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Zweites Kapitel

1

Seit Jahren hatte der Zustand der Sünde, in dem Elmer Gantry und Jim Lefferts staken, verzücktes Entsetzen in den christlichen Herzen des Terwillinger-Colleges hervorgerufen. Keine Wiedererweckungsversammlung, die nicht ihre schwefelgetränkten Pfeile nach ihnen geschleudert hätte – gewöhnlich in ihrer Abwesenheit. Kein Gebet bei den Meetings der Y.M.C.A., das sich nicht Sorgen über ihre haltlose Lasterhaftigkeit gemacht hätte.

Von Elmer wußte man, daß er zusammenzuckte, wenn der Rektor, Rev. Dr. Willoughby Quarles, bei der Morgenandacht einen seiner guten Tage hatte; Jim jedoch hatte ihn fest im Glauben des Unglaubens gehalten.

Nun eilte Eddie Fislinger wie ein Prärie-Seraph zwischen den Zimmern der Auserwählten einher, um die staunenerregende Neuigkeit zu verbreiten, daß Elmer sich öffentlich zum Glauben bekannt und im Zug neununddreißig Minuten persönlicher Beschwörung ertragen hätte. Sofort wurde ein heiliges Komplott gegen das unglückselige Opferlamm geschmiedet, und in ganz Gritzmacherquellen, in den Studierzimmern der geistlichen Professoren, in den Zimmern der Studenten, in dem kleinen Gebetsraum hinter der Kapelle, verschworen sich frohlockende Seelen mit dem Herrn gegen Elmers fröhliches, herzhaftes Sündigen. Überall, durch den Schneesturm, konnte man murmeln hören: »Es ist mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut –«

Sogar Studenten, die nicht allzusehr im Ruf der Frömmigkeit standen, die verdächtigt wurden, Karten zu spielen und heimlich zu rauchen, wurden in Ekstase gebracht – oder vielleicht machten sie sich auch lustig. Der Fußballzenter, in den Tagen vor seiner Bekehrung ein Gefährte Elmers und Jims, jetzt aber mit einer großen scheinheiligen schwedischen Kommilitonin aus Chanute verlobt, erhob sich freiwillig in der Y.M.C.A. und gelobte Gott seinen Beistand zur Gewinnung von Elmers Gewogenheit.

Am inbrünstigsten stieg es aus dem Zimmer Eddie Fislingers auf, der jetzt als künftiger Prophet anerkannt war, und von dem man erwartete, daß er eines Tages eine der größeren Baptistenkirchen in Wichita oder vielleicht sogar Kansas City unter sich haben würde.

Er organisierte zu Nutz und Frommen Elmers ein Tag- und Nacht-Gebetsmeeting, dem die Allereifrigsten beiwohnten, sogar auf die Gefahr hin, von den Lehrern Grobheiten und unhöfliche Bemerkungen zu hören zu bekommen. Auf dem nackten Boden von Eddies Zimmer über Knute Halvorsteds Malerwerkstatt knieten immer drei bis sechzehn junge Männer gleichzeitig, keine achtzehnhunderter Wiedererweckungsversammlung hatte ein erfolgreicheres Ringen mit dem erschöpften Satan gesehen. Einer, der im Geruch stand, zu religiöser Epilepsie zu neigen, brachte es sogar zu Verzückungen, und obgleich man das Gefühl hatte, daß dies weiter ginge, als der Herr und der Baptistenverband gern sehen würden, vermehrte es die Begeisterung des Betens um die dritte Morgenstunde, besonders da sie alle gehörig berauscht von Kaffee und vielen Worten waren.

Am Morgen war alles überzeugt, daß man Gott überredet hätte, sich Elmers anzunehmen; Elmer selbst hatte zwar die ganze Nacht ziemlich fest geschlafen, ohne etwas von dem Gebetsmeeting oder von göttlichen Einflüssen zu merken, doch das war lediglich ein Beispiel für die Geduld der himmlischen Mächte. Aber gleich nachher begannen diese Mächte wirksam zu werden.

Zu Elmers Unglück und Jims stiller Wut wurde ihr geheiligtes Zimmer von ganzen Scharen heimgesucht, von Menschen, denen ungekämmte Locken über die Stirn fielen, die Begeisterung in den Augen und Bibeln unterm Arm trugen. Elmer war nirgends sicher. Kaum hatte er sich mit schlagfertigen gotteslästerlichen Argumenten, die ihm von Jim beigebracht worden waren, eines Jüngers entledigt, da sprang auch schon ein anderer hinter einem Baum hervor und stürzte sich auf ihn.

