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IX.
Der Bergenser

Drei bis vier Wochen später lag »Rutland« in dem Hafen von Christiania und lud Eisen und Gußeisenwaren, sowie Kartoffelbranntwein in großen Krügen ein; den letzteren hatte Christensen auf eigene Rechnung gekauft, um ihn in den Städten an der Küste abzusetzen.

Christensen war bisher immer verstimmt gewesen; niemand konnte es ihm recht machen.

Es war Frühling rings umher, – auf der See und auf dem Lande, die Sonne schien warm und freundlich vom Himmel; nur am Bord von »Rutland« war es häßliches, trübes Wetter.

Madame Christensen wartete auf einen Brief von Bernt und ging jeden Tag nach dem Posthause, um sich zu erkundigen, aber sie kam regelmäßig enttäuscht und verstimmt zurück.

Am Tage, als sie wieder in See gehen sollten, kam sie später, als gewöhnlich, an Bord. Sie hatte viel in der Stadt zu thun gehabt und hatte darum nicht auf der Post vorgehen können, denn sie wußte, daß Christensen sie um Mittag erwartete. Christensen saß auf dem Kajütenroof, wie es schien, sehr gleichgültig; er wandte sich auch nicht um, als seine Frau hastig näher kam und verdrießlich sagte: »Ich habe mich wahrhaftig nicht mehr eilen können, Christensen!« sondern reichte ihr nur ruhig einen Brief, den er durch den Bergenser aus der Stadt hatte holen lassen.

»Was? ... Von wem ist der? ... Von Bernt!« Sie sah ihn bald von der einen, bald von der andern Seite an. Es war ein unordentlich zusammengelegter Lappen Papier, statt eines Petschafts mit einem Kupferschilling versiegelt. »Denk' doch, Christensen! daß ich seine Handschrift nicht kannte!«

»Ja, die ist nun auch nicht gerade so schön, Mutter!« – Christensen folgte seiner Frau in die Kajüte. Sie setzte sich auf die Schiffskiste und las den Brief:

 

»Lieber Vater und Mutter!

Alles wohl! ... hier Ist ein Russisches Kreuzsegelschiff gewesen. Sonst alles Wie das gewöhnliche. Fortuna ging vom stabel vorige Woche. Auch Madame Nielsen grüßt so Schön und Polly. Wir haben das hier Gut, aber die uhr Zieht sie nicht auf. Sie läuft immer Schulen, Wenn sie Will. Grüßt alle und den Bergenser und wollte Gerne wissen, wie es Euch geht.

Bernt.«

 

»Was sagst Du, Christensen! ... Ja, das ist ein prächtiger Junge! der sieht sich um, und wir erfahren alles! ... Alles« – Madame Christensen war sehr guter Laune.

»Alles – sagst Du, Mutter? ... Ach ja! alles, nur nichts von der Schule, von der schreibt er gar nichts, nichts von seinem Zeugnisbuch! ... Hör', Mutter! Wenn Du ihm schreibst, sage ihm, daß ich davon etwas hören wollte.«

Madame Christensen ging dann mit dem Brief in der Hand aufs Verdeck und grüßte den Bergenser von Bernt.

»Schade Madame, daß er diesmal nicht mit uns ist! Was das 'mal für ein Seemann werden wird, und immer so vergnügt!«

»Mir ist bange, Bergenser, daß Du ihm schon manche Fliege in den Kopf gesetzt hast! – Aber ich werde schon aufpassen!«

»Aufpassen, Madame!« – er sah sich um –, »das ist keine Kunst, ... denn wenn wir auch hier vor der Hauptstadt liegen, wie sie sagen, so sieht unser einer ja nichts von ihr.«

»Du hättest wohl Lust, an Land zu gehen, Bergenser?«

»Das haben wir alle, ... und nun ist's schon der letzte Abend.«

»Christensen hat bestimmt, daß keiner an Land sollte, ehe das Schiff voll geladen wäre, aber nun kannst Du den andern sagen, sie könnten heute abend alle an Land gehen und sie sollten auch etwas Geld haben, ... aber um zwölf Uhr wieder an Bord, Bergenser!«

