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V.
Bist Du Madame Christensen, so will ich auch einmal Christensen sein

Der Hafen von Trondhjem war unterhalb der Brücke mit Fahrzeugen dicht besetzt: Jachten, Schaluppen, Briggs und Galeassen lagen an ihren verschiedenen Landungsplätzen, der Klüwer des einen, so zu sagen, im Achtersteven des andern; sie trockneten an dem freundlichen Septembertag ihre Segel. Die ziemlich hohen und unmittelbar neben einander stehenden Packhausdächer gaben hier und da Schatten vor der Sonne; aber über »Rutlands« schlaff herabhängendes Top- und Raasegel, sowie über sein Hinterdeck und den Spiegel mit den alten, verwitterten Buchstaben, aus welchen man kaum noch den Namen des Schiffes herauslesen konnte, hatte sie es für gut befunden, ihr volles, warmes Licht zu werfen, so daß es eine heiße Arbeit war, die »Rosenkartoffeln« von Stettin zu löschen. Die geeichten Tonnen wurden unten im Raum von Niels und dem Bergenser gefüllt. Andres half auf dem Deck und Christensen notierte jede Tonne mit einem Strich und jede fünfte mit einem Kreuz, und dasselbe that ein Brückenaufseher am Pfosten des Packhauses.

Weder Madame Christensen, noch Bernt waren am Bord zu sehen. Die erstere war oben in der Stadt und besorgte die Geschäfte, der andere draußen am Ihlfluß, wo er mit einer ganzen Schar von Kameraden, die er hier kennen gelernt hatte, herumtobte. In den kleinen Häusern mit den freundlichen Gärten an der unteren Ihle wohnten mehrere Schifferfamilien, gute Bekannte von Christensen. Die Männer waren meistens noch draußen zur See; aber die Geschenke von Aepfeln, die Madame Christensen in zwei, drei Häusern für »die Kinder« zurückgelassen hatte, wurden in wunderbar kurzer Zeit bei der ganzen Jugend auch in weiteren Kreisen bekannt. Und weil der »Rutland« so stark nach Aepfeln duftete, wurden die Spielplätze der Kinder besonders in seine Nähe verlegt, und wie Fliegen badeten sie sich vor diesem Schiff. Bernt, der hier und da eine freundliche Gabe spendete, war darum auch ein gern gesehener Kamerad. Die größte Anerkennung erwarb er sich indessen dadurch, daß er sich einmal ohne Kleider am Bord des Schiffes zeigte und dann von da unter die jubelnde Menge der badenden Kinder stürzte. Madame Christensen sorgte freilich dafür, daß ihr Sohn nicht bankerott würde – er erhielt die Erlaubnis, die angegangenen und schwarz gewordenen Aepfel zu verteilen –, aber es lohnte sich hier doch nicht recht, und darum verlegten sie ihren Ankerplatz nach dem Fluß, besonders, weil sie hier auch den ganzen Rest der Kartoffeln abliefern mußten.

Am Mittage machten sie eine Pause in der Arbeit. Die Mannschaft sollte ihre Ruhe haben, und Christensen ging in die Kajüte hinunter.

Etwas später kam Madame Christensen in ihrem rot- und schwarzcarrierten Shawl und einem blauen Kleide; sie trug mehrere lange, flache Packete. Sie hatte offenbar Eile und ging rasch in die Kajüte hinunter. Die Packete warf sie hinter sich in die Koje und ihren Shawl darauf. »Nun, Christensen!« sagte sie aufgeräumt, indem sie sich an ihn wandte, »kannst Du raten?«

Christensen saß an dem kleinen Tisch und aß seine Fische; ihm gegenüber war für sie gedeckt. Er antwortete ruhig:

»Wie kann ich das, Mutter! ... Du gehst durch ganz Trondhjem, und die Mönchstraße ist lang.«

»Schnack, Christensen! Ich habe gethan, was Du trotzdem nie raten würdest, ich habe alle Häringe für den Preis gekauft, von welchem ich sagte, ... Du brauchst nur zu unterschreiben ... Wir fahren dann mit eigenen Häringen nach den Städten im Süden und verdienen auf jede Tonne wenigstens einen Thaler! wenigstens, sage ich ... Du mußt nur Nordwind schaffen, Mann! daß wir von hier kommen können. Nun, was sagst Du?«