In seiner Pension – Mutter Metzger, am oberen Ende der Beech Street – krähte ein Y.M.C.A.-Derwisch, während er das Brot weiterreichte, Elmer zu: »Schon mal'n Weizenkorn studiert? Wunnerbar! Denkbar, daß so'n wunnerbar kompliziertes Ding wie das sich selbst geschaffen hat? Nein, muß jemand geschaffen haben. Wer? Gott! Wer Gott in der Natur nicht sieht – und sich bußfertig zu ihm bekennt – ist dumm. Das ist er!«

Lehrer, die Elmer immer nur voll nervösen Zorns den Kollegsaal hatten betreten sehen, lächelten ihm jetzt zu und hörten mit Freundlichkeit seine Erklärung an, daß er nicht genügend zum Vortrag vorbereitet sei. Der Rektor selbst hielt Elmer auf der Straße an, sagte ihm Mein Junge und schüttelte ihm die Hand mit einem Wohlwollen, das Elmer, wie er sich bedrückt eingestand, ganz gewiß nicht verdient hatte.

Er versicherte Jim weiterhin, daß er nicht in Gefahr sei, aber Jim war alarmiert, und Elmer selbst wurde mit jeder Stunde mehr alarmiert, bei jedem neuen Zuruf: »Wir brauchen dich bei uns, Alter – die Welt braucht dich!«

Jim hatte alle Ursache, sich zu ängstigen: Elmer schwebte seit jeher in der Gefahr, seine Lieblings Vergnügungen aufzugeben – vielleicht nicht eigentlich sie aufzugeben, aber nach dem Genuß in Angstschweiß zu geraten. Doch trotz Jim und seinen Kommentaren über Kommilitoninnen, die öffentlich beteten und sich das Haar mit vorwurfsvoller Gebärde aus den eierförmigen Stirnen strichen, hätte eine von diesen Sirenen der Moral den leichtfertigen pangynistischen Elmer fast eingefangen, lediglich dadurch, daß sie immer in seiner Nähe war.

Eine fürchterliche junge Person aus Mexiko, Missouri, pflegte Jim zuzureden, er solle »von seinen komischen Ideen über Religion erzählen«, und dann in ein wahres Gewieher frommen Lachens auszubrechen und herauszuwürgen: »Ach, Sie sind ja zu blendend! Sie glauben ja nicht ein Wort von dem, was Sie sagen. Sie wollen doch bloß Eindruck schinden!« Sie hatte einen falschen, schiefen Blick, der deutlich verriet, daß bei ihr nur über den Weg des Altars etwas zu erreichen wäre, und lediglich Jims Anstrengungen konnten verhindern, daß sie Elmer zu einer Verlobung verleitete.

Die Kirche und die Sonntagsschule in Elmers Dorf, Paris, Kansas, einer Siedlung von neunhundert evangelischen Deutschen und Vermontern, hatte in ihm eine Furcht vor dem Religionsmechanismus genährt, die er nie ganz los werden konnte, die ihn von manchen vernünftigen Handlungen zurückhielt, wie zum Beispiel Eddie Fislinger zu verprügeln. Jene kleine weiße Baptistenkirche war das Zentrum aller seiner Gefühle außer Lausbübereien, Hunger, Schläfrigkeit und Liebe gewesen. Und sogar diese Gefühle waren im Hause des Herrn vertreten, in Form von Reißnägeln in den Kirchenstuhlkissen, Missionarssoupers mit Hühnerpasteten und Kuchen zum Naschen, einschläfernden Predigten und der Nähe schmiegsamer kleiner Mädchen in dünnem Musselin.

Außer Zirkuskapellen, den Paraden am vierten Juli und dem Singen von »Columbia, Perle des Meeres« und »Klingelglocken« in der Schule wurde alle Musik, die der Knabe Elmer je zu hören bekam, in der Kirche gemacht.

Die Kirche lieferte ihm alle Rhetorik, außer Wahlreden von Politikern, die sich über Jefferson und die Bindfadenpreise ereiferten; sie lieferte alle Malerei und Bildhauerei, außer den Porträts von Lincoln, Longfellow und Emerson im Schulhaus und den zwei Porzellanstatuetten der rosa Damen mit goldenen Blumenkörbchen, die auf der Kommode seiner Mutter standen. Aus der Kirche stammte alle seine tiefere Philosophie, außer den pädagogischen Versicherungen des Lehrers, daß kleine Buben, die in der Schule Nattern ausließen, sicher sein könnten, jetzt geprügelt und später gehängt zu werden, und den Ergüssen seiner Mutter über das Aufhängen des Mantels, das Abstreifen der Schuhe, das Essen von Bratkartoffeln mit den Fingern und das Eitelnennen des Namens Gottes.

Literarische Quellen hatte er außerhalb der Kirche kaum – in McGuffeys Lesebuch lernte er den Knaben kennen, der bei Abukir auf dem brennenden Verdeck stand; er hatte sehr geringe Kenntnisse von den Nick-Carter den Heldentaten Coles des Jüngeren und der James-Buben – doch auch hier hatte die Kirche ihn geleitet. In biblischen Geschichten, in den Worten der Karwochenhymnen, in den Anekdoten, welche die einzelnen Prediger zitierten, hatte er seine einzigen literarischen Kenntnisse gefunden.