Sie ging sehr gnädig von ihm und setzte sich in die Kajüte, um den Brief noch einmal zu studieren. Schon ihn vor sich haben, ihn öffnen und hineinstarren, war ihrem Mutterherzen ein besonderer Genuß. Sie hatte das schon öfter gethan, als sie endlich Papier und Dinte hervorbrachte, um ihrem Sohn zu antworten. Das war eine lange Arbeit und kostete viele Mühe; sie hatte so viel zu fragen und an so viel zu denken, daß sie noch an dem kleinen Tisch saß und schrieb, als ihre Mannschaft um sechs Uhr an Land ging. Daß Christensen so streng das Zeugnisbuch verlangte, war ihr ein großer Schmerz – um Bernts willen, und sie wußte nicht recht, wie sie ihm darüber schreiben sollte. Endlich kam ihr ein guter Gedanke, und sie gab ihm ihr und seines Vaters Versprechen, ihm in Holland eine Confirmationsuhr zu kaufen, wenn er gute Zeugnisse schicke; – die bisher erhaltenen sollten nicht mit gerechnet werden!

Sie ging mit dem Brief selbst nach dem Posthause, kaufte in einer Bude einen Leckerbissen für Christensen und aß das Abendbrot mit ihm in vortrefflichem Humor.

Es war elf Uhr abends, als Andres Kok und Nils Kobbervig lautsprechend die Brücke hinuntergingen, am Bord aber wurden ihre Stimmen leiser, und sie gingen still in den Schiffsraum.

Erst als diese beiden zuverlässigen, festen Stützen wieder am Bord waren, legten auch Christensen und seine Frau sich zur Ruhe in der Kajüte.

Das Ehepaar hatte schon zwei bis drei Stunden geschlafen, als sie durch ein heftiges Poltern auf dem Verdeck geweckt wurden. Es war der Bergenser, der, von zwei Nachtwächtern geführt, ohne Rock und mit einem verbundenen Auge zurückkam, – das Hemd war zerrissen und das Halstuch saß verkehrt auf dem Rücken. Er hatte getanzt und getrunken, getrunken und getanzt, bis der Saal und alles, was in demselben war, sich vor ihm drehte; dann erinnerte er sich so vieler schöner Bergenscher Ausdrücke, die er diesem oder jenem Nachbarn an den Kopf warf, oder er hatte Händel mit ihnen angefangen, daß er endlich nur durch die Vermittelung der Nachtwächter vor den Fäusten seiner Feinde gerettet wurde.

Madame Christensen stand halbverdeckt auf der Kajütentreppe und sah zu, während Christensen sich in Güte mit den Wächtern abfand.

Mit dem Bergenser selbst war für den Augenblick nichts anzufangen; er saß nun ganz matt und zerschlagen da und dachte über sein Schicksal nach ... Er war so unglücklich! Sein Vater und seine Mutter hatten so viele Sorgen um ihn, ... weil er zur See gegangen, ... und außerdem war er auch verliebt. Dieser letzte Gedanke überwältigte ihn so sehr, daß er zu weinen anfing. Aber als er dann wieder wie ein Hahn krähte, – eine Kunst, mit der er im Schiffsraum schon oft Glück gemacht hatte, ging Madame Christensen von ihm ...

»Eltern, die ihre Kinder zu einem Beruf zwingen wollen, haben eine schwere Verantwortung, Christensen!«

In diesem Jahre war's kein besonderes Glück, am Bord des »Rutland« Heuer genommen zu haben, – saure Mienen, mürrische Gesichter vom Morgen bis zum Abend, wenn sie im Hafen lagen, und draußen auf der See war's auch nicht besser. »Saure Gesichter«, wie der Bergenser sagte, »überall am Bord ... Christensen brummt, Madame schilt, Andres und Niels sind stumme Fische!« – Er sehnte sich nur nach einer großen Reise über den Ocean, aber die Zeiten waren zu schlecht, um jetzt schon daran denken zu können.

Es waren dieselben schlechten Zeiten, die gegen Ende August Christensen bestimmt hatten, mit einer Fracht von Fischen und Thran, die er in einer der nördlichen Städte sehr billig gekauft hatte, nach Holland zu gehen.