»Ich sage, Du bist mannichfaltig!«

»Und Du fragst nicht, wie das gekommen ist?«

»Ich frage lieber, ob wir der Häringe wegen das Geld von der Bank nehmen sollen?«

»Ja, gewiß, das kannst Du Dir wohl denken! – Aber willst Du hören oder nicht hören? Du kannst mir glauben, daß es einen harten Kampf gekostet hat, denn ich merkte wohl, daß Bergau uns nicht für recht zahlungsfähig hielt, weil ich Credit bis Weihnachten forderte. Wollten wir gleich bezahlen, so wäre das freilich etwas anderes! Das wäre hart, sagte ich, denn mein Mann hätte es nicht immer bar liegen, und wenn er es auch schaffen könne, so hätte er es auch anderswo wieder so nötig; es müßte ein guter Handel sein, wenn er ihn eingehen sollte ... Und dann setzte er den Preis per contant, ... und ich versprach ihm, ich wollte nun zu Dir gehen und mein Bestes versuchen; aber ich müßte wegen des Preises seine Unterschrift haben, ... und hier habe ich sie!« – Sie warf das Papier triumphierend auf den Tisch. – »Ich glaube, wir werden es noch einmal zu etwas bringen, Christensen! Nun, willst Du?«

»Muß ich denn unterschreiben?«

»Ja, das ist es ja gerade, was ich sage, Christensen! – Wenn es von Dir abhinge, würden wir in alle Ewigkeit keinen Handel zu Stande bringen. Du fängst damit an, Dich zu drehen und zu winden und drehst und windest Dich bis zum Schluß ... ›Nein!‹ ›Nein!‹ und immer wieder: ›Nein!‹ – wenn man handelt, muß man glatt sein, wie grüne Seife, und immer ›Ja‹ sagen können.«

»Contant ist besser, als eine Unterschrift, Mutter!«

»Aber wenn er dann seinen Handel bereut, kann er morgen wieder zurücktreten.«

»Wieder zurücktreten? – Meinst Du, er würde zurücktreten? ... Ja, das könnte so Einem ... ähnlich sehen ... Wo ist die Dinte? ... Nein, nein, gebunden soll er sein!« – Das letzte sagte er für sich hin, während er seinen Namen unterschrieb. – »Sieh', Mutter! ist's so recht?«

»Na, na, endlich hab' ich's! Man kann Dich nicht leicht zu etwas bewegen, Christensen!« – Sie steckte das Papier in ihre Tasche. – »Aber sieh', als ich seine Unterschrift für den Handel hatte, schien es mir auch, daß ich etwas spendiren könnte. Ja, Du weißt, Christensen, ich gehöre nicht zu denen, die das Geld auf die Straße werfen; aber als ich heute morgen den Handel abgeschlossen hatte, wurde ich so vergnügt, daß ich dachte: Laß springen! Und so ging ich in eine Kleiderhandlung und erkundigte mich nach schwarzem Bombasin. Ich mußte ja endlich ein neues, schwarzes Kleid haben und da dachte ich, lieber besser, als schlechter, wenn es nur recht lange hielte. Und nun sollst Du sehen, was ich mir gekauft habe!« – Sie breitete den Stoff in dem kleinen Raume zwischen dem Tisch und der Bank aus. – »Na, was sagst Du? Doppelte Breite! Sieh' nur, wie dick es ist. Fühl' es doch nur!«

»Ich denke, Mutter, ich werde es schon – in meinem Beutel fühlen.«

»Ja, weißt Du, was es kostet – das ist das Schönste! Billig, sehr billig! Rate einmal ... Ach, Du kannst es nicht raten ... Ich bekam den ganzen Rest für acht Thaler.«

Er legte Messer und Gabel auf den Tisch und brach in die Worte aus: »Acht Thaler! ... Wenn Du gewartet hättest, bis wir in Amsterdam gewesen wären, hättest Du es leicht für vier ... drei haben können! ... Acht Thaler!«

»Bis wir in Amsterdam gewesen wären? – vielleicht ums Jahr! Was hätte ich denn im Winter für die Kirche gehabt? Du bist sehr zähe, Christensen, Deiner Frau etwas zu spendiren.«