Die Geschichte von Klein Hinke-Tom, der den bösen Reichen, den mit dem hübschen Grauschimmelgespann und dem Zylinderhut, beschämte und Jesus zuführte. Vom Schiffskapitän, der sich im Sturm bei dem verwaisten, aber frommen Missionarskind aus Zomballa Rats erholte. Vom treuen Hund, der seinen Herrn aus einer fürchterlichen Feuersbrunst rettete (manchmal war es auch ein Schneesturm oder ein Indianerangriff) und ihn dazu brachte, Pferderennen, den Rum und das Ziehharmonikaspielen aufzugeben.

Wie bekannt sie alle waren, wie ergreifend, wie sie Elmer die Lebensziele erklärten, wie sie ihn auf den Nutzen und die Reize des künftigen Lebens vorbereiteten.

Die Kirche, die Sonntagsschule, die Evangelistenorgien, der Chordienst, das Eintreiben der Kirchensteuern, die Wonnen der Begräbnisse, das heimliche Kichern in den hinteren Kirchenstühlen oder im anderen Zimmer bei Hochzeiten – das alles war für Elmer ebenso natürlich, von demselben zwingenden Einfluß auf die Gestaltung seiner Anschauungen und Gewohnheiten wie katholische Prozessionen für einen Straßenjungen in Neapel.

Die Baptistenkirche in Paris, Kansas! Tausend nachgedunkelte, fleckige, doch unzerstörbare Bilder.

Hymnen! Elmers Stimme war für Hymnen geschaffen. Er ließ sie herausrollen wie ein Neger. Der Orgeldonner von »Nikäa«:

Heilig, heilig, heilig! Alle Heiligen beten Dich an,
Sie werfen ihre goldenen Kronen nieder vor Dir an der schimmernden See.

Das prächtige Dröhnen der Lobpreisungen Gottes.

»Wirf aus die Rettungsleine«, mit dem dazu gehörigen Bild: ein Wrack, von der Brandung, die das Präriekind sich hundert Fuß hoch vorstellte, in der Dunkelheit zertrümmert. »Vorwärts, christliche Soldaten«, zu dem man mit den Füßen stampfen konnte, ohne dafür getadelt zu werden.

Sonntagsschul-Picknicke! Limonade, Wettlaufen auf allen vieren, Fahrten auf dem Leiterwagen, das Singen von »Mit Nelly auf dem Heimweg«.

Die Sonntagsschulkarten mit den Bibelstellen! Wohl, sie wurden hauptsächlich zum Spielen verwendet, aber da Elmer das Spiel meistens gewann (er war der erste Junge in Paris, der zwei echte falsche Würfel besaß), hatte er eine ganze Menge davon in seiner Sammlung; sie erweckten in ihm eine Vorliebe für geschmacklose Kleider, für Marmorsäulen und purpurverzierte Königspaläste, was ihm noch sehr zustatten kommen sollte: es fiel ihm später nicht schwer, in den prächtigeren Lasterheimen schnell heimisch zu werden. Die drei Könige, die Körbchen aus Rubin und Sardonyx trugen. König Zedekia in Gold und Scharlach, der auf einem saphirblauen Teppich kniete, während seine Gewappneten blutbefleckt herangesprengt kamen, rotes Blut auf schimmerndem Stahl, mit Nachrichten von dem Heer unter Nebukadnezars, des babylonischen großen Königs, Bannern. Und in seinem ganzen Leben mußte Elmer in Augenblicken der Inbrunst, während Gebetsübungen in riesigen Kirchen, beim Sonnenuntergang am Meer, an einen schwarzbärtigen David denken, der vor wilden roten Klippen stand – eine heroische Gestalt, die zu Ehrgeiz, Macht und Herrschaft aufforderte.

Weihnachtsabend in der Sonntagsschule! Die Freuden, offiziell bis halbzehn aufzubleiben. Der Baum, unglaublich groß, ebenso unglaublich leicht in Brand geratend, der von Silberschnüren, Silbersternen und Schnee aus Watte funkelte. Die beiden runden Öfen, rotglühend. Lichter und Lichter und Lichter. Ganze Eimer voll Backwerk, und für jedes Schulkind ein Geschenk – gewöhnlich ein Buch, sehr hübsch, mit kolorierten Bildern von Lämmern und feuerspeienden Bergen. Der Weihnachtsmann – es konnte unmöglich Lorenzo Nickerson, der Anstreicher, sein, so bärtig war er, so rotbackig und so geistreich in seinen Bemerkungen über jedes einzelne Kind, das nach vorn marschierte, um sich sein Geschenk zu holen. Das einfach zauberhafte Entzücken, wenn das Damenquartett von den Schäfern sang, die nachts ihre Herden hüteten … auf braunen, einsamen Bergspitzen unter einem ungeheuren Stern.

Und der entsetzliche Morgen, an dem der Prediger selbst, Rev. Wilson Hinckley Skaggs, Elmer auf den Stufen beim Spielen um Sonntagsschul-Pfennige erwischte, ihn, einen scharfen und nicht sehr sauberen geistlichen Daumennagel in sein Ohrläppchen bohrend, durch das Schiff hinaufführte und dem Gelächter aller preisgab.

