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II.
Jungfrau Een

»Aber, mein lieber Mann! Er hat ja keinen Compaß?«

»Steuere nach den Sternen.«

»Hm ... hm! das heißt, Er hat sich noch keinen anschaffen können. Und dennoch will Er nicht versichern lassen?«

»Nein, das will ich nicht, ich für mich nicht; für sich kann der Herr Richter thun, was Er will.«

»Hm! Hm! Es sind kostbare Mobilien, mein lieber Christensen! Alles, was ich habe. Ein solcher Umzug hat sein Risico. Ich wäre froh, wenn Alles glücklich ankäme. Jungfrau Een hat ja auch einige Sachen, für welche ich stehen muß.«

»Jungfrau Een? will die sich auch versichern?«

»Das ist meine Haushälterin, die mit den Mobilien geht, – Einer muß ja doch aufpassen, daß alles nach dem Hause in Oester-Risöer befördert wird ... Aber was fehlt Ihnen denn, Christensen? Sie stehen sich selbst im Licht! ... Warum wollen Sie sie nicht mit sich nehmen? Sie haben doch nichts gegen sie? Nicht wahr? Sie geben ihr die Kajüte und lassen unterwegs keine andern Passagiere an Bord?«

»Ja, ja, – nun, nun, ... das heißt ..., so weit, als ...«

»Tsch! ... Tsch! ... da dreht Er sich wieder, wie ein Korkenzieher. Ja oder Nein?«

»H ... m!«

»Ist das nun nicht wieder die alte Geschichte? Er ist der sonderbarste Mensch, den ich je gesehen habe! Es ist wahrhaftig mein Geheimnis, daß ich zu der Erkenntnis gekommen bin, Euch für einen ehrlichen Mann zu halten! Ich versichere Euch, mein Freund, daß kein Anderer, als der Amtsrichter Nörregaard, das sehen konnte. Denn mit Eurem listigen, schlauen Gesicht hätte man trotz aller Beweise im Gegenteil glauben müssen, daß Ihr vielmehr das Schiff absichtlich hättet stranden lassen, und es fehlte nicht viel, so hätte ich Euch zum Zuchthause verurteilt. Wenn Ihr einen Korkenzieher seht, so denkt nur immer daran, daß Ihr so einer nicht sein dürft. Hängt zur Warnung einen Korkenzieher in Eurer Koje auf! Versteht Ihr mich?«

»Ja ... a! ... Aber ... Ich wollte nur sagen, daß ..., ich meine wegen der Assecuranz.«

»Wollt Ihr nicht? Und warum nicht? Denkt doch einmal nach, mein lieber Mann! Seid doch nur einmal vernünftig, – nur ein einziges Mal! Ich habe ein großes Interesse daran, Ihre Gedanken zu verstehen, denn daß ich Sie aus dem Labyrinth Ihrer eigenen verworrenen Worte, ... daß ich sie aus dem offenen Grab des Zuchthauses gerettet habe –, sehen Sie, das vergesse ich mir nie. – Nun? Warum wollen Sie denn nicht versichern?«

Christensen richtete sich plötzlich auf und sagte mit einem gewissen bekümmerten Ernst: »Ja, wenn es nun nicht gut ginge!«

»Wenn es nun nicht gut ginge? – Was in aller Welt! ... Darum versichert man ja gerade, mein lieber Mann!« – Der Richter hob seine Stimme. »Verstehen Sie denn nicht, daß man gerade für den Fall versichert, daß das Schiff untergeht.«

»Ja, dann kann der Amtsrichter seine Bürgschaft für die neunzehn Thaler zurückziehen, und ich danke Ihnen für die gute Meinung.«

Der Amtsrichter stieß mit seinem stock ungeduldig auf die Erde und atmete auf, um sich zu einer neuen Anstrengung vorzubereiten.

»Huh – huh! soll ich denn wieder anfangen? Was halten Sie für schwieriger, Christensen? alle meine Mobilien in Ihr Schiff zu schaffen oder Ihnen etwas begreiflich zu machen, was Sie nicht verstehen wollen? – Also, Mann! – Wenn man versichert, erhält man den Wert desselben wieder, falls das Schiff untergeht.«

Christensen schüttelte den Kopf: »Das wäre das ärgste, was ich mir denken könnte! Ja, schlimm wär's, wenn das Schiff unterginge; aber wenn ich außerdem noch versichert hätte, könnte ich wieder verhört werden, wie damals ... und ...

