Magnus Gottfried Lichtwer
Fabeln
Magnus Gottfried Lichtwer

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Der Rhein.

                Der alte Rhein beschloß, der Wehrmann deutscher Grenzen,
        Die Zahl der Männer zu ergänzen,
        Und suchte sich ein Eh'gemahl.
        Die schönste Nymphe traf die Wahl,
        Ein Reis aus einem edlen Hause,
Der graue Bodensee, die Mosel und die Aar,
Der Neckar nebst dem Main, der Bräut'gamsführer war,
Erschienen nach Gebühr, und tanzten auf dem Schmause.
Das Schilf ward ungefähr zum dritten Male grün,
        Als die beglückten Ehegatten
        Ein Kleeblatt schöner Kinder hatten.
Der Vater sparte nichts, sie löblich zu erziehn,
Und liebte sie mit Recht als seines Hauses Säulen.
Die Liebe gab ihm ein, sein großes Wasserreich
        Mit seinen Söhnen gleich zu theilen;
        Sein Herz ward ihm vor Freude weich,
        O Ehre! drei erwachs'ne Söhne,
Die aus des Vaters Schooß mit brüllendem Getöne
        In's Meer als große Ströme ziehn,
Ein Reiz, der unserm Rhein unüberwindlich schien.

            Er macht die Jünglinge zu Flüssen,
        Gibt jedem seinen Landesstrich,
        Den sie mit Macht durchströmen müssen,
        Er gibt, schenkt, und erschöpfet sich,
Bis daß sein eigner Strom dadurch so abgenommen,
Daß er mit großer Noth sich an die Weiher schlich,
        Allwo er einem Graben glich.

* * *

Es ging dem guten Rhein, wie Ludewig dem Frommen.


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