Und die anderen, nicht ständigen Prediger: Bruder Organdy, der einen holte, um sich das Holz umsonst sägen zu lassen; Bruder Blunt, der sich hinter Schuppen schlich, um einen am Abend vor Allerheiligen zu erwischen; Bruder Ingle, der frommen Eifer zeigte, aber jung und wirklich menschlich war und einem Pfeifen aus Weidenzweigen machte.

Und der Morgen, als Elmer hinter der Orgel einen Wecker versteckt hatte, der herrlich losging, gerade als der Aufsichtshabende (Dr. Prouty, der Dentist) säuselte: »Jetzt wollen wir alle ganz besonders still sein, während Schwester Holbrick vorbetet.«

Und immer die drei Stühle, die hinter der Kanzel standen, die einschüchternden, steifen Stühle mit gelbem Plüsch und geschnitzten Eichenverzierungen, die, wie er voll unbehaglicher Scheu überzeugt war, auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist warteten.

Er hatte tatsächlich alles von der Kirche und der Sonntagsschule bekommen, nur eines vielleicht nicht, den Wunsch nach Reinheit, Güte und Einsicht.

2

Selbst wenn Elmer die Kirche nicht schon lange gekannt hätte, wäre er ihr durch seine Mutter zugeführt worden. Außer seiner Freundschaft mit Jim Lefferts hatte Elmer nur eine einzige wahre Zuneigung: zu seiner Mutter, und diese gehörte der Kirche.

Sie war eine kleine, energische, herumnörgelnde, aber freundliche Frau, einst leidenschaftlicher Zärtlichkeit, jetzt aber leidenschaftlichem Beten ergeben, die einen außerordentlichen Mut besaß. Von Logan Gantry, Futtermittel-, Mehl-, Holz- und Ackergeräthändler, einem großen, liebenswürdigen Mann, der gern Schulden machte und Whisky trank, früh als Witwe zurückgelassen, hatte sie sich und Elmer durch Nähen, Hutgarnieren, Brotbacken und Milchverkaufen erhalten. Jetzt besaß sie ihre eigene Putz- und Kleiderwerkstatt, klein und finster, aber voll Stolz in der Hauptstraße errichtet, und war in der Lage, Elmer die dreihundert Dollars jährlich zu geben, die im Verein mit seinem Sommerverdienst bei der Ernte und auf dem Holzplatz genügten, um ihn zu ernähren – in Terwillinger, im Jahre 1902.

Sie hatte immer gewünscht, daß Elmer Prediger würde. Sie war ganz munter und zählte die Pfennige beim Wechseln nicht mit törichter Genauigkeit, aber vor einem Prediger, der im langen Rock auf der Tribüne stand, empfand sie atemlose Scheu.

Elmer war seit seinem sechzehnten Lebensjahr ein gut beleumundetes Glied der Baptistenkirche gewesen er war höchst befriedigend durch Untertauchen im Kayooska River getauft worden. Der Evangelist war ein kräftiger Mann gewesen und hatte Elmer trotz dessen Größe nicht nur untergetaucht, sondern in heiliger Begeisterung unter Wasser gehalten, so daß er spuckend wieder heraufgekommen war, im Zustand der Gnade und Verdrecktheit. Er war auch öfters gerettet worden, und einmal, als er Lungenentzündung hatte, waren der Pastor und alle besuchenden Damen der Meinung gewesen, er nähme schnell an Gnade zu.

Doch dem Wunsch seiner Mutter, daß er Prediger werden sollte, hatte er Widerstand entgegengesetzt. Er hätte seine unterhaltsamen Laster aufgeben müssen, und in großäugiger und keuchender Glückseligkeit entdeckte er alljährlich mehr davon. Und dann empfand er auch ein schwerfälliges Unbehagen und schämte sich, sooft er vor seinen kichernden Kameraden in Paris aufzustehen und fromm zu erscheinen versuchte.

Selbst noch in seiner Collegezeit war es schwer für ihn, seiner Mutter nicht nachzugeben. Sie reichte ihm zwar nur bis an die Achsel, aber ihr geschäftiger Eifer, ihre gelenkige Zungenfertigkeit und der Heroismus, mit dem sie seit so langer Zeit für ihn sorgte, hatten solchen Einfluß auf ihn, daß er sich vor ihr fürchtete, wie er sich vor Jim Lefferts' Spott fürchtete. Er brachte es nie über sich, ihr ehrlich seine Ungläubigkeit einzugestehen, sondern knurrte immer nur: »Ach, sieh mal. Ma, ich weiß nicht. Das Dumme ist, daß man mit dem Predigen nicht viel Geld verdient. Sieh mal, 's hat ja keine Eile. Ich muß mich ja noch nicht entscheiden.«