»Es ist nicht gesagt,« rief der Richter vergnügt aus, als er ihn endlich verstanden hatte, »es ist nicht gesagt, daß ich das Verhör leiten würde! Wie, war das die Meinung? – Nein, nein,« fuhr er fort, »da kann Euch Euer Gefühl wohl einen guten Gedanken eingegeben haben, mein Freund! – und man kann sehen, wie wenig man wirklich Andern helfen kann! – Das war recht geurteilt. Denn wenn Ihr vor Gericht wieder so schlau und vorsichtig auftreten wollet, wie in diesem Winter, dann würde der Richter bald von Eurer Schuld überzeugt sein, und die weiteren Indicien ließen sich leicht finden ... Na, na! Fahrt denn in Gottes Namen, ohne Euer Schiff zu versichern! Das, wofür ich mich für Euch verbürgt habe, wird ja nun zur Hälfte durch die Fracht liquidiert, und das Uebrige könnt Ihr bezahlen, wann Ihr wollt. Meine Mobilien versichere ich heute noch mit der Post. Und Jungfrau Een schicke ich also übermorgen früh. Wenn sie im Anfang noch etwas schwierig und verdrießlich ist, so müßt Ihr Euch darum nicht quälen. Sie hatte gehofft, mit meiner Frau und mir die Reise auf dem Landwege von Veblungsnäß durch das Ostland zu machen, und sie fährt sehr gern im Wagen! Aber wenn sie aufs Meer kommt, wird sie sich schon beruhigen!« – Der Amtsrichter gab ihm einen leichten Schlag auf die Schulter, reichte ihm die Hand und stieg in sein Boot hinab. Christensen stand mit seinem Hut in der Hand am Bord und seine schwarzen Haare flatterten im Winde. Da rief Nörregaard, wie wenn ihm plötzlich ein Gedanke durch die Seele führe, mit erhobenem Finger ihm zu:

»Hütet Euch vor Jungfrau Een ..., sie kann gefährlich werden!« und bei sich selbst sagte er: »Wackerer, braver Bursche!«

Christensen sah dem Boot des Amtsrichters nach und ein mißmutiger Zug ging über sein Gesicht. Er zog einen Korkenzieher aus seiner Tasche und betrachtete ihn verdrießlich, dann machte er eine Bewegung, wie wenn er ihn über Bord werfen wollte, aber er besann sich doch und ließ ihn langsam wieder in seine Tasche gleiten. Während er nach der Kajüte zurückging, sprang ihm ein großer Schiffshund aus dem Hundehause entgegen, wedelte mit dem Schweif und wollte seines Herrn Hand lecken, wurde aber mit einem kurzen, ungnädigen: »Fort, Gripan!« abgewiesen. Dann rief er barsch und rauh in die Kajüte hinunter: »Andres!«

Andres war erster Matrose an Bord der Schaluppe, die mit dem Steuermann im Ganzen nur vier Mann Besatzung hatte, oder richtiger drei und einen halben, denn der eine war ein halberwachsener Bursche.

»Andres«, sagte Christensen, »eine Jungfrau! – und sie geht ganz mit uns nach Oester-Risöer! – Was sagst Du?«

Der Angeredete kam die Treppe herauf und antwortete mit schlauem Gesicht: »Das Gut ist schwer zu verladen, Schiffer!«

*

In der That waren denn auch sowohl für den Schiffer, wie für die Mannschaft verschiedene Knoten zu lösen, und sie mußten ihre Köpfe ordentlich anstrengen, um bald diese, bald jene Schwierigkeit zu überwinden. Es war ja das erste Mal, daß sie mit dem »Rutland« solche Fahrt an der Küste entlang machten. Nun kam auch noch Jungfrau Een, deren Anwesenheit ebenfalls viele ernste Ueberlegungen verursachte.

Es war am 27. April 1829. Wir führen das nicht ohne Grund an, denn Christensen selbst schrieb das Datum nicht nur im Almanach und dem Schiffsjournal an, welches er nach alter Seemannsweise noch eine Weile weiterführt, sondern auch auf dem Rande seiner silbernen Taschenuhr. Jungfrau Een erschien zur rechten Zeit an der Landungsbrücke des »Rutland«. Sie trug einen großen Hut, der nach der Sitte jener Zeit mit vielen Blumen garniert war. In der einen Hand hatte sie ein weißes, zusammengefaltetes Taschentuch und einen Regenschirm, in der andern eine mächtige grüne Schachtel. Sie schritt stolz einher und war – wie Christensen bald bemerkte – von kräftiger Statur, aber das Gesicht mit seiner etwas gebogenen Nase und dem dunklen, braunen Haar hatte nicht gerade sehr freundliche Züge. Sie kam wie ein Adler mit herabhängenden Flügeln, aber mit majestätisch gehobenem Kopf heran. Zwei Packträger folgten ihr mit großen Koffern und anderen Reiseeffekten an Bord des »Rutland«. Als Jungfrau Een dieses erste Ziel ihrer Reise erreicht hatte, sah sie sich mit tiefem Mißbehagen auf dem Deck um; es hätte ja auch wohl etwas besser gescheuert sein können.