In der Nordsee hatten sie Sturm gehabt und »Rutland« kreuzte nun draußen vor Vlieland mit schwacher Hoffnung, noch vor Nacht einzulaufen. Der Wind pfiff und sang und heulte noch immer, wenn auch in schwächeren Melodien, die Abendsonne erleuchtete das unruhige Meer, und Christensen stand mit dem Fernrohr auf Deck und sah nach Vlieland hinüber ... Er schüttelte den Kopf, und brummte: »Gut, daß wir noch helle Nächte haben!«

Eine Weile später kam Madame Christensen hastig herauf. Sie hatte wieder die Seekrankheit gehabt.

»Aber was ist das für ein fürchterlicher Geruch da unten? Da wird wohl eine Thrantonne leck geworden sein; ich lag da heute in der Kajüte und hab' Euch gerufen und gerufen, aber Ihr habt oben wohl keine Ohren!«

Christensen ging mit Niels und Martin hinunter.

»Das sind ganze fünfzehn Thaler, Christensen! ... Das ist viel für uns in solchen Zeiten, wie diese sind.«

Er antwortete nicht auf die Bemerkung seiner Frau.

»Oder ist es die Meinung,« fuhr Madame Christensen fort, »daß wir diesen angenehmen Duft die ganze Nacht über behalten sollen? ... Das kann man unmöglich aushalten, Christensen! ... Ich werde gleich wieder seekrank!«

»Ja, ja, Mutter! wir wollen sehen,« antwortete Christensen, der durch den Schmerz seiner Frau ruhig geworden war. Dann ging es ans Pumpen; aber man sah es wohl, daß die Mannschaft nach dem Sturm und Nachtwachen nicht gerade sehr erbaut von dieser Arbeit war ... Niels sah finster drein, und der Bergenser erlaubte sich die Bemerkung: »Die alte Schute zieht so viel Wasser aus und ein, daß der Thran auch wohl ohne Pumpen fortbleibt!«

Unterdessen hatte Andres Kok am Ruder gestanden, aber nach der letzten durchwachten Nacht war er schlaftrunken, und als er den andern ein Tau zuwerfen wollte, taumelte er plötzlich, schlug mit der Hand aus und wollte das Tau ergreifen. Madame Christensen, die allen seinen Bewegungen gefolgt war, rief, ganz weiß vor Angst:

»Andres! ... Andres! ... über Bord!!«

»Mann über Bord! – brüllte der Bergenser hinter ihr. Auch Niels wiederholte den Ruf und Christensen kommandierte: Werft die Taue hinunter! ... und alles was nicht fest ist!«

Diese Idee hatte auch Madame Christensen gehabt, denn sie hatte schon gleich einige Planken und eine kleine Kiste mit eigener Hand über Bord geworfen. Dann folgten noch einige leere Tonnen und anderes, was gerade da lag.

Madame Christensen hatte gesehen, wie Andres von einer hohen See an ihr vorüber geschlagen war. Er starrte sie wie mit einer letzten Bitte im Auge an. Und sie wußte wohl, was die bedeutete: – er war verheiratet und hatte sieben Kinder! Er rief noch einige Male, während sie hinaus warf, was sie finden konnte. Einen Augenblick schien es ihr auch, als ob zwei riefen; aber in ihrer Angst konnte sie keinen bestimmten Gedanken fassen.

Das Fahrzeug ging noch ziemlich rasch. Während die Matrosen aus allen Kräften arbeiteten, um beizulegen – Christensen war selbst ans Steuer gegangen –, stand Madame Christensen in schrecklicher Angst da und sah auf die hohen Wellen, um wo möglich den über Bord Gefallenen zu entdecken. Die ausgeworfenen Güter, Balken, Bretter u. s. w. zogen in langer Reihe hinter dem Schiff her, von den Wellen bald in die Höhe gehoben, bald in den Abgrund geschleudert. Die Brust schnürte sich ihr zusammen. Es dauerte so lange, bis ein Boot ausgesetzt werden konnte, und ihr Auge suchte und suchte, während sie die ganze Zeit sein Gesicht wie in einer Vision vor sich sah ... Er mußte schon gesunken sein! ... die Ueberzeugung überwältigte sie immer mehr und mehr, und um die Matrosen zu noch größeren Anstrengungen zu ermuntern, rief sie wie außer sich: »Frau und sieben Kinder! ... denkt doch daran, Frau und sieben Kinder!«

Niels war auf den Mast geklettert und sah von da aus.