Und jetzt wußte sie, daß er wahrscheinlich Anwalt werden würde. Nun, das war nicht das Schlechteste, dachte sie; er könnte eines Tages in den Kongreß kommen und die ganze Nation reformieren, bis sie ein wohlgefälliges Ebenbild Kansas' wäre. Aber wenn er nur der Mysterien hätte teilhaftig werden können, die den Abendmahlstisch umschweben –

Sie hatte mit Eddie Fislinger über ihn gesprochen. Eddie kam aus einer Stadt, die zwölf Meilen von Paris entfernt war. Obgleich noch Jahre vergehen konnten, bis er schließlich zum Geistlichen ordiniert sein würde, war Eddie schon in seinem zweiten Jahr im Terwillinger von seiner Heimatgemeinde zum Predigen zugelassen worden, und eines Sommers hatte er allen Ernstes einen Monat lang (während Elmer draußen bei der Ernte war oder beim Baden, oder Obstgärten plünderte) auf der Baptistenkanzel in Paris Dienst gemacht.

Mrs. Gantry konsultierte ihn, und Eddie belehrte sie mit der ganzen Würde eines Neunzehnjährigen.

Oh ja, Bruder Elmer wäre ein prächtiger junger Mann – so stark – sie alle bewunderten ihn – ein wenig zu sehr von den eitlen Freuden dieser Welt versucht, doch das hätte seinen Grund darin, daß er jung wäre. Oh ja, eines Tages würde Elmer sich die Hörner abgelaufen haben und ein guter christlicher Gatte, Vater und Geschäftsmann sein. Aber, was den geistlichen Dienst anlangte – nein. Mrs. Gantry dürfte sich nicht zu sehr um diese Mysterien kümmern. Das hinge von Gott ab. Man müßte seinen Ruf bekommen, bevor man die Berufung zum geistlichen Dienst in sich fühlte, einen richtigen überwältigenden, geheimnisvollen, zu Boden werfenden Ruf, wie Eddie selbst voll Ekstase einen erlebt hätte, eines Abends, in einem Kohlfeld. Nein, gar nicht daran zu denken. Die Aufgabe, die sie jetzt hätten, hieße: Elmer in den richtigen Gnadenzustand bringen, und das sähe ihm, versicherte ihr Eddie, schwer genug aus.

Ganz bestimmt hätte Elmer, erklärte Eddie, die Bekehrung empfunden, als er mit sechzehn Jahren getauft worden sei, er hätte die Einladung empfunden, und die Last seiner Sünden wäre von ihm genommen worden. Aber er hätte nicht, Eddie bezweifelte es, voll und ganz das Heil erfahren. Er wäre nicht eigentlich im Zustand der Gnade. Fast könnte man ihn unbekehrt nennen.

Eddie diagnostizierte den Fall vollständig, mit allen dazu gehörigen pathologischen Fachausdrücken. Welche Schwierigkeiten ihm auch Philosophie, Latein und Rechnen bereitet haben mochten, seit seinem zwölften Lebensjahr hatte es nie eine Zeit gegeben, in der es Eddie Fislinger schwer geworden wäre, zu verstehen, was Gott, der allmächtige Herr, wollte, und warum er, die ganze Geschichte hindurch, so oder so gehandelt hatte.

»Ich bin der letzte, der den Sport verurteilt«, sagte Eddie. »Wir müssen starke Körper haben, um die Last und Anstrengung, das Evangelium in der Welt zu verbreiten, ertragen zu können. Aber gleichzeitig scheint mir doch, daß Fußball die Tendenz hat, von der Religion abzulenken. Ich hab' ein bißchen Angst, daß Elmer grade jetzt nicht im Stand der Gnade ist. Doch, o Schwester, wir wollen uns nicht bekümmern und sorgen! Wir wollen auf Gott vertrauen. Ich werde persönlich zu Elmer gehen und schauen, was ich machen kann.«

Daß mußte damals gewesen sein – ganz gewiß war es in den Ferien zwischen ihrem Sophomoren- und Juniorenjahr – als Eddie zu der Farm hinausging, wo Elmer arbeitete, ihn groß, kräftig und bäuerisch aussehend im ärmellosen Unterhemd sah, vernünftig vom Wetter redete und wieder zurückging …

Obwohl Elmer, sooft er zu Hause war, voll Zärtlichkeit versuchte, nach dem Lebensplan, den seine Mutter für ihn gemacht hatte, zu leben, obwohl er, ohne lang zu brummen, um halbzehn zu Bett ging, das Hühnerhaus tünchte und sie in die Kirche begleitete, argwöhnte Mrs. Gantry dennoch, daß er ab und zu Bier tränke und Zweifel über Jona hegte; voller Unbehagen hörte Elmer sie schluchzen, während sie an ihrem hoch aufgetürmten, altmodischen Bett mit der weißen Steppdecke kniete.

3

In aufgeregtem Evangelisteneifer kämpfte Jim Lefferts, damit Elmer nach der frommen Bloßstellung bei Eddies Verteidigung in Cato standhaft bliebe.