»Ja, aber acht Thaler! ... acht Thaler!«

»Das ist recht, aber bedenke doch, daß es auch fürs ganze Leben hält ... reine Wolle! ... Sieh' her! – Oder meinst Du, daß es abfärbt?«

»Hm! ... Hm! ... es ist viel Geld, ob es nun abfärbt, oder nicht ... Aber,« – fragte er bekümmert, als er das Zeug sah, das vor ihm lag – »hast Du denn auch genug Zeug, Mutter? ... Es war nur ein Rest, sagtest Du ... und in der Kirche muß man von oben bis unten anständig gekleidet sein ... und klein bist Du nicht, wie Du weißt, ... da gehört etwas dazu.«

Sie legte das Zeug fort und setzte sich an den Tisch, um zu essen.

»Ja, das ist wahr, Mutter,« begann Christensen wieder, »es ist einer hier am Bord gewesen und hat nach Dir gefragt, ... so ein junger Herr mit einer Brille. Er hieß Werring.«

»Er hat wohl nach diesem oder jenem fragen wollen.«

»Ach was! – das war ein Student oder so etwas ähnliches; er fragte, ob wir hinauf nach Oester-Risöer gingen.«

Madame Christensen hielt plötzlich mit dem Essen inne, und fragte gespannt: »Werring? Ein hellblonder, junger Mann? ... trägt den Kopf so?« – Sie hielt den ihrigen etwas schief. – »Weißt Du, wer das war? – Kein anderer, als Mina Nörregaard's ... Na,« fuhr sie fort, »davon weißt Du ja nichts. Aber es war kein anderer, sage ich Dir!«

»Ich konnte mir wohl denken, Mutter, daß es einer von denen wäre, wo Du Deine eigenen Papiere hast! – Er nahm dann seine Brieftasche und fing an, einen Haufen großer, zerknitteter Papier-Thalerscheine zu zählen und vorsichtig aufeinanderzulegen, wobei er sich jedesmal sehr genau überzeugte, daß nicht zwei zusammenhingen.

»Und er fragte nach mir? Ob wir hinauf nach Oester-Risöer gingen? Christensen!« – sagte sie plötzlich sehr aufgeregt, indem sie sich erhob. »Ich denke, ich weiß welche Pflichten Kinder gegen ihre Eltern haben, und wäre das auch bei Nörregaard's selbst! Aber vorigen Sommer, als wir in Oester-Risöer waren, hat Fräulein Mina mir alles erzählt, und daß er nach dem Norden habe reisen müssen als Hauslehrer, weil der Amtsrichter von ihrer Liebe nichts wissen wollte. Und da habe er seinem Vater versprechen müssen, nicht zu schreiben! ... Nun ja, ich meine, was ich in solchem Fall immer meine, Christensen! – Und wenn es auch ein so großer Mann wäre, wie der Amtsrichter Nörregaard!« – sie setzte ihre Hände in die Seite und sah ihren Mann an, als wäre er der Missethäter. – »Ich habe Mina Nörregaard angezogen und zu Bett gebracht, als sie noch ein Kind war.«

Christensen achtete nicht besonders auf ihre weiteren Erklärungen; er zählte und ordnete seine Papiere; das war das einzige, was ihn in dieser Stunde beschäftigte.

Kaum hatte sie sich indessen wieder hingesetzt, um die unterbrochene Mahlzeit zu beendigen, als sich auch schon die Kajütenthür leise öffnete und Niels seinen rothaarigen Kopf mit der großen, krummen Nase hineinsteckte:

»Er ist wieder da, der Herr mit dem Stock von heute morgen. Er will gern mit Madame sprechen ... Ich sollte vom Brückenbevollmächtigten sagen, daß wir erst wieder um 3 Uhr nachmittags löschen könnten.«

»So ... Nun gut! Aber der Herr mit der Brille ist für Dich, Mutter! Du sollst sehen, er wird Dir einen Gruß nach unten mit an Bord geben.«

»Er hat schon den ganzen Tag an der Brücke gestanden und mit seinem Stock gewinkt, während wir löschten,« bemerkte Niels.

