Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII.
Böse Zungen

Madame Enersen, die bisher immer in der unteren Stadt die Erste gewesen war, fühlte sich in mancher Beziehung durch Madame Christensen's imponierende Nähe gedrückt. Madame Christensen hielt mit ihrer Meinung nicht zurück, sondern sagte es gerade heraus, daß sie Madame Enersen für eine ränkevolle und boshafte Frau halte, während Madame Enersen vorsichtigerweise ihre Kritik damit anfing, daß sie behauptete, Madame Christensen habe gewiß sehr viele lobenswerte Eigenschaften, aber, – und dann ward sie sehr beredt.

Es war das Bombasin-Kleid, was das Maß voll machte, und dann war der Stadtrat Weihnachten bei Christensen's gewesen. Wenn Madame Christensen nur ein Wort sage, meine er, das wäre das reine Gold! Der Graben oben auf dem Hügel bei Christensen's wäre nur darum von der Kommüne gemacht, weil sie mit dem Stadtrat darüber gesprochen habe, und ebenso wäre es mit der neuen Laterne! ... Kaufmann Röd wäre wegen des alten Gewichts bestraft worden, ... ja, vor Madame Christensen könnte man nicht sicher sein! ... Und wie schändlich habe sie sich nicht Adolfsen's Sohn gegenüber benommen! ... sei geradewegs zum Segelmacher Thune hinaufgegangen und habe die Geschichte erzählt, daß sie den Jungen hätten aus der Lehre nehmen müssen. Ah, sie wäre so schlau! Nun hätte sie obendrein die Knaben für sich gewonnen, weil sie ihnen die Erlaubnis gegeben, ihr Boot zu gebrauchen. Es wäre ein wahres Glück für die ganze Stadt, wenn sie bald in See ginge.

Dann wurden böse Gerüchte ausgebracht, woher Christensen so reich geworden sei; – »ja, er wäre viel reicher, als man ahnte, und er betröge die Steuerkasse schändlich! Das wäre daher gekommen, weil er vor zehn bis fünfzehn Jahren vor Gericht gewesen sei wegen des ›Rutland‹; aber er sei so schlau gewesen, wie ein Fuchs, und niemand habe ihm etwas beweisen können. Er habe das Schiff in England neu angestrichen und es dann hoch versichert. Enersen's hatten es von Adolfsen's gehört, und die sagten gewiß die Wahrheit; ... sie sähen Christensen jetzt aber auch schon auf die Finger!« Die Einzigen, welche in der ganzen Stadt von diesen Redereien nichts wußten, waren Christensen's. Denn Madame Enersen und andere, die sich höchlich darüber verwunderten, daß sie sich überhaupt noch auf der Straße zeigen möchten und sich nicht lieber in ein Mauseloch verkröchen, – waren vor ihnen ja die Höflichkeit und Zuvorkommenheit selbst ... Christensen war nun einmal nicht der Mann, dem man so etwas sagen konnte, und Madame Christensen ... ja, Madame Christensen! – sie mußte die Wahrheit ja einmal hören ... die arme Frau, – sie konnte ja nicht dafür, daß sie mit einem Verbrecher verheiratet war ... Wenn sie es nur selbst wüßte, wie thöricht sich jetzt ihr hoffärtiges Wesen mache!

Was nun noch besonders Wasser auf die Mühle dieser Gerüchte goß, war das, daß Christensen eines Abends im Schifferklub während eines Gesprächs über Versicherungen erklärt hatte, er werde nie wieder versichern. »Brenne das Haus ab, so käme gleich der Verdacht auf, daß man es selbst angesteckt habe, und ginge ein Schiff unter, so habe man es selbst gethan! Das Schiff, welches unter dem Wasser läge, das könne ja niemand sehen; aber das Geld, welches man über Wasser ausgezahlt erhielte, – das sähen alle! ... Man könne außerdem nur froh sein, wenn sich nicht auch noch die Obrigkeit hineinmische und man vor Gericht gezogen würde!«

So konnte nur einer mit einem bösen Gewissen sprechen! Es wurde daher nie mehr über Versicherungen gesprochen, wenn Christensen anwesend war.