»Also hier? – Nun das muß ich sagen!! ...« Aber wie wenn sie fühlte, daß sie mit solchen äußeren Ausbrüchen ihres Unwillens ihrer Würde etwas vergeben könne, schwieg sie und sah sich nur noch einmal prüfend überall um. Und dieses Schweigen sagte denn auch deutlicher, was sie von dem ganzen Schiff hielt, als die beredtesten Worte hätten thun können. – »Wo ist der Capitän?«

»Kommt nur her, Jungfrau!« sagte Christensen und reichte ihr seine Hand, um ihr zu helfen; aber sie wies die Hand zurück und fragte nur kurz: »Wie, keine Treppe?«

Ein leises Knurren ließ sich hören.

»Ein Hund?« – »Darf ich fragen, ob er zum Schiff gehört?«

Gripan bellte plötzlich laut und wild, und zu gleicher Zeit hörte man aus der grünen Schachtel ein heftiges Zischen und Schnurren.

»Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich eine Katze bei mir habe, ... und bin so frei, anzunehmen, daß Sie für diese ebenso gut sorgen werden, wie für die übrigen Sachen des Amtsrichters. Und ich fordere von Ihnen, den Hund entweder aus dem Schiff zu schaffen oder ihn so einzusperren, daß er kein Unheil anrichten kann. Es scheint ein böses Tier zu sein.«

»Jungfrau, der Schiffshund liegt an der Kette und bleibt so auf der ganzen Reise.

Dann wandte sie sich an die Packträger und sagte in sehr überlegenem Tone: »Setzt die Koffer erst hier hin, bis ich mich genauer in der Kajüte umgesehen habe; ich muß doch wissen, ob dieselbe einigermaßen anständig für eine Dame eingerichtet ist, die ihr Leben den wilden Wogen anvertrauen muß.«

Sie setzte dann auch die Schachtel und ihre übrigen Sachen auf einen Koffer, ging mutig auf die Kajüte zu und verschwand in derselben. Christensen blieb oben an der Treppe stehen und wußte nicht recht, ob er ihr folgen solle; aber er brauchte nicht lange zu überlegen, denn Jungfrau Een kam hastig wieder zurück.

»Ich muß es wiederholen, daß ich meine Nachtkleider unmöglich in einem solchen Loch haben kann; es ist da ja so dunkel wie in einem Backofen, und man kann die Hand nicht vor Augen sehen. Das ist unverantwortlich für eine Dame von meinem Stande!«

»Rein ist es, wie man es auf einem Schiff haben kann, darauf kann sich die Jungfrau verlassen. Haben schon früher andere in der Kajüte gewohnt! ... Es ist nur etwas dunkel, aber gewöhnen Sie sich erst daran, so werden Sie schon sehen ... Anton! Anton!« rief er. Ein halberwachsener, blonder Bursche kam scheu und zögernd heran.

»Nimm die Taurollen vom Kajütenfenster fort! Es ist wahrhaftig kein Wunder, wenn die Jungfrau nichts sehen konnte! ... Das ist der Schiffsjunge, Jungfrau! der hat alle Ihre Befehle auszuführen.«

Jungfrau Een schien unterdessen über den Wert eines Kajütenfensters nachzudenken; es war nur klein und außerdem mit einem dichten Messinggitter versehen.

»So, das ist also das Fenster zur Kajüte? ... gerade im Dach! Und die ganze Mannschaft kann von oben hineinsehen! Nein, das darf ich nicht erlauben. Herr Capitän! Ich muß es Ihrem Takt überlassen, ob Sie nicht dafür Sorge tragen wollen, noch heute Abend Rouleaux vor dem Fenster anzubringen!«

»Man kann durch das Glas nicht hindurch sehen, Jungfrau! und legen wir eine Decke darüber, so ist es ganz dunkel. Ja, versucht's nur! Ihr könnt nichts sehen, wie?«

Jungfrau Een starrte hinauf. »Man hat am Bord eines solchen Schiffes natürlich keinen Begriff von den Gewohnheiten einer Dame.«

Christensen's Versicherung schien indessen doch Eindruck gemacht zu haben; denn sie ließ nun ihre Sachen in die Kajüte bringen. Als aber der erste Koffer hinuntergebracht wurde, legte sie plötzlich wieder die Hand auf denselben und sagte bestimmt: »Als Dame, die nie vorher etwas anderes, als festes Land unter ihren Füßen gehabt hat, muß ich augenblicklich unterrichtet werden, wenn irgend eine Gefahr vorhanden ist, – das wird meine erregten Gefühle beruhigen. Ich gehöre nicht zu denen, die dem Tode mit geschlossenen Augen entgegen zu gehen wünschen.«

»Ah, Sie können ruhig sein; wenn's irgend möglich ist, segeln wir innerhalb der Scheeren.«

»Das heißt«, sagte Andres Kok, der in der Nähe stand, »wir stechen heute abend in See und kommen erst wieder bei Stathavet in die Scheeren. Aber Sie können ganz ruhig sein, auch wenn's etwas schaukelt. Nur sich in der Koje festhalten, Jungfrau, dann hat's nichts zu sagen.«

»Hört er auch zur Besatzung des Schiffes, mein guter Mann?«

»Koch, Jungfrau! ... das heißt, erster Matrose«, – verbesserte er sich schnell.

