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Einunddreißigstes Kapitel

1

Seit mehr als einem Jahr redete man in der ganzen Kirchenwelt davon, daß kein Sprecher den Reformorganisationen nützlicher sei als der Reverend Dr. Elmer Gantry in Zenith. Seine eigene Kirche bedauerte es, so oft auf seine Anwesenheit verzichten zu müssen, aber man hörte mit Stolz davon, daß er in New York, in Los Angeles, in Toronto sprach.

Es hieß, sobald Mr. J.E. North sich wegen des Drucks seiner Privatgeschäfte (er war der Besitzer des in Eppsburg, N.Y., erscheinenden Times-Scimitar) vom Schuschmu zurückziehe, werde Dr. Gantry an seiner Statt zum ersten Sekretär des Schuschmu erwählt werden. Es hieß, niemand in Amerika sei ein unbarmherzigerer Feind des sogenannten Liberalismus in der Theologie und schlechten Wandels im Privatleben.

Es hieß, Dr. Gantry habe sich jede Unterstützung für die Bischofswahl verbeten, die bei der in zwei Jahren, 1928, bevorstehenden Generalversammlung der Methodistenkirche, Norden, stattfinden sollte. Und man wußte mit aller Bestimmtheit, daß er das Rektorat der Swanson-Universität in Nebraska abgelehnt habe.

Aber man wußte leider auch mit aller Bestimmtheit, daß er wahrscheinlich aufgefordert werden würde, das Pastorat der Yorkville-Methodistenkirche in New York City zu übernehmen, die unter anderen Dr. Wilkie Bannister, jenen herzhaften waschechten Fundamentalisten, der auch einer der berühmtesten Ärzte des Landes war, Peter F. Durbar, den Ölmillionär, und Jackie Oaks, den Musical Clown, zu ihren Mitgliedern zählte. Der Bischof des Bezirks New York war bereit, Elmer den Posten zu geben. Aber – ja, es gab widersprechende Geschichten; eine Version sagte, Dr. Gantry habe sich noch nicht entschlossen, den Yorkvilleposten anzunehmen; die andere sagte, Yorkville, das hieß Dr. Bannister, habe sich noch nicht entschlossen, Dr. Gantry anzunehmen. Auf jeden Fall hoffte die Wellspringherde, daß ihr Pastor, ihr geistiger Vormund, ihr Freund und Bruder sie nicht verlassen werde.

2

Als Elmer Miss Bundle, die Kirchensekretärin, entlassen hatte – das war sehr nett gewesen; sie weinte so drollig – war er eine Zeitlang untüchtigen Mädchen ausgeliefert, guten Methodistinnen, aber miserablen Stenographinnen.

Es machte ihn fast lachen, wenn er daran dachte, daß er tatsächlich, während jedermann der Meinung war, er habe nichts als Freude in seinem Ruhm, eine schauderhafte Pechsträhne hatte. Dieser verdammte J.E. North verschob trotz aller vorgeblichen Freundschaft seinen Rücktritt vom Schuschmu immer weiter. Dr. Wilkie Bannister, dieser eingebildete Mensch – der dachte, er verstünde mehr von Theologie als ein Prediger! – schob es immer weiter hinaus, dem Kollegialausschuß der Yorkvillekirche die Berufung Elmers anzuraten. Und seine Sekretärinnen brachten ihn zur Raserei. Eine von ihnen war empört, als er ein ganz klein winziges »verdammt« sagte!

Niemand kümmerte sich um die Sorgen eines Mannes, der die Bestimmung hatte, Amerika zu regieren; niemand wußte, daß er sich in seinem Feldzug für die Sittlichkeit aufopferte.

Und wie müde war er der simpeln und phantasielosen Hingabe Lulu Bains'! Wenn sie nur noch ein einziges Mal »Ach, Elmer, du bist so stark!« flüsterte, würde er ihr eine herunterhauen müssen!

