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Fünfundzwanzigstens Kapitel

1

Elmer mußte auch in Zenith mit vielen feierlichen, bärtigen Menschen zusammenkommen, deren einziges Vergnügen darin bestand, selbst nichts Angenehmes zu tun und andere davon abzuhalten, etwas Angenehmes zu tun. Aber die allgemeine Freudlosigkeit seiner Sekte war nicht ohne Ausnahmen, und er fand in der Wellspringkirche eine Clique Jungverheirateter, die nahezu so lustig waren, als gehörten sie nicht zu einer Kirche.

Obgleich diese Clique Jungverheirateter in gutem Rufe stand, obgleich die Frauen in der Sonntagsschule unterrichteten und die Gatten den Sammelteller mit eleganter Gebärde weiterreichten, wurden sie mit der Disziplin in der gleichen freundlichen Ruhe fertig, wie ein katholischer Priester sie gegenüber der neuesten blutenden Madonna übt. Sie wohnten behaglich in den neuen eleganten Häusern, die sich in die Altstadt einschlichen. Sie waren nicht reich, besaßen aber Fords, Grammophone und Gin. Sie tanzten, und waren sogar willens, in Anwesenheit des Pastors zu tanzen.

Sie witterten in Elmer einen der Ihren, und obschon Cleos Gegenwart zu unbehaglicher Korrektheit zwang, wenn er allein zu ihnen kam, riefen sie: »Los, Reverend, ich möcht' wetten, daß Sie ebenso gut das Tanzbein schwingen können wie sonst wer! Die Frau sagt, sie muß mit Ihnen tanzen! Sie müssen mit diesen Sünden der Welt bekannt werden, bevor Sie bissige Predigten halten!«

Er gab nach, und er tanzte mit nett schockierter Miene. Er war noch immer leichtfüßig, trotz seinem Gewicht, und sein Griff, wenn seine Hände sich um die Taille seiner Partnerin schlangen, hatte Elektrizität.

»Herrje, Reverend, wenn Sie nicht Prediger wären, Sie wären aber 'n Tänzer!« schmeichelten die Frauen, und trotz aller seiner Vorsicht konnte er sich nicht versagen, ihnen in die bezaubernden Augen zu blicken, das Beben ihres Busens zu bemerken und zu murmeln: »Denken Sie lieber dran, daß ich auch nur 'n Mensch bin, mein Herzchen! Wenn ich mich auslassen würde – Herrgott noch einmal!«

Und sie bewunderten ihn deshalb.

Einmal, als er ziemlich hungrig die Alkohol- und Tabakdüfte einschnupperte, kicherte der Hausherr: »Hören Sie mal, Reverend, hoffentlich riechen Sie nichts an meinem Atem – ich würde wild werden, wenn Sie dächten, daß ein guter Methodist wie ich überhaupt einen Schluck Schnaps trinken kann!«

»Es ist nicht meine Aufgabe, irgend etwas zu riechen, außer an Sonntagen«, sagte Elmer liebenswürdig, und: »Kommen Sie, Schwester Gilson, probieren wir's nochmal mit dem Foxtrott. Du Grundgütiger, Sie reden von meiner Alkoholriecherei! Denken Sie, was geschehen würde, wenn Bruder Apfelmus erfahren sollte, daß sein teurer Pastor 'n kleines Tänzchen macht! Ihr dürft mich nicht verklatschen, Herrschaften!«

»Sie können sich darauf verlassen, daß wir das nicht tun werden!« sagten sie, und nicht einmal die älteren Frömmler, die er sehr häufig besuchte, wurden lautere Anhänger des Reverend Elmer Gantry, machten besser Reklame für seine Predigten als diese Spitzbuben aus der Clique Jungverheirateter.

Es wurde ihm zur Gewohnheit, ihre Gesellschaften aufzusuchen. Es hungerte ihn nach lustigem Verkehr, und jetzt war das Zusammensein mit Cleo besonders deprimierend. Sie konnte niemals lernen, auch nicht nach zehn Versuchen an einem Tag, daß sie ihn nicht davon abhalten konnte, »Verdammt!« zu sagen, indem sie verletzt aussah und murmelte: »Aber, Elmer, wie kannst du nur?«

Er erzählte ihr wegen der Gesellschaften, daß er ausginge, um Pfarrkinder zu besuchen. Und er log auch nicht ganz. Sein Ehrgeiz bedeutete ihm jetzt mehr als die schönsten Zerstreuungen, und so oft er sich auch nach den elektrischen Klavieren und den Mädchen in rosa Kimonos sehnte, von denen er so lüstern predigte, er hielt sich mit Gewalt von ihnen fern.