Erst bei dem großen Begräbniß des Lotsen-Aeltermanns Haggesen fühlte Christensen sich wirklich zurückgesetzt. Nach seinen persönlichen Verhältnissen zu dem Verstorbenen hatte er erwartet, daß er einer von den Schiffern sein würde, die den Sarg in die Kirche trügen; aber man ging an ihm vorüber. Na! da war nichts zu machen, – er wollte aber deshalb doch dem Manne nicht die letzte Ehre weigern, und ließ sich auch vor der Witwe nichts merken, als ob er irgendwo beleidigt wäre. Sie fühlte es auch wohl selbst, daß sie etwas auf dem Gewissen habe, denn sie war ziemlich scheu und verlegen, als er lange und still vor ihr stand und ihr die Hand schüttelte.

Im Trauerhause ging es hoch her, in zwei großen Zimmern war gedeckt und Portwein, Sherry und Kranzkuchen war reichlich vorhanden. Die Zimmer waren mit den Honoratioren der Stadt, Kaufleuten, Schiffskapitänen und andern angefüllt, während ein Teil des Gefolges auf der Treppe stand, oder draußen im Schnee auf der Straße wartete, bis auch im Flur ein langer Tisch gedeckt war. Man trank fleißig, die guten Vermögensverhältnisse der Witwe wurden flüsternd erörtert, das Leben und die Tugenden des Verstorbenen hoch gepriesen und was man gegen ihn gehabt hatte, entschuldigt; auch wurden Vermutungen ausgesprochen, wer wohl nach ihm Lotsen-Aeltermann werden würde. Die Gesichter wurden während dessen schon röter, die Luft wärmer und die Fenster beschlagen. Der Stadtrat trank mit diesem und jenem, aber an Christensen ging er vorüber, ohne zu grüßen; – er mußte ihn nicht gesehen haben! In seinem Herzen dachte Christensen aber anders und schluckte den kleinen Aerger in einem Glas Portwein herunter. Der Doctor dagegen grüßte ihn, trank mit ihm und erkundigte sich nach seiner Frau. »Haben eine Extra-Frau, Christensen!«

Die Zungen lösten sich immer mehr und mehr und die Unterhaltung wurde lebhaft. Hinter sich hörte er ein Gespräch, dem er zuhören mußte:

»... Und das Seegericht über den ›Preußen‹ ist auf Dienstag anberaumt?«

»Der Stadtrat sagte so.«

»Ist Jacobsen einer von den Geschworenen?«

»Ja! ... und der andere ist Schiffer Sörvig.«

»So? ... Ist man an Christensen vorübergegangen?«

»Ja, es geschehen heut' zu Tage wunderbare Geschichten. Es handelt sich um einen Betrug wegen Havarie, heißt es.«

In demselben Augenblick bemerkten sie den, vom welchem sie gesprochen, und brachen ab.

Christensen that so, als ob er nichts gehört habe; aber daß sein Gesicht so glühte, kam nicht nur vom Wein. Der Stadtrat war wirklich an ihm vorübergegangen und hatte auch nicht gegrüßt! An den Lotsen-Aeltermann dachte er nicht mehr während der Begräbnißfeierlichkeiten, – nur daran, daß man an ihm vorübergegangen war, und er wußte doch nicht, warum? Der Rede am Grabe konnte er natürlich nicht folgen.

Zu Hause angekommen, war Christensen gegen seine Gewohnheit still und verdrießlich, und seine Frau konnte nichts von dem ganzen Leichenbegängnis erfahren, – sie erhielt nicht einmal einen Gruß von der Witwe.

Christensen war offenbar schlechter Laune.

Auch an den folgenden Tagen ward es nicht besser. Madame Christensen hatte ihren Mann nie vorher so gesehen. Drinnen im Hause kam kein Wort über seine Lippen und Donnerstags und Sonnabends ging er auch nicht mehr, wie früher, in den Schifferclub. Sie merkte wohl, daß etwas vorgefallen sein müsse, aber was war es? Endlich entfuhr ihm eines Abends das Wort, er glaube, es habe ihn jemand bei dem Stadtrat verleumdet, weshalb man auch beim Seegericht ihn übergangen habe.