3

In der Reihe Menschen, die nach der Morgenandacht dem Reverend Dr. Gantry die Hand drücken kamen, stand eine junge Frau, die der Pastor mit Interesse bemerkte.

Sie war die letzte, sie sprachen ohne Ohrenzeugen.

Hätte man einen Marquis aus dem siebzehnten Jahrhundert in ein Mädchen von etwa fünfundzwanzig Jahren, voll ausgesprochener Weiblichkeit, doch mit dem stolzen Kopf, der schmalen Hakennase, den gebietenden Augen von M. le Marquis verwandeln können, das Resultat wäre die Frau gewesen, die Elmer bei der Hand hielt und sagte:

»Darf ich Ihnen sagen, Doktor, daß Sie der erste Mensch in meinem Leben sind, der mir einen Begriff von Wirklichkeit in der Religion gegeben hat?«

»Schwester, ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte der Reverend Dr. Gantry, während Elmer innerlich sagte: »Hör mal, du bist 'n Kind, mit dem ich gern bekannt werden möcht'!«

»Ich bin nicht nur gekommen, um Ihnen meine Bewunderung auszusprechen – die ganz aufrichtig ist sondern ich wollte auch aus einem sehr egoistischen Grund mit Ihnen sprechen. Ich heiße Hettie Dowler – Fräulein, leider! Ich habe zwei Jahre an der Universität von Wisconsin studiert. Ich war Sekretärin bei Mr. Labenheim von der Tallahassee-Lebensversicherungsgesellschaft, aber er ist nach Detroit versetzt worden. Ich bin wirklich eine ganz gute Sekretärin. Und ich bin Methodistin, Mitglied der Central, aber ich hab' schon daran gedacht, zur Wellspring überzugehen. Also, worauf ich hinauskommen will: wenn Sie zufällig in den nächsten Monaten eine Sekretärin brauchen sollten – ich vertrete eine der Hotelsekretärinnen im Thornleigh –«

Sie sahen einander in die Augen, fest, verstehend. Sie drückten sich ein zweites Mal, wärmer, die Hand.

»Miss Dowler, Sie sind schon jetzt meine Sekretärin«, sagte Elmer. »Es wird ungefähr eine Woche dauern, bis alles geordnet ist.«

»Danke schön.«

»Darf ich Sie nach Hause fahren?«

»Das wäre reizend von Ihnen.«

4

Nicht einmal die Abende, an denen sie allein in der Kirche arbeiteten, waren aufregender als ihre raschen gestohlenen Küsse zwischen den Besuchen feierlicher Pfarrkinder. Daß er durch das Arbeitszimmer laufen und sie auf ihre zarte Schläfe küssen konnte, nachdem eine trübselige Witwe hinausgewackelt war, daß sie ihm zuflüsterte: »Liebster, du warst zu wunderbar mit der schrecklichen alten Pute; ach, du bist so lieb!« – das war höchstes Glück für ihn.

Er ging des Abends oft in Hettie Dowlers Wohnung – zwei hübsche weißblaue Zimmer in einem der neuen Kleinwohnungshäuser, mit einer lächerlich kleinen Küche und einem elektrischen Kühlapparat. Sie lag zusammengerollt, in langen pantherartigen Linien, auf dem Damastsofa, während er seine Predigten übend auf und ab schritt und stehen blieb, um ihren Beifall in Form eines Kusses einzuholen.

Immer schlüpfte er bei sich zu Hause in die Anrichte hinunter und telephonierte ihr Gute Nacht, bevor er zu Bett ging, und wenn eine Unpäßlichkeit sie im Hause festhielt, rief er sie jede Stunde aus seiner Kanzlei an oder kritzelte Briefchen an sie. Diese gefielen ihr am besten. »Deine Briefe sind so lieb und komisch und süß«, sagte sie ihm. So schrieb er ihr mit seiner ungebildeten Schrift:

Liebstes, kleinstes Mausiputzi, mein goldiges Hasi, ich bete Dich an, sonst kann ich weiß der Deibel nichts sagen, aber das sag' ich sechshundert Millionen Trillionen Mal. Elmer.