»Da! ... da!« schrie er plötzlich. »Bei der großen Tonne da!«

»Boot aus! ... Hurrah, Bergenser!« brüllte Christensen, um ihnen ein Signal zu geben. »Er hat Andres das Ruder unter die Arme gelegt.«

Madame Christensen's scharfer Blick unterschied mit einem Male auf einer mächtigen, langsam heranrollenden Welle zwei Köpfe. Sie begriff nun, daß der Bergenser mit einem Ruder über Bord gesprungen war, um Andres zu retten ... Nun waren beide fort! ... die beiden Köpfe kamen in längeren Zwischenräumen zum Vorschein oder verschwanden wieder, während das Boot sich ihnen mehr und mehr näherte.

Madame Christensen stand unbeweglich am Schiffsrand, bis die über Bord Gegangenen endlich gerettet und glücklich wieder an Bord gebracht worden waren. Aber da fing ihre Arbeit an! Während Andres in die Koje gebracht wurde und der Bergenser sich zitternd hinunterschleppte, um – wie er mit dem schwachen Versuch einer guten Laune sagte – »sein Zeug auszuwringen«, machte Madame Christensen Feuer auf der Kabüse, zählte fünfunddreißig Kampfertropfen ab, ohne daß ihre Hand zitterte, fühlte Andres' Puls und Herz, ... und erst als hier alles fertig war, wandte sie sich zum Bergenser und wollte ihm auch fünfunddreißig Tropfen geben; aber da zitterte ihre Hand und sie konnte vor Thränen nicht mehr recht sehen.

»Frau und sieben Kinder, Bergenser! ... und ... Du sollst Dank haben! ... Armer Mensch! – kannst wohl nicht einmal Deine Kleider wechseln! Aber warte nur, ich schicke Dir eine gute wollene Jacke ... und ordentliche Stiefel hab' ich auch nicht an Deinen Beinen gesehen!«

Es dauerte eine Stunde, ehe er wieder auf Deck kam. Der brave, wackere Matrose war mehr mitgenommen, als er Wort haben wollte, und er war auch noch recht bleich und ganz heiser. Er saß nun in seinen besten Kleidern als der Löwe des Tages auf dem Kajütenroof, während sie noch an demselben Abend bei schwachem Sternenschein zwischen Vlieland und Texel einsegelten und Madame Christensen ihm und den andern einen warmen Punsch einschenkte. Es mußte doch erzählt werden, was sie erlebt hatten, ... aber es sagte keiner ein Wort, denn sie waren alle zu sehr bewegt. Andres lag unten im tiefen Schlaf, Niels saß an der Luke und nickte mit seiner spitzen Nase, »wie wenn er – nach des Bergensers Ausdruck – den Bootshaken ins Deck einschlagen wollte« ... und mit Martin ging es nicht viel besser.

Erst gegen drei Uhr morgens kamen sie nach Harlingen.

Madame Christensen hatte sich etwas allein für sich auf den Schiffsrand gesetzt. Sie rief den Bergenser zu sich:

»Hör', Bergenser! – schreibst Du nie nach Hause? – Nun, sei aufrichtig und lüge nicht!«

»Nein, Madame!«

»Und Deine Eltern leben, ... beide?«

»Ja, – mein Vater ist Böttcher.«

»Was, meinst Du, hätte Deine Mutter wohl gedacht, wenn sie gewußt, wo Du heute da draußen gelegen?«

Der Bergenser wich ihren Augen aus. Endlich sagte er: »Ach, das ging ja gut, Madame!«

»Was würdest Du sagen, wenn ich Dir Gelegenheit verschaffte, nach Hause zu reisen? ... Ich könnte vielleicht mit Deinen Eltern sprechen.«

»Um vielleicht auch in der Werkstätte zu stehen? ... Nein, danke, Madame!« Er sprang trotzig auf. »Ich habe noch nicht versucht, vom ›Rutland‹ abzugehen! Aber nun könnt's passieren; ich denke jetzt anders; ... wenn ich nach Holland komme, ... ja dann muß Madame Bernt freundlich grüßen! ... Denn nach Hause gehe ich nicht, ... mein Vater ist nicht so!« – fügte er finster hinzu.