Aber die netten Frauen der Jungverheirateten – besonders diese Mrs. Gilson, Beryl Gilson, ein fünfundzwanzigjähriges Mädchen, geboren zum Liebkosen. Sie hatte einen blutlosen, winselnden Mann, der immer in schwacher Heftigkeit geifernd mit ihr zankte; und sie war offenbar von Elmers zuversichtlicher Stärke gepackt. Er saß in »Koseecken« bei ihr, den Arm dicht an ihr. Doch er errang den Triumph über sich, sie nicht zu umarmen. Er war auch nicht so sicher, ob er sie gewinnen könnte. Sie war flüchtig, vernarrt auf Triumphe, aber vorsichtig, ein Stadtmädchen, das an viele Verehrer gewöhnt war. Und wenn sie sich als liebreich erweisen sollte – sie war Mitglied seiner Kirche, und schwatzhaft. Sie könnte herumgehen und Andeutungen machen.

Nach solchen Überlegungen pflegte er zu dem gastlichen T. J. Riggs zu fliehen, in dessen behaglich schlampigem Haus er ohne alle Gefahr ausspannen, von dem er Einzelheiten über die privaten Geschäftserfolge seiner philanthropischeren Beitragsspender erfahren konnte. Doch die ganze Zeit peitschten ihn die Reize Beryl Gilsons, der Gedanke an ihre taubenglatten Schultern bis zum Wahnwitz auf.

2

Er hatte sie während dieser Sonntagsvormittagspredigt im Spätherbst nicht bemerkt, er hatte sie unter den Bewunderern, die nachher zum Händeschütteln nach vorn kamen, nicht gesehen. Dann fuhr er zusammen und stieß einen heiseren Laut aus, so daß der Mann, dem er gerade die Hand drückte, glaubte, es sei ihm schlecht geworden. Elmer hatte, hinter den anderen, seine einstige aufgezwungene Braut, Lulu Bains aus Schoenheim, und ihren langen und hageren, derben, rachegierigen Vetter, Floyd Naylor, erblickt.

Sie kamen schüchtern heran, als die anderen gegangen waren, als die leutseligen Platzanweiser aufgehört hatten, sich auf Opfer zu stürzen, ihnen die Arme auszureißen und auf die Schultern zu klopfen, wie es alle Platzanweiser nach allen Kirchenandachten tun. Elmer wollte, die Platzanweiser wären zu seinem Schutz dageblieben, aber er hatte mehr Angst vor einem Skandal als vor Gewalttätigkeit. Er riß sich zusammen, fühlte, wie sich die großen Muskeln an seinem Rücken aufstellten; dann faßte er rasch einen Entschluß, sprang auf Lulu und Floyd zu und winselte: »Nanu, nanu, nanu, nanu, nanu, nanu –«

Floyd schlenkerte heran, durchaus nicht unfreundlich, und drückte ihm gewaltig die Hand. »Lulu und ich haben grad' gehört, daß Sie in der Stadt sind – wir gehen eben nicht viel in die Kirche und haben's deshalb nicht gewußt. Wir sind verheiratet!«

Während Elmer Lulu, viel zärtlicher, die Hand drückte, gab er huldvoll seinen Segen mit den Worten: »Nanu, nanu! Freut mich kolossal, das zu hören!«

»Ja, wir sind getraut worden – Herrgott, das muß jetzt vierzehn Jahre her sein – getraut worden, sehr bald nachdem wir Sie das letztemal in Schoenheim gesehen haben.«

Eine göttliche Eingebung brachte Elmer auf den Gedanken, er müsse eine Miene aufsetzen, als täte es ihm in tiefster Seele weh, an dieses unglückselige letzte Zusammensein erinnert zu werden. Er faltete seine Hände vor seinem schönen Gehrock und schaute edel, ein wenig sanft und melancholischen Auges drein … Aber, er war nicht sanft. Er machte große Augen. Er bemerkte, daß Floyd wohl noch immer so ungeschlacht wie früher aussah, Lulu aber – sie mußte jetzt drei- oder vierunddreißig Jahre alt sein – sich in der Stadt akklimatisiert hatte. Sie trug einen einfachen, fast eleganten Hut, einen guten Mantel; sie war wirklich hübsch. Ihre Augen waren angenehm mild, sehr einladend; sie lächelte noch immer vor Sehnsucht, zu allen freundlich zu sein. Wie sich nicht anders erwarten ließ, war sie rundlich geworden, aber nicht zu sehr, und ihr weißes, kleines Pfötchen war wirklich das eines Kätzchens.