Aber – und sonst hätte er sich auch nie gestattet, sie zu lieben, denn sein Ehrgeiz, der oberste Moraldirektor des Landes zu werden, war noch größer als sein Entzücken an ihr – Hettie war gleichzeitig auch eine vorzügliche Sekretärin.

Kein Diktat war ihr zu schnell; sie machte selten Fehler; sie machte aus jeder Seite, die sie schrieb, ein künstlerisches Arrangement; sie notierte ihm die Telephonnummern der Leute, die in seiner Abwesenheit anriefen; und sie hatte eine kühle, sympathische Art, die Idioten loszuwerden, die den Reverend Dr. Gantry mit ihren unwichtigen Leiden langweilen kamen. Und sie hatte so glänzende Vorschläge für seine Predigten. In diesen vielen Jahren hatten weder Cleo noch Lulu einen Predigtvorschlag gemacht, der etwas anderes als einen Stoßseufzer verdiente, aber Hettie – ja, sie hatte die Predigt »Die Torheit des Ruhm« aufgesetzt, die im Terwillinger College solche Sensation erregte, als Elmer seinen LL.D. erhielt, photographiert wurde, wie er einen Kranz am Grab des verstorbenen Rektors Willoughby Quarles niederlegte und überhaupt Publizität für sich und seine »liebe alte alma mater« gewann.

Manchmal dachte er, Hettie sei die Reincarnation Sharons.

Sie waren physisch sehr verschieden – Hettie war schlanker, weniger hoch, ihr schmales, eifriges Gesicht hatte nicht die absonderlichen langen Linien wie Sharons; und sehr verschieden waren sie geistig. Hettie bekam nie, so munter zärtlich sie auch war, Launen, nie hysterische Anfälle. Und doch war es die gleiche volle Lebensfreude und die gleiche Hingabe an den Mann.

Und es war auch die gleiche imponierende Fähigkeit, Menschen zu behandeln.

Wenn irgend etwas T.J. Riggs Neigung für Elmer und die Kirche noch hätte vertiefen können, so war es die Art, in welcher Hettie, instinktiv Riggs Wichtigkeit begreifend, ihm schmeichelte, mit ihm scherzte und ihn ermutigte, in der Kirchenkanzlei herumzutrödeln, obgleich er sie in der Arbeit störte und Ursache war, daß sie am Abend länger bleiben mußte.

Sie führte eine schwierigere, wichtigere Aufgabe durch – sie begeisterte William Dollinger Styles, der nie so freundlich war wie Rigg. Sie sagte ihm, er sei ein Napoleon der Finanzen. Sie ging in ihren Aufmerksamkeiten für Styles fast zu weit, sie lunchte mit ihm unter vier Augen. Elmer protestierte voll Eifersucht, und sie erklärte sich freundlich bereit, Styles nie wieder außerhalb der Kirche zu sehen.

5

Es war eine schwere, ziemlich elendigliche Aufgabe, Lulu Bains, die dank Hettie überflüssig geworden war, loszuwerden.

Am Dienstagabend nach seinem ersten Zusammentreffen mit Hettie, als Lulu gurrend in Elmers Arbeitszimmer kam, sah er bekümmert aus, stand nicht auf, um sie zu begrüßen. Er saß an seinem Schreibtisch, das Kinn verdrossen in den beiden Händen.

»Was ist, Lieber?« fragte Lulu.

»Setz dich – nein, bitte, küß mich nicht – setz dich, dort drüben, Liebste. Wir müssen ernsthaft miteinander reden«, sagte der Reverend Dr. Gantry.

Sie sah so klein aus, so ländlich, trotz ihrem neuen Kleid, als sie in einem fürchterlich eckigen Stuhl zitterte.

