Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Das Pferd und der Esel.

                        Ein sattes Pferd ging von der Krippe,
            Und fiel vor Wollust auf die Streu,
            Ein dürrer Esel stand dabei,
            Kein Esel, sondern ein Gerippe.
Den redete der Hengst mit diesen Worten an:
Wie es geht, guter Greis! du scheinst mir ziemlich hager;
Bist du nicht recht gesund? macht dich der Gram so mager?

Ach! sprach das Müllerthier, der hat es nicht gethan;
            Der Hunger und das viele Tragen,
            Des Treibers Fluchen, Stoßen, Schlagen,
Mit einem Wort, mein Freund, die Noth ist Schuld daran.
O, käme nur der Tod, das Ende meiner Plagen.

            Ob es dir schon so elend geht,
Erwiederte der Gaul, so sollst du doch nicht klagen,
Ein Weiser trägt die Noth, die nicht zu ändern steht.
Du leidest nicht allein, und kurz, was willst du machen?
            Das Schicksal thut, was ihm gefällt,
Dem wird das Leben süß, und dem wird es vergällt,
            Das Weinen nützt oft mehr, als Lachen.

Da sprach das graue Thier: dein Bauch ist voll und satt,
Und deine Weisheit stammt aus dem gefüllten Magen.

* * *

Der hat gut predigen, und von Verleugnung sagen,
            Der selber keine Sorgen hat.

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