»Und das trägst Du allein mit Dir herum und sagst mir nichts, Christensen? ... Uns übergangen, sagst Du?« Sie stand auf. – »Und das hat der Stadtrat gethan, ... ist an uns vorübergegangen? ... an uns? – So, so ... So, so ... an uns!« Sie ging hastig im Zimmer auf und ab und stand dann vor ihrem Mann still. »Aber thu' nur so, als ob Du nichts merktest, Christensen! Geh' Du Deine Wege als ein rechtschaffner Mann und laß die andern auch ihre Wege gehen. Ueberlaß es mir nur, den Zusammenhang herauszufinden.«

»Aber was kann es sein?«

Madame Christensen konnte die Nacht nicht schlafen, und schwere Gedanken zogen durch ihre Seele, bis endlich das Gesicht von Madame Enersen wie ein Bild in der Finsternis vor ihr stand.

»Lieber Christensen!« – sagte sie am folgenden Morgen fürsorglich – »Du willst doch nicht ohne Deinen Kaffee in die kalte Morgenluft gehen? Ich habe ihn in den Ofen gesetzt und die kleinen Waizenbröte gewärmt.« – Sie brachte ihm beides. – »Siehst Du, je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr scheint es mir, daß Du Dich um alle diese Redereien gar nicht kümmern solltest. In das eine Ohr hinein und aus dem andern heraus! ... Warte, ich will Deinen Rock erst ausbürsten! ... Und steh' auch nicht so lange da unten auf dem Eise; es steht schon Wasser darüber, heißt es!« ... Mit diesen Worten begleitete sie ihn bis zur Hausthür, die sie hinter ihm schloß.

Madame Christensen setzte die Geranien vom Fenster weg und sah hinaus. Ihr Mann ging die Straße hinab, aber grüßte die Vorübergehenden nur kurz, erst Kaufmann Röd und dann weiter unten Schiffer Fossum. Beide drehten sich hastig um und sahen hinter ihm her.

»Was kann es sein? ... Kein Wunder, daß es ihm aufgefallen ist. Sie sehen ja aus den Fenstern uns nach, wenn wir durch die Straße gehen ... Na, – zum siebenten und letzten Mal, wenn wir nichts gethan haben, so ... Aber heraus muß es!«

Madame Christensen kleidete sich sorgfältig an, das kleine schwarzseidene Halstuch, welches sie mit einer Brustnadel befestigte, nahm sie erst mehrere Male wieder ab, – endlich aber betrachtete sie sich prüfend im Spiegel. Sie überlegte, ob sie nicht irgend etwas habe, weshalb sie zum Stadtrat gehen könne ... Ja, auf den alten verfallenen Brunnen unten am Hügel bei der Reeperbahn hatte sie schon lange ein Auge gehabt. Es war in der That ein Wunder, daß nicht jedes Jahr ein Kind hineinfiel. Der Brunnen mußte wirklich zugeworfen und geschlossen werden! Dann war da weiter die arme alte hülflose Giebel-Karen, die vom Armenwesen so unverantwortlich behandelt worden war, ... und nicht besser war es mit dem kleinen Jungen in der Westerstraße, dessen Eltern gestorben waren! ... Aber sie entschied sich am Ende doch für den Brunnen! – Daß der Zeiger der Uhr auch so langsam vorwärts ging!

Um halb elf Uhr klopfte sie an die Thür des Stadtrats, erhielt aber die Antwort, der Herr Stadtrat sei beschäftigt. Am Nachmittag und am folgenden Morgen erging es ihr nicht besser. Sonst war sie so nicht empfangen worden, und sie war nicht die Frau, die das nicht verstanden hätte; daß der Stadtrat wohl wisse, weshalb sie komme und sich nicht gern darauf einlassen wolle.

Sie fühlte sich verletzt und ward immer unruhiger. Es mußte doch etwas dahinter sein! ... Was in aller Welt konnte es sein?

Als Christensen mittags nach Hause kam, ließ sie sich nichts merken, war nur ganz besonders liebenswürdig und setzte selbst den Liqueur auf den Tisch, den er sich sonst nur im Wirtshause nehmen konnte.

Madame Christensen war eine kluge und diplomatische Frau. Einen Augenblick hatte sie an Madame Enersen gedacht; denn sie wußte, daß sie da an der Quelle stehe. Aber die süßliche gesalbte Frau würde sie vielleicht mit einem Korb voller Aale gehen lassen und dann noch mehr zu erzählen haben. Ja, das wäre Wasser auf ihre Mühle gewesen, wenn Madame Christensen zu ihr gekommen wäre, um da ihres Mannes schmutzige Wäsche zu waschen! ... Ihr Freund, der Takelmeister, war ein ehrbarer Mann, der keine krummen Wege ging. Er hörte nie auf Redereien. Und wußte er auch etwas, so war es doch nicht so leicht es aus ihm herauszulocken. Indessen ... sie hatte keine Ruhe; es mußte irgend ein Weg eingeschlagen werden, – und Nachmittags saß sie bei Kjelsberg's am Kaffeetisch.