Alles das konstatierte Elmer, während er verletzt, doch vergebungsvoll dreinsah, und während Floyd stammelte:

»Wissen Sie, Reverend, Sie meinen wohl, daß wir Ihnen damals an dem Abend mit dem Picknick bei Papa Bains dreckig mitgespielt haben, wie Sie zurückgekommen sind und ich Lulu 'n bißchen geherzt hab'.«

»Ja, Floyd, es hat mir ziemlich weh getan, aber – es soll vergessen und vergeben sein!«

»Nein, hören Sie, Reverend! Herrgott, 's war schwer für mich, zu Ihnen zu gehen und zu erklären, aber jetzt muß ich – Lulu und ich, wir haben nicht geliebelt. Nein, sicher nicht! Sie war nur sehr traurig, und ich hab' versucht sie zu trösten. Wirklich! Dann, wie Sie wild geworden und weggegangen sind, da ist Papa Bains die Wut gekommen – er hat sein Schießeisen rausgeholt, geflucht und einen Höllenkrach gemacht, jawohl, er ist ganz einfach fuchsteufelswild geworden und hat mir durchaus keine Gelegenheit zum Erklären geben wollen. Er sagte, ich muß Lu heiraten. ›Na‹, hab' ich gesagt, ›wenn du meinst, daß mir das schwer fällt –‹«

Floyd hörte auf zu kichern. Elmer merkte, daß Lulu ihn studierte, voll scheuer Ehrfurcht, in zitterndem Wiedererwachen ihrer Liebe.

»›Wenn du meinst, daß mir das schwer fällt‹, hab' ich gesagt, ›dann muß ich dir gleich jetzt sagen, Onkel‹, hab' ich gesagt, ›daß ich ganz verrückt danach bin, Lu zu heiraten, schon seitdem sie so groß war.‹ Na, es hat 'ne Menge Streiterei gegeben. Papa Bains hat zuerst gemeint, wir sollen in die Stadt und Ihnen alles erklären. Aber Sie waren nicht da, am nächsten Vormittag, und wie so eins zum anderen kommt, – also, wir sind hier! Und 's geht uns ganz gut. Mir gehört 'ne Garage hier draußen in dem Stadtwinkel, und wir haben 'ne nette Wohnung, und alles geht fein. Aber, wie wir gehört haben, daß Sie da sind, haben Lulu und ich so das Gefühl gehabt, wir müßten rumkommen und alles erklären. Und wir haben zwei nette Kinder, beides Jungs!«

»Wirklich, wir wollten nie – wir haben nicht!« bat Lulu.

Elmer sagte herablassend: »Selbstverständlich, ich verstehe durchaus, Schwester Lulu!« Er drückte Floyd warm, Lulu wärmer die Hand. »Und ich kann euch gar nicht sagen, wie ich mich freu', daß ihr beide so lieb und höflich gewesen seid, euch die Mühe zu nehmen, herzukommen und mir das Ganze zu erklären. Das war wirklich höflich, wo ich doch ein solcher Narr gewesen bin! Damals in der Nacht – ich hab' so unter dem gelitten, was ich für Ihre Untreue gehalten hab', daß ich geglaubt hab', ich könnte die Nacht gar nicht überleben. Aber lassen wir's! Wollen wir nie mehr davon reden? Alles ist jetzt klar und in Ordnung!« Er drückte noch einmal die Hände. »Und jetzt, wo ich euch gefunden hab', zwei alte Freunde wie euch – ich bin natürlich eigentlich noch immer ein Fremder in Zenith – werd' ich euch nicht wieder gehen lassen! Ich muß zu euch kommen und euch besuchen. Gehört ihr irgendeiner Kirchengemeinschaft hier in Zenith an?«

»Also, nein, eigentlich nicht«, sagte Floyd.