Er war, alles in allem, fast zelotischer und ermüdender als Eddie.

Nachts, wenn Elmer sich danach sehnte, schlafen zu gehen, trug Jim Argumente vor; morgens, wenn Elmer seine Geschichte vorbereiten sollte, las Jim laut aus Ingersoll und Thomas Paine vor.

»Wie möchtest du so etwas erklären – wie würdest du es erklären?« drängte Jim. »Hier heißt's im Deuteronomion, daß Gott diese Jidden vierzig Jahre in der Wüste herumgejagt hat, und daß ihre Schuhe dann nicht einmal abgetragen waren. So heißt es, ganz genau, in der Bibel. So was willst du glauben? Und glaubst du, daß Simson seine ganze Stärke verloren hat, bloß weil sein Mädel ihm die Haare abgeschnitten hat? Das glaubst du? Ja? Du meinst, daß die Haare irgendwas mit seiner Kraft zu tun hatten?«

Jim lief im dumpfigen Zimmer auf und ab und trat nach Stühlen, seine sonst sanften Augen glänzten wie im Fieber, voll Zorn schüttelte er seinen Zeigefinger, während Elmer bucklig auf der Bettkante saß, die Stirn in den Händen, und sich eigentlich darüber freute, daß so um seine Seele gekämpft wurde.

Um zu beweisen, daß er noch immer ein freigeistiger, ganzer Kerl wäre, unterzog sich Elmer eines Abends mit Jim der ziemlich anstrengenden Arbeit, ein kleines Vorbauhäuschen auszuheben und auf die Stufen des Verwaltungsgebäudes zu setzen.

Nach dem Kampf zwischen Eddie und Dr. Lefferts vergaß Elmer seine Sorgen fast ganz.

Jims Vater war praktischer Arzt in einem benachbarten Dorf. Er war ein rundlicher, bärtiger, gelehrter, munterer Mann, voller Stolz auf seinen Atheismus. Er hatte Jim im Glauben und in seiner Vorliebe für Alkohol erzogen; er hatte Jim in dieses Sekten-College geschickt, einerseits weil es billig war, und andererseits weil es ihm eine kitzelnde Freude bereitete, zuzusehen, wie sein Sohn diese Heiligen aus ihrer mürrischen Selbstgefälligkeit aufstörte. Er kam unerwartet ins Zimmer, während Elmer und Jim aufgeregt die Ankunft Eddies erwarteten.

»Eddie sagte«, klagte Elmer, »er sagte, er kommt her und bringt noch mehr von den Beweisen mit, daß ich direkt in die Hölle komm'. Herr Gott, Doktor, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Sie sollten mich untersuchen. Ich muß blutarm sein oder so was. Tatsächlich, früher einmal, wenn Eddie Fislinger mich angelächelt hätte, der Teufel soll ihn holen, bloß zu denken, daß er sich traut mich anzulächeln! – wenn er gesagt hätte, daß er in mein Zimmer kommt, hätt' ich ihm gesagt: ›Einen Dreck wirst du!‹ und ihm einen Tritt vor die Beine gegeben.«

Dr. Lefferts schnurrte in den Bart. Seine Augen glänzten auf.

»Ich will mir Ihren Freund Fislinger vornehmen, daß er was davon hat. Und um dieses widersinnigen imaginären Himmels willen, Jim, tu dein möglichstes, um nicht überrascht auszusehen, wenn du merkst, daß dein ehrwürdiger Vater fromm ist.«

Als Eddie kam, wurde er einem seidenweich freundlichen Dr. Lefferts vorgestellt, der ihm so lang und so unangenehm die Hand drückte, wie es Politiker, Reisende und Gottesmänner tun. Der Doktor freute sich:

»Bruder Fislinger, mein Junge da und Elmer erzählen mir, daß Sie versuchen, ihnen zur wahren Bibelreligion zu verhelfen.«

»Ich hab' mir Mühe gegeben.«

»Es tut mir in der Seele wohl, Sie das sagen zu hören, Bruder Fislinger! Sie können nicht ermessen, wieviel Kummer es einem alten Mann bereitet, der dem Grabe zuwankt, dessen einziger Trost es ist, zu beten und in der Bibel zu lesen« – Dr. Lefferts war vor drei Nächten bis vier Uhr aufgesessen, hatte Poker gespielt und mit seinen Intimis, dem Nachlaßrichter und dem englischen Viehzüchter, über Biologie diskutiert – »wieviel Kummer es ihm bereitet, daß sein einziger Sohn, James Blaine Lefferts, kein Gläubiger ist. Aber vielleicht können Sie mehr erreichen, als ich, Bruder Fislinger. Mich halten sie für einen fanatischen alten Narren. Jetzt wollen wir mal sehen – Sie sind doch ein Bibelrechtgläubiger?«

»Oh ja!« Eddie blickte tirumphierend zu Jim hinüber, der sich an den Tisch lehnte, die Hände in den Taschen, ausdruckslos wie Holz. Elmer hockte neugierig im Lehnstuhl, die Hände vor dem Mund.