»Da wär's wohl besser, Madame Christensen verhülfe Dir zu einer Reise über den Ocean, Bergenser! Wollen 'mal hier in Holland sehen. Du sollst vom ›Rutland‹ weg, ohne daß Du Dich darum zu schämen brauchst!«

Sie ging von ihm weg in die Kajüte. Warum? – wußte sie nicht, aber sie war sehr erregt. Wenn nun Bernt so hinuntergesprungen wäre, – und er hätte es auch gethan! – und dann des Bergensers kurze Antwort: »Mein Vater ist nicht so!« ... Dazu kam die Aufregung des ganzen Tages, – sie lag in der Koje und weinte und schluchzte, daß es, wie es ihr selbst erschien, eine Schande war; aber je mehr sie weinte, um so mehr mußte sie auch weinen. Als ihr Mann denn auch endlich hinunterkam und sie sah, ward es ihm ganz wunderlich zu Mute. Er hatte seine Frau nie so schwach gesehen.

»Ja, wahrhaftig, Gertrud, das war kein Spaß, wie sie über Bord gingen; aber es ist ja alles glücklich abgelaufen!«

»Alles glücklich abgelaufen? ... Nein, – noch lange nicht, Christensen! – es ist noch nicht einmal angefangen, aber das verstehst Du nicht.«

Christensen stand mit halboffenem Munde vor ihr; er verstand es wirklich nicht.

»Siehst Du, wie wacker der Bergenser ist, Christensen? ... Ich hab' es mir schon gedacht, als er an Bord kam.«

»So!«

»Etwas wild, aber wahrhaftig ein braver Mensch!«

»So, Mutter!«

»Ich halte es für eine große Sünde der Eltern ...«

»Kann wohl sein!«

»Ich dächte, für heute geben wir ihm etwas.«

»Du gabst ihm schon eine wollene Jacke und Stiefel, ... aber es ist mir recht.«

»Was meinst Du von fünf Thalern?«

»Von mir? ... Du bist heute sehr splendid, Mutter!«

»Ja, fünf Thaler soll er haben und mein neues, schwarzseidenes Tuch ... und zwei von Deinen Hemden.«

»Er? ... er?« – Christensen ging tief atmend in der Kajüte auf und ab ... »Ich dächte, er hätte etwas anderes verdient.«

Sie sah ihn an, aber verstand ihn nicht recht: – »und dann können wir beide zum holländischen Consul gehen und erzählen, was er gethan hat, dann erhält er vielleicht noch eine Medaille. Wie würde seine Mutter sich freuen, ihn mit einer Medaille zu sehen!«

»So? – so? das sollte ich auch noch thun? ... Nur weiter ... nur weiter!«

Sie sah in der Dämmerung nicht die Züge seines Gesichts. »Ja, und dann mußt Du Dich in Harlingen oder Amsterdam bei den Capitäns erkundigen und ihm einen guten Platz verschaffen, daß er eine größere Reise machen kann.«

»Ach so! – – Du willst ihn fort haben!« – sagte Christensen plötzlich in einem ganz andern Ton. »Du willst ihn fort haben! Ja, wahrhaftig, er muß fort! Ich habe schon lange eingesehen, daß es das beste wäre, ... ja, gewiß, das ist recht! Du denkst auch an alles, Gertrud! ... Und hätte ich Dich nicht, so« – er ging zu ihr und küßte sie –, »so wäre ich ein armer Mann ... ja, ein armer Mann!«

Er setzte sich dann auf die Schiffskiste ... und schien auch sehr bewegt zu sein.