»Lulu, ich hab' dir was Schreckliches mitzuteilen. Trotz unserer Vorsicht ist Cleo – Mrs. Gantry – hinter uns her. Es bricht mir einfach das Herz, aber wir müssen Schluß damit machen, uns privat zu sehen. Wirklich –«

»Ach, Elmer, Elmer, ach, mein Geliebter, bitte

»Du mußt ruhig sein, Liebe! Wir müssen tapfer sein und dieser Sache offen ins Auge schauen. Was ich sagen wollte, ich bin fest davon überzeugt, es würde besser sein, bei dem schrecklichen Verdacht, den sie hat, wenn du überhaupt nicht mehr hier in die Kirche kommen wolltest!«

»Aber was hat sie gesagt – was hat sie gesagt? Ich hasse sie! Ich hasse deine Frau so! Oh, ich werde nicht hysterisch, aber – ich hasse sie! Was hat sie gesagt?«

»Also, gestern abend hat sie ganz ruhig gesagt – du kannst dir vorstellen, wie überrascht ich war; wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sie hat gesagt – meine Frau hat gesagt: ›Also, morgen wirst du dich wahrscheinlich mit der Person treffen, die die Kochkurse hat, und so spät nach Haus kommen wie gewöhnlich!‹ Also, ich hab' sie bißchen ausgehört und bin drauf gekommen, daß sie wirklich dran gedacht hat, Detektive auf uns zu hetzen!«

»Oh, mein Liebling, mein armer Liebling! Ich will dich nie wieder sehen! Du darfst nicht entehrt werden mit deinem wunderbaren Ruhm, auf den ich so stolz gewesen bin!«

»Liebste, beste Lulu, kannst du denn nicht begreifen, daß es nicht das ist? Teufel! Ich bin ein Mann! Ich kann der ganzen Blase Trotz bieten und ihnen sagen, wo sie hingehören! Aber es handelt sich um dich. Wirklich, ich hab' Angst, Floyd bringt dich um, wenn er was erfährt.«

»Ja, ich glaube, er würde … Ich glaub', es würde mir nicht viel machen. Es war' leichter, als mich selber umzubringen –«

»Jetzt paß mal auf, junges Weib! Ich wünsche nichts von diesem idiotischen Selbstmordgerede!« Er war aufgesprungen; er stand über ihr, eine imposante Priestergestalt. »Es geht gegen alle Gebote Gottes, der uns unser Leben gegeben hat, damit wir es zu seinem Dienst und seiner Herrlichkeit gebrauchen, an Selbstmord auch nur zu denken! Oh, ich hätte nie gedacht, daß du so etwas Verruchtes, Verruchtes, Verruchtes sagen könntest!«

Sie schlich nach einiger Zeit hinaus, eine kleine Gestalt in einem abgetragenen Mäntelchen über ihrem stolzen neuen Kleid. Sie wartete auf einen Straßenbahnwagen, allein unter einer Bogenlampe, sie spielte an dem neuen Perlentäschchen herum, das sie liebte, weil er in seinem Edelmut es ihr geschenkt hatte. Von Zeit zu Zeit wischte sie sich die Augen und schneuzte sich, und ununterbrochen murmelte sie, völlig idiotisch: »Oh, mein Liebling, mein Liebling, daß ich dir Sorge gemacht hab' – oh, mein Liebling, mein lieber Liebling!«

Ihr Gatte freute sich, als er ein Jahr später merkte, daß sie dank irgendeinem Wunder nicht mehr den Ehrgeiz besaß, der ihn geärgert hatte, und daß sie Abend für Abend bereit war, daheim zu bleiben und Karten zu spielen. Aber er wurde sehr böse und hatte ziemlich viel zu reden, daß er sie, sooft er nach Hause kam, immer müßig, mit leerem Gesicht dasitzen sah, und daß sie so nachlässig mit ihren Haaren geworden war. Aber das Leben geht seinen Gang, und er gewöhnte sich allmählich daran, daß sie den ganzen Tag im Schlafrock herumschlumpte und öfters nach Gin roch.