Letzterer mußte rasch zur Seite treten, denn Madame hörte gar nicht auf seine Worte, sondern stürzte an ihm vorüber die Treppe hinauf.

Als Christensen sein Geld endlich gezählt hatte, legte er die große Tasche vorsichtig unter sein Zeug in eine Schiffskiste, die er verschloß und legte sich in seine Koje. Durch das halbgeöffnete Kajütenfenster glaubte er die Stimme seiner Frau zu hören. Er wollte horchen, aber bald verkündigte ein lautes Schnarchen, daß der Schiffer auf »Rutland« den Schlaf des Gerechten schlief. Er hatte mit den Stettiner Rosenkartoffeln ein ganz vorzügliches Geschäft gemacht, und nun sah es mit den Häringen auch gar nicht so schlecht aus.

Christensen schlief lange und gut, er schlief auch noch, als seine Frau nach einer ganzen Stunde sehr aufgeregt in die Kajüte zurückkam und dort fast ohnmächtig auf der Bank zusammenbrach, hinter welcher ihr Mann in der Koje lag.

Sie blieb mit den Händen im Schooß sitzen, ganz in Gedanken versunken. Dann und wann kam ein tiefer Seufzer aus ihrer breiten Brust: »Armer, armer Mensch!«

»Warum seufzest Du so, Mutter?«

»Und sollte ich das nicht, wenn ich weiß, wie traurig es ist? ... Aber Du kannst gern weiter schnarchen, Christensen! Denn Du fragst ja nicht danach ... Aber nach Amerika will er nun ...«

»Das ist nicht das schlimmste, Mutter! ... Es gehen manche hin, die da ihr Glück finden.«

Madame Christensen sandte ihrem Manne nur einen unwilligen Blick; sie würdigte ihn keiner Antwort und fuhr fort, zu seufzen.

»So jung er ist, muß er das leiden! Und Fräulein Mina! Sie hätte jetzt keinen Andern in der ganzen Welt, als mich, mit dem sie ein Wort sprechen könnte, sagte sie ... der Amtsrichter habe ihn in sein Comptoir gerufen und unter vier Augen ihn gefragt, ob er noch Ehre im Leibe habe, oder glaube, daß es rechtschaffen sei von einem armen Hauslehrer, um ein junges Mädchen zu freien, das ihm anvertraut sei und dem er doch nie eine sichere Existenz bieten könne, – er habe ja die Universität verlassen und Hauslehrer werden müssen, weil es ihm an allen Mitteln gefehlt habe. Darauf war Werring noch am selben Abend abgereist, ... der arme feine Mann saß da oben auf dem Deck so bleich wie eine Leiche; er bat mich, sie zu grüßen und ihr zu sagen, daß er sie nie vergessen könne. Du kannst mir glauben, Christensen, es ist ein ehrlicher Mensch, das kann man ihm an den Augen absehen! Er hatte geglaubt, von einem verstorbenen Onkel vierhundert Thaler zu erben, dann hätte er noch zwei Jahre studieren und sein Examen machen können; nun aber zeigt es sich, daß er von dem Onkel nichts mehr erhält, weil der nichts hinterlassen hat.«

»Nein, nein, Mutter! da giebt es Viele, die das erleben müssen! die Welt ist nun einmal so.«

»Die Welt ist nun einmal so? … ist nun einmal so, sagst Du?« – Sie erhob sich und ihr Gesicht glühte. »Das sollte Jemand mir bieten!«

»Ja, da mußt Du einmal sehen, Mutter!«

»Aber nächste Woche reist er nach Amerika und – wüßte der Amtsrichter, was er seiner einzigen Tochter anthut, er würde ... Nun ja, er wird schon gestraft werden, kannst Du glauben! ... Es war alles öde und trist in dem Hause, voriges Jahr; als der letzte seiner Söhne seinem Leben mit eigener Hand ein Ende gemacht hatte und Fräulein Mina so traurig umherschlich.«

»Beim Amtsrichter, sagst Du?«

»Das sage ich Dir, Christensen! Er wird in seinem Alter keine guten Tage finden und verdient sie auch nicht! ... Es kommt keine Freude mehr in das Haus hinein!«