Der Doktor sagte erfreut:

»Das ist großartig. Sie glauben an jedes einzelne Wort darin, hoff' ich, von der ersten bis zur letzten Seite?«

»Oh ja. Ich sage immer: ›Es ist besser, eine ganze Bibel zu haben, als eine Bibel voller Lücken‹.«

»Ja, das ist ein richtiger Gedanke, Bruder Fislinger. Den muß ich mir merken, um ihn diesen erklärten höheren Kritikern zu sagen, wenn ich mal mit einem zusammenkommen sollte! ›Ganze Bibel – keine Bibel voller Lücken‹. Oh, das ist ein schöner Gedanke, und ausgezeichnet ausgedrückt. Von Ihnen selbst?«

»N–nein, nicht ganz.«

»Aha, aha. Also, das ist ja großartig. Sie glauben natürlich an die praemillenniale Wiederkunft – ich meine die richtige, wirkliche, echte, direkte praemillenniale Wiederkunft Jesu Christi im Fleische?«

»O ja, freilich.«

»Und an die jungfräuliche Geburt?«

»Oh, aber selbstverständlich.«

»Das ist großartig! Es gibt natürlich Doktoren, die bezweifeln, daß die jungfräuliche Geburt sich ganz mit ihren Geburtshelfererfahrungen in Einklang bringen läßt, aber den Leuten sag' ich immer: ›Passen Sie mal auf! Woher weiß ich, daß es wahr ist? Weil's in der Bibel so heißt, und wenn's nicht wahr wäre, glauben Sie, daß es dann in der Bibel so heißen würde?‹ Das stopft ihnen immer den Mund! Danach wissen sie herzlich wenig zu sagen!«

Um diese Zeit hatte sich eine wirklich schöne, edle Kameradschaft zwischen Eddie und dem Doktor angesponnen, und sie warfen mitleidige Blicke auf die verwirrten Gesichter der beiden kaltgestellten Ketzer. Dr. Lefferts kraute seinen Bart und murmelte salbungsvoll:

»Und, Bruder Fislinger, Sie glauben natürlich auch an die Kinderverdammnis.«

Eddie erklärte: »Nein; das ist keine baptistische Lehre.«

»Sie – Sie –« Der gute Doktor schnappte nach Luft, er zerrte an seinem Kragen, keuchte und jammerte:

»Das ist keine baptistische Lehre? Sie glauben nicht an die Kinderverdammnis?«

»W–wieso, nein –«

»Dann möge Gott der baptistischen Kirche und der baptistischen Lehre beistehen! Gott steh' uns allen bei, in diesen verderbten Tagen, daß wir davor bewahrt bleiben mögen, von solchem Unglauben angesteckt zu werden!« Eddie schwitzte, während der Doktor sich in die runden Hände schlug und stöhnte: »Passen Sie mal auf, mein Bruder! Es ist sehr einfach. Sind wir nicht dadurch erlöst, daß wir im Blut des Lamms gewaschen wurden, und nur dadurch, nur durch sein heiliges Opfer?«

»W–wieso, ja, aber –«

»Also dann sind wir entweder weiß gewaschen, und erlöst, oder wir sind nicht gewaschen, und wir sind nicht erlöst. Das ist die einfache Wahrheit, und alles Herumdeuteln, alle Erklärungen, alles Stottern und Stammeln über diese schöne und klare Wahrheit, das alles ist einfach vom Teufel, Bruder! Und in welchem Augenblick wird die Menschenkreatur in all ihrer unvermeidlichen Sündhaftigkeit Objekt der Taufe und Erlösung? Mit zwei Monaten? Mit neun Jahren? Mit sechzehn? Mit siebenundvierzig? Mit neunundneunzig? Nein! Im Augenblick, wo sie geboren wird! Und infolgedessen, wenn er nicht getauft wird, muß er ewig in der Hölle brennen. Wie heißt es im Buch der Bücher? ›Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir erlöst werden können.‹ Es mag ein wenig hart erscheinen, daß Gott hübsche kleine Kinder brät, aber dann denken Sie nur an die hübschen Frauen, die er so gern zur Erbauung der Heiligen röstet! Oh, Bruder, Bruder, jetzt begreif' ich, warum mein Jimmy da und der arme Elmer für den Glauben verloren sind! Nur, weil erklärte Christen wie Sie sie dieser verschnittenen Religion überliefern! Ja, Leute wie Sie sind es, die den Damm des wahren Glaubens einreißen und einen Kanal auftun für höhere Kritik und Sabellianismus und Nymphomanie und Agnostizismus und Ketzerei und Katholizismus und Sabbath-Adventismus und alle diese fürchterlichen deutschen Erfindungen! Sowie man zu zweifeln beginnt, ist das Böse bereits geschehen! Oh, Jim, Elmer, ich habe euch aufgefordert, auf unseren Freund hier zu hören, aber jetzt, wo ich tatsächlich einen Freidenker in ihm finde –«

Der Doktor wankte zu einem Stuhl. Eddie stand da und schnappte nach Luft.