»Könnt' ich euch dazu überreden, manchmal hierher zu kommen und vielleicht zu überlegen, ob ihr später beitreten wollt?«

»Also, ich muß Ihnen sagen, Reverend, im Autogeschäft – es geht ja eigentlich gegen meine Religion, aber Sie wissen, wie das ist, im Autogeschäft haben wir am Sonntag schrecklich viel zu tun.«

»Na, vielleicht würde Lulu ab und zu gern kommen.«

»Freilich. Frauen sollen bei der Kirche bleiben, das sag' ich immer. Ich weiß nicht, wie wir hier in der Stadt aus der Gewohnheit rausgekommen sind, und wir haben immer wieder davon geredet, wieder anzufangen, aber – ach, wir sind eben nie dazugekommen, glaub' ich.«

»Ich hoffe, äh, ich hoffe, Bruder Floyd, daß unser Mißverständnis, Ihres und meines, damals an dem Abend, nichts mit Ihrer Entfremdung von der Kirche zu tun hat! Oh, das wäre ein Jammer! Ja. So ein Jammer! Aber ich könnte vielleicht – Verständnis dafür haben.« (Er sah, daß Lulu sich nicht eine einzige seiner süßen und gewundenen Phrasen entgehen ließ; so ganz anders als Floyd in seiner ländlichen Derbheit. Sie war wirklich hübsch. Gerade rundlich genug. Cleo würde ein dickes altes Weib werden, fürchtete er, und nicht hübsch. Lulu hätt' er nicht heiraten können. Nein. Er hatte recht gehabt. Kleinstädtisch. Aber schrecklich nett zum Tätscheln!) »Ja, ich könnt's begreifen, wenn Sie beleidigt gewesen wären, Floyd. Was für ein junger Esel war ich doch, auch wenn ich Prediger war, nicht – die Situation nicht richtig zu sehen. Wirklich, Sie sind's, Floyd, der mir wegen meiner Schafsköpfigkeit verzeihen muß!«

Dämlich knurrte Floyd: »Na ja, ich hab' wirklich gemeint, daß Sie bißchen zu schnell waren, und da bin ich bißchen bös geworden. Aber jetzt ist's ja egal.«

Sehr interessiert fragte Elmer Floyd: »Und ganz bestimmt war Lulu noch böser auf mich wegen meiner Dummheit!«

»Nein, weiß Gott, sie hat mich nie auch nur ein Wort gegen Sie sagen lassen, Reverend! Ha, ha, ha! Sehen Sie sie mal an! Weiß Gott, ob sie nicht rot wird! Ja, das ist wieder mal 'n guter Spaß mit ihr!«

Elmer sah aufmerksam hin.

»Also, ich bin froh, daß jetzt alles erklärt ist«, sagte er salbungsvoll. »Und nun, Schwester Lulu, muß ich Ihnen alles von unserer schönen Kirche hier erzählen, und von dem herrlichen Werk, an dem wir arbeiten. Ich weiß, daß Sie mit zwei Kindern – zwei, nicht wahr? – herrlich! – mit denen und einem prächtigen Gatten, die alle versorgt sein wollen, ziemlich viel zu tun haben, aber vielleicht könnten Sie Zeit finden, in einer Sonntagsschulklasse zu unterrichten, oder vielleicht würden Sie zumindesten gern das eine oder andere Mal zu unseren netten Kirchensoupers am Dienstag kommen. Ich werd' Ihnen von unserer Arbeit erzählen, und Sie können's dann mit Floyd besprechen und sehen, was er davon hält. Um welche Zeit kann man denn am besten zu Ihnen kommen, und wie ist die Adresse, Lulu? Wie, äh, wie wär's mit morgen nachmittag, so gegen drei Uhr? Ich wollte, ich könnt' kommen, wenn Floyd da ist, aber meine Abende sind alle so fürchterlich in Anspruch genommen.«

Am nächsten Nachmittag betrat der Reverend Elmer Gantry fünf Minuten vor drei das billige, einfache Miethaus, in dem Floyd und Mrs. Naylor wohnten, räumte ungeduldig mit einem Fußtritt einen Kinderwagen aus dem Weg, keuchte ein wenig, während er die Treppen hinaufstieg, und wurde rot, als er Lulu erblickte, die ihm öffnete.

»Ganz allein?« fragte er – fast flüsterte er.