Jungfrau Een sah die zweifelhafte Existenz etwas von oben herab an, und erwiederte: »Ich bin so glücklich, für die ganze Reise verproviantiert zu sein, und werde mir die Freiheit nehmen, mir meine Mahlzeiten selbst zu bereiten.«

»Wenn Sie dann nur immer Appetit hat,« brummte Andres, der sich geschlagen zurückzog.

Die Ankerketten wurden nun heraufgewunden und nach einigen kräftigen »A–i–a!« sang Einer von der Mannschaft:

»In Valparis' ich grade war
Hei! da läßt's sich wohl leben!
Da sind die Küsse gar nicht rar,
Und Wein von feur'gen Reben.«

Jungfrau Een verschwand plötzlich in der Kajüte; sie schien sehr ungehalten zu sein. Und was sie im Laufe des Nachmittags zu bemerken, auszusetzen und zu befehlen hatte, war in der That nicht wenig. Der Schiffsjunge schwitzte und lief hin und her, bis endlich alles nach den Wünschen der strengen Gebieterin geordnet war. Dann ward's still und Jungfrau Een nahm eine feine Handarbeit, um sich selbst zu sammeln und den Gefahren der bevorstehenden Seereise gerüstet entgegen zu gehen. – –

Jungfrau Een schlief. Das Schiff schaukelte hin und her, – aber sie schlief, denn sie war sehr müde geworden. Es war ein ihr fremdes, jedoch nicht unbehagliches Gefühl, und sie fing an zu träumen. Sie fuhren in einem Wagen und die Pferde liefen so schnell, so unverantwortlich schnell; sie mußte sich am Wagen festhalten; aber der Amtsrichter Nörregaard kümmerte sich nicht darum, obgleich auch er hin- und hergeworfen wurde, und seine Frau hielt sich auch krampfhaft fest. Und immer schlechter, immer lebensgefährlicher wurde der Weg, ... doch, es mußte gehen, so lange der Amtsrichter nichts sagte. Und im Wagen war es so dumpf. Wenn das Fenster nur geöffnet werden könnte. Aber die Frau Amtsrichterin wollte das nicht, und wenn der Amtsrichter nur nichts sagte, ja dann ...

Jungfrau Een wachte auf. Ach, sie war hier ... im Schiff! ... auf offener See! Und die Lampe qualmte und das Schiff schaukelte so fürchterlich hin und her. Ihr schwindelte. Sie hatte gehört, unter solchen Verhältnissen müsse man still in der Koje bleiben, und darum folgte sie auch nicht der ersten plötzlichen Eingebung, aufzustehen und aufs Verdeck zu gehen. Durch die Kajütenfenster fiel ein graues, ödes Licht herein, und in demselben sah sie die Wellen der unruhigen See, die über das Verdeck wegschlugen. Dann fiel sie wieder in tiefen Schlaf.

Sie mußte lange geschlafen haben, denn es war schon wieder dämmerig geworden, und der Schiffsjunge stand vor der Lampe, um sie anzuzünden. Sie hatte eine dunkle Ahnung, als ob er schon öfter unten gewesen wäre.

»Nun geht's vorwärts, Jungfrau!«

»Ist es gefährlich?«

»Ach nein! – aber ›Rutland‹ ist so ein munteres Tier, ... das beißt sich gern mit dem Wetter ... Nun hat es einen steifen Nordwest auf dem Nacken.«

»Der Schiffer versprach mir ja ausdrücklich, sich innerhalb der Scheeren zu halten, ... am Lande!«

»Ja, ja – dann ging's noch toller her! Da geht die See noch anders; – wenn wir da wären, würd' der ›Rutland‹ bald sein letztes Lied gesungen haben!«

»Aber dann ist es ja wohl lebensgefährlich!« – Jungfrau Een erhob sich plötzlich in der Koje und sah, mit ihrer Nachthaube auf dem Kopf, zum Fenster hinaus.

»Ach nein, nein! ›Rutland‹ weiß, wohin er will, und hat gar keine Lust, mit seiner Nase auf Felsen zu geraten, ... und Christensen – na, so einen Seemann giebt's nicht mehr zwischen England und hier! – Er sagte mir, ich sollte grüßen und die Jungfrau fragen, ob es ihr gut gehe und ob sie nicht einen Teller Erbsen essen wolle. Sie müsse endlich etwas essen, das sei die beste Cur, und man könne nicht wissen, ob man so bald wieder Warmes in der Kombüse habe.«

Jungfrau Een wollte nichts von Essen hören, aber der Schiffsjunge war schon verschwunden und stand bald wieder mit einem Teller Erbsen vor ihr.

»Versuchen Sie nur einmal, Jungfrau ... Ach, probieren Sie doch!«

Die Suppe dampfte frisch. Jungfrau Een probierte, und die Folge davon war – und zwar für ihr ganzes übriges Leben – die feste Ueberzeugung, daß es kein besseres Mittel gegen die Seekrankheit gebe, als eine Portion wohlbereiteter Schiffserbsen.