6

Auf Empfehlung von J.E. North war es Elmer, den die Liga zur Sabbatheiligung dazu auserwählte, den Kampf gegen die sonntäglichen Kinovorstellungen in Zenith zu führen. »Das wird eine schöne Übung für Sie sein«, schrieb Mr. North Elmer, »für den Fall, daß die Direktoren Sie zu meinem Nachfolger im Schuschmu ernennen; eine Übung für den Tag, an dem Sie nicht nur einem Stadtrat, sondern Kongreßmitgliedern und Senatoren den Standpunkt klarmachen werden!«

Elmer wußte, daß die hohen Herren vom Schuschmu ihn beobachteten, und voll Eifer führte er den Kampf gegen das Sonntagskino. Der Staat Winnemac hatte das übliche »blaue Gesetz«, daß keine bezahlte Arbeit (mit Ausnahme natürlich der Arbeit von Dienern des Evangeliums, und aller Musikanten, Vortragenden, Erzieher, Pförtner und anderer heiliger Helfer, welche die Geistlichen zu engagieren für gut befanden) am Sabbath geleistet werden dürfe, und die übliche bequeme Gewohnheit, dieses Gesetz zu ignorieren.

Elmer besuchte den Sheriff der Provinz – einen abgearbeiteten Mann, dessen kriminologische Vorbildung in einer Sattlerei erworben war – und tauschte einen freundlichen Händedruck mit ihm.

»Also, Reverend, es freut mich wirklich, daß ich das Vergnügen habe, Sie kennen zu lernen,« sagte der Sheriff. »Ich hab' eine Menge von Ihnen in den Zeitungen gelesen. Rauchen Sie?«

Elmer setzte sich in imposanter Stellung, er lehnte sich ein wenig vor, legte seine Ellenbogen auf die Lehne des Stuhls und ballte seine riesige Faust.

»Ich danke, ich rühre niemals Tabak an«, sagte er finster. »Jetzt passen Sie mal auf, Edelstein, sind Sie der Sheriff dieser Provinz?«

»Hm! Ich glaub' schon!«

»So, Sie glauben, so! Also, wollen Sie darauf sehen, daß das Staatsgesetz gegen Sonntagskino befolgt wird?«

»Ach, na hören Sie, Reverend! Niemand verlangt von mir, daß ich mit Zwangsmaßregeln –«

»Niemand? Niemand? Nur ein paar hunderttausend Bürger und Kirchenmitglieder! Bankiers, Anwälte, Doktoren, anständige Leute! Und nur eine ebenso große Anzahl von Schurken und Vagabunden, von Jidden und Atheisten und Papisten verlangen, daß Sie die Entheiligung des Sabbaths zugeben! Jetzt passen Sie mal auf, Edelstein! Wenn Sie nicht allen Kinobesitzern bis auf den letzten, Vorführern und Platzanweisern und der ganzen Bande, die für den schändlichen und ungesetzlichen Sonntagskinobetrieb verantwortlich sind, wenn Sie der ganzen Blase nicht ordentlich einheizen, werd' ich ein riesiges Massenmeeting von allen guten Bürgern in der Stadt einberufen, und da werd' ich den Leuten viel weniger von den Kinobesitzern erzählen, als von Ihnen, und dann werden Sie eine feine, dicke, nette Aussicht haben, wieder gewählt zu werden, wenn zweihunderttausend Wähler dieser Provinz (und zwar die soliden Burschen, die sich die Mühe machen, zu wählen) Ihnen die Haut vom Leibe ziehen wollen –«

»Sagen Sie, wer, glauben Sie, regiert diese Provinz? Die Methodisten, Baptisten und Presbyterianer?«

»Na selbstverständlich!«

»Hören Sie, passen Sie jetzt mal auf –«

Es wurden tatsächlich, auf Grund von Haftbefehlen, die der Reverend Dr. Elmer Gantry beschworen hatte, alle Personen, die mit der Entheiligung des Sabbaths durch Filmvorführungen zu tun hatten, an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen verhaftet (nachher ging es so weiter wie früher), und Elmer erhielt Achtungstelegramme von der Liga zur Heiligung des Sabbaths, von J. E. North, Dr. Wilkie Bannister von der Yorkville Methodistenkirche, New York City, und von einem Hundert der hervorragendsten Gottsgelehrten im ganzen Land.