Es wurde viel von Polly und wenig von Bernt gesprochen; die erste Tasse war getrunken, und die zweite machte Madame Christensen sich zurecht, als sie sich ein Herz nahm, und sagte: »Wer durch die Welt gehen könnte, ohne verleumdet zu werden, Takelmeister!«

»Ja, das ist wahr, Madame Christensen! Es steht geschrieben: ›Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsern Nächsten nicht fälschlich belügen, verraten, afterreden oder bösen Leumund machen, sondern sollen ihn entschuldigen und Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.‹ Wenn die Gerichtsposaune ertönt, wird es Denen übel ergehen, die dieses Gebot übertreten haben ... Aber du sollst Dein Herz auch nicht den Worten des Verleumders öffnen, sagt ...«

»Ich weiß nicht, wer das sagt, Takelmeister! aber hier sind jedenfalls viele, die das thun!«

»Die Zunge ist ein Feuer ...«

»Ja gewiß ist sie das, und ein Feuer, das manches Haus in Brand steckt. Aber wenn Feuer im Hause ist, muß man seine Freunde rufen, Takelmeister! Darum ...«

»Nur zu wahr, Madame Christensen! ... Die böse Seite ... die böse Seite! Aber bitte, nehmen sie sich! ... Sehen Sie da die Zuckerschale? Ja, nun ist sie immer voll; aber voriges Jahr! ... Es war ein harter Krieg, den ich mit Polly wegen der Zuckerschale hatte, das können Sie mir glauben; sie hat viele Predigten hören müssen, aber es war alles vergeblich, ... aber da füllte ich sie einmal mit Salz ... Nun nimmt sie immer nur zwei Stücke in den Kaffee, – mehr nicht! – nur eins noch, wenn sie mich freundlich bittet, und dann das zweite, wenn sie ordentlich gelesen hat ... Man muß recht zum Lernen ermuntern. Ist das nicht auch Ihre Meinung, Madame Christensen?«

»Polly ist ein kluges, gutes Mädchen, die wird sich zu solchen Klatschereien nicht hergeben, wenn sie herangewachsen ist!«

»Ja, das ist wahr, – – selbst wenn ihr Mund wie ein Mühlenrad geht ... Sie sollten's nur hören, wie curios sie sein kann.«

»Es ist ein großer Unterschied zwischen unschuldigen Plaudereien und boshaften Verleumdungen, Takelmeister!«

»Ja, gewiß, ja, gewiß! Die Bosheit der Welt ist groß!«

»Ich muß Ihnen aufrichtig sagen, daß ... ja, laßt's mich nur gerade heraussagen, dann ist es gesagt und vergessen! Mein Mann weiß es ja nicht; aber eine Frau sieht schärfer ... Es hat mich wirklich gewundert, daß Christensen nicht eingeladen wurde, die Leiche des Lotsenältermanns mit zu tragen. Das hat die Witwe nicht aus sich selbst gethan. Es hat ihr Jemand etwas vorgeredet! Was kann das nur sein?«

»Wenn jemand mit solchen Geschichten zu mir kommt, sage ich immer: ›Laßt uns von etwas anderm sprechen!‹ ... In den letzten dreißig Jahren meines Lebens! ... ja, laßt mich sehen ... nein, es sind jetzt einunddreißig Jahr, seitdem ich hier wohne ... es war damals, als ›Bellona‹ umgebaut wurde, ... habe ich nie nach etwas anderm gefragt, als was zu meinem Beruf gehört. Es ist nicht gut, Madame, in fremde Fenster hineinsehen.«

Madame Christensen schüttelte ungeduldig den Kopf: »Sie, müssen wissen, Christensen ist im Seegericht übergangen, ... und ich meine, wenn nun eine Frau weiß, daß sie und ihr Mann reines Mehl im Hause haben, und sie geht dann zu einem alten, erfahrenen Freund und bittet ihn, ihr behülflich zu sein, um die Verleumdungen der Welt ans Licht zu bringen, dann müßte der alte Freund sich auch nicht zurückziehen.«

