Paris.
        Götter / verleihet mir Argos Gesichte /
        Daß ich mein Richter-Ambt würdig verrichte.

Juno.
        Paris / Antigonens UngemachAntigonens Ungemach. Diese des Laomedon Tochter / als sie sich erkühnte ihre Schönheit der Juno vorzuzihen / ward von dieser in einen Storch verwandelt. Ovid. 6. Metam. lehret
        Und deß Ixion unruhiges Rad;Des Ixion unruhiges Rad. Als Ixion seinen Schwäher Deioneus umbbracht / ward er vom Jupiter aus Erbarmnüs in Himmel genommen / und daselbst deßhalben gereinigt. Er verliebte sich aber in di Juno / dem aber Jupiter unter ihrer gestalt eine Wolcke beilegte / worvon auch die Centauri gebohren worden. Als er sich aber hernach auf Erden rühmete: daß er der Götter Königin beschlagen / ward er von des Jupiters Blitz in di Helle gestürtzt / und daselbst ewig gerädert. Daher Ovid. 4. Met. Fab. 10.

Volvitur Ixion & se sequiturque; fugitque;

Et Senec. in Agamem. v. 15.

Ubi ille celeri corpus evinctus rotae
In se resertur.

Wie den mein grimmiges Blitzen versehret
        Welcher mich einmal beleidiget hat.
    Wirstu mich aber nach Würden bedencken
    Wil ich gantz Asiens Zepter dir schencken.

Pallas.
        Di am Apollo verachtete Künste
        Müssen di Ohren des MidasMüssen di Ohren des Midas. Als Apollo und Pan mit einander wegen ihrer Lieder stritten / gab Tmolus dem Apollo / Midas aber dem Pan den Preiß. Dahero ihm Apollo Esels-Ohren ansetzte. Ovid. 11. Metam. andere dichten: Er habe des Marsyas Gesang des Apollo vorgezogen. bezahl'n;
Und der Arachne verächtlich GespünsteDer Arachne verächtlich Gespinste. Diese wolte in der Webe-Kunst der Minerva nichts nachgeben / dahero ward sie von ihr in eine Spinne verkehrt. Ovid. l. 6. Metam. Dahero Maro lib. 4. Georg. v. 246.

– – – – – – – – – – – – Invisa Minervae
In foribus laxos supsendit aranea casses.
/
        Kan dir di zornige Pallas abmahl'n.
    Nennstu mich aber di Schönste der Schönen;
    Sollen unendliche Lorbern dich krönen.

Venus.
        Lasse nicht dreuen und Gaben dich beugen.
        Opffert doch selber Diespiter mir.
Ist nicht auch Priamus Zepter dein eigen?
        Unsere Mirten gehn Lorbern weit für.
    Helenens dir zu gewiedmete Strahlen
    Werden dir Kronen und Palmen bezahlen.

Paris.
        Schönste der ewig-helleuchtenden Sonnen
        Strecke den Marmel der Armen herfür.
Venus hat unter den dreien gewonnen.
        Nimm den vergüldeten Apfel von mir.
    Deine bepurperte Rosen vertilgen /
    Anderer Schönen versilberte Lilgen.

Venus.
        Kräntzet nun / kräntzet besigte Göttinnen /
        Kräntzet mit Lorbern der Ziprien Haar!
Bauet bis zu den Saffirenen Zinnen /
        Mir ein von Balsam wolrichend Altar!
    Brechet nun Zepter und Lantzen in stücke!
    Wünschet der siegenden Venus Gelücke!

Juno. Pallas.
        Thörichter Richter! Verächter der Götter!
        Kisestu bländenden Schatten für Licht?
Gibstu di Früchte für ledige Blätter?
        Glaube dein Wahn vergeringert uns nicht!
    Hoheit und Tugend wird Sternen-werts steigen /
    Wann sich di Wollust zur Erde wird neigen.

Juno.

        Rasender! tausend wollüstige Frauen
        Schätzet ein kluger des Zepters nicht wehrt.

Pallas.
        Wer der verzaubernden Circe wil trauen /
        Wird in ein sündiges Unthier verkehrt.

Juno. Pallas.
Du und dein loderndes Troja wird müssen
Deine verdammte Begirde bald bissen.

Venus.
        Nein! nein! di Liebe di Jupitern zwinget /
        Di da kan Wermuth in Honig verkehrn /
Wird den / der Lorbern und Palmen ihr bringet /
        Nicht mit so bitterem Schlangen-Gifft nehrn.
    Einer lib-reitzenden Frauen ergätzen /
    Kan auch di Schmertzen in schertzen versätzen.


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