7

Innerhalb vierundzwanzig Stunden teilte Mr. J. E. North Elmer mit, daß er in einem Monat wirklich zurücktrete, und daß die Wahl seines Nachfolgers zwischen Elmer und nur zwei anderen frommen Männern liege; und Dr. Wilkie Bannister schrieb, der Kollegialausschuß der Yorkville Methodistenkirche sei, nachdem er Elmers Tätigkeit in den letzten Monaten beobachtet habe, bereit, den Bischof dazu zu überreden, daß er ihm das Pastorat anbiete, vorausgesetzt, daß er nicht von äußeren Interessen zu sehr abgelenkt sei.

Es war ein Glück, daß das Hauptquartier des Schuschmu in New York City und nicht, wie es bei den meisten der verwandten wohltätigen Organisationen der Fall war, in Washington lag.

Elmer schrieb Dr. Bannister und den anderen Kuratoren der Yorkvillekirche, er werde wohl nominell erster Sekretär des Nationalverbandes zur Bekämpfung von Schund und Schmutz in Kunst und Literatur sein (und, oh! was für eine Ehre werde es dem lieben alten Yorkville bringen, daß ihr Pastor eine solche Stellung innehabe!), aber alle wirkliche Arbeit in dem Schuschmu seinem fähigen Mitarbeiter überlassen und, mit Ausnahme vielleicht von einem Tage in der Woche, seine ganze Energie, Zeit und Gebete der Arbeit widmen können, die Herde in Yorkville, soweit es in seiner demütigen Kraft liegen möchte, vorwärts und aufwärts zu führen.

Elmer schrieb Mr. J. E. North und den Kuratoren des Schuschmu, er werde wohl nominell Pastor der Yorkville-Methodisten sein (und werde es nicht eine glänzende Anerkennung für ihre Arbeit sein, daß ihr erster Sekretär Pastor an einer der wichtigsten Kirchen in New York City sei), aber alle wirkliche Arbeit seinen fähigen Mitarbeitern überlassen und, mit Ausnahme vielleicht der Sabbathe und gelegentlicher Hochzeiten oder Begräbnisse, seine ganze Energie und Zeit der Arbeit widmen können, das epochale Werk des Nationalverbandes zur Bekämpfung von Schund und Schmutz in Kunst und Literatur, soweit es in seiner demütigen Kraft liegen möchte, weiter zu führen.

Von diesen beiden frommen Körperschaften bekam er Antworten, in denen zu lesen war, man sei von seiner Erklärung befriedigt, und es könne sich jetzt nur noch um wenige Tage handeln –

Jene Briefe hatte Hettie Dowler verfaßt, doch Elmer hatte einige Kommata geändert und geholfen, indem er sie küßte, während sie tippte.

8

Es war zu verdrießlich, daß auf diesen Höhepunkt von Elmers Leben seine Mutter sich selbst eingeladen hatte, zu ihnen zu kommen und bei ihnen zu bleiben.

Als er sie vom Bahnhof abholte, war er glücklich. So schön es auch sein mochte, auf die Großen dieser Welt Eindruck zu machen – auf Bischof Toomis oder J. E. North oder Dr. Wilkie Bannister – solange er denken konnte, war es der Zweck seines Lebens, das Lob seiner Mutter und Paris', Kansas, der Wiege seiner Existenz, zu gewinnen. Daß er sie in einem neuen Willys-Knight Sedan fahren, daß er ihr seine neue Kirche, sein außerordentlich elegantes Heim, Cleo in einem neuen Kleid zeigen konnte, war entzückend.