Mit einem gnädigeren Ausdruck reichte sie ihm den leeren Teller zurück und legte sich dann recht behaglich wieder in ihre Koje hinein, um weiter zu schlafen.

Bald nachher hatte sie jedoch das unbestimmte Gefühl, als ob Taue über das Verdeck gezogen würden, ... daß man unruhig hin und her laufe. Sie hörte verschiedene Commandorufe, ... dann kamen einige Matrosen in die Kajüte und suchten nach einem alten Compaß, den sie auch endlich fanden und zu Christensen brachten. Sie fragte aus ihrer Koje heraus:

»Es ist doch keine Gefahr?«

»Nicht, so lange wir freie See halten können, Jungfrau! – Nur nicht den Mut verloren! Schlafen ist das Beste. Der Schiffsjunge hat die Ordre, so oft als möglich nachzusehen, ob es Ihnen gut geht ... Auch etwas Cognac und Zwieback gefällig?«

Es war oben anders, wie gewöhnlich. Wieder wurden Taue hin und her gezogen, und die Mannschaft rief: »Ha – i – ha!« Dann und wann glaubte sie, daß das ganze Schiff plötzlich still stände, – dann wieder krachte es in allen Fugen, und die Wellen peitschten gegen die Seite und über das Verdeck.

Wieder ward es Tag, aber es war ein wunderlich ängstliches Licht, es fiel so matt und bleich durch das Kajütenfenster. Da konnte sie es nicht mehr in der Koje aushalten, sie mußte aufs Verdeck und sehen, wie das alles zusammenhänge.

Aber sich ankleiden war nicht so leicht und ging nicht so rasch, wie sie dachte. Sie war ja nicht in ihrem Zimmer und ihre Garderobe lag nicht so wohlgeordnet vor ihr, wie sie es gewohnt war. Während sie sich mit der einen Hand ankleidete, mußte sie sich mit der andern festhalten, und das Wasser strömte unaufhörlich in die Kajüte hinein. Sie schlug einen Shawl um sich und öffnete die Thür der Kajüte, aber als sie die Treppe hinaufging, wurde sie von dem feinen Staubregen einer Welle, die sich gerade am Schiff gebrochen hatte, begrüßt. Frisch und kühl war es hier freilich, im Gegensatz zur dumpfen Kajüte.

Aber welcher Anblick bot sich ihr dar: ringsumher das wilde, grüne Meer und über demselben ein niedriger, trüber Himmel; das Verdeck schräg wie ein steiler Abhang, daß man nicht stehen konnte; das Raasegel herabgelassen und gerade vor ihr am Steuer Christensen, der dasselbe unter großer Anstrengung und mit Hülfe eines Matrosen regierte. Gerade jetzt ward das Fahrzeug in die Höhe gehoben, – dann sank es wieder in den Abgrund, tiefer und immer tiefer. Bald hing das Segel schlaff und der Baum schlenkerte hin und her, bald füllte der Wind wieder das Segel und drohte es zu zerreißen, und immer wilder und schrecklicher wurde das Meer mit seinen mächtigen Wellen, deren weißer Schaum über das Verdeck hinstürzte.

Da kam ein Wasserberg, der sich unter gewaltigem Donner an den Planken des alten »Rutland« brach, und sie hörte, wie der Schiffer zu dem Matrosen an seiner Seite sagte: »Da ging ein Teil der Verkleidung weg, Niels! ... Schicke Anton her!« Sie sah, wie Niels das Tau schießen ließ, mit welchem er sich festgebunden hatte, und vorwärts sprang am Lufbord des Schiffes entlang.

Bald darauf kam der Schiffsjunge an ihr vorüber, um am Steuer zu helfen; als er Jungfrau Een auf der Treppe sah, entfuhr ihm das Wort: »Ah, Jungfrau, das ist aber ein Sturm! ... und noch wird's auch nicht besser!«

»Armer Junge! er sah bleich und ängstlich aus!« – dachte sie und fuhr dann in einem Anfall von Unwillen bei sich selbst fort: »das heißt also ein alleinstehendes Mädchen eine Seereise machen lassen!«

Wieder folgte ein Stoß, ... da konnte sie nicht weiter denken. Sie sah, wie Christensen und der Schiffsjunge vom Steuer fortgeschleudert wurden und das Rad – verlassen – sich um sich selbst drehte wie ein Spinnrad. Der Junge lag mit seinem Oberkörper über den Schiffsrand hinaus und suchte ein Tau zu seiner Rettung zu ergreifen. Die See schlug ihm fast schon ins Gesicht; er streckte seine Arme aus und schrie jämmerlich. Wie ein Pfeil schoß Jungfrau Een auf ihn zu und zog ihn aufs Schiff zurück. Im selben Augenblick aber, als sie sich erhob, fühlte sie sich wie von einer eisernen Hand ergriffen, ... es war Christensen, der sie mit aller Gewalt auf das Deck niederwarf, und noch war keine Minute vergangen, als sie auch schon den großen Baum des Raasegels dicht über ihrem Kopf wegsausen sah, und es hörte, wie Christensen mit tiefer Stimme zu ihr sagte: »Hüten Sie sich vor dem Baum, Jungfrau! er ist los ... Nieder aufs Deck! ... Festhalten!«