Ihre Augen senkten sich vor den seinen. »Ja. Die Buben sind in der Schule.«

»Ach, das ist zu ärgerlich! Ich hatte gehofft, sie zu sehen.« Als die Tür sich schloß, als sie im Vorzimmer standen, brach er los: »Ach, Lulu, mein Liebling, ich dachte schon, ich hätte dich für immer verloren, und jetzt hab' ich dich wieder! Oh, verzeih' mir, daß ich so spreche! Das hätt' ich nicht tun sollen! Verzeih mir! Aber wenn du wüßtest, wie ich an dich gedacht, von dir geträumt, auf dich gewartet hab' in all diesen Jahren – Nein. Ich darf nicht so reden. Es ist sündhaft. Aber wir werden Freunde sein, nicht wahr, liebe, vertrauende, zärtliche Freunde … Floyd und du und ich?«

»Ach ja!« keuchte sie, als sie ihn in das schäbige Wohnzimmer mit den dreimal gestrichenen Schaukelstühlen aus Rohr führte, mit dem Divan, auf dem ein gestrickter Schal lag, mit seinen Warenhausfarbdrucken – Stilleben und Versailles.

Sie standen im Wohnzimmer und erinnerten sich einer des anderen. Er murmelte heiser: »Liebe, es wär doch nicht unrecht für dich, wenn du mich küssen würdest? Nur einmal? Wär es unrecht? Damit ich weiß, daß du mir wirklich verzeihst? Weißt du, jetzt sind wir wie Bruder und Schwester.«

Sie küßte ihn, scheu, ängstlich, und rief: »Ach, mein Liebling, es ist so lang gewesen!« Ihre Arme schlangen sich um seinen Hals, unwiderstehlich, keinen Widerstand findend.

Als die Kinder aus der Schule kamen und von unten klingelten, war das romantische Paar übertrieben herzlich zu ihnen. Als die Kinder weggegangen waren, um zu spielen, rief sie außer sich: »Ach, ich weiß, daß es ein Unrecht ist, aber ich hab' dich immer so geliebt!«

Er fragte interessiert: »Kommst du dir schlechter vor, weil ich Geistlicher bin?«

»Nein, ich bin stolz darauf! So als ob du anders wärst als andere Menschen, – als ob du irgendwie Gott näher wärst. Ich bin stolz darauf, daß du Prediger bist! Jede Frau wär's! Es ist – du weißt. Anders!«

Er küßte sie. »Ach, du Liebe!« sagte er.

3

Sie mußten vorsichtig sein. Elmer verspürte herzlich wenig Sehnsucht danach, daß Floyd Naylor mit seinen schwieligen Händen eines Nachmittags heimkäme und ihn bei Lulu fände.

Wie viele berühmte Liebende in vielen Zeitaltern, fanden sie Zuflucht in der Kirche. Lulu war eine bewunderungswürdige Köchin, und obgleich sie in ihrem neuen Leben in Zenith nie nach so großstädtischen Gelegenheiten, wie Vorträgen, Konzerten oder literarischen Clubs gegriffen hatte, war sie durch irgendeinen dunklen Ehrgeiz, irgendeine Vorstellung von eigener Tätigkeit angeregt worden, eine Kochschule zu besuchen und Salate, Kuchen und Sandwiches bereiten zu lernen. Elmer war in der Lage, ihr für die Dienstagabende einen Kochkurs in Wellspring einzurichten und sogar von den Kuratoren ein Gehalt von fünf Dollar wöchentlich zu erreichen.

Der Kochkurs war um zehn Uhr aus. Um diese Zeit war der übrige Teil der Kirche geräumt, und Elmer hatte bestimmt, daß der Dienstagabend die richtige Zeit zum Lesen in seiner Kirchenkanzlei sei.

Cleo hatte in der Kirche allerhand zu tun – Clubs, Epworthliga, Handarbeiten – aber nichts am Dienstagabend.

Bevor Lulu tastend durch das stille Kirchensouterrain, durch den dunklen, muffigen Korridor kam, bevor sie schüchtern an seiner Tür klopfte, ging er auf und ab, und wenn er seine Arme ausbreitete, flog sie besinnungslos hinein.

Er hatte eine neue Befriedigung.

»Ich bin wirklich kein schlechter Kerl. Ich lauf' nicht den Weibern nach – ach, die dumme Person im Hotel zählt nicht – jetzt, wo ich Lulu hab'. Cleo war nie richtig mit mir verheiratet; sie kommt nicht in Frage. Ich bin gern gut. Wenn ich nur mit jemand wie Sharon verheiratet wär'! Ach Gott! Sharon! Bin ich ihr untreu? Nein! Liebe Lulu, süßes Ding, ihr bin ich auch was schuldig. Ob ich mir's einrichten könnte, sie am Sonnabend zu sehen –«

Er hatte eine neue Befriedigung und brisanten Erfolg.


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