Es war das erstemal in seinem Leben, daß ihn jemand anklagte, schwach im Glauben, nicht streng genug zu sein. Er war voller Selbstzufriedenheit daran gewöhnt, als überstreng verschrien zu sein. Es bereitete ihm fast ebensoviel Vergnügen, über den Alkohol zu schimpfen, wie anderen Studenten, ihn zu trinken. Er hatte, teils von seinen Lehrern, teils aus seinem eigenen Verstand, eine beliebige Anzahl schlagfertiger Antworten für Klassenkameraden, die ihm vorwarfen, es wäre altmodisch von ihm, so viel über Dominospielen zu reden, über die freie Gemeinschaft, über die Frevel, sich Tanzmusik anzuhören, einen Talar auf der Kanzel zu tragen, am Sonntag spazierenzugehen, Romane zu lesen, über die Transsubstantiation und diese neueste Erfindung des Teufels, die Film heißt. Er konnte fast jeden lauen Christen in Furcht jagen. Aber daß er selbst wankelmütig genannt wurde, daß er ketzerisch und unsicher genannt wurde – auf diesen unbegreiflichen Angriff hatte er keine Erwiderung.

Er blickte den entsetzten Doktor an, er blickte zu Jim und Elmer, die offenbar über seinen Sturz aus geistiger Führerschaft bekümmert waren, und dann flüchtete er sich in einsames Gebet.

Er brachte seine Sorgen bald vor Rektor Quarles, der ihm alles völlig erklärte.

»Aber dieser Doktor hat doch die Schrift zitiert, um seinen Standpunkt zu beweisen!« blökte Eddie.

»Vergessen Sie nicht, Bruder Fislinger, daß ›der Teufel die Schrift für seine Zwecke zitieren kann‹.«

Eddie meinte, das wäre ein sehr hübscher Gedanke, und sehr hübsch ausgedrückt, und hob ihn, obwohl er nicht ganz sicher war, ob er aus der Bibel stammte zum künftigen Gebrauch in Predigten auf. Doch bevor er sich hinreichend erholt hatte, um sich Elmer vorzunehmen, waren die Weihnachtsferien gekommen.

Als Eddie gegangen war, lachte Elmer noch weit herzlicher als Jim und dessen Vater. Allerdings hatte er nicht ganz verstanden, worum sich alles drehte. Aber, freilich; Eddie hatte es ganz richtig gesagt; Kinderverdammnis war keine baptistische Lehre; sie gehörte zu irgendwelchen von den Presbyterianern, und jeder Mensch wußte, daß die Presbyterianer eine Menge komischer Glaubenslehren hatten. Aber der Doktor hatte entschieden das seinige getan, um Eddie zu zermalmen, und Elmer fühlte sich sicherer als in den letzten Tagen.

Er fühlte sich weiter sicher bis zu den Weihnachtsferien. Dann –

Irgend jemand, höchstwahrscheinlich Eddie, hatte Elmers Mutter von seiner neuen und vielversprechenden christlichen Verfassung erzählt. Er selbst hatte mit äußerster Vorsicht derartige kompromittierende Gerüchte aus den Briefen, die er allwöchentlich heimschrieb, ferngehalten. Die ganzen Ferien hindurch spürte er, daß seine Mutter sich enger an ihn drängte als sonst, daß sie darauf wartete, nach seiner Seele zu greifen, sobald er eine Schwäche zeigte. Ihr Pastor zu Hause, der Reverend Mr. Aker – in Paris als Reverend Aker bekannt – schüttelte ihm in der Kirche die Hand mit einer Zuvorkommenheit, die ebenso anklagend war wie das Wohlwollen seiner Lehrer in Terwillinger. Jims Schutz fehlte ihm, er wußte, daß jeden Moment Eddie aus seiner Nachbarstadt auftauchen und von Mrs. Gantry als Verbündeter begrüßt werden könnte – es waren Ferien, in denen es nur sehr wenig Frieden für Elmer gab. Um seinen Mut nicht sinken zu lassen, widmete er besonders ernste Aufmerksamkeit dem Kegelbillard und der Tochter eines Farmers in der Nähe. Aber er fürchtete stets, daß dies die letzten traurigen Aschentage seines ungezwungenen Lebens wären.

Es schien ein bedrohliches Zeichen zu sein, daß Eddie auf der Rückfahrt ins College im selben Zug war. Eddie hatte noch einen zweiten Vertreter der Frömmigkeit bei sich und sagte Elmer nichts von den Wonnen der Hölle, aber er und sein Gefährte kicherten heimlich mit einer Vertraulichkeit, die mehr als betrüblich war.

Jim Lefferts fand in Elmers Gesicht nicht die selbstbewußte Biederkeit und Festigkeit, die er erwartet hatte.


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