Als sie aufsah, kroch Niels Kobbervig, der vom Baum an den Schultern getroffen war, über das Deck hin nach der Luke, und der Schiffsjunge, der von einem Schlag des Steuerruders halb bewußtlos geworden war, wurde von Jungfrau Een in die Kajüte hinuntergetragen, wo sie ihn in ihre Koje legte. Er hatte sein Schlüsselbein gebrochen und schien vor Angst ganz außer sich zu sein.

»Wir gehen unter! ... wir gehen unter!« murmelte er entsetzt vor sich hin.

Jungfrau Een fragte ihn, ob er sich nicht als Seemann und vielleicht auch noch als eines Seemanns Sohn schäme, so zu klagen und zu jammern; am Ende aber nahm sie des armen Burschen bleiches Gesicht in ihre Arme und tröstete ihn, so gut sie konnte, bis er allmählich einschlief.

Als sie dann wieder hinaufging, stand Christensen allein am Steuerruder, während Andres Kok den Baum festzubinden suchte; ... sie hörte noch, wie Christensen sagte: »So geht's nicht länger, Kok!«

»Nein, Steuermann, so geht's nicht länger, und es sieht nicht aus, als ob es gegen Mittag besser werden wollte!«

Christensen ließ das Schiff vor dem Winde wegsegeln, und es schien, als ob der alte »Rutland« sich dadurch erleichtert fühlte. Christensen aber stand unbeweglich am Steuer; er war durch und durch naß und sein Gesicht glühte, dann und wann schien es, als ob seine Kräfte ihn verließen und das Steuerruder ihm die Herrschaft aus den Händen reißen würde. Jungfrau Een folgte allen seinen Bewegungen mit der größten Spannung.

»Geht's so noch lange, dann werd' ich hier am Steuer wohl noch tanzen müssen!« rief er aus, als Andres Kok einen Augenblick an ihm vorüberging. »Ich bin bald am Ende, ... Du mußt Deine Arbeit dort lassen und mir hier helfen.«

Ehe Andres Kok diesem Befehl nachkommen konnte, stand Jungfrau Een neben Christensen. Sie machte nicht viel Umstände, sondern griff zu, und Christensen merkte bald, daß sie Kräfte für zwei Schiffsjungen habe.

»Nein, nein, immer aufwärts, Jungfrau, – immer gegenstemmen!« Jungfrau Een stemmte mit beiden Händen gegen und wandte alle ihre Kräfte an, um das Rad nach der Lufseite zu heben.

Christensen sah sie verwundert an und sagte: »Hm! ... Man kann doch nie wissen, was da kommen wird! ... Das ist das erste Mal, daß ein Mädchen ihre Hand an ›Rutlands‹ Steuer gelegt hat! ... Luf! ... Luf! ... nein, den andern Weg! Seht, so! ... Aber nicht überanstrengen! Wenn's kneift, regier ich das Ruder schon allein.«

Aber sie füllte ihren Platz vollkommen aus und lernte bald die Befehle des Kapitäns verstehen und auszuführen.

Nach einer Weile sagte Christensen: »Ja, nun hat sie Matrosendienst gethan, Jungfrau! und soll vielen Dank haben.«

»Nein, ich halte aus, so lange Sie meine Hülfe nötig haben, Schiffer Christensen!«

»Aber Sie kann's nicht mehr aushalten.«

»Dummer Schnack, Christensen, ich habe Kräfte genug.«

»Dann will ich auch nicht nein sagen ... Aber will Sie hier in Sturm und Regen stehen, dann zieht Sie auch am besten Schifferkleider an; sie hängen unten in der Kajüte im Schrank. Ich halt das Ruder schon so lange allein ... Laßt Euch nur Zeit, Jungfrau! und ruht etwas aus.«

Als Jungfrau Een in der Kajüte verschwand, brach Christensen in die Worte aus: »Hätt' nicht gedacht, Andres, daß wir solch' ein herrliches Mädchen an Bord hätten! ... Wenn wir sie nur richtig wieder ans Land liefern könnten und sie nicht ihre letzte Reise machen muß! Sieht bald so aus ... Aber ... wir schlüpfen wohl irgendwo in die Scheeren hinein.«

»Wir haben Land in Sicht, Steuermann!«

»Hab' es gesehen! – Wenn ich nur wüßte, wo wir wären, ... aber hinein müssen wir noch bei Tage. Niels Koppervig ist ja hier ums Bergensche bekannt von Kindheit an. Hilf ihm herauf und laß' ihn mal raten, wo wir sind, ... aber kein Wort an Jungfrau Een. Wir müssen in die Scheeren hinein, und dann doch thun, – als ob uns das große Freude mache.«

»Jawohl! Wir freuen uns, so lange wir können, Steuermann.«

Christensen stutzte, als Jungfrau Een zurückkam. Sie hatte volle Schiffertracht an, selbst den Südwester auf dem Kopf, und sah wie ein kräftiger Matrose aus mit einem frischen, jugendlichen Gesicht.