»Na, so ... so!« Kjelsberg stand auf und ging hin und her. »So, das ist's, was Sie wissen wollen ... von mir? ... Ich erzähle nie Gerüchte.« – Er stand still und hustete. »Aber wenn Feuer im Hause ist, muß man seine Freunde rufen, sagten Sie nicht so?« Er hustete wieder. »Es kommt aber auch darauf an, ob die Freunde Spritzen haben, das Feuer zu löschen, ... und solche alte Geschichten ...«

»Alte Geschichten ... von Christensen?«

»Nun ja, ... ich sage nicht, von wem ich es gehört habe, und ich glaube es auch nicht, das wissen Sie, Madame! sonst säßen Sie heute nicht hier und tränken bei mir Kaffee. Aber weil Sie es denn wissen wollen, ... ist Christensen nicht einmal vor vielen Jahren vor Gericht gewesen, weil er mit andern zusammen ein Fahrzeug auf den Strand gebracht hatte?«

»Ja – a ... das war, ehe wir uns heirateten, ... bei dem Amtsrichter Nörregaard; aber er wurde freigesprochen.«

»Ja, das ist's nun gerade! ... Man sagt, das wäre Christensen's Schlauheit gewesen, er habe alles so gut und fein berechnet, daß das Gericht ihm nichts habe beweisen können.«

»Aber er wurde ja freigesprochen!«

»Ja – a.«

»Mehr kann doch nicht geschehen!«

»Nein – n! – deshalb sage ich auch, daß man derartiges nicht wieder aufrühren solle. Laß die Welt nun reden ...«

»Na, so!« – Das hat er nun dafür, weil er damals den Mut hatte, mit dem alten Schiff, welches jeden Augenblick untergehen konnte, über die Nordsee zu fahren, während der Kapitän es verließ!«

»Verleumdungen vergehen und ein rechtschaffener Mann bleibt stehen! ... Es kommt nur darauf an, daß man ganz auf solidem Grunde steht.«

Madame Christensen hatte ihre Tasse umgekehrt, und den Theelöffel darauf gelegt. Sie stand auf, warf ihren Shawl um sich und gab dem Takelmeister die Hand: »Ja, ja, Takelmeister! Jeder muß sein Kreuz tragen! ... Und Sie sollen als guter Freund meinen Dank haben! ... Aber etwas Sinn muß doch in jeder Sache sein, ... und daß ein Mann leiden muß, weil er freigesprochen ist, das habe ich noch nie gehört!«

Der Takelmeister folgte ihr bis zur Thür; sie hatte feuchte Augen und sagte mit unterdrückter Bewegung: »Ich sage Christensen kein Wort! Er grübelt sonst viel und nimmt's zu schwer, sag' ich Ihnen!«

*

Was Madame Christensen meinte und dachte, konnte man nicht recht erfahren, am wenigsten merkte ihr Mann. Er begriff nur nicht, daß sie immer so freundlich und fürsorglich war.

Aber wenn er nicht da war, sah's anders aus. Dann ging sie unruhig hin und her, von der Stube in die Küche und aus der Küche wieder in die Stube, oft lange mit demselben Teller oder derselben Tasse in ihrer Hand, ... oder sie saß und grübelte ... Sie mußte einmal wieder etwas ordentlich anfassen, etwas, wo sie sich rühren mußte.

Eines Morgens war sie denn auch bei einer großen Wäsche, sowohl für das Haus, wie für »Rutland«, obgleich es noch mitten im Winter war. Im Brauhause stand ein Mädchen und sie selbst in der Küche, die Arme in Seifenschaum begraben über der feineren Wäsche.

Es ging ununterbrochen vorwärts und ein Haufen reiner Wäsche lag neben ihr. Aber gegen Mittag, als sie Christensen wieder zurückerwartete, stellte sie die Balge auf einen Stuhl vor dem Fenster, daß sie die Straße hinabsehen konnte. Sie folgte mit ihren Gedanken und mit ihren Augen jedem, der die Straße hinunterging, und wartete auf Christensen, um zu sehen, wie sie an einander vorübergehen und ob sie mit einander sprechen würden ... »Rutland« aber mußte so früh wie möglich in See, – das war klar ... Christensen mußte fort!


 << zurück weiter >>