Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Der Quell der Jugend.

            Man sagt, daß einst ein Quell entsprang,
Wo? will ich sagen, wenn ich's finde,
Genug, wer aus dem Brunnen trank,
Der wurde wiederum zum Kinde.
Was kriechen konnte, zog dahin,
Manch altes Weibchen kam am Stabe,
Und manch mit Reif bedecktes Kinn
Erschien daselbst und ward ein Knabe.
Die Greise stürmten fast den Ort,
Sie hatten stets den Quell umringet,
Und ritten, wenn sie sich verjünget,
Auf Steckenpferden kindisch fort.

    Viel Tausend' wurden wieder jung,
Bis das Verhängniß, eh' man's dachte,
In einer Erderschütterung
Den ganzen Brunnen trocken machte.
Der Quell war hin, als man vernahm,
Daß doch die Kraft des Quells von Allen,
Die ihn besucht, eh' er verfallen,
Auf ihre Leibeserben kam.
Zwar sie behielten die Gestalt,
Die Runzeln blieben an der Stirne,
Sie wurden kindisch am Gehirne,
Und ihre Leiber blieben alt.

    D'rum, wenn ein Alter spielt und flucht,
Verliebt ist, oder andre Ränke
Der Jugend unternimmt, so denke:
Sein Ahnherr hat den Quell besucht.


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