»Beim Amtsrichter?«

»Und warum sollte es auch? Die Frau starb ... und seine einzige Tochter macht er unglücklich nur aus Stolz und Hochmut und hoffärtigem Wesen, und das alles straft Gott!«

»Der Amtsrichter?«

»Ja, es werden ihm wohl ernste Gedanken durch die Seele gehen, wenn er es sieht, wie sie bleich wird und wie ein Schatten umhergeht und es sich sagen muß, daß er ihr das Glück verschlossen hat.«

»Der Amtsrichter?«

»Und das wird ihm recht geschehen! ... Und ich will nicht Madame Christensen heißen, wenn ich ihm das nicht alles klar auseinandersetze.«

Christensen hatte die ganze Zeit in seiner sehr nachdenklichen Stellung – den einen Fuß auf der Schiffskiste – grübelnd vor ihr gestanden. Mit raschem Entschluß schloß er sie wieder auf und nahm das Buch mit den Papieren in seine Hand.

»Und Du meinst, der alte Amtsrichter würde ein unglücklicher Mann, wenn der Werring jetzt nach Amerika ginge?«

»Meine ich?« ... Madame wollte ihn von Neuem mit ihrer Entrüstung erdrücken.

»Nun gut, bist Du Madame Christensen, so will ich auch einmal Christensen sein. Der alte Nörregaard hat mich einmal gerettet, so will ich ihn wieder retten! ... Hier sind die zweihundert Thaler – ah nein, rühr' sie nicht an, sie sind gezählt –, und hundert Thaler nehmen wir von der Bank zu Hause und hundert hier; das macht vier, Mutter, sag' ihm das ... und er kann sie mir zurückzahlen, wenn es ihm paßt ... dafür soll er mir einen Schein geben, eher giebst Du ihm keinen Schilling!«

»Aber Christ ...«

»Ja – a –, nun kannst Du etwas von Liebe sehen, Mutter!«

»Ja, aber lieber Christ ...«

»Kein Wort mehr, keins mehr! ... So, nun wissen wir, weshalb wir seit dem Frühling auf der See gelegen haben, und je eher Du das alte Buch von dem Bord nimmst, daß ich es nicht mehr sehe, desto besser. Aber hör'!« sagte er in der Thür, als er hinaufging, »mit dem Buch haben wir Glück gehabt und haben denn immer drei Mark gespart ... und ich habe keinen Heller mehr als vierhundert Thaler versprochen!«

Als Christensen wieder auf Deck kam, sah er den Brückenbevollmächtigten kommen; er grüßte ihn nicht, sondern rief nur den Arbeitern ein »Halloh!« zu.

Dann stand er wieder da und machte seine Striche und Kreuze. Sein blatternarbiges, breites Gesicht war etwas röter, als gewöhnlich, und eine Ader an der Stirn geschwollen. Es begegnete ihm auch, wenn er für einen ... zwei ... drei ... vier Tonnen einen Strich notierte, daß er bei sich selbst sagte: ein Hundert ... zwei Hundert ... drei Hundert ... vier Hundert; aber wenn das Kreuz kam, dachte er wieder an die Kartoffeln.

So stand er in seiner schlichten Arbeiterjacke mit dem Rücken gegen die Kajüte und zählte die Tonnen. Seine Frau hatte eine Weile hinter ihm gestanden, ohne den Mut zu haben, ein Wort mit ihm zu sprechen. Sie hatte die Hand auf dem alten Buch, welches sie unter dem rot- und schwarzcarrierten Shawl verborgen hielt. Endlich rührte sie sich hinter seinem Rücken:

»Nun gehe ich direkt zu Bergen, um ihm Deine Unterschrift wegen der Häringe zu bringen, Christensen. Kann ich sagen, daß wir morgen schon anfangen wollen, sie an Bord zu nehmen?«

»Ja, morgen mittag sind wir mit dem Löschen klar.«

Sie stand noch immer etwas zögernd da. »Willst Du auch noch das andere, ... ich meine mit dem Buch?«

»Ja wohl! ... über Bord ist über Bord ... Aber hör', Mutter!« fügte er hinzu und folgte ihr bis zur Landungsbrücke, – »Du läßt ihn mit zwei Zeugen unterschreiben. Du weißt nicht, wie schlau und niederträchtig solche Menschen oft sind!«


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