»Und wie Du sagst, fünf Thaler ... und zwei von Deinen besten Hemden ... und ... wie Du meinst, ...«

»Der Lotse sagt, wir haben die Feuer über einander,« meldete Niels Kobbervig. – »Andres macht sich auch brav, ... schläft wie ein Bär!«

*

Es war Schiffer Christensen selbst, der schon am nächsten Morgen erfahren hatte, daß im Hafen ein norwegisches Kreuzsegelschiff läge, welches nach Pernambuco wollte, und der es vermittelte, daß der Bergenser da als leichter Matrose geheuert wurde. Aber auch Madame Christensen hatte noch mit dem Capitän Bekanntschaft gemacht und ihn gebeten, sich des Bergensers anzunehmen. Am Tage vorher, als sie in See gehen wollten, hatte sie ihm ein Geschenk von altem norwegischen Käse und trondhjemer Aquavit gemacht, und begab sich dann selbst am Nachmittage in vollem Staat an Bord, wo sie des Bergensers ganze Lebensgeschichte erzählte, und besonders die letzte selbstverleugnende Begebenheit draußen auf der See.

»Und so tüchtig in aller Schiffsarbeit. Sie werden schon etwas aus ihm machen, Capitän, daß er als ein ordentlicher Seemann zu seinen Eltern zurückkehrt.«

»Werde um Ihretwillen mein bestes thun, Madame! ... und vielleicht auch um des Burschen willen, wenn ich ihn erst kennen gelernt habe.«

»Man muß ihn vor allem ernstlich im Auge behalten!«

»Soll geschehen, Madame Christensen!«

»Ich will Ihnen sagen, Capitän, ... er ist etwas munter, geht gern an Land, ... nur nicht zu viel Heuer!«

»Verstehe, verstehe.«

»Er sieht aus, als ob alles in ihm leichter Schaum wäre, aber das ist nur auf der Oberfläche. Es ist Kern in ihm, das weiß ich, und könnte sein, daß Sie es auch noch 'mal erfahren werden, daß man ihm vertrauen kann.«

»Sie haben mein Wort, daß ich mich seiner annehmen will!«

»Dank, Capitän! Mir kommt's so vor, als ob ich für den einsamen Burschen Mutter sein müßte, und würde sehr froh sein, wenn Sie uns gelegentlich nach unserer Rhederei von ihm eine kleine Nachricht schicken wollten.«

»Werd' daran denken, Madame Christensen! ... Aber was? ... darf ich nicht noch etwas Wein einschenken? Sie nippen ja nur daran.«

»Ich kann nicht viel vertragen, Capitän! ... aber, wenn ich das Glas doch austrinke, so thue ich es, um einem braven Mann Dank zu sagen und ihm eine glückliche Reise zu wünschen!«

Madame Christensen erhob sich von dem Tisch der großen, schönen Kajüte, in welche sie hineingeführt war. Sie hatte es sich im Stillen ausgemalt, daß ihr Bernt auch einmal Capitän eines solchen Schiffes sein würde.

Als sie wieder an Bord des »Rutland« kam, der am Quai lag und Mauersteine lud, war sie sehr guter Laune, und ward es noch mehr, als sie erfuhr, daß sie noch in dieser Woche klar würden. Sie hatte es nun durchgesetzt, daß sie ohne Aufenthalt wieder nach Norwegen zurückgingen, und war darum sehr beschäftigt, um alles zu rechter Zeit in Ordnung zu bringen. Sie trieb nämlich einen kleinen Nebenhandel mit eingemachtem Ingwer, holländischen Honigkuchen und andern Delikatessen, die sie in ihrer Heimat um hohen Preis verkaufen konnte. Außerdem stand sie diesmal noch mit einem Geschäft von Fettwaren in Unterhandlung, was eine lohnende Speculation zu sein schien. Am Sonnabendmorgen war die Kajüte »Rutlands« mit allerlei Kruken und Delikatessen, die anderswo nicht Platz hatten, angefüllt. Bald darauf klirrte die Ankerkette.

Madame Christensen saß auf dem Deck und strickte. Es ging alles nach Wunsch. Diesmal aber wollten sie hinauf nach Oester-Risöer.


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