»Nun, da Sie hier ordentlich am Steuer dienen will, ist's auch das Beste, daß Sie sich mit einem Strick festbinden läßt, ... man kann nicht wissen, wie es kommt.«

Wie gesagt, so gethan.

»Nun, Jungfrau, geht das Ruder schon leicht?«

»Ach nein!«

»Das müßte es doch!« – Er sah sich um. – »Hm! hm! ... Aufgepaßt, Jungfrau! und festgehalten! Da kommt eine Welle, – die sieht nicht sehr freundlich aus!« – Christensen schlug eilig ein Tau um sich und hielt das Steuer so fest, als er konnte.

Die Vorsicht war nicht umsonst gewesen, denn das Wasser schlug mit Macht gegen den Achtersteven und stürzte sich von da über das Verdeck. Nach dem ersten Schrecken sagte Christensen: »Wir sind noch besser davon gekommen, als ich dachte, Jungfrau.«

»Mir scheint, das Wetter wird noch schlimmer!«

»Ach ja, aber nur hier unter dem Land ... Lufseit! ... Lufseit! Jungfrau!«

In der That waren die Umrisse der Küste vor ihnen aufgestiegen wie ein Nebelstreifen aus dem Meer.

»Aber was ist das ... da oben?« fragte Jungfrau Een und zeigte den Mast hinauf.

»Ach, das ist Niels Kobbervig! – Ja, ... der lüftet sich da.«

»Hab' ihn dahin geschickt, Steuermann, daß er sich besser umsehen kann,« sagte Andres Kok.

Bleib' hier am Steuer, Andres, ich will selbst mit ihm sprechen.« Mit diesen Worten ging Christensen fort.

»Es wird schlimmer und schlimmer, ... wir kommen doch wohl bald hinein?« fragte Jungfrau Een zitternd ihren neuen Nachbarn.

»Ja, nun dauert's nicht mehr so lange, Jungfrau! – Sie stehen da gerade oben und sehen sich nach der besten Einfahrt um.«

Christensen war die Strickleiter hinauf nach Niels Kobbervig gegangen. »Nun, kannst Du das Land erkennen?«

»Wären wir nur etwas näher! ... Jetzt denk' ich mir nur, daß wir den Texesund südlich von Bergen vor uns haben müssen ... Ja gewiß, es muß der Texesund sein! – Da, da ... will der Capitän sehen?«

»Jawohl, wir wollen annehmen, daß es der Texesund ist, Niels!« Und als er Andres wieder ablöste und das Steuer in die Hand nahm, sagte er ruhig: »Nun geht's gut, Jungfrau! Wir haben gerade den Texesund vor uns! Da werden wir schon einlaufen können. – – Sieh' nur hübsch aus, Andres! ... Nein, Jungfrau! – Steuer fallen lassen ... Nun kann's wieder anfangen!«

In seiner Stimme lag ein gewisser Humor, der beruhigend auf Jungfrau Een's Nerven wirkte; denn sie hatte mehr und mehr das Gefühl, daß das Schiff in großer Gefahr schwebe.

Das Land stieg immer deutlicher vor ihnen auf und der Sturm legte sich. Christensen stand ruhig am Steuer, aber es entging ihr nicht, daß der Schweiß in großen Tropfen von seinem breiten Angesicht perlte.

Eine Weile später sagte er sehr ernst, indem er mit der Hand nach der Richtung hinzeigte, die er im Auge hatte: »Sehen Sie, Jungfrau, da müssen wir hinein! Die Einfahrt ist eng und wir dürfen keine Linie vom Cours abweichen!«

Sie sah die beiden kleinen Inseln oder Scheeren, durch welche sie hindurch mußten, und die Brust schnürte sich ihr ängstlich zusammen, sie konnte kaum atmen.

Die Wellen hoben das Fahrzeug wieder in die Höhe und sie sah, wie Christensen's Gesicht weiß wurde, und wie er die Zähne zusammenbiß, während er mit aller Macht das Steuer hielt. Sie wollte laut aufschreien, vielleicht that sie es auch ... Da ging's durch die Scheeren, an welchen der weiße Schaum hoch aufsprühte, schnell hindurch, – und dann lagen sie in dem stillsten Wasser der Welt. Sie hatten den Texesund erreicht; aber die Gemütsbewegung war so stark und der Uebergang so plötzlich gewesen, daß Jungfrau Een halb ohnmächtig zusammenbrach.