Aber schon, als sie erst zwei Tage bei ihnen war, nahm seine Mutter ihn auf die Seite und sagte streng: »Möchtest du dich nicht niedersetzen und aufhören, im Zimmer herumzulaufen, mein Junge? Ich hab' mit dir zu sprechen.«

»Das ist großartig! Aber es tut mir schrecklich leid, ich muß es kurz machen, weil –«

»Elmer Gantry! Willst du den Mund halten und aufhören, ein so wunderbarer Erfolg zu sein? Elmer, mein lieber Junge, ich bin sicher, daß du's nicht schlecht meinst, aber mir gefällt die Art nicht, wie du Cleo behandelst … so ein liebes, süßes, prächtiges, frommes Mädel.«

»Was willst du damit sagen?«

»Ich glaub', du weißt, was ich sagen will

»Jetzt paß mal auf, Mutter! Schön, ich werd' mich niedersetzen und still sein, aber – ich weiß wirklich nicht, was du sagen willst! Wo ich doch immer ein guter Mann für sie gewesen bin und mich damit abgefunden hab', daß sie völlig unfähig ist, nett zu den wichtigsten Mitgliedern meiner Gemeinde zu sein – und das Eiskälteste, was du dir denken kannst – wenn ich Leute zum Dinner hier hab – sogar Rigg, den größten Mann in der Kirche – weiß sie kaum was zu sagen. Und wenn ich von der Kirche nach Hause komm', ganz einfach todmüde, und sie mich begrüßt – begrüßt sie mich mit einem Kuß, und sieht sie freundlich aus? O nein! Sie fängt zu brummen an, schon in der Minute, in der ich ins Haus komm', wegen irgend was, was ich getan hab' oder nicht getan hab', und es ist selbstverständlich natürlich –«

»Ach, mein Junge, mein kleiner Junge, mein Liebling – alles, was ich auf dieser ganzen Welt hab'! Du warst immer so schnell mit Entschuldigungen da! Wenn du Kuchen gestohlen oder Katzen aufgehängt oder die andern Jungs verprügelt hast! Junge, Cleo leidet. Du hast nie eine Aufmerksamkeit für sie, nicht einmal jetzt, wo ich da bin und du dir Mühe gibst, nett zu ihr zu sein, um Eindruck zu machen. Elmer, wer ist die Sekretärin, die du die ganze Zeit besuchst?«

Der Reverend Dr. Gantry erhob sich still und sprach in sonoren Tönen:

»Meine liebe Mutter, ich schulde dir alles. Aber in einer Zeit, in der sich eine der größten Methodistenkirchen der Welt und eine der größten Reformorganisationen der Welt um mich bemühen, weiß ich wirklich nicht, ob ich es nötig habe, Erklärungen darüber abzugeben, sogar dir gegenüber, Ma, was ich vorhabe. Ich gehe jetzt in mein Zimmer hinauf –«

»Ja, und das ist noch so eine Sache, mit euern getrennten Zimmern –«

»– und werde darum beten, daß du Verständnis dafür bekommst … Hör mal, Ma! Es ist möglich, daß du eines Tages ins Weiße Haus kommen kannst, um mit mir und dem Präsidenten zu lunchen! … Aber ich will sagen: Ma, um Gottes Willen, hör auf, an mir herumzubeißen, wie Cleo's immer macht!«

Und er betete; er kniete an seinem Bett, legte die Stirn an die angenehm kühle Leinwand und murmelte: »O lieber Gott, ich suche Dir zu dienen. Nimm Ma das Gefühl, daß ich nicht recht tue –«

Er sprang auf.

»Teufel!« sagte er. »Diese Weiber wollen, daß ich ein Haushund bin! Zum Teufel mit ihnen! Nein! Nicht mit Mutter – Aber, ach verdammt, sie wird schon verstehen, wenn ich Pastor von Yorkville bin! O Gott, warum kann Cleo nicht sterben, damit ich Hettie heiraten kann!«

Zwei Minuten später murmelte er vom Telephonapparat in der Anrichte, während die Köchin brummte und unten im Keller Kartoffeln aussuchte, Hettie Dowler zu: »Liebling, sag mir doch etwas Nettes – irgend was – irgend was!«


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