»Ja, Jungfrau! – ich vergesse es nie, daß ich Sie als Kamerad am Steuer ›Rutlands‹ gehabt habe!« – Die Stimme des starken Mannes zitterte und er biß sich in die Lippen, um seiner Bewegung Herr zu werden. Dann rief er:

»Andres – frag' Niels, wo wir am besten ankern!«

Es war am folgenden Morgen. Jungfrau Een schlief; sie war so müde gewesen. Ihr träumte, daß die Sonne in ihre Koje hineinschiene und der Hahn krähte.

So war es auch. Die Sonne stand am Himmel und erleuchtete mit ihrem goldenen Lichte die Scheeren und den ganzen blauen Sund, und von einer einsamen Sennhütte auf dem kahlen Felsen krähte ein Hahn.

Da ergriff auf einmal der Gedanke mächtig ihre Seele, daß sie den alten »Rutland« lieb habe, wie ihrer Mutter Haus, und von dem Augenblick an wußte sie auch, was sie antworten würde, wenn Christensen mit einer Frage zu ihr kommen sollte. Ihr Sparkassenbuch wollte sie ihm dann gleich geben, daß die Kajüte hübsch gemalt und in Ordnung gebracht werden könnte.

Sie sah zum Fenster der Kajüte hinaus.

»Wenn es regnet und zugleich die Sonne scheint, dann fährt ein braver Schiffer in den Himmel! ... Ja, es geht oft wunderbar und anders, als wir denken. Wie wenig wissen wir von dem Weg unseres Lebens!«

*

Eine Woche später liefen sie eines Abends bei herrlichem Wetter und frischer Brise vor Grimstad ein. Der Mond schien hell am Himmel. Christensen stand am Steuer. Der Schiffsjunge ging mit dem Arm in einer Binde herum und Andres Kok summte ein Lied vor sich hin.

Jungfrau Een saß in der Nähe des Steuers und hatte eine Handarbeit bei sich; sie war auffallend hübsch und sah freundlich aus. Während des schönen Wetters der letzten Tage hatte sie sich oft gemütlich mit Christensen unterhalten und dann und wann, »weil sie einmal den Anfang gemacht hatte«, mit am Steuer geholfen. Heute Abend hatte sie aber ganz munter erklärt, daß, wenn sie ein junger Mann gewesen wäre, sie am liebsten ein Seemann geworden wäre, ... »aber ich hätte mich doch gehütet, bei Schiffer Christensen Heuer zu nehmen!«

»Und warum denn, Jungfrau Een? – Sie haben doch noch nicht gesehen, daß ich irgend einem eine Ohrfeige gegeben habe?«

»Ach nein; aber Sie gehen so gern außerhalb der Scheeren.«

Das kommt daher, weil ich die Scheeren nicht recht kenne, Jungfrau! Und dann habe ich lieber einen Sturm auf offener See, als so eine blinde Scheere, die man nicht eher sieht, als bis man gerade vor ihr steht ... und dann auf einmal ein armer Mann ist. Nein, da lobe ich mir doch die freie See!«

»Gesteht es nur ein, daß es unverantwortlich war, so bei Nacht und Nebel auszulaufen!«

»Unverantwortlich? ... Ja, ich thät es gleich noch einmal, ... aber mit Ihnen! Frauenzimmer und frisches Fleisch sind immer etwas flau und süßlich, ... aber Sie sind ein gesalzenes Frauenzimmer, Jungfrau Een!«

»Das muß denn draußen auf der See so geworden sein, Christensen! – Aber an die kleine Handreichung wollen wir nicht mehr denken. Wenn Sie die Wahrheit sagen wollen, können sie daraus nicht viel schließen, denn ehe ich es gelernt hatte, hielt ich das Steuer eine ganze Weile so!« – und sie stand auf und legte die Hand lachend auf das Steuer.

»Wenn ich die Wahrheit sagen will,« antwortete er, während er plötzlich seine große, breite Hand auf die ihrige legte und sie festhielt, »so weiß ich, daß man sich auf diese Hand sicher verlassen kann ... und ... daß es auf ›Rutland‹ leer wird, wenn wir in Oester-Risöer gelöscht haben.«

Sie wurde über und über rot und zog ihre Hand zurück.

»Ach nein, das war auch nicht zu erwarten, daß so eine feine Hand bei einem armen, einfachen Schiffer Heuer nehmen würde ... Aber ich habe gelernt, daß ich in der weiten Welt nie wieder mit einer andern die Taue auf ›Rutland‹ zusammen binden werde!« – brach er heftig und purpurrot aus.

Nun wandte sie sich gegen ihn und reichte ihm die Hand: »Christensen! – ich trenne mich nicht wieder ... von ›Rutland‹! ... aber ein für alle Mal, ... so wenig wie möglich auf offener See! ... Und so habt Ihr mich!«

Da standen die beiden und sahen nach dem Mond und aufeinander, bis in die Nacht hinein, ... und daß »Rutland« nicht auf eine oder die andere Scheere lief oder am hohen Felsenufer scheiterte, das verdankte er seinem alten Glück und seiner neuen Freundin, Jungfrau Een.


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